Bundesarbeitsgericht: Sichtung und Auswertung von Dateien auf einem Dienstrechner ist datenschutzrechtlich auch ohne konkreten Verdacht zulässig

Das Bundesarbeitsgericht hat sich wieder einmal mit der Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit einer Auswertung von Dienstgeräten und dort gespeicherten Dateien im Rahmen einer Kündigungsschutzklage befasst. Mit Urteil vom 31.01.2019 (2 AZR 426/18) entschied das BAG, dass die Einsichtnahme in auf einem Dienstrechner des Arbeitnehmers gespeicherte und nicht als „privat“ gekennzeichnete Dateien nicht zwingend einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung voraussetzt und die in diesem Zuge erfolgte Datenverarbeitung zulässig war.

Relevant dürfte an dieser Entscheidung vor allem sein, dass das BAG weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenverarbeitungen auch ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts gegen den Arbeitnehmer nach § 32 BDSG aF als zulässig erachtet. Zudem stellt das BAG für diese Maßnahmen der Sichtung von Dateien und für die datenschutzrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung konkrete Anforderungen auf.

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin produziert Kraftfahrzeuge und der als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger war seit 1996 bei ihr beschäftigt. Die Beklagte stellte ihm einen Pkw nebst Tankkarte auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der Kraftstofftank des Wagens wies nach Angaben der Beklagten als Herstellerin ein Volumen von 93 Litern auf.

Im Jahr 2013 eröffneten Mitarbeiter der internen Revision dem Kläger, dass er verdächtigt werde, Inhalte eines Audit-Berichts unerlaubt an Dritte weitergegeben zu haben. Deshalb solle sein Dienst-Laptop untersucht werden. Der Kläger gab den Rechner heraus, nannte seine Passwörter und erklärte, kooperieren zu wollen. Kurze Zeit später wandte er sich noch einmal an die interne Revision und teilte mit, es befänden sich einige, von ihm näher bezeichnete private Daten auf dem PC.

Die Beklagte ließ eine Kopie der Festplatte des Rechners computerforensisch begutachten. In einem vom Kläger angelegten Ordner „DW“ befand sich die Datei „Tankbelege.xls“. Sie enthielt eine Aufstellung über die vom Kläger mit der Tankkarte durchgeführten Betankungen. Aus den dort erfassten Kraftstoffmengen, den Tankdaten und den von ihr anschließend recherchierten Betankungsorten ergab sich aus Sicht der Beklagten zumindest der dringende Verdacht, der Kläger habe auf ihre Kosten nicht nur sein Dienstfahrzeug betankt. Es erfolgten mehrere Formen von Kündigungen, die zum Teil für unwirksam erklärt wurden (u.a. mangels Zustimmung des Integrationsamts). Zuletzt stand jedoch eine Kündigung aus Dezember 2016 im Raum.

In dem hier entschiedenen Fall ging es am Ende noch um die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers. Seiner Ansicht nach dürften die Ergebnisse der Untersuchung seines Dienstrechners nicht verwertet werden. Die Analyse sei „ins Blaue hinein“ erfolgt und er sei – insoweit unstreitig – nicht zu der Auswertung hinzugezogen worden. Die Beklagte habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört und die gesetzliche Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende nicht gewahrt.

Entscheidung

Das BAG wies die Klage im Ergebnis als unbegründet ab.

Die datenschutzrechtliche Relevanz solcher Entscheidungen knüpft eigentlich immer an die Frage, ob Erkenntnisse aus einer Auswertung (=Datenverarbeitung) von Mitarbeiterdaten für die Kündigung genutzt werden durften.

Der Senat verweist hierzu auf die gefestigte Senatsrechtsprechung, wonach in einem Kündigungsrechtsstreit jedenfalls dann kein Verwertungsverbot zugunsten des Arbeitnehmers eingreift, wenn der Arbeitgeber die betreffende Erkenntnis oder das fragliche Beweismittel im Einklang mit den einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorschriften erlangt und weiterverwandt hat

So liegt es im Streitfall. Die Einsichtnahme in die Datei „Tankbelege.xls“ sowie die weitere Verarbeitung und Nutzung der aus ihr gewonnenen Erkenntnisse durch die Beklagte waren nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung (im Folgenden BDSG aF) zulässig.

Sodann befasst sich der Senat mit den Tatbestandsmerkmalen des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG aF. Wie auch im neuen § 26 Abs. 1 BDSG dürfen Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u.a. dann verarbeitet werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

Hierzu der Senat:

Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann.

Sofern nach dieser Vorgabe zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG aF auch verarbeitet und genutzt werden.

Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potenziellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen.

Zwar stützt das BAG seine Entscheidung natürlich noch auf § 32 BDSG aF. Jedoch weist der Senat auch darauf hin, dass seiner Auffassung nach ein anderes Ergebnis auch nicht bei Anwendung der Vorgaben des jetzt geltenden § 26 BDSG zu erwarten wäre.

Die Verwertung der von der Beklagten in zulässiger Weise ermittelten Inhalte der Datei „Tankbelege.xls“ im vorliegenden Rechtsstreit ist nach Maßgabe der DS-GVO und des BDSG in der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Fassung ebenfalls rechtmäßig.

Nachdem der Senat allgemein die Vorgaben für die Erhebung und danach folgende Verwertung der Daten abgesteckt hat, macht er sich an die eigene inhaltliche Prüfung. Entscheidendes Merkmal ist hierbei die „Erforderlichkeit“ der Datenverarbeitung. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG bedeutet „Erforderlichkeit“ im Kontext des § 32 BDSG aF (und damit auch im Rahmen des § 26 BDSG) „Verhältnismüßigkeit“.

Es hat eine „volle“ Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten müssen geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen.

Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht.

Interessant ist hierbei, dass das BAG im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung ausdrücklich darauf Bezug nimmt, dass eine „berechtigte Privatheitserwartung“ des Betroffenen einen beachtlichen Faktor darstellt. Hierzu verweist der Senat auch auf Erwägungsgrund 47 DSGVO („vernünftige Erwartungen“).

Nach Ansicht des BAG kann diese Privatheitserwartung des Arbeitnehmers selbst dann zugunsten seines Nichtverarbeitungsinteresses den Ausschlag geben, wenn das Verarbeitungsinteresse des Arbeitgebers hoch ist.

So dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich erwarten, dass besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht ohne einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung ergriffen werden und insbesondere nicht „ins Blaue hinein“ oder wegen des Verdachts bloß geringfügiger Verstöße eine heimliche Überwachung und ggf. „Verdinglichung“ von ihnen gezeigter Verhaltensweisen erfolgt.

Meines Erachtens sind diese Feststellungen des Senats vor allem mit Blick auf die zukünftige Anwendung des § 26 BDSG von besonderer Relevanz. Denn der Senat äußert sich ganz bewusst zu dem Merkmal der Privatheitserwartung der Arbeitnehmer, welches mit der DSGVO auch im Rahmen des Erlaubnistatbestandes nach Art 6 Abs. 1 f) DSGVO (Interessenabwägung) eine entscheidende Rolle spielt.

Exkurs: dass es in der Literatur Streit darüber gibt, ob Mitarbeiterdaten auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO verarbeitet werden können, ist mir bekannt. Die Auffassung, die einen Rückgriff neben § 26 BDSG ablehnt, ist meines Erachtens aber europarechtlich nicht haltbar. Sieht auch das BAG so, vgl. z. B. Urt. v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18)

Besonders relevant sind danach die Aussagen des Senats zur Einordnung der Privatheitsinteressen des Arbeitnehmers im konkreten Fall. Danach können weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenverarbeitungen ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts – zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung – erlaubt sein. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen.

Diese Voraussetzungen können nach Ansicht des Senats auch erfüllt sein,

wenn der Arbeitgeber aus einem nicht willkürlichen Anlass prüfen möchte, ob der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten vorsätzlich verletzt hat, und er – der Arbeitgeber – dazu auf einem Dienstrechner gespeicherte Dateien einsieht, die nicht ausdrücklich als „privat“ gekennzeichnet oder doch offenkundig „privater“ Natur sind.

Voraussetzung ist jedoch Transparenz gegenüber dem Abreitnehmer. Die Maßnahme muss offen erfolgen und der Arbeitnehmer muss im Vorfeld darauf hingewiesen worden sein, welche legitimen Gründe eine Einsichtnahme in – vermeintlich -dienstliche Ordner und Dateien erfordern können, und dass er Ordner und Dateien durch eine Kennzeichnung als „privat“ von einer Einsichtnahme ohne „qualifizierten“ Anlass ausschließen kann.

Der Arbeitnehmer muss dann billigerweise mit einem jederzeitigen Zugriff auf die vermeintlich rein dienstlichen Daten rechnen. Zugleich kann er „private“ Daten in einen gesicherten Bereich verbringen.

