EuGH: Verantwortliche haftet für Datenverarbeitungen des Auftragsverarbeiters

Neben dem Urteil in der Rechtssache C-807/21 (Deutsche Wohnen) hat der EuGH am 5. Dezember 2023 eine weitere wichtige Entscheidung (C-683/21) getroffen. Die dortigen Feststellungen sind aus meiner Sicht für die alltägliche Praxis im Datenschutzrecht besonders wichtig – denn es geht um das Verhältnis zwischen dem Verantwortlichen und seinem Auftragsverarbeiter und die Haftung für Tätigkeiten des Dienstleisters.

Sachverhalt

Der Hintergrund der Entscheidung ist einigermaßen skurril. Der Gesundheitsminister der Republik Litauen beauftragte den Direktor des Nationalen Zentrums für öffentliche Gesundheit (NZÖG) damit, den Erwerb eines IT‑Systems zur Erfassung und Überwachung der Daten von Personen im Rahmen der Covid-Pandemie zu organisieren.

Eine Person, die sich als Vertreter des NZÖG ausgab, teilte einem Unternehmen (App-Entwickler) mit, dass das NZÖG das Unternehmen als Entwickler einer entsprechenden mobilen Anwendung ausgewählt habe. Diese Person versendete in der Folge E‑Mails an das Unternehmen (mit Kopie an den Direktor des NZÖG) hinsichtlich verschiedener Aspekte der Entwicklung dieser Anwendung.

Die App, in der der App-Entwickler und das NZÖG in der Datenschutzerklärung gemeinsam genannt waren, war irgendwann im Google Play Store und im Apple App Store zum Herunterladen verfügbar und wurde von mehreren Tausend Personen genutzt.

An den App-Entwickler wurde aber nie ein öffentlicher Auftrag zum Erwerb der App vergeben. Das NZÖG forderte dann den App-Entwickler auf, es in der mobilen Anwendung in keiner Weise zu erwähnen. Außerdem teilte es mit, dass das Vergabeverfahren wegen fehlender Mittel für den Erwerb der Anwendung beendet worden sei.

Wer ist Verantwortlicher?

Die erste durch den EuGH zu beantwortende Frage war, ob das NZÖG in dieser Konstellation datenschutzrechtlich Verantwortlicher für die Datenverarbeitung über App sein konnte. Wohlgemerkt wurde ein offizieller Auftrag im Rahmen einer Ausschreibung nicht erteilt.

Der EuGH geht aber dennoch davon aus, dass

die Entwicklung der in Rede stehenden mobilen Anwendung vom NZÖG in Auftrag gegeben wurde und dazu dienen sollte, das von ihm gesetzte Ziel umzusetzen, nämlich die Covid‑19-Pandemie durch ein IT‑Tool zur Erfassung und Überwachung der Daten von Personen, die mit Trägern des Covid‑19-Virus in Kontakt standen, zu bewältigen“.

Zudem habe das NZÖG vorgesehen, dass zu diesem Zweck personenbezogene Daten der Nutzer der mobilen Anwendung verarbeitet werden.

Außerdem, so der EuGH, geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Parameter dieser Anwendung, z. B. welche Fragen gestellt werden und wie diese formuliert sind, an den Bedarf des NZÖG angepasst wurden und dass das NZÖG bei ihrer Festlegung eine aktive Rolle gespielt hat.

Der EuGH prüft also hier die zwei entscheidenden Merkmale der Verantwortlichkeit: Entscheidung über Mittel und Zwecke der Verarbeitung und kommt zu folgendem Ergebnis:

Unter diesen Umständen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das NZÖG tatsächlich an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung mitgewirkt hat.“

Der EuGH nimmt hier also eine Rolle als Verantwortlicher für NZÖG an.

Wichtig für die Praxis sind die Hinweise des EuGH dazu, welche Kriterien nicht zwingend für eine Verantwortlichkeit sprechen:

  • Der bloße Umstand, dass das NZÖG in der Datenschutzerklärung der mobilen Anwendung als Verantwortlicher genannt wurde
  • Dass die Anwendung Links zum NZÖG enthielt

Diese Umstände sind auch Sicht des EuGH nur dann für die Frage der Verantwortlichkeit relevant,

„wenn feststeht, dass das NZÖG dem ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.“

Gleichzeitig macht der EuGH (wieder einmal) deutlich, wie weit er die Figur der Verantwortlichkeit nach der DSGVO versteht.

