Ministerkomitee des Europarates: Leitfaden der Menschenrechte von Internetnutzern

Am 16. April 2014 hat das Ministerkomitee des Europarates (Die Versammlung der Außenminister der Mitgliedstaaten) eine Empfehlung mit dem Titel „Guide to human rights for Internet users“ verabschiedet. Derartige Empfehlungen sind für die Mitgliedstaaten nicht bindend, geben jedoch die Sichtweise der für die Verabschiedung erforderlichen Mehrheit der Mitgliedstaaten wieder.
Die Empfehlung ist zweigeteilt. Zu Beginn richtet sie sich mit Forderungen an die Mitgliedstaaten. Der zweite Teil stellt den eigentlichen Leitfaden für die Bürger dar.

Empfehlungen an Mitgliedstaaten
Das Ministerkomitee stellt zunächst klar, dass die in der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) aufgestellten Rechte und Freiheiten sowohl offline als auch online gelten.

Zudem besitzen die Mitgliedstaaten im Rahmen der Wahrung des Schutzes der Menschenrechte auch die Pflicht, die Aufsicht über private Unternehmen auszuüben. Privatrechtliche Vereinbarungen müssen sich an den durch die Grundrechte aufgestellten Prinzipien messen lassen.

Das Internet besitzt besonderen Wert als öffentliches Gut. Bürger besitzen ein berechtigtes Interesse, das Internet ohne diskriminierende Einschränkungen, sicher und zuverlässig nutzen zu können.

Bürger sollten Unterstützung erhalten, wie sie ihre Menschenrechte online wirksam ausüben könne. Hierzu gehöre auch der Zugang zu wirksamen Rechtsschutzmöglichkeiten, wenn ihre Rechte und Freiheiten eingeschränkt wurden.

Für die Sicherstellung der gleichwertigen Geltung von Menschenrechten auch im Internet empfiehlt das Ministerkomitee den Mitgliedstaaten:

  • Die Umsetzung und Anwendung des Leitfadens der Menschenrechte für Internetnutzer unter den Bürgern, den öffentlichen Stellen und den privaten Unternehmen zu fördern und konkrete Maßnahmen für seine Anwendung durchzuführen;
  • Kontinuierlich Einschränkungen von Menschenrechten im Internet zu überwachen, zu prüfen und auch aufzuheben, wenn diese nicht im Einklang mit den Vorgaben der EMRK im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) stehen;
  • Sicherzustellen, das Internetnutzer Zugang zu wirksamen Rechtsschutzmöglichkeiten besitzen, wenn ihre Rechte eingeschränkt wurden. Dies erfordere eine Koordinierung und Zusammenarbeit der relevanten Einrichtungen. Zudem müsse eine Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft und Bürgerrechtsorganisationen stattfinden.
  • Auch mit Staaten zusammenzuarbeiten, die nicht Mitglied des Europarates sind, um Maßstäbe und Verfahren zu entwickeln, die Einfluss auf den Schutz der Rechte und Freiheiten im Internet besitzen.
  • Private Unternehmen zu unterstützen und zu fördern, im Rahmen ihrer unternehmerische Gesellschaftsverantwortung in einen Dialog mit staatlichen Behörden und der Zivilgesellschaft zu treten.

Leitfaden der Menschenrechte von Internetnutzern
In dem Leitfaden selbst werden den Bürgern Informationen zu verschiedenen Menschenrechten (etwa Meinungsfreiheit, Zugang zu Informationen, Versammlungsfreiheit etc.), jeweils mit Bezug zum Internet, gegeben. Beispielhaft sei hier das Recht auf Schutz des Privatlebens (Art. 8 EMRK) genannt. Dessen Schutzbereich umfasst auch den Schutz personenbezogener Daten (zu dem Schutzumfang der EMRK und im Vergleich hierzu durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union hatte ich bereits einmal etwas geschrieben). Der Leitfaden weist darauf hin, dass eine Nutzung des Internets grundsätzlich mit einer Verarbeitung personenbezogener Daten einhergeht. Die Verarbeitung darf jedoch nur auf der Grundlage eines Gesetzes oder einer Einwilligung erfolgen. Zudem dürfe der Bürger nicht Gegenstand einer ständigen Überwachungsmaßnahme sein. Bei einer Einschränkung dieses Rechts, etwa zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung, muss der Bürger über die Grundlagen des Eingriffs und seine Rechtsschutzmöglichkeiten informiert werden. Auch am Arbeitsplatz müsse die Privatsphäre des Bürgers beachtet werden. Überwachungsmaßnahmen durch den Arbeitgeber müssten vorher mitgeteilt werden.

Fazit
Der verabschiedete Leitfaden ist absolut begrüßenswert. Er versucht in einer möglichst bürgernahen und unjuristischen Sprache über die Rechte im Internet aufzuklären und sollte jedem interessierten Bürger als Informationsquelle dienen. Abgesehen von dem Leitfaden selbst, sind die Empfehlungen an die Mitgliedstaaten ebenfalls nicht uninteressant. Insbesondere das Votum für eine engere Einbeziehung des privaten Sektors in Form einer geminsamen Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen zum Nutzen der Bürger fällt deutlich aus und ist meines Erachtens auch ein richtiger Weg.

Europäische Datenschützer: Vorschläge zur Verbesserung von Safe Harbor

Die Vertreter der europäischen Datenschutzbehörden (Art. 29 Gruppe) haben Justizkommissarin Viviane Reding in einem Brief ihre Verbesserungsvorschläge (PDF) zur Überarbeitung der Safe Harbor Entscheidung der Europäischen Kommission übersendet. Derzeit wird diese Entscheidung, welche bestimmte Prinzipien zur Übermittlung von personenbezogenen Daten von Europa in die USA für teilnehmende amerikanische Unternehmen aufstellt, vor dem Hintergrund der Snowden-Enthüllungen überarbeitet. Die Kommission hatte dem amerikanischen Handelsministerium hierfür im November 2013 bereits 13 konkrete Vorgaben gemacht (Mitteilung der Kommission, COM(2013) 847, PDF), welche bis zum Sommer 2014 umgesetzt werden sollen. Im nachfolgenden möchte ich einige der Vorschläge der Art. 29 Gruppe ansprechen.