Vorliegend geht der Senat davon aus, dass die Beklagte aus einem nicht willkürlichen Anlass ein legitimes Ziel verfolgt. Sie wollte letztlich prüfen, ob der Kläger vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Interessant ist auch die Ansicht zur Frage, ob nicht ein milderes Mittel vorhanden war. Hier könnte man etwa daran denken, eine Einsichtnahme in die Datei unter Heranziehung eines Mitglieds des Betriebsrats oder des Datenschutzbeauftragten als milderes Mittel zu bevorzugen. Dies lehnt der Senat jedoch ab.

Dadurch hätte nicht die Möglichkeit bestanden, die Datenerhebung ganz abzuwenden oder doch auf die Art und Weise ihrer Durchführung „abschwächenden“ Einfluss zu nehmen.

Zuletzt ist natürlich noch relevant, dass die Sichtung des Dienstrechners eigentlich ohne konkreten Anfangsverdacht erfolgte. Zudem wurde auch nicht festgestellt, ob die Arbeitgeberin im Vorfeld des Verlangens, den Dienstrechner herauszugeben, gegenüber dem Kläger die Gründe (allgemein) bezeichnet hatte, die eine Einsichtnahme in dienstliche Ordner und Dateien erfordern können und ob sie ihn auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht hat, Ordner und Dateien durch eine Kennzeichnung als „privat“ von einer Einsichtnahme ohne „qualifizierten“ Anlass auszuschließen.

Dennoch geht der Senat von der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung der Daten aus der Excelliste aus.

stellte sich die von der Beklagten durchgeführte Maßnahme, was die hier allein interessierende Einsichtnahme in nicht ausdrücklich als „privat“ gekennzeichnete oder doch offenkundig als „privat“ zu erkennende Dateien anbelangt, nicht als so eingriffsintensiv dar, dass sich das Nichtverarbeitungsinteresse des Klägers in einer Abwägung gegen das Verarbeitungsinteresse der Beklagten durchsetzen könnte. Die Untersuchung wurde offen durchgeführt. Ihre mögliche Reichweite war klar. Der Kläger wusste, dass die gesamte Festplatte seines Dienst-Laptops einer computerforensischen Analyse unterzogen werden sollte.

Der Senat verdeutlich mit dem Urteil, dass interne Maßnahmen zur Kontrolle der Pflichteneinhaltung im Arbeitsverhältnis datenschutzrechtlich nicht unmöglich, ja vielmehr praktikabel umsetzbar sind. Wichtig ist stets, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu beachten. Ein ganz entscheidender Faktor hierbei ist, wie stest im Datenschutzrecht, die Transparenz gegenüber den Betroffenen.

Arbeitnehmerdatenschutz: Strenge Vorgaben zur Überwachung im Arbeitsverhältnis durch Änderungsvorschläge zur ePrivacy-VO

Heute hat der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) im Europäischen Parlament den Vorschlag für eine neue ePrivacy-Verordnung durch die Europäische Kommission beraten. Der Entwurf des Berichts des LIBE-Ausschusses stammt vom 9. Juni 2017 (PDF). Im Entwurf werden teilweise umfassende Änderungen am ursprünglichen Entwurf der Kommission vorgeschlagen. Die Abstimmung über den Entwurf für den Bericht im Europäischen Parlament steht noch aus.

Ganz konkret möchte ich hier kurz auf einen interessanten Vorschlag des LIBE-Ausschusses hinweisen. Mit Änderungsantrag 82 soll der ursprüngliche Art. 8 Abs. 1 ePrivacy-VO um einen Buchstaben d b erweitert werden. In Art. 8 Abs. 1 geht es um den Schutz der Endeinrichtungen von Nutzern und in diesen Endeinrichtungen gespeicherten Informationen. Ganz praktisch geht es also insbesondere um Endgeräte, in denen sich entweder digital Information ablegen lassen oder die auch selbst Informationen erzeugen und aus diesen Informationen ausgelesen werden können. Beispielhaft seien hier etwa Mobiltelefone oder auch Computer, die ans Internet angeschlossen sind, genannt. In Art. 8 Abs. 1 ePrivacy-VO werden recht strenge Anforderungen daran gestellt, wann Informationen aus den Endeinrichtungen überhaupt erhoben werden dürfen. Nach Art. 8 Abs. 1 ist eine solche Erhebung von Informationen grundsätzlich untersagt, außer einer der in Abs. 1 genannten Gründe liegt vor.

Einleitend ist zudem darauf hinzuweisen, dass Art. 8 Abs. 1 einen sehr weiten Anwendungsbereich hat, da es in diesem nicht etwa (wie sonst überwiegend in der ePrivacy-VO) um Kommunikationsdaten geht, sondern ganz allgemein von „Informationen“ gesprochen wird. Einen ähnlich weiten Anwendungsbereich hat derzeit auch der Art. 5 Abs. 3 der noch geltenden ePrivacy-Richtlinie (sogenannte Cookie-Richtlinie).

Mit dem Änderungsantrag 82 schlägt nun der Entwurf des Berichts vor, dass eine neue gesetzliche Erlaubnis in Art. 8 Abs. 1 aufgenommen wird, wann Informationen aus Endgeräten erhoben werden dürfen. Nach Art. 8 Abs. 1 Buchstabe d b soll dies der Fall sein, wenn es im Rahmen von Arbeitsverhältnissen nötig ist, wenn erstens der Arbeitgeber bestimmte Einrichtungen bereitstellt, zweitens der Arbeitnehmer der Nutzer dieser Einrichtung ist und drittens der Eingriff für die Funktionsweise der Einrichtung für den Arbeitnehmer zwingend notwendig ist. Die Regelung gilt also nicht für „Bring Your Own Device“ Konstellationen.

Zunächst liest sich diese Ausnahme so, als ob sie Arbeitgebern grundsätzlich eine Überwachung der Tätigkeiten der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Nutzung von bereitgestellten Endgeräten, wie etwa PCs und Mobiltelefon, erlauben würde. Betrachtet man sich diese vorgeschlagene Regelung jedoch genauer, ist zu beachten, dass der „Eingriff“ (gemeint ist hier wohl der Zugriff auf die Endeinrichtungen der Arbeitnehmer als Nutzer; vgl. diesbezüglich etwa Erwägungsgrund 20) für die Funktionsweise der Endeinrichtung für den Arbeitnehmer zwingend notwendig ist. Der Eingriff bzw. der Zugriff auf die Endeinrichtungen und dort gesammelte Informationen darf also ausschließlich dann erfolgen, wenn die so mögliche Erhebung von Informationen für die Funktionsweise der technischen Einrichtung zwingend notwendig ist und dies auch nur, wenn dies für den Arbeitnehmer zwingend notwendig ist. Es geht also hier nicht darum, dass der Arbeitgeber argumentieren könnte, er müsse Zugriff auf die Endeinrichtungen seine Arbeitnehmer haben, um etwa die Nutzung der von ihm bereitgestellten Endgeräte überprüfen zu können. Denn diesen Zugriff könnte man als nicht zwingend notwendig für die Funktionsweise der Einrichtung ansehen. Dies ist zumindest eine mögliche Auslegung des Änderungsantrags.

Sollte man den Änderungsantrag so lesen, so würde dies aber gleichzeitig bedeuten, dass andere Optionen zum Zugriff auf Informationen in Endgeräten im Arbeitsverhältnis ausgeschlossen sind (außer natürlich, ein anderer Erlaubnistatbestand in Art. 8 Abs. 1 wäre erfüllt, wie etwa die Einwilligung des Arbeitnehmers).

Insbesondere brisant ist die Aufnahme dieses Erlaubnistatbestandes zum Zugriff auf Endgeräte im Arbeitsverhältnis und der Erhebung von Informationen aus den Endgeräten auch deshalb, weil man sich noch vor Augen halten muss, dass die derzeit verhandelte die ePrivacy-VO Spezialregelungen gegenüber der 25 Mai 2018 unmittelbar anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bereithält. Soweit also ein Sachverhalt von den Regelungen der die ePrivacy-VO abgedeckt ist, wird die DSGVO verdrängt. Und hier noch einmal der Hinweis: Art. 8 Abs. 1 gilt schon bei der Erhebung von „Informationen“. Es müssen keine personenbezogenen Daten vorliegen (wie im Rahmen der DSGVO).