Die Umstände

  • dass das NZÖG selbst keine personenbezogenen Daten verarbeitet hat
  • dass kein Vertrag zwischen dem NZÖG und dem App-Entwickler bestand
  • dass das NZÖG die mobile Anwendung nicht erworben hat
  • dass es die Verbreitung dieser App über Online-Shops nicht genehmigt hat

schließen es nach Ansicht des EUGH gerade nicht aus,

dass das NZÖG als Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO eingestuft werden kann.“

Bedeutet für uns in der Praxis: die Verantwortlichkeit beginnt früh und eventuell schneller als man denkt. Der EuGH stellt sehr klar allein auf die entscheidenden Merkmale der Entscheidung über Mittel und Zwecke ab. Für die Verantwortlichkeit spielen rein formelle Aspekte, wie etwa ein Vertrag oder der Erwerb der Anwendung, keine Rolle, solange Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass eine Stelle an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung mitwirkt.

Beauftragt also eine Stelle ein anderes Unternehmen mit der Entwicklung einer App und hat es in diesem Zusammenhang an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der über die App vorgenommenen Verarbeitung personenbezogener Daten mitgewirkt, kann dies Stelle als Verantwortlicher angesehen werden, auch wenn sie selbst keine personenbezogene Daten betreffenden Verarbeitungsvorgänge durchgeführt.

Bußgeld gegen den Verantwortlichen für Tätigkeiten des Auftragsverarbeiters

Als Parallele zu dem Verfahren Deutsche Wohnen, ging es auch hier um die Frage der Haftung des Verantwortlichen.

Im hiesigen Fall war nun aber die Besonderheit, dass die NZÖG ja selbst keine Daten verarbeitet hat. Dies erfolgte vielmehr durch den App-Entwickler.

Die Frage war dann, ob eine Geldbuße gegen einen Verantwortlichen für Verarbeitungsvorgänge verhängt werden kann, die von einem Auftragsverarbeiter in seinem Namen durchgeführt wurden.

Der EuGH ist in diesem Punkt, dass muss man so sagen, ganz klar und beantwortet die Frage mit „ja“.

In seiner Begründung erinnert der EuGH etwa daran, dass ein Auftragsverarbeiter nach der Definition in Art. 4 Nr. 8 DSGVO eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle ist, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet.

Hierauf folgt, dass ein Verantwortlicher,

nicht nur für jedwede Verarbeitung personenbezogener Daten, die durch ihn selbst erfolgt, sondern auch für die in seinem Namen erfolgenden Verarbeitungen verantwortlich ist“.

Die rechtliche Verantwortlichkeit und damit Haftung erstreckt also auch auf Tätigkeiten des eingesetzten Auftragsverarbeiters.

Daher, so der EuGH,

kann gegen ihn eine Geldbuße nach Art. 83 der DSGVO verhängt werden, wenn personenbezogene Daten unrechtmäßig verarbeitet werden und die Verarbeitung nicht durch ihn, sondern durch einen Auftragsverarbeiter, an den er sich gewandt hat, in seinem Namen erfolgt ist“.

Von der Bußgeldhaftung des Verantwortlichen für den Auftragsverarbeiter gibt es jedoch Ausnahmen, die der EuGH benennt:

  • In Fällen, in denen der Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten für eigene Zwecke verarbeitet
  • diese Daten auf eine Weise verarbeitet hat, die nicht mit dem Rahmen oder den Modalitäten der Verarbeitung, wie sie vom Verantwortlichen festgelegt wurden, vereinbar ist
  • auf eine Weise verarbeitet, bei der vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Verantwortliche ihr zugestimmt hätte.

In diesen drei Fällen gilt der Auftragsverarbeiter nach Art. 28 Abs. 10 DSGVO nämlich in Bezug auf eine solche Verarbeitung als Verantwortlicher.

Die Ausführungen des EuGH bedeuten in der Praxis, dass man besonderes Augenmerk auf den Inhalt der Auftragsverarbeitungsverträge und der Weisungen zur Verarbeitung legen sollte. Im Grunde haftet der Verantwortliche für Tätigkeiten des Auftragsverarbeiters, solange dieser im Rahmen der Weisungen bleibt. Je weiter eine Weisung bzw. der Zweck der beauftragten Verarbeitung aber nun definiert ist, desto größer ist natürlich auch ein potentielles Haftungsrisiko für den Verantwortlichen.

Die Formulierung „Zur Durchführung des Hauptvertrages“ in einem AV-Vertrag wird in der Praxis viel mehr Interpretationsspielraum bieten, ob eine Verarbeitung wirklich im Rahmen des Auftrages erfolgt, als etwa eine genau Beschreibung der einzelnen Leistungen und Datenverarbeitungen.

