Österreichische Datenschutzbehörde: Löschung von personenbezogenen Daten ist auch durch Anonymisierung möglich

Die Österreichische Datenschutzbehörde (DSB) hat mit Bescheid vom 5.12.2018 (DSB-D123.270/0009-DSB/2018) eine äußerst relevante Praxisfrage für die Anwendung der DSGVO entschieden. Genügt für eine Löschung von personenbezogenen Daten (und damit der Erfüllung des Löschungsanspruchs eines Betroffenen nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO), dass diese Daten anonymisiert werden? Die Einschätzung der DSB: die Anonymisierung von personenbezogenen Daten kann grundsätzlich ein mögliches Mittel zur Löschung im Sinne der DSGVO sein.

Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um die Beschwerde einer betroffenen Person, die gegenüber einem Unternehmen (mit dem ursprünglich auch vertragliche Beziehungen bestanden) einen Antrag auf Löschung all ihrer Daten gestellt hatte. Die Beschwerdegegnerin hat die vollständige Löschung seiner Daten jedoch verweigert. In dem Fall ging es zudem noch um eine zunächst nicht eindeutig durchführbare Identifizierung des Beschwerdeführers. Nachdem diese bei dem Unternehmen intern jedoch vollzogen war, hat es die dem Beschwerdeführer eindeutig zuordenbaren Daten entweder sofort gelöscht, oder „DSGVO-konform anonymisiert“.

Besonders relevant war vorliegend die durch das Unternehmen an die DSB übermittelte Information, wie es die Anonymisierung vornimmt. Diese erfolgte in Umsetzung folgender kombinierter Schritte aus Löschung und Anonymisierung:

  • Löschung des Vertragsangebots: Sowohl die Kundenanfrage als auch das Angebot, das aufgrund der Onlineangaben des Kunden vom Kundenmanagementsystem erstellt worden wären, wären gelöscht worden.
  • Löschung aller elektronischer Kontakte (E-Mail-Adresse, Telefonnummer, etc.) des Kunden.
  • Änderung der Person (Name, Vorname, Adresse): Sowohl Name, als auch Adresse seien durch eine anonyme, nicht zuordenbare Person (Max Mustermann) mit identem Geschlecht und Geburtsdatum unwiderruflich manuell überschrieben worden.
  • Die nun inhaltsleere Kundenverbindung sei nur mehr Max Mustermann zugeordnet.
  • Der mit einer Kundenverbindung automatisch gestartete interne Ablauf sei sofort gestoppt worden.
  • Zusammenlegung der zu löschenden Person auf die neue anonyme Person zur Sicherstellung, dass die Überschreibung auch technisch nachhaltig verankert sei.
  • Löschen des Kunden im Elektronischen Akt (Historie).

Durch die Umsetzung all dieser beschriebenen Schritte sei eine faktische Anonymisierung der ursprünglichen Kundenverbindung durch das Überschreiben mit einer „Dummy Kundenverbindung“ herbeigeführt worden.

Auf Nachfrage der DSB ergänzte das Unternehmen, dass des Weiteren keine personenbezogenen Daten in den Logdaten gespeichert werden, da die Identifikation ausschließlich über Kennzahlen („ID´s“) erfolge. Dort wäre die Verknüpfung aber irreversibel entfernt worden. Eine Wiederherstellung oder Rekonstruktion der Daten auch aus den Logdaten sei nicht möglich.

Entscheidung der DSB

Zutreffend verweist die DSB einleitend darauf, dass der verbindliche Teil der DSGVO den Begriff der „Anonymisierung“ nicht kennt. Nur in ErwG 26 DSGVO wird dieser erwähnt (jedoch nicht definiert) und festgehalten, dass die DSGVO keine Anwendung auf anonymisierte Daten findet, worunter Informationen verstanden werden, „die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, oder personenbezogene Daten, die in einer Weise anonymisiert worden sind, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann“.

Danach befasst sich die DSB mit der Definition des Begriffs der „Verarbeitung“ (Art. 4 Nr. 2 DSGVO), in dem jedoch keine Definition des Begriffs „Löschung von personenbezogenen Daten“ (wie er in Art. 17 Abs. 1 DSGVO) verwendet wird, zu finden ist.

Nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO sind aber nach Ansicht der DSB das Löschen und die Vernichtung als alternative Formen der Verarbeitung angeführt („das Löschen oder die Vernichtung“), die nicht zwingend deckungsgleich sind.

Daraus erhellt, dass eine Löschung nicht zwingend eine endgültige Vernichtung voraussetzt.

Diese Klarstellung der DSB ist bereits die erste wichtige Aussage des Bescheids. Löschung bedeutet nicht, dass Daten faktisch vernichtet werden müssen.

Nach Ansicht der DSB steht dem Verantwortlichen hinsichtlich der Mittel (also der vorgenommenen Art und Weise der Löschung) ein Auswahlermessen zu (hierzu verweist die DSB auch umfangreich auf Kommentarliteratur).

Die Entfernung des Personenbezugs („Anonymisierung“) von personenbezogenen Daten kann somit grundsätzlich ein mögliches Mittel zur Löschung iSv Art. 4 Z 2 iVm Art. 17 Abs. 1 DSGVO sein.

Jedoch verlangt die DSB, meines Erachtens zurecht, dass sichergestellt sein muss, dass weder der Verantwortliche selbst, noch ein Dritter ohne unverhältnismäßigen Aufwand einen Personenbezug wiederherstellen kann. Wann ein solcher unverhältnismäßiger Aufwand anzunehmen sein wird, ist natürlich am Ende stets eine Einzelfallfrage. Nur wenn der Verantwortliche die Daten im Ergebnis auf einer Ebene aggregiert, sodass keine Einzelereignisse mehr identifizierbar sind, kann nach Ansicht der DSB der entstandene Datenbestand als anonym (also ohne Personenbezug) bezeichnet werden (hierzu verweist die DSB auch auf die Stellungnahme 5/2014 der ehemaligen Art. 29-Datenschutzgruppe).

Im vorliegenden Fall hat das Unternehmen die personenbezogenen Daten nach Ansicht der DSB

„teils vernichtet (also ohne „Hinterlassen“ von anonymisierten Daten), teils durch Entfernung des Personenbezugs zum Beschwerdeführer „gelöscht“.

Diese Kombination aus Vernichtung und Entfernung des Personenbezugs (auch durch Ersetzen mit Dummy Daten) ist nach Auffassung der DSB ausreichend, um eine Löschung iSd DSGVO annehmen zu können.

Die DSB verweist abschließend auf einen weiteren wichtigen Aspekt: hypothetische Verläufe, insbesondere die Weiterentwicklung der Technologie, müssen an dem Ergebnis nichts ändern. Der Beschwerdeführer führte an, dass „die Daten zu einem späteren Zeitpunkt „de-anonymisiert werden könnten“. Nach Ansicht der DSB liegt eine Löschung dann vor, wenn die Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten einer betroffenen Person nicht mehr möglich ist.

Dass sich zu irgendeinem Zeitpunkt eine Rekonstruktion (etwa unter Verwendung neuer technischer Hilfsmittel) als möglich erweist, macht die „Löschung durch Unkenntlichmachung“ nicht unzureichend. Eine völlige Irreversibilität ist daher – unabhängig vom verwendeten Mittel zur Löschung – nicht notwendig.