Nimmt man nun, wie in Änderungsantrag 82 vorgesehen, eine spezielle Situation aus dem Arbeitsverhältnis in die ePrivacy-VO auf und regelt dort, was in Bezug auf Informationen in Endgeräten für den Arbeitgeber gestattet ist, bedeutet dies gleichzeitig, dass ein Rückgriff auf Erlaubnistatbestände der DSGVO nicht mehr möglich ist. Dies betrifft insbesondere auch Art. 88 der DSGVO, in dem es um die Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis geht und der im Rahmen des neuen BDSG in Deutschland in ähnlicher Weise wie der bisher geltende § 32 BDSG umgesetzt werden soll. Art. 8 Abs. 1 lit. d b ePrivacy-VO würde Art. 88 DSGVO und damit auch dem BDSG vorgehen. Man könnte sich als Arbeitgeber also nicht auf eine Interessenabwägung zur Verarbeitung personenbezogener Daten von Arbeitnehmern berufen, wie dies in § 26 BDSG (neu) vorgesehen ist, soweit die ePrivacy-VO den Sachverhalt abschließend und spezieller regelt.

Man wird abwarten müssen, ob der hier dargestellte Änderungsantrag tatsächlich in dieser Form zum einen im in der finalen Stellungnahme des Europäischen Parlaments Niederschlag findet. Zum anderen wird dann auch noch der Rat der Europäischen Union seine Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung verhandeln und beschließen. Inwiefern also tatsächlich die hier dargestellte Regelung zum Zugriff auf Informationen in Endgeräten im Arbeitsverhältnis am Ende Realität wird, lässt sich derzeit noch nicht mit absoluter Gewissheit abschätzen. Im Hinterkopf sollte man jedoch zumindest behalten, dass im Europäischen Parlament der Wunsch besteht, diese Situation in der ePrivacy-VO zu regeln.

Datenschutz nach dem Brexit: Vereinigtes Königreich strebt Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission an

Die britische Regierung hat ein Weißbuch für den Plan zum Austritt aus der Europäischen Union veröffentlicht (pdf, Stand: Februar 2017). In dem Weißbuch wird auch knapp das Thema „Datenschutz“ gestreift (S. 45).

In dem Weißbuch erkennt die britische Regierung den besonderen Stellenwert eines Datentransfers für viele Wirtschaftssektoren an. Solange das Vereinigte Königreich noch Teil der Europäischen Union ist, existieren auch keine anderen datenschutzrechtlichen Anforderungen für Unternehmen, wenn diese etwa personenbezogene Daten mit einem Dienstleister in England austauschen möchten, als wenn sie einen Dienstleister im eigenen EU-Mitgliedstaat wählen würden.

Jedoch wird sich datenschutzrechtlich der Status des Vereinigten Königreichs nach dem Brexit ändern: in ein sog. Drittland. An Datentransfers in diese Länder bestehen bekanntlich höhere datenschutzrechtliche Anforderungen. Grundsätzlich dürfen derzeit und auch unter der Datenschutz-Grundverordnung, keine personenbezogene Daten aus der EU in Drittländer übermittelt werden, die nicht über ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten verfügen oder ein anderes besonderes Instrument, wie etwa die EU-Standardvertragsklauseln oder gesetzliche Ausnahmen, nutzen.

Die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in einem Drittland wird durch die Europäische Kommission geprüft und bestätigt. Ein Beispiel hierfür ist etwa der Beschluss zum EU-US Datenschutzschild.

Laut dem Weißbuch möchte auch die britische Regierung in Zukunft wohl in den Genuss eines Angemessenheitsbeschlusses der Kommission kommen. Zumindest wird darauf hingewiesen, dass der Kommission diese Befugnis zusteht und die britische Regierung alles dafür tun werde, um die Beständigkeit von Datentransfers zwischen EU-Mitgliedstaaten und dem Vereinigten Königreich zu sichern.

Ob jedoch ein solcher Angemessenheitsbeschluss der Kommission so einfach erlassen wird, darüber kann man zumindest diskutieren. Dies mag verwundern, da das Vereinigte Königreich ja derzeit als Mitgliedstaat der EU qua Gesetz (der Richtlinie 95/46/EG) ein angemessenes Niveau bietet und man hinterfragen könnte, was sich denn groß ändert, wenn doch das nationale Datenschutzrecht wie bisher auch nach dem Brexit erhalten bleibt. Der Grund für eine kritische Diskussion über den Erfolg eines Angemessenheitsbeschlusses findet man jedoch in dem Konstrukt der Kompetenzen der EU. Das europäische Datenschutzrecht und allgemein die EU hat keine Wirkung bzw. keine Befugnis auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, insbesondere der Tätigkeit der Geheimdienste. Selbst wenn man also derzeit die Tätigkeit des britischen GCHQ kritisiert, ändert dies nichts daran, dass im Vereinigten Königreich per se ein angemessenes Datenschutzniveau existiert. Soll die Kommission jedoch das Schutzniveau im Vereinigten Königreich nach dem Brexit prüfen, so sind von dieser Prüfung auch die Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden, deren Datenverarbeitungsmaßnahmen und entsprechende Schutzmaßnahmen für EU-Bürger umfasst (vgl. etwa das Urteil des EuGH zu Safe Harbor, C?362/14, Rz. 88). Das Vereinigte Königreich ist in diesem Moment ein Drittland und die Kommission darf (und muss) dann im Rahmen ihrer Kompetenz das Schutzniveau für personenbezogene Daten in Gänze prüfen.

Man darf also auf die Prüfung durch die Kommission gespannt sein.

Gerichtsurteil: Arbeitnehmer können in Videoüberwachung einwilligen

Mit Urteil vom 29. Januar 2016 (Az.: 1 K 1122/14) hat sich das Verwaltungsgericht Saarlouis zu zwei interessante datenschutzrechtliche Fragen geäußert. Zum einen zur Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit einer Videoüberwachung in einer Apotheke und zum anderen zur Frage der Möglichkeit, in einem Arbeitsverhältnis wirksam gegenüber dem Arbeitgeber einwilligen zu können.

Geklagt hatte der Eigentümer eine Apotheke gegen eine Untersagungsverfügung der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde. Er überwachte sowohl den öffentlich zugänglichen Verkaufsraum als auch einen nur für das Personal zugänglichen Bereich zu einem Betäubungsmittelschrank mit Videokameras. Die Aufzeichnungen wurden automatisch alle 2 Wochen gelöscht und unterlagen nur dem Zugriff durch den Kläger. Grund für die Überwachung war vor allem ein Schwund bzw. Fehlbestand an Medikamenten und damit einhergehender finanzieller Verlust. Die Datenschutzbehörde untersagte dem Kläger die Videoüberwachung im Verkaufsraum und auch am Betäubungsmittelschrank.

Das Gericht hob den Bescheid der Behörde insoweit auf, als die Untersagung die Videoüberwachung an dem Betäubungsmittelschrank betraf. Im Übrigen wurde der Bescheid als rechtmäßig angesehen.

Videoüberwachung im Verkaufsraum und am Kundeneingang

Keine Einwilligung der Kunden

Das Gericht stellte fest, dass es hinsichtlich aller Kameras im Verkaufsraum an einer wirksamen Einwilligung der Kunden fehle.

Aus der Tatsache, dass auf die in dem Verkaufsraum stattfindende Videoüberwachung durch Beschilderung an den Eingangstüren zur Apotheke hingewiesen wird, könne keine konkludente Einwilligung der Kunden, die dennoch und damit in Kenntnis der Videoüberwachung die Verkaufsräume der Apotheke betreten, abgeleitet werden.

Gesetzliche Erlaubnis (§ 6 b BDSG)

Auch sei die Videoüberwachung der Kundeneingänge und des Freiwahlbereichs des Verkaufsraums mit § 6 b Abs. 1 BDSG unvereinbar. Das Gericht prüft das Vorliegen der Voraussetzungen von § 6 b BDSG und stellt zunächst fest, dass es sich bei dem Freiwahlbereich der Apotheke um einen öffentlich zugänglichen Raum handelt. Zwar diene die Videoüberwachung im Verkaufsraum der Wahrnehmung des Hausrechts nach § 6 b Abs. 1 Nr. 2 BDSG, nicht aber der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG.

Zu diesen berechtigten Interessen gehöre zwar grundsätzlich jedes rechtliche, wirtschaftliche und ideelle Interesse, sofern es objektiv begründbar ist und sich nicht nur an den subjektiven Wünschen und Vorstellungen der verantwortlichen Stelle orientiert. Kommt damit eine die Videoüberwachung zum Zweck der Gefahrenabwehr zum Einsatz, wird man nach Auffassung des Gerichts regelmäßig eine Wahrnehmung berechtigter Interessen annehmen können.

Wichtig ist jedoch insoweit, dass eine konkrete oder zumindest abstrakte Gefährdungslage darzulegen ist. Daran fehlte es im vorliegenden Fall. Dies ist ein wichtiger Aspekt des Urteils. Das Gericht lehnt die Zulässigkeit einer Videoüberwachung im Verkaufsraum nicht per se ab. Vorliegend lagen nur nicht genug Anhaltspunkte dafür vor, die eine zumindest abstrakte Gefährdungslage begründen würden.