Zur Not: Aussetzen

Die Art. 29 Gruppe stellt zunächst klar, dass die Gewährleistung eines angemessenen Schutzniveaus unter Safe Harbor für die Daten europäischer Bürger derzeit fraglich erscheint. Sie begrüßt die Entscheidung der Kommission, Safe Harbor neu zu verhandeln und auch die 13 bereits identifizierten Änderungsvorgaben. Sollte der Überarbeitungsprozess jedoch zu keinem positiven Ergebnis gelangen, dann sprechen sich die Datenschützer für eine Aussetzung von Safe Harbor aus. Zudem verweisen sie auf die stets bestehende Möglichkeit für nationale Datenschutzbehörden, einzelne Datentransfers in die USA zu unterbinden.

Anwendbares Recht
Die Art. 29 Gruppe schlägt vor, in Safe Harbor klarzustellen, dass amerikanische Unternehmen, die keine Niederlassung in der EU besitzen, sich auch dann an europäisches (nationales) Datenschutzrecht halten müssen, wenn sie personenbezogene Daten in einem Mitgliedstaat erheben und hierzu auf Mittel zurückgreifen, welche in dem Mitgliedstaat belegen sind.

Anmerkung: Die Datenschutzbehörden verstehen unter diesen „Mitteln“ etwa PCs auf denen Cookies platziert werden. Die vorgeschlagene Änderung dient wohl vor allem der Information der amerikanischen Unternehmen, die eventuell davon ausgehen, dass sie europäische Vorgaben nicht zu beachten haben.

Transparenz
Wirtschaftszweige, welche nicht der Zuständigkeit der amerikanischen FTC und damit der Überwachung der Einhaltung der Safe Harbor Prinzipien unterliegen, sollten deutlicher hervorgehoben werden. Die online auf der Webseite des amerikanischen Handelsministeriums abrufbaren Zertifikate der teilnehmenden Unternehmen sollten genauer Auskunft darüber geben, welche Datenarten vom Zertifikat erfasst werden und welche Einheiten eines Konzerns umfasst sind.
Teilnehmende Unternehmen sollten Informationen zum Datenschutz und zur Einhaltung der Safe Harbor Prinzipien im Internet deutlicher und verständlicher präsentieren. Zudem sollten Betroffene deutlich auf ihr Auskunftsrecht und wie sie dieses ausüben können, hingewiesen werden. Auch die Aufgaben der verschiedenen beteiligten staatlichen Institutionen und ihre Befugnisse sollten in der Safe Harbor Entscheidung klarer festgelegt werden.

Rechtsschutz
Betroffenen sollte das Recht eingeräumt werden, vor einem zuständigen nationalen Gericht in der EU Klage gegen ein amerikanisches Unternehmen auf Schadenersatz erheben zu können, wenn eine rechtwidrige Datenverarbeitung vorliegt. Zudem sollten die amerikanischen Unternehmen dazu angehalten werden, europäische Anbieter zur außergerichtlichen Streitbeilegung zu wählen. Derzeit müssten viele Betroffene sich mit amerikanischen Anbietern einer solchen Streitbeilegung auseinandersetzen, was jedoch Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung mit sich bringe.
Unabhängig davon sollte für Betroffene das Recht vorgesehen werden sich stets an die für sie zuständige nationale Datenschutzbehörde wenden und ihre Beschwerde dort einbringen zu können. Zudem sollten die Regeln zu Verantwortlichkeit der teilnehmenden amerikanischen Unternehmen deutlicher ausgestaltet werden.

Gebühren
Derzeit verlangen einige der Anbieter einer außergerichtlichen Streitbeilegung noch Gebühren, wenn sich europäische Nutzer an sie wenden. Die Art. 29 Gruppe fordert, dass diese Gebühren abgeschafft werden müssen.

Zugang durch US-Behörden
Ausnahmen von der Einhaltung der in Safe Harbor aufgestellten Prinzipien sollten eingeschränkt werden. Zudem ist es der Art. 29 Gruppe wichtig, dass das aus dem europäischen Recht bekannte Notwendigkeits- und Verhältnismäßigkeitsprinzip für Ausnahmen Anwendung findet. Die Möglichkeit zur Aussetzung von Datentransfers sollte deutlicher umschrieben werden.
Zudem schlagen die Datenschützer vor, dass der Begriff der „Verarbeitung personenbezogener Daten“ in Safe Harbor definiert wird und zwar in Form der europäischen Idee. Denn in den USA zählt die Erhebung von Daten noch nicht zur „Verarbeitung“, in Europa jedoch schon. Daher greifen in den USA Schutzmechanismen für eine Verarbeitung personenbezogener Daten erst nach der Stufe der Erhebung dieser Daten ein.

Weitergabe der Daten
Nach den bestehenden Prinzipien darf ein Unternehmen die ihm übermittelten Daten nur an Dritte weitergeben, wenn es Grundsätze der Informationspflicht und der Wahlmöglichkeit anwendet. Wenn Daten an einen Dritten weitergeben werden sollen, der im Auftrag und auf Anweisung tätig ist, kann dies etwa dann geschehen, sofern der Dritte selbst Safe Harbor angehört. Die Art. 29 Gruppe möchte diese Voraussetzung grundsätzlich auf jeden Dritten erstrecken, also auch auf solche Stellen, die selbst Verantwortliche sind und nicht im Auftrag handeln. Zudem sollten Dritte, die im Auftrag handeln, verpflichtend einen Vertrag mit der übermittelnden Stelle abschließen müssen.

Fazit
Es wurden hier nur einige Vorschläge der Art. 29 Gruppe angesprochen. Viele dieser Vorschläge decken sich bereits mit denjenigen der Kommission, einige gehen darüber hinaus. Die Verhandlungen mit den USA scheinen derzeit konstruktiv zu verlaufen, wie Paul Nemitz, Direktor der Direktion C der Generaldirektion Justiz, kürzlich in einer Anhörung (PDF) durch das britische Oberhaus (House of Lords) zum Thema Safe Harbor berichtete.