750 EUR DSGVO-Schadenersatz wegen Auskunft „erst“ nach 19 Tagen? Ich meine: nein. 

Derzeit wird in der Datenschutzszene ein Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Duisburg vom 03.11.2023 (Az. 5 Ca 877/23) diskutiert. Das ArbG sprach dem Kläger 750 EUR Schmerzensgeld zu, weil ein Unternehmen eine (Negativ)Auskunft nach Art. 15 DGSVO „erst“ nach 19 Kalendertagen erteilt hatte. Der Kläger war ein früherer Bewerber. Nach Ansicht des ArbG stellt diese Verzögerung der Auskunft einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3 DSGVO. 

Nach Sichtung des Urteils und der Gründe würde ich als Verantwortlicher jedoch nicht in Panik verfallen. Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist, meines Erachtens, die Begründung des ArbG an mehreren Stellen angreifbar und ebenso ein anderes Ergebnis vertretbar. 

Der rein nationale Blick auf das Merkmal „unverzüglich“

Nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß Art. 15 DSGVO ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung. 

Nach Ansicht des ArbG sei unter „unverzüglich“, angelehnt an § 121 BGB, „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verstehen. Zwar gesteht das Gericht ein, dass „unverzüglich“ nicht „sofort“ bedeutet. Jedoch geht es, unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, davon aus, dass nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche, ohne das Vorliegen besonderer Umstände, grundsätzlich keine Unverzüglichkeit mehr gegeben sei. 

Vorliegend gab das Unternehmen an, dass aufgrund von Wochenenden, Feiertagen und Brückentagen in dem betreffenden Zeitraum (Pfingsten), die Auskunft innerhalb von 9 Arbeitstagen erteilt wurde. Für das ArbG waren diese 9 Arbeitstage jedoch zu lang. 

Das ArbG legt hier also eine unmittelbar anwendbare EU-Verordnung und deren Vorgaben rein aus dem nationalen Rechtsverständnis aus. Dies verstößt gegen die Rechtsprechung des EuGH, konkret auch zur DSGVO. Der EuGH geht davon aus, dass (nach ständiger Rechtsprechung) die Begriffe einer Bestimmung des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (C-300/21, Rz. 29). 

Art. 12 Abs. 3 DSGVO verweist hinsichtlich des Begriffs „unverzüglich“ nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten. Nach dem EuGH ist die Auslegung daher insbesondere unter Berücksichtigung des Wortlauts der betreffenden Bestimmung und des Zusammenhangs, in den sie sich einfügt, zu ermitteln (C-300/21, Rz. 29).

In diesem Fall ist der Begriff „unverzüglich“ für die Anwendung der DSGVO als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen (so zum Begriff „Schaden“ in Art. 82 Abs. 1 DSGVO, C-300/21, Rz. 30).

Genau diese Auslegung nimmt das ArbG hier aber nicht. 

Zusatz: man könnte, völlig unabhängig von diesen europarechtlichen Erwägungen, auch noch entgegenhalten, dass bereits ein Landesarbeitsgericht eine andere Auffassung zu dem Begriff „unverzüglich“ vertreten hat; dies auch zeitlich vor dem Urteil des ArbG. Mit Blick auf die Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 DSGVO hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass der Verantwortliche „vor Ablauf dieser Frist“ die Ansprüche nicht erfüllen braucht (hierzu mein Blogbeitrag).

Im Ergebnis bin ich sogar bei dem ArbG, dass hier keine starren Fristen gelten können; außer eben jene Monatsfrist. Dann jedoch, unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG, davon auszugehen, dass die Erteilung einer Negativauskunft nach 9 Arbeitstagen einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3 DSGVO darstellt, halte ich mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH für nicht richtig. 

Der angenommene Schaden – Kontrollverlust ohne Daten?

Selbst wenn man einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3 DSGVO annehmen würde, sind meines Erachtens die Ausführungen des ArbG zum materiellen Schaden (750 EUR) angreifbar. Nach Ansicht des Gerichts hat er Kläger „durch die verspätete Auskunft einen Kontrollverlust hinsichtlich seiner Daten erlitten“. 

Einige werden sich fragen: aber, der Verantwortliche hatte doch gar keine Daten? Genau. Die wurden (wohl) mittlerweile gelöscht.

Nach Ansicht des ArbG „war der Kläger im Ungewissen und ihm die weitere Prüfung verwehrt, ob und ggf. wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeitet“. Dies sei der Schaden. 

Eine solche Auslegung kollidiert aber meines Erachtens mit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH und auch Schlussanträgen von Generalanwälten. 