Die DSB beurteilt die Frage, wann Daten iSd DSGVO gelöscht sind, mithin aus dem Blickwinkel des zu erzielenden Ergebnisses. Die Verarbeitung personenbezogener Daten darf nicht mehr möglich sein. Auf welchem Wege und vor allem mit welchen Mitteln ein Verantwortlicher zu diesem Ergebnis gelangt, ist in der DSGVO gerade nicht vorgegeben und daher durch den Verantwortlichen individuell umsetzbar. Aus Sicht der Praxis dürfte diese Entscheidung zum Begriff des „Löschens“ in der DSGVO besondere Relevanz besitzen.

Bundesverwaltungsgericht entscheidet zu Öffnungsklauseln: Übermittlungsvorschrift im Bayerischen Datenschutzgesetz ist mit der DSGVO unvereinbar

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 27. September 2018 (BVerwG 7 C 5.17) entschieden, dass der Übermittlungstatbestand des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayDSG gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt. Daneben trifft das Gericht einige relevante Äußerungen zum Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Ausfüllung der Öffnungsklauseln in Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO sowie zum Erlaubnistatbestand der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.

Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um die Aufklärung der sog. „Verwandtenaffäre“ des Bayerischen Landtags. Ein Journalist bei einer Tageszeitung machte einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber dem Landtagsamt des Freistaates Bayern geltend. Ursprünglich lehnte die Präsidentin des Bayerischen Landtags den Antrag des Klägers ab. Zuletzt wies auch der VGH Bayern die Klage ab. Unter anderem ging es bei der Ablehnung des Auskunftsanspruchs auch um die Daten von Dritten (der Ehefrau eines Landtagsabgeordneten) und der Frage, ob eine Herausgabe ihrer Daten als auch der personenbezogenen Daten des Landtagsabgeordneten selbst dem Anspruch entgegestünden. Hiergegen wendete sich der Journalist vor dem BVerwG.

Entscheidung

Nach Art. 4 des Bayerischen Pressegesetzes (BayPrG) hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.

Das BVerwG fußt seine Entscheidung darauf, dass die Auslegung und Anwendung von Art. 4 BayPrG durch den VGH Bayern nicht mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist.

Die in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG erwähnten Verschwiegenheitspflichten können sich aus Grundrechten Dritter (zB dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung) ergeben. In diesem Fall muss eine Abwägung des verfassungsrechtlich geschützten Interesses der Presse mit dem Interesse der Betroffenen vorgenommen werden. Das BVerwG verweist hierzu auch auf den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch. Zudem muss sich der mit der Weitergabe personenbezogener Daten verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auf eine bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage stützen, die insbesondere den Anforderungen an die Normenklarheit genügt.

Der VGH Bayern prüfte die Weitergabe jedoch nur anhand der Offenbarungspflichten nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Bayerischen Landtags (Bayerisches Abgeordnetengesetz). Dies kritisiert das BVerwG mit der Begründung, dass die diesem Vorgehen zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass damit die Offenlegung mandatsbezogener Informationen grundsätzlich abschließend geregelt werde, und der daraus folgende absolute Schutz der von diesen Vorschriften nicht erfassten Informationen, die Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfehlt. Mit dieser einschränkenden Rechtsauffassung verschließe sich der VGH

„der Heranziehung weiterer Rechtsvorschriften, die den Anforderungen für einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht genügen und deswegen Grundlage einer umfassenden Abwägung sein können“.

Zwar existiere eine solche weitere Vorschrift weder allein im presserechtlichen Normbestand (1), noch in Gestalt einer eigenständigen Rechtsgrundlage in den datenschutzrechtlichen Bestimmungen (2). Die presserechtliche Anspruchsgrundlage ist jedoch nach Ansicht des BVerwG insoweit um datenschutzrechtliche Vorgaben zu ergänzen (3).

(1)

Das BVerwG erachtet Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayPrG allein für unzureichend, da schutzwürdige Interessen der betroffenen Dritten nicht einmal erwähnt werden.

(2)

Auch eine eigenständige datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage existiert nicht. Das BVerwG prüft diesbezüglich den in Betracht kommenden Erlaubnistatbestand nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG, in der Fassung vom 15.5.2018, also in Umsetzung der DSGVO).

Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayDSG ist eine Übermittlung personenbezogener Daten zulässig, wenn der Empfänger eine nicht öffentliche Stelle ist, diese Stelle ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat; dies gilt auch, soweit die Daten zu anderen Zwecken als denjenigen, zu denen sie erhoben wurden, übermittelt werden.

Diese Vorschrift, die an den Vorgaben der DSGVO zu messen ist, ist nach Ansicht des BVerwG allerdings keine taugliche Rechtsgrundlage.

„Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ist mit der Datenschutz-Grundverordnung nicht vereinbar“.

Zunächst stellt das BVerwG klar, dass die DSGVO gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar gilt und grundsätzlich weder auf eine Umsetzung angewiesen, noch dies überhaupt zulässig ist. Auch eine Normwiederholung im nationalen Recht ist dem Grunde nach ausgeschlossen. Nur im Rahmen ausdrücklicher Ermächtigungen können ihre Regelungen vom nationalen Gesetzgeber spezifiziert, präzisiert und konkretisiert werden.

Der bayerische Landesgesetzgeber benennt als Grundlage für Art. 5 BayDSG die Art. 6 Abs. 2 bis 4 DSGVO, „soweit dem nationalen Gesetzgeber darin Regelungsspielräume eingeräumt werden“. Der Landesgesetzgeber stützt sich also auf die Öffnungsklauseln der DSGVO. Genau diesen Regelungsspielraum sieht das BVerwG aber für Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayDSG als nicht gegeben.

Zum einen kann Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayDSG auf die Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO schon deswegen nicht gestützt werden,

weil danach nur eine Konkretisierung der Regelungen von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und e DS-GVO erlaubt ist, während die landesrechtliche Bestimmung an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO anknüpft“.

Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayDSG enthält eine Interessenabwägung nach dem Vorbild des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gilt jedoch, nach Unterabs. 2, gerade nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung. Hierzu gehören nach Ansicht des BVerwG sowohl „eigennützige“ als auch „fremdnützige“ Aufgaben.

Erfasst sind

„die durch Gesetz übertragenen Aufgaben im Rahmen der Eingriffs- und Leistungsverwaltung. Damit fällt jegliche Datenverarbeitung in Erfüllung hoheitlicher Funktionen, wozu auch die Beantwortung von Presseanfragen zählt, unter den Ausschlusstatbestand und ist den Erlaubnistatbeständen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und e DS-GVO zuzuordnen“.

Der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ist nach dem BVerwG nur einschlägig, wenn die Behörde als Teilnehmer im Privatrechtsverkehr auftritt.

Zum anderen ermöglicht auch Art. 6 Abs. 4 DSGVO dem nationalen Gesetzgeber nicht,

„den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO hinsichtlich seines persönlichen Geltungsbereichs zu erweitern“.

Art. 6 Abs. 4 DSGVO ist keine neben Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO stehende übergreifende Öffnungsklausel. Nach Auffassung des BVerwG bezieht er sich vielmehr allein auf die Zweckänderungsbefugnis im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO zulässigen Datenverarbeitung.

(3)

Zwar existiere somit für die Datenweitergabe an eine private Stelle keine eigenständige Rechtsgrundlage im Rahmen eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs.

Jedoch, so das BVerwG, kann Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO

„zur inhaltlichen Ausfüllung und Konkretisierung dieses Anspruchs herangezogen werden, der dann den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts für einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügt“.