Hat der EuGH die Cloud für tot erklärt?

In seinem gestrigen Urteil (Az. C?293/12 und C?594/12) zur Vereinbarkeit der Vorgaben der Richtlinie 2006/24 (VDS-RL, PDF) zur Vorratsdatenspeicherung, hat sich der EuGH naturgemäß mit den einzelnen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie in nationalstaatliches Recht befasst. Die Richtlinie wurde, in ihrer jetzigen Ausformung, für nichtig erklärt (siehe hierzu die Urteilsbesprechung bei Hans Peter Lehofer), da die derzeit geltenden Vorgaben unverhältnismäßige Eingriffe in die europäischen Grundrechte auf Privatsphäre (Art. 7 Charta der Grundrechte der EU, Charta) und auf den Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 Charta) zur Folge hätten. Bisher kaum Beachtung scheinen jedoch einige, meines Erachtens für das allgegenwärtige Cloud Computing wichtige, Ausführungen des Gerichts gefunden zu haben.

In seinem Urteil prüft der EuGH ab Rz. 56 die Verhältnismäßigkeit der Vorgaben der VDS-RL im engeren Sinne. Die dort erlaubten Eingriffe in Grundrechte müssen auf das absolut notwendige Maß beschränkt sein. In Rz. 65 kommt das Gericht zu dem Schluss:

Somit ist festzustellen, dass die Richtlinie einen Eingriff in diese Grundrechte beinhaltet, der in der Rechtsordnung der Union von großem Ausmaß und von besonderer Schwere ist, ohne dass sie Bestimmungen enthielte, die zu gewährleisten vermögen, dass sich der Eingriff tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkt.

Maßnahmen zur Datensicherheit
„Gut“, möchte man denken. Damit ist die Prüfung abgeschlossen. Doch das Gericht fügt seiner Begründung noch drei weitere Randziffern (66-68) an. In diesen befasst es sich, freilich zunächst auch mit Blick auf die VDS-RL, mit der Sicherheit und dem Schutz von gespeicherten Daten. Der EuGH stellt fest, die VDS-RL keine ausreichenden Bestimmungen enthalte, dass die auf Vorrat gespeicherten Daten wirksam vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang zu ihnen und jeder unberechtigten Nutzung geschützt sind (Rz. 66).

Solche Vorgaben zum Schutz personenbezogener Daten und gerade auch in Bezug auf Maßnahmen zur Gewährung der Datensicherheit kennen wir aus der Datenschutz-Richtlinie, 95/46/EG (DS-RL, PDF). Dort bestimmt Art. 17 DS-RL entsprechende Pflichten für die verantwortliche Stelle. Im Falle einer Auftragsdatenverarbeitung, wenn also die tatsächlichen Verarbeitungsprozesse von einem Dritten wahrgenommen werden, bestimmt Art. 17 Abs. 2 DS-RL, dass die verantwortliche Stelle nur solche Auftragnehmer auswählen darf, die technische Sicherheitsmaßnahmen bereithalten. Zudem muss sich der Verantwortliche hiervon auch selbst überzeugen. Art. 17 Abs. 3 DS-RL bestimmt zudem, dass auch den Auftragsdatenverarbeiter selbst Pflichten zur Datensicherheit nach dem für ihn geltenden nationalen Datenschutzrecht treffen.

Cloud Computing
Diese Konstellation, die Datenverarbeitung durch einen Auftragnehmer, ist das typische Beispiel, welches den meisten Cloud Computing-Lösungen zugrunde liegt. Man nehme etwa den Anbieter eines Internet-Speicherdienstes: Der Anbieter der Cloud ist der Auftragsdatenverarbeiter (er selbst sitzt z. B. in den USA, seine Server stehen auf der ganzen Welt), der Kunde ist die verantwortliche Stelle (ob diese rechtliche Einschätzung in der heutigen Zeit noch angemessen erscheint, soll hier nicht diskutiert werden; sie ist nicht unumstritten, wird so aber etwa von der Art. 29 Datenschutzgruppe vertreten, siehe Stellungnahme WP 196, PDF).

Zurück zum Urteil des EuGH. Auch das Gericht verweist für erforderliche Sicherheitsmaßnahmen auf die Vorgaben des Art. 17 DS-RL (Rz. 67), deren Einhaltung, wir erinnern uns an das Beispiel, der Kunde des Speicherdienstes zu prüfen hätte und der Speicherdienst als Auftragnehmer auch selbst einsetzen müsste. Doch nun wird es interessant und relevant.

Datenspeicherung in Drittstaaten
Der EuGH kritisiert in Rz. 68, dass die VDS-RL im Rahmen der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen keine Vorgaben dazu macht, dass die Daten nur innerhalb des Unionsgebietes gespeichert werden dürfen. Hieraus folgert das Gericht, dass

es nicht als vollumfänglich gewährleistet angesehen werden kann, dass die Einhaltung der in den beiden vorstehenden Randnummern angesprochenen Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit, wie in Art. 8 Abs. 3 der Charta ausdrücklich gefordert, durch eine unabhängige Stelle überwacht wird.

Der in dem Zitat angesprochene Art. 8 Abs. 3 Charta bestimmt, dass die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten durch eine unabhängige Stelle überwacht werden müssen. In der Praxis sind dies in Europa die Datenschutzbehörden.