Mit Blick auf eine konkrete Gefährdungslage führt das Gericht aus, dass der Kläger nicht aufzeigen konnte, welche Arzneimittel und ob überhaupt und wenn ja welche nicht apothekenpflichtigen Waren abhandengekommen sind. Sein Hinweis auf Entwendungen in der Apotheke, reiche allein nicht aus.

Auch eine abstrakte Gefährdungslage habe der Kläger nicht darlegen können.

Zwar diene die Videoüberwachung der Wahrnehmung des Hausrechts (§ 6 b Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Jedoch sei ihre Erforderlichkeit im streitigen Einzelfall nicht ersichtlich gewesen. Auch hier ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht allein auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls und der mangelnden Darlegung der Erforderlichkeit die Videoüberwachung als unzulässig ablehnte. In einem anderen Fall, kann eine solche Überwachung also durchaus zulässig sein.

Das Gericht führt aus, dass wenn eine Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts diene, diese der Verfolgung präventiver Zwecke dienen könne, sofern Ziel der Maßnahme ist, Personen von der Begehung von Rechtsverstößen innerhalb des vom Hausrecht geschützten Bereichs abzuhalten. Rechtsverstöße können insoweit auch die Verübung von Diebstählen sein.

Auf ein solches Hausrecht kann sich der Kläger als Inhaber der Apotheke grundsätzlich auch berufen. Er hat ein Interesse daran, die in der Apotheke befindlichen Arzneimittel und die Waren des Freiwahlbereichs zu schützen sowie Personen, die die Apotheke zu unberechtigten Zwecken betreten, aus dieser zu verweisen.

Es fehlte vorliegend jedoch, wie beschrieben, an der konkreten Erforderlichkeit der Maßnahme.

Der Kläger habe, so das Gericht, im konkreten Fall keine Tatsachen dargelegt, die es nachvollziehbar machten, dass das festgelegte Ziel mit der Überwachung tatsächlich erreicht werden kann.

Videoüberwachung im Mitarbeiterbereich

Die offene Videoüberwachung an dem Betäubungsmittelschrank ist hingegen datenschutzrechtlich zulässig, weil die Beschäftigten wirksam eingewilligt haben.

Gesetzliche Erlaubnis (§§ 6 b, 32 BDSG)

Zuvor geht das Gericht noch auf mögliche gesetzliche Erlaubnistatbestände ein.

Die Videoüberwachung sei hier aber nicht an § 6 b BDSG zu messen. Diese Vorschrift finde nämlich dann keine Anwendung, wenn es um die Videoüberwachung von Arbeitsplätzen geht, die sich in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen befinden. Um so einen Bereich handelte es sich bei dem Lager der Apotheke, das nur dem Zutritt von Apothekenpersonal offenstand.

Auch die Voraussetzungen des § 32 BDSG lagen nach Ansicht des Gerichts nicht vor.

Zur Aufdeckung von Straftaten erlaube § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG zwar den Einsatz von datenschutzrechtlich relevanten Maßnahmen, wozu nach Ansicht des Gerichts ausdrücklich auch die Videoüberwachung gehört. Jedoch nicht allein zu präventiven Zwecken. Immer erforderlich seien tatsächliche Verdachtsmomente. Daran mangelte es im vorliegenden Fall.

Des Weiteren, so das Gericht, sei die Videoüberwachung am Betäubungsmittelschrank auch nicht erforderlich. Das wäre sie nur dann, wenn es kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Zwecks gäbe. Auch dies beurteilt sich anhand des Einzelfalles. Dies bedeutet freilich auch, dass eine solche Überwachung durchaus zulässig sein kann.

Nach Auffassung des Gerichts ermöglichte im vorliegenden Fall das Verschließen des Betäubungsmittelschranks und das Führen von Entnahme- und Kontrolllisten effektiv, den Zugriff auf den Betäubungsmittelschrank zu kontrollieren. Dies wäre daher im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmer das weniger einschneidende Mittel gewesen.

Einwilligung der Mitarbeiter

Begrüßenswerter Weise stellt auch das Verwaltungsgericht (wie dies bereits 2015 das Bundesarbeitsgericht entschied, Az. 6 AZR 845/13) ganz ausdrücklich klar, dass Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber grundsätzlich wirksam eine datenschutzrechtliche Einwilligung erteilen können.

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich „frei entscheiden“, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen. Dem steht weder die grundlegende Tatsache, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO, entgegen. Mit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und der Eingliederung in einen Betrieb begeben sich die Arbeitnehmer nicht ihrer Grund- und Persönlichkeitsrechte. Die zu § 4a BDSG formulierte Gegenauffassung (Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. § 4a Rn. 62) verkennt, dass schon nach § 32 BDSG Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis möglich ist, unter den Voraussetzungen des § 32 BDSG sogar einwilligungsfrei.

Jedoch weißt das Gericht auch auf die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung hin und konstatiert, dass sie als Grundlage einer Überwachung eher ungeeignet sei, da sie jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann.

Für die Praxis relevant dürften die Ausführungen des Gerichts zu den konkreten Anforderungen an die Einwilligung sein. Eine Unterschriftenliste unter dem alleinigen Satz – „Mir ist bekannt, dass in der S.-Apotheke 5 Überwachungskameras aufgestellt sind und ich erkläre mich damit einverstanden.“ – genüge offensichtlich auf keinen Fall den Anforderungen des § 4 a Abs. 1 BDSG.

Der Kläger reichte während des gerichtlichen Verfahrens 18 einzelnen Einwilligungserklärungen der Beschäftigten nach, die den Anforderungen formal genügten.

Mit Blick auf das Erfordernis der freien Entscheidung der Mitarbeiter stellt das Gericht zudem noch fest, dass auch in einem Verhältnis des Machtungleichgewichts die Selbstbestimmung nicht unbedingt ausgeschlossen sein müsse. Es bedürfe daher konkreter Anhaltspunkte dafür, dass ein Arbeitnehmer im Einzelfall die Einwilligung nicht ohne Zwang abgegeben habe. Als Indiz für einen zusätzlichen Druck könne nach Ansicht des Gerichts der Zwang zur Unterschrift auf einer gemeinsamen Erklärung (gewisser Gruppenzwang) angesehen werden.

 

Bundesverwaltungsgericht: Urteil zur Zulässigkeit des KFZ-Kennzeichen-Scannings im Volltext

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 22.10.2014 (Az. 6 C 7.13), wonach ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beim automatisierten Scannen von KFZ-Kennzeichen durch die Polizei nicht vorliegt, wenn die Anonymität des Inhabers nicht aufgehoben wird, ist nun im Volltext (PDF) verfügbar. Gegen das Urteil wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt (Meldung bei heise online), so dass sich in einem nächsten Schritt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit der Frage des Datenschutzes beim Kennzeichen-Scannen befassen wird. Dies im Übrigen nicht zum ersten Mal. Im Jahre 2008 erklärte das BVerfG zwei landesgesetzliche Bestimmungen aus Schleswig-Holstein und Hessen für nichtig (Urteil v. 11.3.2008, Az. 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07).

Einige Anmerkungen zu dem nun veröffentlichten Urteil des BVerwG.

Die Szenarien
In dem Urteil wird zunächst gut verständlich dargestellt, um welche Situationen des Scannens von KZF-Kennzeichen es in dem zu entscheidenden Fall überhaupt ging. Das Gericht unterscheidet im Prinzip drei Szenarien:

1) Ergibt sich beim Datenabgleich mit Fahndungsdateien kein Treffer auf dem jeweiligen Rechner, wird das aufgenommene Kennzeichen nach dem Abgleich automatisch aus dem Arbeitsspeicher des Rechners gelöscht.

2) Im Fall einer vom System festgestellten Übereinstimmung zwischen dem erfassten Kennzeichen und den Fahndungsdateien wird der Treffer temporär in der Datenbank auf dem Rechner gespeichert und entweder gleichzeitig über eine Datenleitung an den Zentralrechner der Einsatzzentrale des jeweils zuständigen Polizeipräsidiums übermittelt oder auf dem mobilen Rechner (Notebook) vor Ort am Bildschirm aufgezeigt. Es erfolgt dann jeweils durch die zuständigen Polizeibeamten eine visuelle Kontrolle. Erweist sich der Treffer (mangels Übereinstimmung) als Fehlermeldung, gibt der Beamte auf dem Rechner den Befehl, den gesamten Vorgang zu entfernen.

3) Im Trefferfall startet der Polizeibeamte eine manuelle Abfrage bei der betreffenden Fahndungsdatei, speichert dann den Vorgang bzw. die Daten und veranlasst gegebenenfalls weitere polizeiliche Maßnahmen.