Generalanwalt Collins geht etwa hinsichtlich des Schadens nach Art. 82 DSGVO davon aus, dass, auch wenn es keine Geringfügigkeitsschwelle für die Höhe des immateriellen Schadens gibt, es eindeutiger und präziser Beweise dafür bedarf, dass die betroffene Person einen solchen Schaden erlitten hat. Ein potenzieller oder hypothetischer Schaden oder die bloße Beunruhigung wegen des Diebstahls der eigenen personenbezogenen Daten reicht nicht aus (C‑182/22 und C‑189/22, Rz. 24).

Generalanwalt Pitruzzella geht davon aus, dass sich empirisch feststellen lasse, dass jeder Verstoß gegen eine Datenschutzvorschrift zu einer negativen Reaktion der betroffenen Person führt. Eine Entschädigung, die für das bloße Gefühl des Unwohlseins über die Nichteinhaltung des Gesetzes durch einen Dritten geschuldet wird, könnte aber leicht mit einer Entschädigung ohne Schaden verwechselt werden, was aber nicht vom Tatbestand von Art. 82 DSGVO erfasst zu sein scheint (C‑340/21, Rz. 81).

Nach Ansicht des EuGH geht aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO klar hervor, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DSGVO und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (C-300/21, Rz. 32). Zudem ist eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, gerade nicht vom Nachweis befreit, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen (Rz. 50).

Vorliegend hatte der Kläger nur begründet, dass ein immaterieller Nachteil vorliege, wenn eine betroffene Person einen Kontrollverlust hinsichtlich eigener Daten erleide oder eine Einschränkung in ihren Rechten erfahre. Er habe auch ein emotionales Ungemach erfahren. Der Kläger trug hier aber gerade keine vom EuGH und auch den Generalanwälten geforderten konkreten Beweise für den Schaden an sich vor. Im Gegenteil spricht etwa die Auslegung von Generalanwalt Collins gegen die Anerkennung von „Ungemach“ als Schaden. 

Zuletzt muss man sich hier auch die konkrete Situation vor Augen halten: der Kläger hatte sich vor Jahren bei dem Verantwortlichen beworben – also selbst Daten übersendet. Wenn der Kläger aber nun einen, wohl gemerkt, hypothetischen Kontrollverlust als Schaden ersetzt verlangt, dann muss meines Erachtens auch berücksichtigt werden, dass die Daten ja erst durch den Kläger selbst in den Verantwortungsbereich des Unternehmens gelangten. 

Um es noch drastischer zu sagen: auf Basis der Argumentation des ArbG sende ich einfach wild meine Daten an verschiedene Unternehmen und mache danach Auskunftsanträge geltend. Wenn ein Unternehmen hierauf nicht, sagen wir innerhalb von 14 Tagen (kennen wir ja aus Deutschland als Richtschnur für die „Unverzüglichkeit“) antwortet, mache ich Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO geltend, da ja in diesen 14 Tagen nicht klar war, ob ich nicht die Kontrolle über die Daten habe oder nicht. P.S.: die Kontrolle habe ich vorher selbst abgegeben. 

Ungültige DSGVO-Einwilligung – Wechsel auf andere Rechtsgrundlage möglich? Aussagen des EuGH, öst. BVwG und der öst. Aufsichtsbehörde

Ist es möglich, eine Verarbeitung, die ursprünglich auf eine Einwilligung gestützt war, auf einer anderen Rechtsgrundlage durchzuführen, wenn die Einwilligung wegfällt bzw. unwirksam ist?

Ansicht des EuGH

In seinem Urteil vom 4. Juli 2023 (C-252/21) hatte sich der EuGH unter anderem auch mit der Situation befasst, dass eine Einwilligung entweder nicht oder nicht wirksam eingeholt wurde. Die Frage war dann, ob die Datenverarbeitung eventuell dennoch auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 DSGVO gerechtfertigt sein kann.

Hierzu der EuGH (Rz. 92):

Liegt keine solche Einwilligung vor oder wurde die Einwilligung nicht freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich im Sinne von Art. 4 Nr. 11 DSGVO erteilt, ist eine solche Verarbeitung gleichwohl gerechtfertigt, wenn sie eine der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b bis f genannten Voraussetzungen in Bezug auf die Erforderlichkeit erfüllt.“

Das Gericht adressiert klar zwei Situationen:

  • Eine Einwilligung wurde gar nicht eingeholt (also auch nicht versucht) („liegt keine solche Einwilligung vor“)
  • Eine Einwilligung wurde eingeholt, diese war aber unwirksam, da nicht alle Anforderungen der DSGVO eingehalten wurden („wurde die Einwilligung nicht freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich im Sinne von Art. 4 Nr. 11 DSGVO erteilt“)

Für beide Fälle geht der EuGH davon aus, dass die bestreffende Verarbeitung gleichwohl gerechtfertigt sein kann, wenn ein anderer Erlaubnistatbestand nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt ist.