Was bedeutet diese Aussage nun? Der EuGH scheint der Auffassung zu sein, dass Daten, welche auf Servern in Drittstaaten gespeichert werden, nicht dem Schutzniveau des Art. 8 Charta entsprechend geschützt werden können. Dies deshalb, weil in dem jeweiligen Drittstaat möglicherweise keine unabhängige Stelle existiert, welche die Einhaltung der Vorgaben zum Datenschutz und zur Datensicherheit überwacht. Nun mag man einwenden, dass es ja gerade für Fälle der Übermittlung von Daten in Drittstaaten etwa Standardvertragsklauseln gibt oder auch Angemessenheitsbeschlüsse der Kommission, die einem Drittstaat (oder einem gewissen Wirtschaftsbereich) ein angemessenes Schutzniveau bescheinigen. Auf diese Instrumente scheint das Gericht aber überhaupt nicht abzustellen. Sein Verweis bezieht sich vielmehr auf das Vorhandensein einer unabhängigen Stelle im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Charta. Diese Überwachung durch unabhängige Datenschutzbehörden ist für den EuGH entscheidend.

Hiergegen mag man ins Feld führen, dass es ja auch in Drittstaaten unabhängige Behörden gibt, welche die Einhaltung des dortigen Datenschutzrechts überwachen. Doch auch diesbezüglich scheint der EuGH den Grundrechtsschutz des Art. 8 Charta äußerst streng zu nehmen, denn er führt aus:

Eine solche Überwachung auf der Grundlage des Unionsrechts ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Wahrung des Schutzes der Betroffenen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Das Gericht knüpft das Erfordernis der Überwachung durch eine unabhängige Stelle an die „Grundlage des Unionsrechts“. Es mag also durchaus unabhängige Datenschutzbehörden in Drittstaaten geben. Diese überwachen die Einhaltung von Vorgaben zur Datensicherheit und zum Datenschutz jedoch grundsätzlich nicht auf Grundlage des Unionsrechts. Vielmehr gilt für diese Behörden ihr jeweils nationales Recht. Ebenso muss für europäische Datenschutzbehörden festgestellt werden, dass diese ihre Überwachungsmaßnahmen nicht in Drittstaaten ausdehnen können. Sie sind hinsichtlich ihrer öffentlich-rechtlichen Befugnisse vielmehr territorial beschränkt. Man könnte sich nun fragen, wann denn überhaupt eine Behörde auf der Grundlage des Unionsrechts die Einhaltung von Datenschutz- und Datensicherheitsstandards in einem Drittstaat wirksam überwachen kann?

Lösungen und Konsequenzen
Als einziger Ansatzpunkt würde mir einfallen, dass man z. B. Angemessenheitsbeschlüsse (wie etwa Safe Harbor) oder auch Standardvertragsklauseln als eine solche Grundlage des Unionsrechts ansieht, nach deren Vorgaben der Verarbeiter im Drittstaat handeln muss. Freilich wird hierdurch nicht das Problem gelöst, dass eine europäische Datenschutzbehörde nicht im Drittstaat hoheitlich tätig werden kann, also dort nicht direkt auf „Grundlage des Unionrechts“ überwachen kann.

Denn die Safe Harbor-Entscheidung, ebenso wie die Standardvertragsklauseln der EU sehen für Kontrollstellen die Möglichkeit vor, Datenübermittlungen in ein Drittland auszusetzen. Also gegen den Verantwortlichen in der EU vorzugehen. Dies jedoch nicht etwa dann, wenn die Behörde den Auftragnehmer in dem Drittstaat selbst kontrolliert und etwa Mängel bei der Datensicherheit festgestellt hat. Die Befugnisse der europäischen Behörden greifen dann, wenn feststeht, dass der Verarbeiter in dem Drittstaat die an ihn gestellten Vorgaben (sei es aus Vertragsklauseln oder Angemessenheitsbeschlüssen) nicht einhalten kann. Für Informationen hierzu ist die jeweilige europäische Behörde aber freilich auf Angaben Dritter angewiesen, also etwa von Behörden in dem Drittstaat oder des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen selbst. Gut möglich, dass diese „mittelbare“ Überwachung ausreicht, um den Vorgaben des EuGH gerecht zu werden. Hierfür spricht meines Erachtens auch, dass der europäische Gesetzgeber die Datenschutz-Richtlinie mit entsprechenden Mechanismen zur Übermittlung und Speicherung von Daten in Drittstaaten ausgestaltet hat. Wohl wissend, dass nationale Behörden dann nur begrenzte Prüfmöglichkeiten besitzen. Und auch der EuGH selbst hat etwa in seinem Lindqvist-Urteil (Az. C-101/01) darauf hingewiesen, dass für die Mitgliedstaaten und die Kommission gewisse Pflichten zur Kontrolle solcher Datenübermittlungen bestehen (Rz. 63 ff.). Jedoch hat er diese Übermittlung nicht kategorisch ausgeschlossen oder von einer direkten Einflussnahmemöglichkeit europäischer Behörden abhängig gemacht (auch wenn die Frage der Voraussetzungen der Datenübermittlung dort nicht direkt Gegenstand der gerichtlichen Prüfung war und daher nicht vertieft wurde). Dennoch verbleibt ein gewisses Unwohlsein, welches sich vor allem aus der Deutlichkeit der Aussage des EuGH ergibt.

Ausblick
Die Ausführungen des EuGH zur Datenspeicherung in Drittstaaten sind durchaus bemerkenswert. Dies gerade vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussion um ein „Schengen-Routing“ und dem sog. Datenprotektionismus in Folge der Enthüllungen um die Überwachungstätigkeiten von Geheimdiensten. Wie dargestellt liegt die Konstellation der Speicherung von Daten in Drittstaaten vor allem auch dem Cloud Computing zugrunde. Ist die Cloud deshalb tot? Ich denke nicht. Denn die Ausführungen des EuGH sind dafür wohl von zu allgemeiner Natur. Dennoch stellen sich Fragen: Sollte eine Speicherung von personenbezogenen Daten in Ländern außerhalb der EU nun (unabhängig von der rechtlichen Grundlage der Übermittlung) nicht mehr möglich sein? Oder etwa nur wenn sich der Datenverarbeiter behördlichen Maßnahmen europäischer Stellen freiwillig unterwirft? Reicht die beschriebene „mittelbare“ Überwachungsmöglichkeit und dem folgend etwa Maßnahmen gegen den Verantwortlichen in der EU aus? Sollte dem nicht so sein, dann wäre dies ein Schritt zurück, hinter die Intention der geltenden DS-RL und würde der digitalen Wirtschaft und damit auch unserem täglichen Umgang mit Internetdiensten einen Bärendienst erweisen.