Zwar sei Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO auf behördliche Tätigkeiten nicht anwendbar, weil die Übermittlung von personenbezogenen Daten in den privaten Bereich einer ausdrücklichen gesetzlichen Entscheidung bedarf. Jedoch, so das BVerwG, können die materiellen Anforderungen zur gebotenen inhaltlichen Ausformung der Datenverarbeitung, wie sie in Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorgegeben sind, bei der Anwendung und Auslegung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs berücksichtigt werden, wenn der Gesetzgeber, wie hier, gesetzlich zumindest im Grunde vorgesehen hat, dass entsprechende Drittinteressen vor einer Weitergabe zu berücksichtigen sind bzw. ganz allgemein eine gesetzliche Erlaubnis für die Weitergabe vorgesehen ist. Nach Ansicht des BVerwG ist dies hier der Fall. Das BVerwG begründet diese Folgerung nicht näher, scheint aber davon ausgehen, dass in Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayPrG dem Grunde nach eine gesetzliche Erlaubnis für die Weitergabe vorgesehen ist, die jedoch inhaltlich um die materiellen datenschutzrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zu ergänzen ist. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO muss folglich in die Anforderungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG hineingelesen werden.

Interessenabwägung

Danach befasst sich das BVerwG mit der Interessenabwägung. Diese fällt zugunsten des Auskunftsanspruchs des Journalisten aus.

Allgemein relevant für die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ist zudem noch der Hinweis des BVerwG, dass das Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu verstehen ist.

„Im Übrigen findet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO seinen Niederschlag in der Regelung, dass die Datenübermittlung erforderlich sein muss“.

Fazit

Besonders relevant an dieser Entscheidung ist meines Erachtens die Feststellung des BVerwG zu der Unvereinbarkeit einer nationalen Regelung mit der DSGVO, wenn diese Regelung einen Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen im Rahmen der Ausübung ihrer Aufgaben darstellen soll, dabei aber auf den Erlaubnistatbestand der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO rekurriert. Eine solche Vorschrift kann nicht auf die Öffnungsklauseln der Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO gestützt werden. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayDSG dürfte hier exemplarisch für viele weitere Erlaubnistatbestände sowohl im BDSG als auch Landesdatenschutzgesetzen stehen. Ausdrücklich verweist das BVerwG etwa in seiner Begründung auf § 25 Abs 2 Nr. 2 BDSG, der damit wohl auch als europarechtswidrig anzusehen wäre. Zuletzt ist aber darauf hinzuweisen, dass eine Europarechtswidrigkeit von nationalen Vorschriften verbindlich nur durch den EuGH festgestellt werden kann.

ePrivacy Verordnung: Bundesregierung sieht weiteren Beratungsbedarf

Die Verhandlungen zur ePrivacy Verordnung dauern weiter an. Da Ende Mai 2019 in ganz Europa die Wahlen für ein neues Europäisches Parlament anstehen, wird man damit rechnen müssen, dass vor diesen Wahlen eine finale Verabschiedung der ePrivacy Verordnung (inkl. eines Trilogs zwischen Kommission, Parlament und Rat) schwierig wird.

Auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag („Verhandlungen über den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation (ePrivacy-Reform)“) hat die Bundesregierung am 21.12.2018 einige Informationen zum aktuellen Stand der Verhandlungen zur ePrivacy Verordnung und dem möglichen weiteren Ablauf gegeben (BT Drs. 19/6709, 21.12.2018, pdf).

Zum Zeithorizont äußert die Bundesregierung, dass sie grundsätzlich einen zeitnahen Abschluss der Verhandlungen anstrebt. Jedoch teilt sie auch mit, dass sie sich im Minterrat dafür ausgesprochen hat,

dass bestimmte Anliegen zunächst weiter beraten werden sollen, bevor über Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament entschieden wird“.

Die Bundesregierung sieht folglich allgemein noch Beratungsbedarf. Wann die Verhandlungen im Rat aus ihrer Sicht abgeschlossen sein (oder werden) können, teilt sie nicht mit. Jedoch weißt die Bundesregierung noch darauf hin, dass derzeit eine Übergangsfrist von zwei Jahren für die ePrivacy Verordnung vorgesehen ist, die die Bundesregierung auch gefordert habe. Wenn es also tatsächlich im Laufe des Jahres 2019 zu einer Einigung zwischen Kommission, Parlament und Rat kommen sollte, dürfte die Anwendbarkeit der ePrivacy Verordnung wohl nicht vor 2021 zu erwarten sein.

Drei noch umstrittene Regelungsbereiche liegen nach Aussage der Bundesregierung in der Frage der zulässigen Verarbeitung von Metadaten ohne Einwilligung des betroffenen Endnutzers zu wirtschaftlichen Zwecken des Anbieters sowie in den Regelungen zum Schutz der Endgeräte. Also die Vorgaben zum Einsatz von Cookies auf Endgeräten oder dem Zugriff auf im Endgerät vorhandene Informationen. Einen weiteren wesentlichen Konfliktpunkt stellt wohl auch der Anwendungsbereich der ePrivacy Verordnung und das Verhältnis als Spezialgesetzgebung zur DSGVO dar.

Die Bundesregierung benennt zudem noch folgende Themen mit Diskussionsbedarf:

  • Bekämpfung der Kinderpornografie und des Missbrauchs von Kindern in den Netzen
  • Bestimmungen zum Schutz der Endeinrichtungen
  • Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre in Browsersoftware
  • Aufsicht

Konkret zu dem Thema „Tracking Walls“ befragt, bekräftigt die Bundesregierung ihre bereits in der Vergangenheit geäußerte Ansicht,

dass werbefinanzierte Onlinedienste die Möglichkeit haben sollten, die Nutzung solcher Dienste von der Einwilligung in Cookies für Werbezwecke abhängig zu machen“.

Insgesamt deuten die Antworten der Bundesregierung darauf hin, dass es zum einen in wesentlichen Punkten noch Diskussionsbedarf zwischen den Mitgliedstaaten gibt und zum anderen ein rascher Abschluss der Verhandlungen (also etwa im ersten Halbjahr 2019) insgesamt wohl nicht zu erwarten ist.

Österreichische Datenschutzbehörde: Beschwerdeverfahren nach der DSGVO nur in der amtlichen Landessprache

Mit Entscheidung vom 21.09.2018 hat die Datenschutzbehörde in Österreich (DSB) die Beschwerde einer Person nach Art. 77 DSGVO zurückgewiesen, die sich nur auf Englisch über ein österreichisches Unternehmen per E-Mail bei der DSB beschwerte.

Zunächst brachte der Beschwerdeführer seine erste Eingabe in englischer Sprache per E-Mail an die DSB ein. Aus dem Inhalt der Eingabe vermutete die DSB, dass der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen eine in Wien niedergelassene Gesellschaft wegen einer Verletzung des Rechts auf Löschung (Art. 17 DSGVO) beabsichtigte.

Nach Aufforderung durch die DSB, die Beschwerde nachzubessern, verwies der Beschwerdeführer auf Artikel und Erwägungsgründe der deutschen Fassung der DSGVO, die Beschwerde selbst war jedoch erneut in englischer Sprache verfasst.

Die DSB verwies zur Begründung ihrer Aufforderung zur Nachbesserung des Antrags des Beschwerdeführers u.a. auf Art. 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG). Danach ist die deutsche Sprache als verfassungsmäßige Amtssprache der Republik in allen Eingaben bei österreichischen Behörden zwingend zu verwenden.