Personenbezug eines KFZ-Kennzeichens?
Das BVerwG geht relativ pauschal davon aus, dass es sich bei einem KFZ-Kennzeichen um ein personenbezogenes Datum handelt. Laut dem Gericht ist dies

als personenbezogenes Datum in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung einbezogen. Zwar offenbart die Buchstaben-Zahlen-Kombination, aus der es besteht, aus sich heraus noch nicht diejenige Person, der das Kennzeichen als Halter zu zuordnen ist. Diese Person ist jedoch durch Abfragen aus dem Fahrzeugregister (vgl. §§ 31 ff. StVG) bestimmbar.

Leider lässt sich dieser Aussage nicht genau entnehmen, welcher Auffassung das BVerwG in Bezug auf den in der juristischen Lehre und Praxis geführten Streit bei der Auslegung des Wortes „bestimmbar“ zuneigt. Einige Stimmen vertreten die absolute Perspektive bei der Auslegung der „Bestimmbarkeit“. Es würde danach für einen Personenbezug ausreichen, wenn irgendeine beliebige Stelle auf der Welt die Zuordnung der betreffenden Information zu einer natürlichen Person herstellen könnte. Es wäre unerheblich, wer genau diese Zuordnung vornehmen kann und ob die in Rede stehende Stelle die Mittel hierfür besitzt. Auf der anderen Seite wird ein relativer Ansatz vertreten. Danach muss man stets auf die tatsächlich verantwortliche Stelle und die ihr rechtmäßig zur Verfügung stehenden und vernünftigerweise einzusetzenden Mittel abstellen.

Der Aussage des BVerwG nach könnte man zunächst davon ausgehen, dass das Gericht den absoluten Ansatz vertritt. Diese Mutmaßung wird jedoch entkräftet, wenn das Gericht am Ende seines Urteils bereits einen Eingriff (!; nicht etwa erst eine Verletzung) in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ablehnt, wenn der Polizeibeamte in Szenario 2 lediglich kurzzeitig die Buchstaben-Zahlen-Kombination (also das Kennzeichen) wahrnimmt, jedoch

seinerseits nicht über die rechtliche Befugnis verfügt – und auch der Sache nach keinen Anlass hätte -, eine Abfrage aus dem Fahrzeugregister vorzunehmen. Die Anonymität des Inhabers bleibt folglich gewahrt.

Dem Beamten ist es in diesem Fall gerade nicht möglich, den Personenbezug herzustellen. Er dürfte es auch nicht. Eine solche Auslegung und die Ablehnung eines Eingriffs in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung würden eher für den relativen Ansatz sprechen.

Keine belanglosen Daten
Eindeutig ist das BVerwG in Bezug auf die Definition des Schutzumfangs des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, wobei es hier auch auf das BVerfG verweist. Nach dem Gericht gibt es

unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum mehr.

Kein Eingriff in Szenarien 1 und 2
In den oben beschriebenen Szenarien 1 und 2 verneint das BVerwG die Eingriffsqualität des Scannens und Abgleichens der Kennzeichen. In Szenario 2 wird nach dem Urteil zwar das erfasste Kennzeichen durch den Polizeibeamten zur Kenntnis genommen. Der Polizeibeamte beschränkt sich jedoch auf die Vornahme dieses Abgleichs und löscht den Vorgang umgehend, wenn der Abgleich negativ ausfällt.

Nur in Szenario 3 erkennt das BVerwG die Eingriffsqualität an. Bei einem „echten Treffer“ werde die Eingriffsschwelle überschritten. Denn durch die vorgesehene manuelle Abfrage aus der Fahndungsdatei werde die Identität des Kennzeicheninhabers gelüftet. Vorliegend konnte es in der Person des Klägers jedoch nicht zu so einem echten Treffer kommen, denn sein KFZ-Kennzeichen war nicht im Fahndungsbestand gespeichert. Nach dem BVerwG muss die bloße Eventualität, es könnte zukünftig zu einer solchen Speicherung kommen, jedoch außer Betracht bleiben.

Konferenz der deutschen Datenschützer: „Recht, schwer gefunden zu werden“ soll weltweit gelten

Am 8. und 9. Oktober 2014 fand in Hamburg die 88. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (DSK) statt. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Kontrolle von Geheimdiensten, das Google-Urteil des EuGH und der Datenschutz im KfZ. Die Entschließungen der DSK sind nun auf der Webseite des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abrufbar.
Mit Blick auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste (Effektive Kontrolle der Nachrichtendienste herstellen!, PDF) stellt die DSK fest, dass deren Befugnisse auch die Überwachung der Telekommunikation einschließe und damit im Bereich der strategischen Auslandsüberwachung des BND ein Kontrolldefizit einhergeht. Da für die Betroffenen die durch Nachrichtendienste vorgenommene Datenverarbeitung in weitem Maße intransparent erfolgt, ist nach Ansicht der DSK auch der Individualrechtsschutz faktisch eingeschränkt. Die DSK bemängelt, dass bestimmte Bereiche nachrichtendienstlicher Tätigkeiten per se Eigeninitiativkontrolle durch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder entzogen seien. Es fehle an einem eigenen Kontrollmandat der Datenschutzbeauftragten für Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses. Die DSK hält daher eine Einbindung der Datenschutzbeauftragten neben den parlamentarischen Kontrollinstanzen (G10-Kommission) für erforderlich.

Auch das „Google-Urteil“ des EuGH (Rs. C-131/12) war ein Thema der DSK (Zum Recht auf Sperrung von Suchergebnissen bei Anbietern von Suchmaschinen, PDF). Mit Blick auf die immer noch umstrittene Frage, ob nach einer erfolgreichen Beschwerde eines Betroffenen die Ergebnislisten auch bei einer Suche über „Google.com“ entsprecht angepasst (also bestimmte Ergebnisse unterdrückt) werden müssen, fordert die DSK, dass Anbieter von Suchmaschinen die Suchergebnisse bei einem begründeten Widerspruch weltweit unterbinden. Hinsichtlich der auch vom Bundesinnenministerium angestellten Überlegungen, unabhängige Schlichtungsstellen zu etablieren, die bei Beschwerden über zurückgewiesene Anträge von Betroffenen entscheiden sollen, scheint die DSK Zurückhaltung zu üben. Nach der Entschließung dürften alternative Streitbeilegungs-oder Streitschlichtungsverfahren das verfassungsmäßige Recht der Betroffenen auf eine unabhängige Kontrolle durch die dafür vorgesehenen staatlichen Institutionen (also Gerichte und/oder die Datenschutzbehörden) nicht beschneiden. Zuletzt streiten die Datenschützer eine Befugnis von Suchmaschinenbetreibern ab, dass diese bei einem positiven Antrag eines Betroffenen den jeweiligen Inhalteanbieter (also den Webseitenbetreiber) über die Sperrung von Suchergebnissen informieren dürften. Dies soll selbst dann gelt, wenn die Benachrichtigung nicht ausdrücklich den Namen des Betroffenen enthält. Meiner Ansicht nach ist dann aber, zumindest aus datenschutzrechtlicher Sicht fraglich, warum eine solche Information nicht erteilt werden dürfte? Denn personenbezogene Daten (wie der Name) werden ja dann nicht verarbeitet. Ironischerweise dürfte diese Sichtweise mit der geplanten Datenschutz-Grundverordnung ohnehin bald obsolet sein. Denn nach dem Entwurf der Kommission (Kom (2012) 11,  PDF) soll in Art. 17 Abs. 2 gerade eine solche Benachrichtigung verpflichtend eingeführt werden. Auf diese Pflicht weißt auch die italienische Ratspräsidentschaft in dem neuesten Dokument aus den Ratsverhandlungen zur Thematik des „Rechts auf Vergessenwerden“ hin (PDF).

Weitere Entschließungen der DSK:
Marktmacht und informationelle Selbstbestimmung (PDF)

Unabhängige und effektive Datenschutzaufsicht ist für Grundrechtschutz unabdingbar (PDF)

Datenschutz im Kraftfahrzeug (PDF)

EuGH-Generalanwalt zur Rechtmäßigkeit öffentlicher Videoüberwachung durch Private

In einem Vorabentscheidungsersuchen (Rs. C-212/13) des obersten tschechischen Verwaltungsgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat am 10. Juli 2014 Generalanwalt (GA) Jääskinen seine Schlussanträge vorgestellt.

In dem Verfahren geht es im Wesentlichen um zwei Fragen zur Auslegung der geltenden Datenschutz-Richtlinie (DS-RL). Zum wann i. S. d. Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich DS-RL eine Verarbeitung personenbezogener Daten vorliegt, „die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird“ und damit nicht in den Anwendungsbereich der DS-RL fällt (sog. household exemption). Zum anderen wie die Überwachung von öffentlichem Raum durch ein Kamerasystem möglicherweise datenschutzrechtlich rechtmäßig durchgeführt werden kann.