Deutsche Datenschutzbehörden: Unsere Daten sicherer machen – wir selbst haben es in der Hand!

Auf der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27.-28. März 2014, haben die Datenschützer aus Bund und Ländern mehrere Beschlüsse zu verschiedensten Themengebieten gefasst. Nachfolgend eine kurze Übersicht.

Elektronische Kommunikation
Nach der Pressemitteilung stellen sich aus der Sicht der Datenschützer die „bisherigen rechtlichen und politischen Reaktionen auf das massenhafte Ausspähen der Kommunikation durch Nachrichtendienste“ als enttäuschend dar. Die Teilnehmer fordern in ihrem Beschluss („Gewährleistung der Menschenrechte bei der elektronischen Kommunikation“), dass die Grundrechte der Bevölkerung durch technische und organisatorische Maßnahmen wirksam zu schützen sind. Hierzu gehöre insbesondere die Bereitstellung einer von jeder Person einfach nutzbaren Verschlüsselungsinfrastruktur. Zudem müsse beim Transport von Daten eine standardisierte Verschlüsselung eingreifen. Zusätzlich bedarf es jedoch des Einsatzes von Mechanismen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die der Bevölkerung angeboten, aber auch ausreichend finanziert werden müssen.

Gesichtserkennung
Eine weitere Entschließung der Datenschutzbehörden befasst sich mit der biometrischen Gesichtserkennung durch Internetdienste („Biometrische Gesichtserkennung durch Internetdienste – Nur mit Wahrung des Selbstbestimmungsrechts Betroffener!“). Danach sehen die Datenschützer in der biometrische Gesichtserkennung eine Technik, „die sich zur Ausübung von sozialer Kontrolle eignet und der damit ein hohes Missbrauchspotential immanent ist„. Sie fordern daher, dass eine Verarbeitung biometrischer Merkmale der Gesichter der Nutzer in sozialen Medien nur mit der ausdrücklichen und informierten Einwilligung der Betroffenen erfolgen darf (§ 4a BDSG). Ein Verweis auf Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen reiche nicht aus.

Öffentlichkeitsfahndung
Die Konferenz befasste sich zudem mit der polizeilichen Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke („Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke – Strenge Regeln erforderlich!“). Eine Nutzung sozialer Netzwerke privater Betreiber (wie z.B. Facebook) zur Öffentlichkeitsfahndung stellt sich aus datenschutzrechtlicher Sicht der Behörden als sehr problematisch dar. Wenn eine solche Fahndungsart gewählt wird, so sollte diese bestimmt Voraussetzungen beachten. Denn sie greife nicht zuletzt wegen der größeren Reichweite deutlich intensiver in die Grundrechte ein als die herkömmliche Öffentlichkeitsfahndung. So darf etwa eine Speicherung der Fahndungsdaten nur auf den Servern der Polizei erfolgen. Zudem sei es entscheidend, dass die „Fahndung nicht als Aufruf zu Hetzjagden und Selbstjustiz im Internet führt. Dazu muss die Kommentierungsfunktion zwingend deaktiviert sein“.

Beschäftigungsdatenschutz
Auch der Beschäftigungsdatenschutz war erneut Thema auf der Konferenz (Beschäftigtendatenschutzgesetz jetzt!). Die Datenschützer verweisen auf den Koalitionsvertrag, wonach, falls mit einem Abschluss der Verhandlungen über die Europäische Datenschutz-Grundverordnung nicht in angemessener Zeit gerechnet werden kann, eine nationale Regelung geschaffen werden solle. Dies reicht den Datenschützern nicht aus. „Aufgrund der voranschreitenden technischen Entwicklung, die eine immer weiter gehende Mitarbeiterüberwachung ermöglicht, besteht unmittelbarer Handlungsbedarf. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordert die Bundesregierung deshalb auf, ein nationales Beschäftigtendatenschutzgesetzes um-gehend auf den Weg zu bringen„.

Datenschutzaufsicht in Europa
Zuletzt fordert die Konferenz in der Entschließung zur „Struktur der zukünftigen Datenschutzaufsicht in Europa„, dass während der im Rat der Europäischen Union andauernden Verhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung, bestimmte Kernelemente beachtet werden sollten, um in Zukunft einen effektiven und bürgernahen Kooperations- und Entscheidungsmechanismus der europäischen Datenschutzbehörden zu gewährleisten. Die Konferenz bekräftigt insbesondere den Grundsatz, dass jede Aufsichtsbehörde zur Kontrolle von datenschutzrechtlichen Verstößen befugt sein sollte, wenn Bürgerinnen und Bürger des jeweiligen Mitgliedstaats betroffen sind. Bei grenzüberschreitender Datenverarbeitung in Europa sollte die Aufsichtsbehörde am Ort der Hauptniederlassung nur federführend tätig werden und eng mit den anderen Aufsichtsbehörden kooperieren. Einigen sich die beteiligten Behörden, so soll die federführende Behörde die Maßnahme erlassen. In Streitfällen sollte der Europäische Datenschutzausschuss verbindlich entscheiden. Nach Ansicht der Konferenz besteht jedoch für die Einführung formeller, fristgebundener Verfahren zur Erlangung EU-weit gültiger Compliance-Entscheidungen kein Bedarf. Es dürfe bei der Klärung von Compliance-Fragen zu keiner Verlagerung der Verantwortlichkeit auf die Aufsichtsbehörden kommen.

UN Menschenrechtsausschuss kritisiert NSA Überwachung

In der Zeit vom 10. bis zum 28. März 2014 hat der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen während seiner 110. Sitzung unter anderem auch den Landesbericht der USA zur Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) begutachtet. Am 14. März wurden dazu auch Vertreter der amerikanischen Regierung direkt angehört und befragt (hier der Bericht der Sitzung vom 14. März).