An dieser Auslegung ändere auch die DSGVO und insbesondere der hier relevante Art. 77 DSGVO zum Beschwerderecht betroffener Personen nichts.

Nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO hat jede betroffene Person

unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt“.

Nach Ansicht der DSB hat auf dieser Grundlage eine betroffene Person bei Geltendmachung ihrer Rechte im Verwaltungsrechtsweg die internationale Wahl zwischen mehreren Aufsichtsbehörden im Gebiet der Europäischen Union hat, nämlich jener des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der betroffenen Person, ihres Arbeitsplatzes oder des Ortes des mutmaßlichen Verstoßes.

Vorliegend könnte Zuständigkeit der österreichischen Aufsichtsbehörde begründet gewesen sein, da die Beschwerdegegnerin in Wien niedergelassen war.

Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass ein Verfahren vor der Datenschutzbehörde durch eine Partei verfahrensrechtlich in einer anderen Sprache als der verfassungsmäßigen Amtssprache beantragt und geführt werden darf. Vielmehr sollen die alternativen Einbringungsbehörden einer betroffenen Person die Möglichkeit eröffnen, sich an eine geografisch näher gelegene Aufsichtsbehörde zu wenden, deren Amtssprache ihr geläufig ist.“

Aus diesem Grund wurde die Beschwerde hier zurückgewiesen. Die DSB verwies in ihrer Antwort an den Beschwerdeführer auch auf die Möglichkeit, dass dieser sich an die zuständige Aufsichtsbehörde an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort oder Arbeitsplatz im Gebiet der Europäischen Union wenden kann.

Auch in Deutschland kennen wir für die Kommunikation durch und gegenüber Behörden eine ähnliche Vorgabe, wie jene in Österreich, wenn auch nicht mit Verfassungsrang. Nach § 23 Abs. 1 VwVfG ist Amtssprache deutsch. Jedoch darf auch eine deutsche Behörde einen fremdsprachigen Antrag nicht einfach ignorieren (vgl. § 23 Abs. 2-4 VwVfG).

Datenschutzbehörde NRW: Kommunikation per E-Mail bedarf mindestens der Transport-Verschlüsselung

Die DSGVO enthält keine speziellen Vorgaben zu den technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten, die per E-Mail versendet werden. Art. 32 Abs. 1 DSGVO gibt allgemein vor:

Unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen treffen der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten“.

Beispielhaft („unter anderem Folgendes“) benennt Art. 32 Abs. 1 DSGVO in lit. a) auch die Verschlüsselung personenbezogener Daten. Eine unbedingte Pflicht, personenbezogene Daten stets nur verschlüsselt zu übermitteln, enthält die DSGVO aber nicht. In der Praxis ist die Frage, ob und wenn ja wann und in welcher Form Daten verschlüsselt übertragen werden sollten, ein Dauerbrenner.

Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LfDI NRW) hat Ende 2018 ihre Position zu den technischen Anforderungen an technische und organisatorische Maßnahmen beim E-Mail-Versand veröffentlicht.

Nach Ansicht der LfDI NRW ist bei der Übermittlung von E-Mails grundsätzlich zwischen einer Verschlüsselung auf Inhaltsebene und einer Verschlüsselung auf Transportebene zu unterscheiden. Bei der Verschlüsselung auf Inhaltsebene werden Texte einer E-Mail sowie von Anhängen verschlüsselt. Hierbei kommen nach der Behörde in erster Linie die Standards S/MIME und OpenPGP infrage. Metadaten werden von der Inhaltsverschlüsselung jedoch nicht erfasst. Bei der Verschlüsselung auf Transportebene werden sowohl Meta- als auch Inhaltsdaten auf der Verbindung zwischen Mail-Client und Server bzw. zwischen verschiedenen Mail-Servern verschlüsselt.

Danach stellt die LfDI NRW ihre Positionen dar, die „bei der Wahl der technischen und organisatorischen Maßnahmen“ zugrunde zu legen seien.

Die Kommunikation per E-Mail bedarf mindestens der Transport-Verschlüsselung, wie sie von den namhaften europäischen Providern standardmäßig angeboten wird“.

Die LfDI NRW geht also davon aus, dass ausnahmslos immer mindestens eine Transport-Verschlüsselung umzusetzen ist. Wie oben erwähnt, ergibt sich eine solche zwingende Verschlüsselungspflicht nicht aus der DSGVO. Man könnte daher argumentieren, dass diese Auffassung über die Anforderungen der DSGVO hinausgeht. Eventuell geht die Behörde bei ihrer Beurteilung davon aus, dass die Transportverschlüsslung mittlerweile der in Art. 32 Abs. 1 DSGVO erwähnte „Stand der Technik“ ist. Hierfür könnte der Verweis auf die europäischen Provider sprechen. Dennoch sieht Art. 32 Abs. 1 DSGVO, neben dem Merkmal „Stand der Technik“, noch weitere Kriterien vor, die bei der Frage der umzusetzenden Maßnahmen berücksichtigt werden müssen, so insbesondere die Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen. Verantwortliche und Auftragsverarbeiter müssten also nach der DSGVO immer noch die Möglichkeit haben, anhand dieser Merkmale zu beurteilen, ob eine Verschlüsselung der Daten zwingend erforderlich ist. Die Ansicht der Behörde geht auf die einzelnen, in Art. 32 Abs. 1 DSGVO genannten Kriterien leider nicht näher ein und begründet ihre Auffassung nicht. Würde man die Ansicht der LfDI NRW in der Praxis ernst nehmen, würde dies nicht nur für größere Unternehmen, sondern auch für Vereine, Handwerksbetriebe oder kleine Unternehmen bedeuten, dass diese E-Mails nur mit einer Transportverschlüsselung versenden dürfen.

Hinsichtlich der Art der Transportverschlüsselung ist die LfDI NRW der Auffassung, dass diese entsprechend der Technischen Richtlinie „BSI TR-03108 Sicherer E-Mail-Transport“ implementiert werden sollte. Abweichungen können aber möglich sein.

Sollen per E-Mail „besonders schützenswerte Daten“ übermittelt werden, verlangt die LfDI NRW verständlicherweise höhere Anforderungen. Die Behörde versteht unter diesen Daten z.B. „Kontobewegungsdaten, Finanzierungsdaten, Daten zum Gesundheitszustand, Mandantendaten von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Beschäftigtendaten“. Eine alleinige Transportverschlüsselung sei dann möglicherweise nicht ausreichend. Die Behörde bezieht sich hierbei anscheinend auch auf die in Art. 9 Abs. 1 DSGVO erwähnten „besonderen Kategorien personenbezogener Daten“.

Interessant an der Aufzählung der LfDI NRW ist aber etwa das Beispiel der „Beschäftigtendaten“. Hierunter könnten dem Grunde nach bereits der Name und Vorname eines Beschäftigten fallen, ohne das weitere schützenswerte Daten betroffen sein müssen. In einem solchen Fall noch umfassendere Maßnahmen als eine Transportverschlüsselung zur fordern, erscheint jedoch dem Gründe nach nicht begründbar. So sieht etwa § 26 Abs. 3 BDSG iVm § 22 Abs. 2 BDSG auch nur bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten von Beschäftigten die Pflicht vor, „angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorzusehen“.