Sachverhalt
Herr Ryneš, der im Verfahren vor dem nationalen Gericht gegen eine Entscheidung der tschechischen Datenschutzbehörde vorgeht, setzte eine fest installierte Kamera an der Außenwand seines Hauses ein, die nicht schwenkbar war. Mit dieser zeichnete er den Eingang seines Hauses, den öffentlichen Straßenraum sowie den Eingang des gegenüberliegenden Hauses auf. Videoaufnahmen wurden auf einer Festplatte gespeichert. Sobald deren maximale Kapazität erreicht war, wurde die vorhandene Aufzeichnung mit einer neuen überschrieben. Die Aufzeichnungsvorrichtung hatte keinen Bildschirm, so dass das Bild nicht in Echtzeit betrachtet werden konnte. Allein Herr Ryneš hatte unmittelbaren Zugang zu der Anlage und den aufgezeichneten Daten. Grund für die Überwachung war der Schutz seines Eigentums, seiner Gesundheit und seines Lebens und seiner Familie. Sowohl er selbst als auch seine Familie waren nämlich während mehrerer Jahre Ziel von Angriffen eines Unbekannten gewesen, der nicht hatte entlarvt werden können. Zudem waren bereits in der Vergangenheit Fenster des Hauses mehrfach eingeschlagen worden. Nach Installation der Kamera wurde erneut eine Fensterscheibe seines des Hauses zerstört. Dank der Videoüberwachungsanlage konnten zwei Verdächtige identifiziert werden. Die Aufzeichnungen wurden der Polizei übergeben und anschließend im Rahmen des Strafverfahrens als Beweismittel vorgelegt. Einer der Verdächtigen beantragte die Überprüfung des Kamerasystems und die Datenschutzbehörde stellte Verstöße gegen das Datenschutzrechts fest.

Videoüberwachung als Vorratsdatenspeicherung?
Der GA betont einleitend zunächst, dass es sich vorliegend um einen speziell zu betrachtenden Einzelfall der Videoüberwachung handelt. Die Merkmale sind die folgenden: fest installiertes Überwachungssystem; auf den öffentlichen Raum sowie die Tür des gegenüberliegenden Hauses gerichtet; es wird ermöglicht, eine unbestimmte Zahl von Personen zu identifizieren; keine vorherige Unterrichtung hinsichtlich der Überwachung. Der GA stellt klar, dass die im Zusammenhang mit Aufzeichnungen durch Mobiltelefone, Camcorder oder Digitalkameras stehenden Rechtsfragen hingegen anderer Art sind und vorliegend nicht behandelt werden.

Sodann zieht der GA zwei interessante Parallelen zum Urteil des EuGH in Sachen Vorratsdatenspeicherung (C-293/12). Zum einen geht der GA davon aus, dass bei Aufzeichnungen dieser Art

[a]us der Gesamtheit dieser Daten … sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, gezogen werden [können]

Hier zitiert er also wörtlich den EuGH in seinem Vorratsdaten-Urteil und vergleicht die potentielle Gefahrenlase der vorliegenden Videoüberwachung mit derjenigen bei der Vorratsdatenspeicherung. Zum anderen zitiert er den EuGH in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung vor dem Hintergrund, dass die

Vorratsspeicherung der Daten zu dem Zweck, sie gegebenenfalls den zuständigen nationalen Behörden zugänglich zu machen, unmittelbar und speziell das Privatleben und damit die durch Art. 7 der Charta garantierten Rechte

betrifft, was auch vorliegend der Fall war.

ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten
Sodann gelangt der GA zur Hauptfrage des Verfahrens, nämlich der Auslegung des Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich DS-RL. Der GA weist darauf hin, dass diese Bestimmung grundsätzlich nicht auf den Zweck der Verarbeitung personenbezogener Daten abstellt. In der mündlichen Verhandlung war offensichtlich zwischen den verschiedenen Beteiligten strittig, inwieweit die household exemption von der subjektiven Zielrichtung, die einer Datenverarbeitung zugrunde liegt (also die verfolgte Absicht), abhängt. Diese Ansicht lehnt der GA ab, verweist jedoch darauf, dass die subjektive Zielrichtung im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung (genauer bei der Abwägung i. R. d. Art. 7 lit. f DS-RL eine Rolle spielen kann). Einzig möglich wäre nach dem GA noch, diese Zielrichtung der Tätigkeit als für den ausschließlich persönlichen oder familiären Charakter der betreffenden Datenverarbeitung maßgeblich anzusehen, um die household exemption eingreifen zu lassen. Auch dies lehnt der GA jedoch ab. Der Anwendungsbereich der DS-RL könne nicht von der subjektiven Zweckbestimmung des für die Verarbeitung Verantwortlichen abhängig sein,

weil eine solche Zweckbestimmung weder anhand äußerer Umstände objektiv nachprüfbar noch den Personen gegenüber relevant ist, deren Rechte und Interessen durch die betreffende Tätigkeit berührt werden.

Der Anwendungsbereich der DS-RL müsse daher allein anhand objektiver Kriterien bestimmt werden.

Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich DS-RL ist als Ausnahmebestimmung eng auszulegen. Nach Ansicht des GA handelt es sich bei den „persönlichen Tätigkeiten“ i. S. d. Vorschrift um Tätigkeiten, die in enger und objektiver Verbindung mit dem Privatleben einer Person stehen und die Privatsphäre anderer nicht spürbar berühren. Der GA weist jedoch darauf hin, dass diese Tätigkeiten auch außerhalb der eigenen Wohnung stattfinden können.

Der zweite Begriff, die „familiären Tätigkeiten“, steht nach dem GA mit dem Familienleben in Verbindung und findet normalerweise innerhalb der Wohnung oder anderer von den Mitgliedern der Familie gemeinsam genutzter Orte statt.

Wichtig hierbei ist jedoch, dass es für die Anwendung dieser Ausnahme nicht ausreicht, dass die Tätigkeiten mit persönlichen oder familiären Tätigkeiten nur verbunden sind. Der Wortlaut ist eindeutig. Die Verbindung muss ausschließlich sein. Hier zieht der GA nun sein erstes Fazit:

Ich stelle daher fest, dass die Videoüberwachung anderer, d. h. die systematische Überwachung von Orten mittels einer Vorrichtung, die ein Videosignal zwecks Identifizierung von Personen aufzeichnet, selbst innerhalb eines Hauses nicht als ausschließlich persönlich angesehen werden kann, was aber nicht ausschließt, dass sie unter den Begriff der familiären Tätigkeit fallen kann.

Gerade Maßnahmen zum Schutz der Unverletzlichkeit eines Privathauses und zu dessen Schutz vor Diebstahl und jedem widerrechtlichem Zugang können nach dem GA aber Tätigkeiten darstellen, die für jeden Haushalt wesentlich sind und daher zu den familiären Tätigkeiten gerechnet werden können. Im vorliegenden Fall war diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt. Denn eine Videoüberwachung, die sich wie hier auf den öffentlichen Raum erstreckt, könne nicht als eine ausschließlich familiäre Tätigkeit angesehen werden, weil sie auch Personen erfasst, die eben keine Verbindung zu der betreffenden Familie.

Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich DS-RL sei daher vorliegend nicht einschlägig. Die Videoüberwachung falle damit in den Anwendungsbereich der DS-RL

Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung
In einer ergänzenden Bemerkung führt der GA jedoch aus, dass sich die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung vorliegend aus Art. 7 lit. f DS-RL ergeben kann. In dessen Rahmen ist eine Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen erforderlich, die grundsätzlich von den konkreten Umständen des betreffenden Einzelfalls abhängt. Und hier stellt der GA fest, dass die Tätigkeit von Herrn Ryneš dem Schutz seiner Wahrnehmung anderer Grundrechte wie des Eigentumsrechts und des Rechts auf Familienleben diente. Diese berechtigten Interessen müssen daher bei der Abwägung berücksichtigt werden.

Interessanterweise verwendet der GA im Rahmen des Art. 7 lit. f DS-RL und der dort vorgesehenen Abwägung der Rechte und Interessen nicht die Formulierung des EuGH im Google-Urteil (C-131/12), dass „im Allgemeinen” die durch Art. 7 und 8 der Grundrechtecharta der EU geschützten Rechte der betroffenen Person gegenüber dem Interesse der Internetnutzer überwiegen. Im vorliegenden Fall also, dass etwa im Allgemeinen die Rechte der mit der Kamera aufgezeichneten Personen gegenüber dem Betreiber der Kamera überwiegen.