Nun hat der Menschrechtsausschuss, der die Einhaltung der unter dem ICCPR garantierten Rechte kontrollieren soll, seinen (noch unbearbeiteten) Bericht in Bezug auf Amerika und auch die Tätigkeit der NSA veröffentlicht.

Danach ist der Ausschuss in Bezug auf die Überwachung der Kommunikation (innerhalb und außerhalb der USA) im Interesse der nationalen Sicherheit besorgt, welche durch die NSA sowohl durch das massenhafte Sammeln von Telefonmetadaten erfolgt (Abschnitt 215 des Patriot Act), als auch insbesondere die Sammlung von Daten bei US-Unternehmen durch das PRISM Programm (unter Abschnitt 702 des FISA Amendment Act) und das Anzapfen von Internetkabeln in Amerika unter dem Programm UPSTREAM. Diese Programme “wirken sich negativ” auf den Schutz der Privatsphäre aus (Anmerkung des Autors: der Schutz vor einer Überwachung des Privatlebens wird durch Art. 17 ICCPR garantiert). Des Weiteren kritisiert der Ausschuss, dass bis vor kurzem die Auslegung sowie Entscheidungen des zuständigen Gerichts (FISC) zum Großteil geheim gehalten wurden. Hierdurch wurde es von Überwachungsmaßnahmen betroffenen Personen nicht möglich gemacht, über die rechtlichen Grundlagen genaue Kenntnis zu erlangen. Nach der Ansicht des Ausschusses besteht zudem die Besorgnis, dass das derzeitige System der Kontrolle der Tätigkeiten der NSA nicht ausreicht, um die Rechte der Betroffenen wirksam zu schützen. Auch kritisiert der Ausschuss, dass trotz der geplanten Reformen der Schutz für Personen, die keine amerikanischen Staatsbürger sind, nur begrenzt gegeben ist. Zudem merkt der Ausschuss an, dass betroffene Personen im Falle des Missbrauchs der Überwachungsmaßnahmen, keine effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten besitzen.

Der Ausschuss empfiehlt der amerikanischen Regierung daher (unter anderem):

  • Alle erforderlichen Maßnahmen zu unternehmen um sicherzustellen, dass die Überwachungsaktivitäten, sowohl innerhalb und außerhalb von Amerika, in Einklang mit Art. 17 ICCPR stehen. Insbesondere sollte sichergestellt werden, dass Eingriffe in das Recht auf Privatsphäre die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Erforderlichkeit beachten, die unabhängig von der Nationalität und dem Aufenthaltsort der Betroffenen.
  • Jeder Eingriff in das Recht auf Privatleben, den Schutz der Familie und der eigenen Wohnung muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, welche öffentlich zugänglich ist und die bestimmt, dass das Sammeln, der Zugang und die Nutzung von Kommunikationsdaten nur zu bestimmten Zwecken erfolgt.
  • Davon Abstand zu nehmen, eine verpflichtende Vorratsdatenspeicherung durch Dritte einzuführen.
  • Sicherzustellen, dass betroffenen Personen Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln gegen rechtswidrige Überwachungsmaßnahmen besitzen.

Der UN Menschenrechtsausschuss findet klare Worte, um die Überwachungstätigkeit der NSA und das derzeit bestehende System in den USA als mit dem garantierten Schutz unter dem ICCPR unvereinbar zu erklären. Insbesondere der Hinweis darauf, dass Amerika keine Vorratsdatenspeicherung einführen solle (was jedoch derzeit als Reform in Bezug auf die Telefonmetadaten geplant wird), ist deutlich. Das Grundproblem in der vorliegenden Situation ist jedoch, dass die amerikanische Regierung stets argumentiert, dass die Rechte des ICCPR von ihr nur auf dem eigenen Hoheitsgebiet eingehalten werden müssten. Daher wird die Reform wohl auch nur für die Telefondaten amerikanischer Bürger gelten. Eine Bindung an die durch den ICCPR garantierten Rechte außerhalb des eigenen Staatsgebietes lehnt die amerikanische Regierung ab. Die Frage der extraterritorialen Geltung des ICCPR ist nicht unumstritten, jedoch geht auch der UN Menschrechtsausschuss davon aus, dass die Pflichten für Staaten, welche sich aus dem ICCPR ergeben, nicht auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt sind. Sie gelten vielmehr immer dann, wenn ein Staat effektive Kontrolle über Personen ausübt, was etwa im Fall von Entführungen durch Geheimdienste im Ausland bejaht wird, aber auch bei einer elektronischen Überwachung der Kommunikation (vgl. hierzu etwa die Ausführungen von Prof. Scheinin im LIBE Ausschuss des Europäischen Parlaments, PDF).

Stellv. NSA Direktor: Wir arbeiten an Transparenzberichten

Während eines Videointerviews auf der Technologie und Medien Konferenz TED in Kanada überraschte der stellvertretende NSA Direktor, Rick Ledgett, letzte Woche mit der Aussage, dass der Geheimdienst transparenter werden müsse (Quellen: 1 / 2). Jedoch fügte Ledgett auch hinzu, dass diese nicht in einer Weise geschehen werde, die den „bösen Jungs“ eine Chance eröffnen würde, um gegen die NSA zu arbeiten.

Derzeit erarbeite man bei der NSA einen Vorschlag, wie man die angedachte Transparenz umsetzen könnte. Ledgett nannte hierbei als Vorbild die Transparenzberichte der großen internationalen Technologiefirmen, in denen diese über staatliche Anfragen zur Löschung oder Herausgabe von Daten informieren. In Bezug auf die Information der Öffentlichkeit über die Arbeit der NSA stellte der stellvertretende Direktor fest, dass der Nachrichtendienst hier in der Vergangenheit keinen guten Job gemacht habe.