Zuletzt ist noch darauf hinzuweisen, dass die LfDI NRW der Auffassung ist, dass der Betreff der E-Mail keine personenbezogenen Daten enthalten sollte.

Die LfDI NRW informiert darüber, dass die Datenschutzkonferenz derzeit Empfehlungen zur datenschutzkonformen E-Mail-Kommunikation erarbeitet.

Aktueller Stand der ePrivacy Verordnung – Orientierungsaussprache der Minister am 4.12.2018

In einem aktuellen Dokument aus dem Rat der Europäischen Union vom 23.11.2018 geht hervor, wie sich derzeit die Verhandlungen zum Entwurf der ePrivacy Verordnung darstellen und welche Themen zwischen den Mitgliedstaaten noch Diskussionspunkte darstellen (Ratsdokument 14491/18, pdf).

Am 4.12.2018 soll zur ePrivacy Verordnung (ePrivacyVO) eine Orientierungsaussprache im Rat stattfinden. Das oben angegebene Dokument soll dabei als Grundlage dienen.

Zu dem aktuellen Stand der Beratungen informiert die Ratspräsidentschaft auf der Grundlage besonders wichtiger Themengebiete bzw. Artikel der ePrivacyVO.

Hinsichtlich der erlaubten Verarbeitung elektronischer Kommunikationsdaten (Art. 6) wird darauf hingewiesen, dass der Vorsitz die Möglichkeit einer weitergehenden konformen Verarbeitung elektronischer Kommunikationsmetadaten eingeführt hat und zudem als neuen Grund für die Verarbeitung elektronischer Kommunikationsdaten den Schutz von Endeinrichtungen aufgenommen hat. Es bestünden jedoch weiterhin Bedenken bezüglich ausreichender Anreize für Innovation und bezüglich der Notwendigkeit einer engeren Angleichung an die DSGVO.

Mit Blick auf Art. 8 (Schutz von in Endeinrichtungen gespeicherten Informationen; also die Regelung zu Cookies) verweist der Ratsvorsitz darauf, dass bislang überwiegend über die Frage des von Bedingungen abhängigen Zugangs zu Website-Inhalten diskutiert wurde und darüber, dass Geschäftsmodelle nicht beeinträchtigt werden dürfen, wie z. B. durch Werbung finanzierte Online-Dienste, insbesondere Medien-Websites, wobei die entsprechenden Bedingungen gemäß der DSGVO zu achten sind. Zwar wurden in der Vergangenheit mehrere Vorschläge zur Anpassung des Art. 8 und der korrespondierenden Erwägungsgründe unterbreitet, jedoch, so der Ratsvorsitz, scheint es, dass einige Mitgliedstaaten noch weitere Arbeiten an diesem Teil des Textes für erforderlich halten. Auch hinsichtlich Art. 8 ist also die Meinungsfindung im Rat noch nicht abgeschlossen und es wird noch über konkrete inhaltliche Fragen diskutiert.

Nach Informationen des Ratsvorsitzes haben die Bestimmungen über Voreinstellungen zur Privatsphäre (in Art. 10) während der gesamten Beratungen erhebliche Bedenken verursacht, unter anderem aus Gründen einer möglichen Belastung für Browser und Apps und auch des Wettbewerbsaspekts. Daher ergaben sich Zweifel am Mehrwert dieser Bestimmung. Unter Berücksichtigung dieser Elemente hat der Vorsitz beschlossen, Art. 10 zu streichen. Jedoch wurde auch diese Streichung unter den Mitgliedstaaten unterschiedlich aufgenommen.

In einer Anlage II zu dem Dokument formuliert der Ratsvorsitz Fragen für die Orientierungsaussprache auf der Tagung des Rates am 4. Dezember 2018. So sollen die Minister darüber beraten, ob die jüngsten Arbeiten im Rat den Text der ePrivacyVO in eine gute Richtung bewegt haben? Zudem schlägt der Ratsvorsitz vor, dass die Minister beraten sollen, welches diesbezüglich die wichtigsten offenen Fragen sind, die noch behandelt werden müssen, bevor die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament beginnen können?

Im Ergebnis möchte der Ratsvorsitz hier also eine Orientierungsdebatte auf einer politisch höheren Ebene (als auf Ratsarbeitsgruppe) anstrengen. Es soll auf Ministerebene (hier weitere Informationen und die Agenda) eine grobe Richtung für die weiteren Arbeiten und möglichen Trilogverhandlungen zur ePrivacyVO vorgegeben werden. Ob es noch vor den Neuwahlen des Europäischen Parlaments im nächsten Jahr tatsächlich zu Trilogverhandlungen kommt, könnte von den Ergebnissen dieser nun anstehenden Orientierungsaussprache abhängen.

Verwaltungsgericht Stade: Kein Recht auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO bei unsubstantiierten Angaben

Mit Beschluss vom 9.10.2018 (Az. 1 B 1918/18) hat das Verwaltungsgericht Stade eine interessante Entscheidung zum „Recht auf Einschränkung der Verarbeitung“ nach Art. 18 DSGVO getroffen.

Sachverhalt

In dem Fall ging es um den Antrag eines abgelehnten Asylbewerbers gegen eine Behörde. Der Antragsteller begehrte die Einschränkung der Verarbeitung ihn betreffender personenbezogener Daten. Konkret ging es dem Antragsteller darum, dass die Behörde die Angabe „Staatsangehörigkeit: Guinea“ entweder berichtigen oder zumindest sperren sollte. Der Antragsteller stamme nämlich aus Sierra Leone.

Entscheidung

Das VG Stade lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Einschränkung der Verarbeitung der die Staatsangehörigkeit des Antragstellers betreffenden personenbezogenen Daten komme nur Art. 18 DSGVO in Betracht.

Diese Voraussetzungen lagen (bei der gebotenen summarischen Prüfung) jedoch nicht vor.

Im Folgenden prüft das VG Stade die verschiedenen Voraussetzungen der Tatbestände des Art. 18 Abs. 1 DSGVO ab. Ein Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung folge zunächst nicht aus Art. 18 Abs. 1 lit. a) DSGVO. Der Antragsteller habe die Richtigkeit der ihn betreffenden Daten nämlich nicht i.S.d. Art. 18 Abs. 1 lit. a) DSGVO „bestritten“.

Das „Bestreiten“ der Richtigkeit der personenbezogenen Daten setze voraus,

dass der Betroffene gegenüber dem Verantwortlichen substantiierte Angaben zur angeblichen Unrichtigkeit der verarbeiteten Daten macht (sog. qualifiziertes Bestreiten). Ein Bestreiten ohne Anhaltspunkte, mit dem die betroffene Person eine Verarbeitung möglicherweise richtiger, aber für sie nachteiliger Daten verhindern möchte, reicht nicht aus.

Diesen Anforderungen wurde der Antragsteller nicht gerecht. Der Antragsteller gab lediglich an, aus Sierra Leone zu stammen, bestreitet die Richtigkeit des Datums „Staatsangehörigkeit: Guinea“ und verweist darauf, dass ein Passersatzpapier für Guinea vom Antragsgegner rechtswidrig erlangt worden sei.

Dies reicht dem VG Stade jedoch nicht aus, um ein „Bestreiten“ anzunehmen. Insbesondere wird darauf verwiesen, dass etwaige Nachweise, aus denen sich die Staatsangehörigkeit ergibt, nicht vorgelegt wurden.