Fazit
Die Schlussanträge des GA überzeugen. Es war abzusehen, dass die household exemption als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist. Zudem ist der geltende Wortlaut („ausschließlich“) ziemlich eindeutig. Begrüßenswert ist die Auffassung des GA, dass die Videoüberwachung nicht per se rechtswidrig sein muss, selbst wenn der öffentliche Raum überwacht wird und eine unbestimmte Anzahl von Personen von den Aufnahmen betroffen ist. Die Interessenabwägung ist vielmehr in jedem Einzelfall durchzuführen und bietet durchaus die Möglichkeit, auch solche Datenverarbeitungen zu rechtfertigen, die einen unbestimmten Personenkreis betreffen, ohne dass die Betroffenen hiervon Kenntnis haben.

Ausländische Telekommunikationsanbieter in den USA zum nationalen Routing verpflichtet

In der öffentlichen Debatte um die Einführung eines sog. „Schengen-Routings“ von Daten in Europa wurde häufig kritisiert, dass dies zu einer Zersplitterung des Internets führen würde und Europa oder Deutschland sich mit derartigen Maßnahmen vom Rest des Netzes abkapseln würden. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium war in diesen Tagen zu hören, dass man ein nationales Routing allenfalls als freiwilliges Angebot zwischen den Unternehmen in Betracht ziehe. Anfang April hat sich auch der Handelsvertreter der Vereinigten Staaten von Amerika öffentlich gegen derartige Pläne ausgesprochen (hier mein Blogbeitrag dazu) und dies unter anderem mit einem faktischen Ausschluss und einer Diskriminierung ausländischer Anbieter begründet.

Blickt man jedoch in die USA, so zeigt sich, dass die Pflicht zu einem nationalen Routing für Telekommunikationsanbieter dort bereits Realität und eine rechtliche Pflicht ist. Der Grund: um amerikanischen Behörden einfacheren und direkten Zugriff auf gespeicherte Daten zu ermöglichen.

Ausländische, auf dem US-Markt agierende Unternehmen, schließen Verträge mit Regierungsstellen (u. a. dem Heimatschutzministerium oder dem Justizministerium) ab, in denen sie sich dazu verpflichten müssen, inländischen Datenverkehr allein innerhalb des Staatsgebietes von Amerika zu transportieren und zu speichern. Eine Auflistung von verschiedenen Verträgen, u. a. mit der Deutschen Telekom oder Telefonica Moviles) findet sich hier.

Anhand des Vertrages der Telefonica Moviles (abrufbar hier, PDF) möchte ich kurz auf ein paar der Pflichten eingehen, die dem Unternehmen auferlegt werden.

Wichtig ist zunächst unter Ziff. 1.7 die Definition der „Domestic Communications“. Dies umfasst sowohl die drahtlose als auch drahtgebundene Kommunikation, welche in den USA beginnt und endet. Aber ebenso den amerikanischen Anteil solcher Kommunikationen, die entweder in den USA beginnen oder dort enden. Zudem wird unter Ziff. 1.8 die „Domestic Communications Infrastructure“ definiert, wozu auch Anlagen und Geräte zum Routing zählen.

Nach Ziff. 2.1 des Vertrages besteht die Pflicht, dass sowohl die „Domestic Communications Infrastructure“ allein in den USA belegen sein darf und auch die durch sie abgewickelte nationalen Kommunikationsvorgänge allein durch diese Einrichtungen in den USA ausgeführt werden dürfen.

Nach Ziff. 2.3 des Vertrages besteht zudem eine Speicherpflicht für die nationalen Daten allein in den USA.

Zudem stellt Ziff. 2.8 explizit eine nationale Routing-Pflicht auf. Nationale Kommunikation darf danach nicht außerhalb der USA gerouted werden.

Und wie sieht es mit dem Zugang zu diesen Daten durch ausländische Behörden aus? Nach Ziff. 3.4 des Vertrages dürfen sowohl nationale Kommunikationsdaten (und zudem noch weitere Datenkategorien) weder direkt oder indirekt an ausländische Behörden weitergegeben werden, ohne dass eine vorherige schriftliche Zustimmung des amerikanischen Justizministeriums oder eine Anordnung eines amerikanischen (nicht etwa ausländischen) Gerichts vorliegt.

Die Verträge zeigen, dass ein nationales Routing in den USA bereits an der Tagesordnung ist. Einer der Gründe ist, den staatlichen Behörden einen einfachen Zugriff für Überwachungsmaßnahmen zu ermöglichen, wie sich etwa aus Ziff. 2.1 (b) ergibt.

Damit ist freilich noch nichts darüber gesagt, ob ein nationales Routing in Europa oder Deutschland tatsächlich gegen die Überwachung durch ausländische Geheimdienste schützen würde. Nur das Argument, dass dies eine neue Qualität des Eingriffs in den freien Fluss der Daten im Internet darstellen und Europa damit allein dastehen würde, kann damit kaum noch gelten.

EU: Rat sieht hohe Hürden für neue Vorratsdatenspeicherung

Wie geht es weiter mit der Vorratsdatenspeicherung? Wird es nach dem EuGH-Urteil (Az. C-293/12, C-594/12) eine neue EU-Richtlinie oder nationale Ansätze geben?

Sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene stellen sich Beteiligte diese Frage und diskutieren, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, eine Neuregelung möglich sein könnte.

Ein internes Dokument des Rates der Europäischen Union (PDF, Stand: 05.05.2014), welches durch das Generalsekretariat für den Ausschuss der ständigen Vertreter vorbereitet wurde, zeigt, dass die Hürden für eine Neuregelung als sehr hoch angesehen werden. Mehr noch: nach der Analyse wird sich das Urteil allgemein auf laufende und zukünftige Gesetzgebungsprozesse auf europäischer Ebene auswirken.

Das Papier analysiert zunächst die jeweils wichtigsten Aussagen des Urteils des EuGH. Danach werden unter Rz. 15 diejenigen Voraussetzungen aufgezählt, welche die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vermissen ließ und daher für nichtig erklärt wurde. Nach Ansicht der Verfasser des Berichts spiegeln dieses fehlenden Voraussetzungen gleichzeitig diejenigen Kriterien wieder, die für eine Rechtmäßigkeit einer möglichen neuen Richtlinie erforderlich wären. 

Interessant sind dann vor allem die Rz. 19-21 des Berichts, in denen eigene Schlussfolgerungen gezogen werden. So zeige das Urteil deutlich, dass der EuGH strenge Voraussetzungen an Gesetze anlege die, mögen sie auch noch so sinnvoll und geeignet sein, einen bestimmten Zweck zu erreichen, intensive Grundrechtseingriffe implizieren und dem Verhältnismäßigkeitstest nicht genügen. Das Gericht werde hierbei sein Augenmerk vor allem auch auf das Vorhandensein von angemessenen Schutzvorkehrungen richten, die Grundrechtseingriffe auf ein Mindestmaß beschränken müssen. Diese Schutzvorkehrungen dürften zudem nicht dem nationalen Gesetzgeber zur Ausgestaltung überlassen werden, sondern müssen bereits in der EU-rechtlichen Vorgabe enthalten sein.

Diese strengen Voraussetzungen gelten insbesondere bei solchen Rechtsakten, welche die massenhafte Sammlung und Speicherung von personenbezogenen Daten zuließen und den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen sollen. Hier verweist der Bericht dann in einer Fußnote etwa auf die geplante Richtlinie zur Speicherung von Fluggastdaten in der EU, in der ebenfalls eine mehrjährige Datenspeicherung vorgesehen werden soll.

Fazit
Der Bericht zeigt, dass die durch den EuGH aufgestellten Hürden für eine anlasslose Speicherung von Daten und deren Nutzung durch Strafverfolgungsbehörden streng sind. Insbesondere die Vorgabe nach bereits im EU-Rechtsakt aufzustellenden Sicherheiten, um den Grundrechtseingriff so gering wie möglich ausfallen zu lassen, wird man eventuell nur mit einer Rechtsverordnung beikommen können. Denn eine Richtlinie würde stets einen gewissen Umsetzungsspielraum für die Mitgliedstaaten mit sich bringen.

Snowden und das Staatswohl – Darf die Bundesregierung ablehnen?

Thema der letzten Tage in den Medien ist die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu der Frage, ob Edward Snowden als Zeuge des NSA-Untersuchungsausschusses direkt in Deutschland vernommen werden und ihm dazu der Aufenthalt und die Einreise gestattet werden sollte. Die von netzpolitik.org veröffentlichte Stellungnahme der Bundesregierung findet sich hier (PDF).