Welche Informationen genau in den Transparenzberichten veröffentlicht werden, ist noch nicht klar. Genannt wurden vom stellvertretenden Direktor die Prozesse, die Arbeitsweise, die Behörde an sich und auch die Kontrolle der Arbeit. Ledgett wolle die anhaltende Diskussion um die Abhörtätigkeiten der NSA mit Tatsachen bereichern und spielte damit auf die aus seiner Sicht als Halbwahrheiten veröffentlichten Informationen durch Edward Snowden an.

Europarat: Abgeordnete fordern besseren Schutz der Bürger im Internet

Am 11. März hat der Ausschuss für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Medien der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einen Bericht des deutschen Bundestagsabgeordneten Axel Fischer zur Verbesserung des Schutzes der Nutzer und der Sicherheit im Internet angenommen („Improving user protection and security in cyberspace“ PDF).

Der Bericht enthält sowohl den Entwurf eines Entschlusses als auch den Entwurf einer Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Über beide Entwürfe werden am 9. April in Straßburg verhandelt.

Entwurf eines Entschlusses

Mit der Verabschiedung des Entschlusses würde die Parlamentarische Vollversammlung kein bindendes Recht schaffen, jedoch ihre Position in Bezug auf das Thema Datenschutz, Überwachung und Privatheit im Internet zum Ausdruck bringen. Einige Kernpunkte, die in dem Entschluss angeprangert und auch gefordert werden:

  • Das Vertrauen der Bürger in Internetdienste wurde durch die Enthüllungen und Informationen über Eingriffe in ihre privaten Daten durch europäische und amerikanische Behörden und auch private Unternehmen erschüttert
  • Alle Mitgliedstaaten sind aufgefordert in Zusammenarbeit mit der Internetwirtschaft eine weltweite Initiative zur Verbesserung des Schutzes der Nutzer und der Sicherheit des Internets zu starten
  • Mitgliedstaaten sollen unter anderem folgende Prinzipien effektiv umsetzen und achten:
  1. das Privatleben, die Korrespondenz und die persönlichen Daten müssen auch online geschützt sein
  2. das Abfangen, die Überwachung, die Profilbildung und das Speichern persönlicher Daten durch öffentliche Stellen und Unternehmen ist nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage erlaubt und verstößt nicht gegen Art. 8 EMRK
  3. Mitgliedstaaten besitzen eine positive Rechtspflicht gegenüber ihren Bürgern, diese vor dem Abfangen, Überwachen der Profilbildung und der Speicherung ihrer persönlichen Daten zu schützen
  • Internetzugangs- und Diensteanbieter sollten automatisch Verschlüsselungstechniken einsetzen
  • Gesetzestreue Internetnutzer haben das Recht auf Anonymität
  • Cloud-Computing-Anbieter sollten die Schutzstandards für Nutzer nicht dadurch umgehen, dass sie ihre Datenzentren in „schwächere“ Rechtssysteme verlagern
  • Mitgliedstaaten sollten gesetzliche Grundlagen zur Regulierung von Online-Spiele-Anbietern schaffen; hierbei sollte dasjenige Recht anwendbar sein, in dem sich der Nutzer befindet, auf den der Dienst ausgerichtet ist
  • Betroffene müssen die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes besitzen

Entwurf einer Empfehlung

Der Entwurf für eine Empfehlung enthält konkrete Forderungen der Parlamentarischen Versammlung an das Ministerkomitee, die von jenem auch beantwortet werden müssen. Einige der Kernpunkte sind hier:

  • Als besonders dringliche Angelegenheit die derzeit stattfindende Überarbeitung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (Übereinkommen 108) abzuschließen
  • Über-europäische Bestrebungen zur Internationalisierung der ICANN zu unterstützen und zu koordinieren
  • Beobachterstaaten einzuladen, mit den Mitgliedstaaten aktiv bei der Verbesserung des Schutzes der Nutzer und der Sicherheit des Internets mitzuwirken

Die beiden Entwürfe, die noch durch eine Begründung des Berichterstatters Fischer begleitet werden, finden teilweise sehr deutliche und klare Worte, wenn es um die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Internetnutzer geht. Insbesondere der klare Hinweis auf eine staatliche Schutzpflicht oder ein Recht auf Anonymität sind durchaus bemerkenswert. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Parlamentarische Versammlung im April die Entwürfe auch ohne Änderungen übernimmt.

Deutsche Datenschutzbehörden veröffentlichen Orientierungshilfe zur Videoüberwachung

Die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich (sog. Düsseldorfer Kreis) haben eine Orientierungshilfe für den rechtskonformen Einsatz zum Betrieb privater Videoüberwachungsanlagen veröffentlicht („Orientierungshilfe „Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen„, PDF).
Die Orientierungshilfe soll darüber informieren, unter welchen Voraussetzungen eine Videoüberwachung zulässig ist und welche gesetzlichen Vorgaben dabei einzuhalten sind. Entscheidende Vorschrift ist dabei § 6b BDSG.

Folgende Voraussetzungen sind nach dem Hinweis der Datenschützer bei der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zu beachten:

  • Zweck der Videoüberwachung: bereits vor Einsatz der Videoüberwachung ist das verfolgte Ziel zu konkretisieren. Berechtigte Interessen können ideeller, wirtschaftlicher oder auch rechtlicher Natur sein. Notwendig sind jedoch konkrete Tatsachen, die am besten dokumentiert werden (z. B. Straftaten).
  • Geeignetheit und Erforderlichkeit der Videoüberwachung: Ebenfalls vor der Inbetriebnahme der Kamera ist zu prüfen, ob die Überwachung geeignet und erforderlich ist, um das festgelegte Ziel zu erreichen. „Die Erforderlichkeit einer Videoüberwachung kann nur dann bejaht werden, wenn der beabsichtigte Zweck nicht genauso gut mit einem anderen (wirtschaftlich und organisatorisch) zumutbaren, in die Rechte des Betroffenen weniger eingreifenden, Mittel erreicht werden kann„.
  • Beachtung der schutzwürdigen Interessen des Betroffenen: Die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen dürfen diejenigen des Betreibers nicht überwiegen. Erforderlich ist daher eine Abwägung der gegenüberstehenden Interessen. „Maßstab der Bewertung ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht als besondere Ausprägung des Persönlichkeitsrechts auf der einen und der Schutz des Eigentums oder der körperlichen Unversehrtheit auf der anderen Seite„.
  • Maßnahmen vor Einrichtung: Zudem muss vor Inbetriebnahme der konkrete Zweck der Videoüberwachung schriftlich festgelegt werden und es sind technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen (§ 9 BDSG). Ebenfalls ist eine Vorabkontrolle nach § 4d Abs. 5 BDSG erforderlich, wenn „bei dem Einsatz der Videotechnik von besonderen Risiken für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen auszugehen ist„.
  • Hinweispflicht: Zudem ist nach § 6b Abs. 2 BDSG der Umstand der Beobachtung und die jeweils verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen. Hierzu bieten sich etwas Schilder oder graphische Symbole an.