So dann stellt das VG Stade fest, dass ab Mitteilung einer Ablehnung einer auf Art. 18 Abs. 1 lit. a) DSGVO fußenden Berichtigung Art. 18 Abs. 1 lit. a) DSGVO grundsätzlich nicht mehr eingreife. Stattdessen kann die betroffene Person, wenn die Verarbeitung unrichtiger Daten rechtswidrig ist, ab der Ablehnung das Einschränkungsrecht nach Art. 18 Abs. 1 lit. b) DSGVO geltend machen.

Jedoch lehnt das VG Stade auch hier das Vorliegen der Voraussetzungen ab. Art. 18 Abs. 1 lit. b) DSGVO eröffne dem Betroffenen im Falle einer rechtswidrigen Verarbeitung ein Wahlrecht zwischen dem Löschungsrecht nach Art. 17 DSGVO und dem Einschränkungsrecht nach Art. 18 Abs. 1 lit. b) DSGVO. Der Betroffene kann die Löschung ablehnen und stattdessen, also nur alternativ die Einschränkung verlangen.

Jedoch verweist das VG Stade auch hier darauf, dass der Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht habe, dass die Datenverarbeitung durch den Antragsgegner i.S.d. Art. 18 Abs. 1 lit. b) DSGVO „unrechtmäßig“ erfolgt. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner im Hinblick auf den Antragsteller entgegen Art. 5 Abs. 1 lit. d) DSGVO sachlich unrichtige Daten zu seiner Staatsangehörigkeit verarbeite. Das VG Stade geht also auch nicht von einem Verstoß gegen Datenschutzgrundsätze aus.

Zuletzt lehnt das VG Stade den Anspruch auf Einschränkung auch auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. d) DSGVO ab.

Das darin angelegte Einschränkungsrecht setzt tatbestandlich voraus, dass ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 DSGVO besteht. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Ein Widerspruchsrecht existiert nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DSGVO nur gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e) oder f) DSGVO erfolgt. Im Falle des Antragstellers erfolgt die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten allerdings zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung und damit nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO. Die rechtliche Verpflichtung des Antragsgegners zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Antragstellers, insbesondere des Datums der Staatsangehörigkeit folge u.a. aus §§ 62, 63, 64 Abs. 1 Nr. 7 der – auf der Grundlage von § 99 Abs. 2 AufenthG erlassenen – Aufenthaltsverordnung (AufenthV).

Die Entscheidung des VG Stade befasst sich mit einem der eher „unspektakulären“ Betroffenenrecht. Gerade aus diesem Grund ist die inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen und auch die Auslegung der Anforderungen er DSGVO durch das Gericht so relevant.

Europäische Kommission: Keine Planung für einen Angemessenheitsbeschluss für das Vereinigte Königreich im Fall eines No-Deal-Szenario

Die Europäische Kommission hat heute detaillierte Informationen zu den laufenden Vorbereitungen und Eventualfallplänen für ein „No Deal“-Szenario im Rahmen der Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich veröffentlicht. Dazu gehört auch eine Mitteilung (pdf), die einige sog. Eventualfallmaßnahmen enthält, die umgesetzt werden könnten, wenn keine Einigung mit dem Vereinigten Königreich erzielt wird.

In dieser Mitteilung wird auch kurz das Datenschutzrecht behandelt. Wie bereits in der Vergangenheit, weist die Kommission für den Fall eines No-Deal-Szenarios darauf hin, dass das Vereinigte Königreich ab dem 30. März 2019 als datenschutzrechtliches Drittland einzuordnen ist. Also etwa wie Indien, Russland, China oder die USA (mit Ausnahme des Bereichs des EU US Privacy Shields) behandelt werden müsste. Für Datenübermittlungen in das Vereinigte Königreich gelten dann die Vorgaben der Art. 44 ff. DSGVO.

In der Vergangenheit wird in der Datenschutzszene immer wieder darüber diskutiert, ob die Kommission nicht bereits an einem Angemessenheitsbeschluss nach Art. 45 DSGVO arbeite, der dann relativ zügig Sicherheit für Datenübermittlung bringen könnte.

Für den Fall des No-Deal-Szenario positioniert sich die Kommission in ihrer Mitteilung hierzu nun sehr deutlich.

In view of the options available under the legislative acts mentioned, the adoption of an adequacy decision is not part of the Commission’s contingency planning.

Die Abfassung eines Angemessenheitsbeschlusses ist also nicht Teil der Strategie der Kommission, sollte es zu einem No-Deal-Szenario kommen. Die Kommission verweist in ihrer Mitteilung auf andere Alternativen der Datenübermittlung in Drittstaaten, wie etwa die Standarddatenschutzklauseln (Art. 46 Abs. 2 lit c DSGVO; frühere EU Standardvertragsklauseln) oder auch die Ausnahmen nach Art. 49 DSGVO.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie in jedem Fall darüber nachdenken sollten, wie sie eventuell stattfindende Datenflüsse in das Vereinigte Königreich (ob nun etwa von Mitarbeiter- oder auch Kundendaten) rechtlich absichern können.

Oberster Gerichtshof in Österreich zur Kopplung der Einwilligung nach der DSGVO – grundsätzlich unzulässig?

Mit Urteil vom 31.08.2018 (Az. 6Ob140/18h) hat der Oberste Gerichtshof in Österreich (OGH) eine interessante und auch für andere Mitgliedstaaten sicherlich relevante Entscheidung zur Einwilligung und dem „Kopplungsverbot“ nach Art. 7 Abs. 4 DSGVO gefällt.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens war eine Verbandsklage wegen gesetzwidriger AGB-Bestimmungen und einer Geschäftspraktik, welche von der Beklagten, einem Unternehmen, welches den Empfang digitaler Fernsehprogramme ermöglicht, eingesetzt wurde.

Für die hiesige Besprechung sind jedoch allein die AGB-Klauseln relevant. Diese lauteten auszugsweise wie folgt:

2. Der Kunde stimmt zu, dass die von ihm angegebenen Daten (Name, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer, EMail-Adresse, Gerätenummer (Client ID) des TVEmpfangsgeräts, Internet ID) von s***** verwendet werden, um dem Kunden Informationen über das Produktportfolio von s*****TV (Aktionen, neue Angebote, neue Programme, Programmhighlights), s***** Internet, TV-Empfangsgeräte, terrestrische Empfangsmöglichkeiten, per Post, E-Mail, Telefon, SMS, Fax oder über soziale Netzwerke zukommen zu lassen sowie…Diese Zustimmung kann der Kunde jederzeit schriftlich mit Brief oder E-Mail an s***** widerrufen.

3. Der Kunde stimmt weiters zu, dass die von ihm angegebenen Daten (Name, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Gerätenummer (Client ID) des TV-Empfangsgeräts, Internet ID) von s***** verwendet werden, um dem Kunden Informationen über Angebote (Produkte und Leistungen) der Kooperationspartner von s***** per Post, E-Mail, Telefon, SMS, Fax oder über soziale Netzwerke zukommen zu lassen. Kooperationspartner von s***** sind Unternehmen mit Sitz in Österreich, mit welchen s***** bei der Vermarktung der Angebote (Produkte und Leistungen) von s***** zusammenarbeitet und/oder welche ergänzende Leistungen zu den Angeboten von s***** anbietet. Kooperationspartner sind F***** GmbH, O***** GmbH & Co KG, Ö***** GmbH & Co KG, Ö***** Kundenservice GmbH & Co KG und G***** GmbH.Firmenbuchnummer *****. Diese Zustimmung kann der Kunde jederzeit schriftlich mit Brief oder E-Mail an s***** widerrufen.

