LAG Baden-Württemberg mit einem umfassenden DSGVO-Urteil
Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 25.2.2021 (Az. 17 Sa 37/20) ein sehr interessantes und praxisrelevantes Urteil zur Anwendung der DSGVO in den verschiedensten Facetten gefällt. Ursprung des Urteils ist zwar ein Streit in einem Arbeitsverhältnis (wie so oft, im Rahmen eines Auskunftsanfrage, der auch die Geltendmachung von Schadensersatz folgte). Das Urteil selbst befasst sich dann aber mit ganz vielen verschiedenen Themen der DSGVO, wie der Auftragsverarbeitung nach Art. 28, Drittlandstransfers nach Art. 44 f. DSGVO und dem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO. Daher eine klare Leseempfehlung von mir. Nachfolgend möchte ich nur einige Highlights der Entscheidung beleuchten. In dem Verfahren stritten die Parteien noch über einen immateriellen Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit der Übermittlung von personenbezogenen Daten des Klägers an die vormalige Konzernmutter der Beklagten in den USA. Streitgegenstand des Zahlungsantrags war das Bestehen eines immateriellen Schadensersatzanspruchs wegen der Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers im Zusammenhang mit der Einführung eines Personalinformationsmanagementsystems. Das LAG wies die Klage als unbegründet ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens im Zusammenhang mit der Datenübermittlung in den USA nach Art. 82 DSGVO zu. Das LAG stellt sehr schön die Voraussetzungen für eine Schadensersatzverpflichtung nach der DSGVO heraus, die es danach detailliert prüft. Nach Ansicht des LAG obliegt es dem Kläger (also dem Betroffenen) darzulegen, - dass die Beklagte als in Anspruch genommene Person als Verantwortlicher (oder Auftragsdatenverarbeiter) an der Datenverarbeitung beteiligt war,
- dass die Datenverarbeitung gegen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung oder anderer relevanter mitgliedstaatlicher Bestimmungen verstoßen hat, und
- dass dieser Verstoß kausal war für einen Schaden welcher der betroffenen Person entstanden ist.
Wichtig ist u.a. die Ansicht des LAG zu Art. 82 DSGVO und der Frage, gegen welche Normen verstoßen werden muss, damit ein Schadensersatzanspruch entstehen kann. Denn Abs. 1 und Abs. 2 des Art. 82 DSGVO haben unterschiedliche Anknüpfungspunkt. Abs. 1: „wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung“ Abs. 2: „eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht“ Abs. 1 ist also umfassender, was den möglichen DSGVO-Verstoß angeht und bezieht sich nicht nur auf die Verarbeitung. Das LAG orientiert sich an Abs. 1. Nach Ansicht des Gerichts ist unter einem „Verstoß gegen diese Verordnung“ nicht nur ein Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO zu verstehen, sondern auch gegen Vorschriften des Unionsrechts die aufgrund delegierter Rechts- und Durchführungsrechtsakten erlassen wurden und gegen solche Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten, welche die Bestimmungen der DSGVO präzisieren. Wichtig ist die daraus folgende Sichtweise des LAG für die Regelungen des BDSG in Deutschland. „Damit sind auch sämtliche Verstöße gegen Rechtsvorschriften erfasst, welche aufgrund einer Öffnungsklausel der DSGVO erlassen wurden, wie bspw. Verstöße gegen § 26 BDSG“. Streng ist das LAG bei der Frage der Beweislast. Nach Ansicht des Gerichts ist der Verantwortliche für die Einhaltung der Bestimmungen des Art. 5 Abs. 1 DSGVO verantwortlich und muss die Einhaltung nachweisen können (Rechenschaftspflicht). „Auf der Ebene der Darlegungs- und Beweislast hat dies zur Folge, dass der Anspruchsteller lediglich darlegen und ggf. beweisen muss, dass der Anspruchsgegner irgendwie an der Verarbeitung beteiligt war, während der Anspruchsgegner darlegen und ggf. beweisen (Vollbeweis) muss, sämtliche Vorschriften … eingehalten zu haben“. Das bedeutet für Unternehmen, dass man sich im Zweifel vor Gericht, sollte diese Ansicht herrschend werden, nur durch eine saubere interne Dokumentation zum Datenschutz und DSGVO-Compliance verteidigen kann. Es wird in der Literatur aber durchaus diskutiert, inwieweit die Rechenschaftspflicht der DSGVO direkten Einfluss auf zivilrechtliche Verfahrens- und Beweisverteilungsregeln hat. Und zuletzt noch ein praxisrelevanter Aspekt. Eventuell wissen Sie, dass die Datenschutzbehörden der Ansicht sind, dass die (noch geltenden) EU-Standardvertragsklauseln nicht alle Voraussetzungen des Art. 28 DSGVO für einen Auftragsverarbeitungsvertrag erfüllen. Daher verlangen die Behörden ergänzende Regelungen der Standardvertragsklauseln. Das LAG sieht dies im Grunde ebenso. „Zwar erfüllen die Standardvertragsklauseln des Beschlusses der Kommission vom 5. Februar 2010 (2010/87/EU) nicht sämtliche Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 DSGVO“. Jedoch fordert das LAG wegen Art. 46 Abs. 5 DSGVO gerade keine weiteren Zusätze in Standardvertragsklauseln. Nach Ansicht des Gerichts ist zu beachten, dass nach Art. 46 Abs. 5 DSGVO, wonach die von der Kommission erlassenen Feststellungen so lange in Kraft bleiben, bis sie erforderlichenfalls mit einem nach Art. 46 Abs. Absatz 2 DSGVO erlassenen Beschluss der Kommission geändert, ersetzt oder aufgehoben werden, „eine die Anforderungen von Art. 28 Abs. 3 DSGVO überlagernde Bestimmung getroffen wurde, mit der Folge, dass die bisherigen Standardvertragsklauseln genügen, um die DSGVO-Anforderungen zu erfüllen“. Nach Ansicht des LAG geht mithin Art. 46 Abs. 5 DSGVO und die Geltungsfiktion zu den Standardvertragsklauseln den Anforderungen zu Art. 28 Abs. 3 DSGVO vor. Aus Sicht von Unternehmen eine relevante Ansicht.
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