Weitere Hinweise geben die Datenschutzbehörden auch zu der Durchführung der Videoüberwachung und der damit einhergehenden Datenverarbeitung an sich, wie etwa zur Speicherdauer und zur Unterrichtungspflicht. Zudem informiert die Orientierungshilfe zu besonderen Konstellationen wie den Einsatz von Webcams oder die Videoüberwachung von Beschäftigten.

Merkel: „Wir müssen mehr machen im europäischen Datenschutz“

Kurz vor dem am 19. Februar 2014 in Paris stattfindenden deutsch-französischen Ministerrat, hat Bundeskanzlerin Merkel ein Interview für den YouTube-Kanal der Bundesregierung gegeben (Video), in dem sie unter anderem auf das Thema Datenschutz eingeht.

Im Hinblick auf eine enge internationale Zusammenarbeit im Bereich des Datenschutzrechts sieht Merkel in der Tat Nachholbedarf.

Wir müssen mehr machen im europäischen Datenschutz, das ist gar keine Frage.

Zudem weißt die Bundeskanzlerin auf die derzeit in Brüssel verhandelte Datenschutz-Grundverordnung hin, die einen einheitlichen rechtlichen Standard in Europa schaffen würde. Jedoch stellen sich die Verhandlungen zu diesem Gesetzesvorhaben aus ihrer Sicht nicht so einfach dar, da „manche Länder einen geringen Datenschutz haben als Deutschland. Und wir wollen nicht, dass unser Datenschutz aufgeweicht wird“.

Im Hinblick auf die derzeitige Praxis einiger Unternehmen, ihre europäischen Zentralen in Länder zu verlagern, in denen das Datenschutzrecht „am geringsten ist“, macht die Bundeskanzlerin klar: „das können wir in Europa auf Dauer auch nicht gut heißen“. Mit Frankreich werde man darüber sprechen, wie man in Europa ein hohes Maß an Datenschutz aufrecht erhalten kann.

Zudem wolle man in Paris darüber sprechen, welche europäischen Anbieter existieren,

die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger bieten, dass man nicht erst mit seinen E-Mails und anderem über den Atlantik muss, sondern auch innerhalb Europas Kommunikationsnetzwerke aufbauen kann.

Hiermit spricht die Bundeskanzlerin das Thema des „Schengenroutings“ an, dass also Datenpakete, deren Absender und Empfänger in Europa sitzen, auch innerhalb europäischer Netze verbleiben sollen. Diese Idee rührt vor allem aus den Enthüllungen um die Abhöraktivitäten der NSA, die auch direkt transatlantische Datenkabel angezapft haben soll.

Man darf gespannt sein, ob der anstehende Ministerrat für neuen Schwung bei den Themen Datenschutz-Grundverordnung und einer in letzter Zeit häufig geforderten digitalen europäischen „Unabhängigkeit“ von Amerika sorgen wird.

Bundesregierung: Im BfV und BND werden keine Personen gezielt wegen ihrer beruflichen Tätigkeit erfasst

Die Bundesregierung hat eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag zur Überwachungstätigkeit des BND, des BfV und des MAD beantwortet (BT-Drs. 18/443). DIE LINKE stellte die Anfrage „Mögliche Bespitzelung von Journalisten und Journalistinnen durch den Verfassungsschutz auch außerhalb Niedersachsen“ und wollte konkreter wissen, inwiefern auf Bundesebene die Nachrichtendienste ihre Überwachung eventuell anhand bestimmter Berufsgruppen ausrichten.

Die Bundesregierung antwortet hierauf, dass im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und im Bundesnachrichtendienst (BND) keine Personen gezielt wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalist, Arzt oder Rechtsanwalt erfasst werden. Sie werden vielmehr im BfV und BND erfasst, wenn sie in Erfüllung des jeweiligen gesetzlichen Auftrags beobachtungswürdig sind.

Erforderlich ist beim BfV immer die Voraussetzung des Merkmals der „Beobachtungswürdigkeit“ der Person bzw. beim BND ein Bezug zu dessen besonderer Aufgabenstellung.

Das BfV speichert im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) Personen, wenn sie aufgrund extremistischer, terroristischer oder nachrichtendienstlicher Bezüge beobachtungswürdig sind. Anlass einer Speicherung in den Fachinformationssystemen des BND ist immer ein Bezug der gespeicherten Person zur Aufgabenstellung des BND gemäß § 1 Absatz 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG). Im Rahmen einer solchen Speicherung können dann auch Informationen zur beruflichen Tätigkeit der als nachrichtendienstlich relevant eingestuften Person miterfasst werden.

Hinsichtlich einmal gespeicherter Daten sind die Dienste dazu verpflichtet diese zu löschen, wenn sich herausstellt, dass die Speicherung unzulässig war oder die Daten für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Zudem bestehen gewisse Prüfpflichten hinsichtlich gespeicherter Daten, nach deren Ablauf zu beurteilen ist, ob die Daten noch erforderlich sind oder gelöscht werden können. BfV und BND sind

verpflichtet, bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen zu prüfen, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigten oder zu löschen sind. Die Frist für das BfV beträgt fünf Jahre, für den BND längstensfalls zehn Jahre.