Die Vorinstanzen verboten die Verwendung beider Klauseln, u.a. mit der Begründung, dass Klauseln 2 und 3 benachteiligend seien,

weil sie den Vertragsabschluss von der Zustimmung zu einer (für die Vertragserfüllung nicht erforderlichen) Datenverwendung (nämlich zu Werbezwecken) abhängig machen, womit es an einer Freiwilligkeit der Zustimmung nach § 4 Z 14 DSG 2000 („ohne Zwang“) mangle.

Urteil des OGH

Der OGH verweist zunächst, neben allgemeinen Ausführungen zum Datenschutzrecht, darauf, dass die Frage des „Koppelungsverbotes“, also ob der Vertragsabschluss von einer Zustimmung zu einer (dafür nicht erforderlichen) Datenverarbeitung abhängig gemacht werden kann, in der österreichischen höchstgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt wurde. Anders als in Deutschland (§ 28 Abs 3b BDSG aF) bestand in Österreich nach altem Datenschutzrecht auch keine diesbezügliche ausdrückliche Bestimmung.

Der OGH prüft den Fall jedoch nicht nur nach der alten Rechtslage, sondern auch unter Anwendbarkeit der DSGVO. Und hier wird es natürlich interessant.

Das Gericht erläutert, dass die materiell rechtlichen Voraussetzungen einer Einwilligung im Wesentlichen unverändert blieben. Jedoch enthalte die DSGVO nunmehr zusätzliche Regelungen zur Freiwilligkeit der Einwilligung in Art. 7 Abs 4 DSGVO:

Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.

Der OGH nutzt zur Auslegung des Art. 7 Abs. 4 DSGVO auch den korrespondierenden Erwägungsgrund, ErwG 43 DSGVO. In diesem heißt es:

Die Einwilligung gilt nicht als freiwillig erteilt, wenn zu verschiedenen Verarbeitungsvorgängen von personenbezogenen Daten nicht gesondert eine Einwilligung erteilt werden kann, obwohl dies im Einzelfall angebracht ist, oder wenn die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung abhängig ist, obwohl diese Einwilligung für die Erfüllung nicht erforderlich ist.

Danach spricht das Gericht richtigerweise einen sehr relevanten Punkt bei der Auslegung und Anwendung dieser Normen an. Nach dem Verordnungstext (Art. 7 Abs. 4 DSGVO) muss dem Umstand der Koppelung bei der Beurteilung der Freiwilligkeit größtmöglich Rechnung getragen werden. Der Artikel verbietet eine Kopplung mithin nicht per se, sondern verlangt, dass im Rahmend es Tatbestandsmerkmals der „Freiwilligkeit“ den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist.

ErwG 43 DSGVO hingegen formuliert das Verbot einer Kopplung finaler. Nach Ansicht des OGH

spricht der Erwägungsgrund eindeutig für ein unbedingtes Verbot der Koppelung.

Dem folgend verweist der OGH kurz auf den Meinungsstand in der Literatur. Die Stellungnahmen, ob nun ein unbedingtes Kopplungsverbot bestehe, seien nicht eindeutig.

Danach entscheidet sich der OGH, ohne größere Begründung (konkret in einem Absatz), für eine restriktive Auslegung der Vorschriften.

Das Spannungsverhältnis zwischen dem Text der Verordnung und dem Erwägungsgrund 43 ist offensichtlich dahin aufzulösen, dass an die Beurteilung der „Freiwilligkeit“ der Einwilligung strenge Anforderungen zu stellen sind. Bei der Koppelung der Einwilligung zu einer Verarbeitung vertragsunabhängiger personenbezogener Daten mit einem Vertragsschluss ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Erteilung der Einwilligung nicht freiwillig erfolgt, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprechen.

Leider führt der OGH für diese Sichtweise keine nähere Begründung an. Meines Erachtens kann man diese Auslegungskonflikt zwischen Artikel und Erwägungsgrund aber auch genau entgegengesetzt lösen. Denn die Bestimmungen in den Erwägungsgründen sind jener Teil des Rechtsakts, der die Begründung enthält und zwischen den Bezugsvermerken und dem verfügenden Teil des Rechtsakts steht. ErwG 43 DSGVO ist gerade nicht Inhalt des verfügenden Teils der DSGVO. Wenn man so will, kann man aus Sicht der verpflichtet Verantwortlichen auch davon ausgehen, dass zwingend bindend nur die Artikel sind, wohingegen die ErwG die Begründung des verbindlichen Teils darstellen.

Dieses Verhältnis zwischen ErwG und Artikel ergibt sich auch eindeutig aus dem „Gemeinsamen Leitfaden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission für Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken“ (Stand, 2015):

Die Erwägungsgründe werden im Gegensatz zum verfügenden Teil so formuliert, dass ihre Unverbindlichkeit deutlich wird.

Zumindest lässt sich der Entscheidung des OGH entnehmen, dass das Gericht nicht von einem absoluten Kopplungsverbot auszugehen scheint („grundsätzlich davon auszugehen, dass die Erteilung der Einwilligung nicht freiwillig erfolgt“). Für die Ausnahmefälle, in denen eine Freiwilligkeit gegeben ist, verengt der OGH aber meines Erachtens den Spielraum massiv. Es müssten „besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprechen“. Nach Ansicht des OGH ist die fehlende Freiwilligkeit (und damit die Unzulässigkeit der Kopplung) also wohl die Regel.

Selbst wenn man der Ansicht des OGH folgen möchte, verwundert es doch, dass das Gericht eine Vorlage an den EuGH zu dieser Frage ablehnt, „weil sich das vorstehende Ergebnis bereits aus dem Wortlaut der DSGVO und dem zitierten Erwägungsgrund ergibt“. Im Grunde hat der OGH in seinem Urteil, ein paar Randziffern zuvor, bei dem Verweis auf die umstrittene und unklare Meinungslage in der Literatur, selbst schon deutlich gemacht, dass die Rechtslage in dieser Frage nicht eindeutig ist und die Klärung durch den EuGH wünschenswert wäre. Leider hält er dies hier aber nicht für geboten.

Relevant ist die Entscheidung meines Erachtens in jedem Fall, da es sich hier um eine höchstrichterliche Befassung mit den Vorgaben des Art. 7 Abs. 4 DSGVO handelt. Inhaltlich halte ich die Interpretation der DSGVO durch den OGH auf jeden Fall für angreifbar. Eventuell müssen wir uns aber noch ein wenig gedulden, bis der EuGH zu dieser Vorschrift entscheiden kann. Auch in Italien wurde in diesem Jahr bereits zu Art. 7 Abs. 4 DSGVO entschieden (Corte Suprema Di Cassazione, 2.7.2018, 17278/2018, S. 9 ff.).

Deutsche Datenschutzbehörden veröffentlichen neue Orientierungshilfe zur Datenverarbeitung für Werbezwecke unter der DSGVO

Vom 6. bis 8.11.2018 trafen sich die deutschen Aufsichtsbehörden zu der 96. Konferenz der Datenschutzkonferenz (DSK). Auf dieser Konferenz haben die Behörden auch die für die Praxis sehr relevante Orientierungshilfe zur Datenverarbeitung für Werbezwecke (pdf) überarbeitet und beschlossen.