Damit Snowden nach Deutschland einreisen könnte, müsste er im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes sein. Die amerikanische Regierung hat seine Reisepässe jedoch für ungültig erklärt. Möglich bliebe daher die Ausstellung eines deutschen Reiseausweises durch die deutsche Botschaft in Moskau, die jedoch eine Zustimmung des Bundesministeriums des Inneren (BMI) voraussetzt. Auch die Ausstellung eines Passes durch russische Behörden bleibt freilich möglich. Eine dann mögliche Aufnahme Snowdens, etwa zur Wahrung politischer Interessen Deutschlands, ist jedoch mit einer Zustimmung des BMI verknüpft.

Die Bundesregierung müsste also unterstützend tätig werden, damit Snowden in Deutschland aussagen kann. Eine solche unterstützende Tätigkeit zwischen Behörden bezeichnet man als Amtshilfe, vgl. § 4 Abs. 1 VwVfG. Gegenüber dem Untersuchungsausschuss besteht die Pflicht zur Amtshilfe, Art. 44 Abs. 3 GG.

Diese Pflicht gilt jedoch nicht unbegrenzt. Hier kommt nun das in den Medien zitierte Schlagwort „Staatswohl“ ins Spiel. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG darf die ersuchte Behörde (z.B. das BMI oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) nicht Hilfe leisten, wenn

durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereitet würden.

Dieser Begriff des Nachteils für das Wohl des Bundes findet sich auch noch in anderen Verfahrensvorschriften, z. B. § 96 StPO, § 99 VwGO. Das Bundesverwaltungsgericht fordert für solche Nachteile gewichtige Gründe. Wesentliche Bundesinteressen müssen beeinträchtigt sein. Dazu zählen namentlich Gefährdungen des Bestandes oder der Funktionsfähigkeit des Bundes sowie Bedrohungen der äußeren oder inneren Sicherheit (BVerwG, Az. 20 F 21/10).

Die Bundesregierung geht nun in ihrer Stellungnahme davon aus, dass bei einer Vernehmung von Snowden in Deutschland, mit einer schweren und dauerhaften Belastung des Verhältnisses zu den USA zu rechnen sei. Es müsse konkret damit gerechnet werden, dass die Zusammenarbeit auf der Ebene der Nachrichtendienste zumindest vorübergehend eingeschränkt werde und damit der Informationsfluss betroffen ist, der jedoch für die Sicherheit der Bundesrepublik unverzichtbar sei.

Gehört denn nun die Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten zum Staatswohl? Ganz klar: ja. Sowohl die Rechtsprechung als auch der historische Gesetzgeber erkennen die Zusammenarbeit der Geheimdienste zum Schutz des Staates als einen Grund an, der im Rahmen des Nachteils für das Wohle des Bundes angeführt werden kann.

Nach dem BVerwG (Az. 20 F 21/10) ist ein Nachteil insbesondere dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Die Entscheidungen der Gerichte zum Staatswohl beziehen sich zumeist auf § 99 Abs. 2 S. 2 VwGO. Dort spielt dieser Grund eine Rolle bei der Verweigerungsmöglichkeit von Behörden, bestimmte sensitive Akten in Gerichtsverfahren vorlegen zu müssen. Die Begründungen sind jedoch auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Und auch der Gesetzgeber hatte genau diesen Fall, der Gefährdung der Beziehung zu anderen Staaten im Auge, als er den § 99 Abs. 2 VwGO im Jahre 2001 änderte. In dem Gesetzesentwurf (BT-Drs. 14/6393, S. 10) wird auf eine nähere Definition des „Wohles des Bundes“ bewusst verzichtet. Denn es entspreche der herrschenden Meinung, dass ein solcher Nachteil dann gegeben ist, wenn eine konkrete Gefährdung der inneren oder der äußeren Sicherheit des Bundes, der Beziehungen zu anderen Staaten oder zu internationalen Organisationen eintreten kann.

Damit steht also fest, dass die Bundesregierung die Beziehung mit den USA als einen Nachteil des Wohles des Bundes anführen kann. Gerade in Bezug auf die Thematik, außenpolitische Beziehung, ist auch durch das BVerwG anerkannt, dass der Bundesregierung, respektive dem Auswärtigen Amt, ein Beurteilungs- und Einschätzungsprärogative zusteht. Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räumt das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Gestaltungsspielraum ein und daher ist auch die Prognose, ob eine Offenbarung bestimmter Dokumente eine Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen erwarten lässt, verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (BVerwG, Az. 20 F 13/09). Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 99 Abs. 2 VwGO. Danach bedurfte es keine ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung, dass die Würdigung eines möglichen Schadens für die Pflege der Beziehungen zu anderen Staaten und zu internationalen Organisationen zunächst Aufgabe des hierfür besonders sachkundigen und sachnahen Auswärtigen Amts ist (BT-Drs. 14/6393, S. 10).

Der hier diskutierte Fall besitzt einige interessante Parallelen zu einem Verfahren vor dem BVerwG aus dem Jahre 2010 (Az. 20 F 13/09). Dort ging es um die Veröffentlichung von Geheimdienstunterlagen des BND die im Zusammenhang mit Adolf Eichmann standen und die der BND vom israelischen Geheimdienst, jedoch ohne Freigabe zur Veröffentlichung erhalten hatte. Der BND verweigerte eine Offenlegung daher auch, weil die Bekanntgabe von vertraulich erlangten Informationen ausländischer Nachrichtendienste die künftige Zusammenarbeit mit diesen Diensten und damit das Wohl des Bundes gefährden könnte.

Das BVerwG sah die Verweigerung der Offenlegung des BND im Ergebnis als rechtswidrig an. Jedoch etwa nicht, weil als ein möglicher Nachteil die Beziehungen zu anderen Staaten und die geheimdienstliche Zusammenarbeit angeführt wurden. Sondern vielmehr deshalb, weil die Begründung dieser Verweigerung unzureichend ausfiel. Damit eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Ablehnung durch eine Behörde durchgeführt und somit eine Gewährung effektiven Rechtsschutzes ermöglicht werden kann, müssen von der Behörde die konkret befürchteten Nachteile, soweit wie nach den Umständen und unter Wahrung des in Anspruch genommenen Geheimnisschutzes möglich, unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange einer nachvollziehbaren und verständlichen Darlegung.

In dem Fall Eichmann monierte das BVerwG vor allem, dass die zurückgehaltenen Dokumente weiter zurückliegende, abgeschlossene Vorgänge betreffen, die zwar von zeitgeschichtlichem und historischem Interesse sind, deren mögliche Auswirkungen im Falle einer Offenlegung auf die gegenwärtigen außenpolitischen Beziehungen sich aber nicht gleichsam von selbst aus ihrem Inhalt erschließen. Daher müsse die nachteilige Auswirkung in der Gegenwart besonders begründet werden. Dies liegt in Bezug auf Snowden freilich etwas anders. Denn die Aufarbeitung der Tätigkeiten der NSA und anderer Geheimdienste beherrscht fast täglich die Medien. Die Auswirkung in der Gegenwart wird sicher hier sicherlich eher annehmen lassen.

Besteht ein aktueller Bezug, so erkennt das BVerwG an, dass Nachteile bei Vorgängen der jüngeren Vergangenheit, erst recht bei Vorgängen, die in die Gegenwart hineinreichen oder offensichtliche Bezüge zu einem aktuellen Geschehen aufweisen, schon auf Grund der zeitlichen Nähe und damit aus den anzunehmenden Auswirkungen auf die gegenwärtigen Verhältnisse auf der Hand liegen können, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedarf.

Eine weitere Parallele ergibt sich in Bezug auf die Gefährdung der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten selbst. Die Erschwerung der Zusammenarbeit ist als ein möglicher Nachteil anzuerkennen, gerade wenn der ausländische Geheimdienst weiterhin ein Interesse an der Geheimhaltung von Informationen besitzt und diese im Vertrauen hierauf an den BND weitergegeben hat. Aber das BVerwG stellt klar:

Rechtsstaatliche Belange erfordern aber auch insoweit ein Mindestmaß an Plausibilität.

Es ist Aufgabe der Behörde begründet und konkret darzulegen, warum auf ausländischer Seite ein noch fortdauerndes Geheimhaltungsinteresse besteht.

Fazit
Die Opposition hat bereits angekündigt gegen eine verweigerte Amtshilfe der Bundesregierung zu klagen, sollte sie bei ihrem Standpunkt bleiben. Würde es tatsächlich dazu kommen, so würde sich der Erfolg einer solchen Klage wohl vor allem daran bemessen, wie konkret die durch die Bundesregierung befürchteten Nachteil dargelegt werden und ihr Eintritt wahrscheinlich ist. Zudem dürfte sich die Frage stellen, ob nicht drohende Nachteile für das Wohl des Bundes hinter die sich aus der Arbeit des Ausschusses ergebenden Vorteile für das Wohl des Bundes zurücktreten müssen. Wenn die Amtshilfe der Bundesregierung also eher Vor- als Nachteile für das Staatswohl mit sich bringt.