Die Orientierungshilfe ist recht umfangreich (14 Seiten), daher möchte ich hier nur ein paar Punkte daraus ansprechen.

Die DSK weist darauf hin, dass Grundlage für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Direktwerbung nach der DSGVO

abgesehen von einer Einwilligung der betroffenen Person, eine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DS-GVO

ist. Die Darstellung der DSK mutet leider so an, als ob sie davon ausgeht, dass tatsächlich nur diese beiden Erlaubnistatbestände bei der Verarbeitung für Werbezwecke einschlägig wären. Dies würde aber einer Sperrung der anderen Erlaubnistatbestände (z.B. Vertrag nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO) mit sich bringen, die so in der DSGVO nicht angelegt ist und auch durch den EuGH zur vormaligen Datenschutz-Richtlinie im Rahmen der Auslegung des TMG als europarechtswidrig angesehen wurde.

Hinsichtlich der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO geht die DSK davon aus, dass sowohl

  • die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen sind (siehe ErwG 47 DSGVO), als auch
  • zu fragen ist, was objektiv vernünftigerweise erwarten werden kann und darf. Entscheidend sei daher auch, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Direktwerbung in bestimmten Bereichen der Sozialsphäre typischerweise akzeptiert oder abgelehnt wird.

Hinsichtlich der Erwartungen der betroffenen Person geht die DSK davon aus, dass diese auch durch die Informationen nach Art. 13 und 14 DSGVO geformt werden.

Informiert der Verantwortliche transparent und umfassend über eine vorgesehene Verarbeitung von Daten für Zwecke der Direktwerbung, geht die Erwartung der betroffenen Personen in aller Regel auch dahin, dass ihre Kundendaten entsprechend genutzt werden.

Diese Klarstellung ist meines Erachtens als positiv anzusehen, denn sie zeigt, dass die DSK davon ausgeht, dass Unternehmen die Erwartungen der Betroffenen durchaus selbst gestalten können. Zumindest zu einem gewissen Teil. Denn die DSK fügt direkt hinzu, dass die

Erwartungen an dem objektiven Maßstab der Vernunft gemessen werden müssen.

Sehr relevant sind dann die von der DSK aufgestellten Praxisfälle zur Interessenabwägung:

  • Schutzwürdige Interessen dürften in der Regel nicht überwiegen, wenn im Nachgang zu einer Bestellung allen Kunden (ohne Selektion) postalisch ein Werbekatalog oder ein Werbeschreiben zum Kauf weitere Produkte des Verantwortlichen zugesendet wird.
  • Auch bei der Nutzung eines Selektionskriteriums zur Einteilung in Werbegruppen und wen sich kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn aus der Selektion ergibt, wird die Interessenabwägung in der Regel ebenfalls zugunsten des Verantwortlichen ausfallen.
  • Im Fall von eingriffsintensiveren Maßnahmen wie automatisierte Selektionsverfahren zur Erstellung detaillierter Profile, Verhaltensprognosen bzw. Analysen, die zu zusätzlichen Erkenntnissen führen, überwiege jedoch nach Ansicht der DSK ein Interesse der betroffenen Person am Ausschluss der Datenverarbeitung.

Den letztgenannten Fall sieht die DSK als „Profiling“ an, das nicht mehr auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gestützt werden könne und damit die Einholung einer Einwilligung vor der Datenverarbeitung erforderlich macht.

Interessant ist auch die Auslegung der Vorschriften der DSGVO im Hinblick auf die Wechselwirkung mit dem UWG. Nach Auffassung der DSK sind

auch bei der datenschutzrechtlichen Beurteilung einer Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Direktwerbung die Wertungen in den Schutzvorschriften des UWG für die jeweilige Werbeform mit zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Bestandskundenwerbung (§ 7 Abs. 3 UWG) bestätigt die DSK, dass die damit verbundene Datenverarbeitung auf der Grundlage einer Interessenabwägung zulässig ist. Überwiegende schutzwürdige Interessen

sind insbesondere dann nicht gegeben, wenn die in § 7 Abs. 3 UWG enthaltenen Vorgaben für elektronische Werbung eingehalten werden.

Hinsichtlich der Telefonwerbung, für Anrufe bei Verbrauchern, weist die DSK darauf hin, dass das UWG (§ 7 Abs. 2 Nr. 2) keine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis vorsieht. Hieraus leitet die DSK ab, dass

ein solches Nutzen von Telefonnummern ohne vorherige Einwilligung wegen der besonderen Auswirkungen dieser Werbeform (stärkere Belästigung/Störung) datenschutzrechtlich an den überwiegenden schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DS-GVO scheitert.

Es wird also deutlich, dass die DSK die wettbewerbsrechtlichen Anforderungen des UWG in die Interessenabwägung nach der DSGVO mit hineinliest. Diese Ansicht mag man nicht unbedingt teilen, etwa mit dem Argument, dass es sich um zwei verschiedene Gesetze und auch zugrundeliegende europäischen Gesetze handelt (einmal die RL 2002/58/EG und zum anderen DSGVO), die nebeneinander und voneinander getrennt anzuwenden und zu prüfen sind.

Daneben geht die DSK auch auf die nach Art. 13 und 14 DSGVO zu erteilenden Informationen ein. Hier weisen die Aufsichtsbehörden darauf hin, dass zwar grundsätzlich zum Zeitpunkt der Datenerhebung über alle Themen nach Art. 13 Abs. 1 und 2 DSGVO zu informieren ist. Allerdings bestehe nicht immer die Möglichkeit, der betroffenen Person alle Informationen auf einmal vollständig zu erteilen. In diesem Fall spricht sich die DSK für die Umsetzung eines zweistufigen Informationsmodells aus.

Hinsichtlich der Nachweisbarkeit einer Einwilligung empfehlen die Behörden, das Double-Opt-In-Verfahren zu nutzen. Wie der Nachweis inhaltlich gestaltet sein soll, geben die Behörden nicht vor. Jedoch weisen sie darauf hin, dass die Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 DSGVO und des BGH (Urteil vom 10. Februar 2011, I ZR 164/09) bei der Protokollierung zu berücksichtigen sind.

Das bloße Abspeichern der IP-Adressen von Anschlussinhabern und die Behauptung, dass von diesen eine Einwilligung vorliege, genügen dem BGH nicht. Der Nachweis der Einwilligung erfordert mehr, z. B. die Protokollierung des gesamten Opt-In-Verfahrens und des Inhalts der Einwilligung.

Zuletzt möchte ich noch darauf hinwiesen, dass die Behörden auf den „Verfall“ von Einwilligungen eingehen. Die Aufsichtsbehörden weisen darauf hin, dass die Zivilgerichte

bei erteilten Einwilligungen zur werblichen Kontaktaufnahme teilweise keine unbegrenzte Gültigkeit“ sehen. Dazu wird auf das LG München I (Urteil vom 8. April 2010, Az. 17 HK O 138/10) verweisen).

Leider weisen die Aufsichtsbehörden in diesem Zusammenhang nicht auf ein aktuelleres Urteil des BGH (Urteil vom 1.2.2018 – III ZR 196/17) hin. In diesem Urteil entschied der BGH zu § 7 UWG:

Eine zeitliche Begrenzung einer einmal erteilten Einwilligung sieht weder die Richtlinie 2002/58/EG noch § 7 UWG vor. Hieraus ergibt sich, dass diese – ebenso wie eine Einwilligung nach § 183 BGB – grundsätzlich nicht allein durch Zeitablauf erlischt.