Diese Ansicht des EuGH ist für mich eine wichtige Feststellung. Der „switch“ von einer Rechtsgrundlage zur anderen ist danach möglich. Als Verantwortlicher muss man also nicht von Anfang an und für ewig allein eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung nutzen. Aber: natürlich müssen die Anforderungen der jeweiligen Alternative des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein.

Ansicht der österreichischen Datenschutzbehörde

Im neuesten Newsletter der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB) bin ich auf eine genau entgegengesetzte Meinung der DSB aufmerksam geworden. Die DSB berichtet dort über eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG, dazu gleich unten).

Ebenso ist es in derartigen Fällen nicht möglich, im Falle der Ungültigkeit einer Einwilligung zum Zwecke des Profiling nachträglich auf berechtigte Interessen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu wechseln, zumal sich die Unser Ö-Bonus Club GmbH diesbezüglich in sämtlichen vorgelegten Dokumenten und auch gegenüber den betroffenen Personen nur auf die Einwilligung gestützt hat.“

Die DSB verweist dazu dann auch auf das EuGH-Urteil. Diese Interpretation hat mich doch etwas verwundert, zumindest in der Pauschalität. Denn die Auslegung des EuGH (oben) geht meines Erachtens genau in eine andere Richtung.

Ich vermute, die DSB bezieht sich hier eher auf den konkreten Fall vor dem BVwG, in dem der Wechsel der Rechtsgrundlage am Ende nicht funktionierte. Aber nicht, weil dies grundsätzlich ausgeschlossen wäre, sondern auf Grund der nicht erfüllten Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO als Alternative. Aber: auch dort ging das Gericht davon aus, dass der Wechsel der Rechtsgrundlage möglich ist.

Ansicht des BVwG

In der Entscheidung des BVwG (GZ: W256 2227693-1/44E) brachte das betroffene Unternehmen vor, die gegenständliche Datenverarbeitung könne auch (hilfsweise) auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO oder Art. 6 Abs. 4 DSGVO gestützt werden.

Dies sah die DSB anders. Das BVwG wiederum schloss sich der Ansicht der Aufsichtsbehörde nicht an und verwies hierzu auch auf das Urteil des EuGH.

Der Ansicht der belangten Behörde, eine ungültige Einwilligungserklärung bewirke in jedem Fall eine unrechtmäßige Datenverarbeitung und mache eine Überprüfung sonstiger Rechtsgrundlagen entbehrlich, kann – wie bereits im Erkenntnis vom 31. August 2021 näher erläutert wurde –  nicht gefolgt werden (siehe dazu zwischenzeitig auch EuGH 4.7.2023, C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 Rz. 92).“

Eine ungültige Einwilligungserklärung führt nach Ansicht des BVwG damit gerade nicht zur unrechtmäßigen Verarbeitung, falls die Voraussetzungen einer anderen Rechtsgrundlage erfüllt sind. Im konkreten Fall prüft das BVwG dann den Tatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Das Problem hierbei war, dass nach Ansicht des Gerichts die vernünftigen Erwartungen der Betroffenen die Datenverarbeitung wohl nicht umfassten und die Betroffenen gerade nicht damit rechneten.

Das Unternehmen informierte Betroffene im Rahmen der Anmeldung, dass Daten u.a. zum Zweck der Durchführung von personalisierter Werbung verwendet werden. Jedoch stützte sich das Unternehmen in den Informationen (also AGB und Datenschutzhinweisen) ausschließlich auf Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO und führte dazu u.a. in den AGB aus, dass eine solche Datenverarbeitung „nur sofern das Mitglied einwilligt“ durchgeführt werde. Das BVwG geht davon aus, dass damit aber den Betroffenen gegenüber zum Ausdruck gebracht werde, dass die betroffene Person die Durchführung einer solchen Datenverarbeitung selbst in der Hand habe. Dies führte am Ende zum Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen.

Und beim Widerruf?

Art. 17 Abs. 1 lit. b DSGVO sieht gleichlaufend mit dieser Auslegung des EuGH und BVwG vor, dass eine Datenverarbeitung, die auf Grundlage einer nun widerrufenen Einwilligung erfolgt, dennoch fortgeführt werden kann – wenn die Anforderungen der jeweiligen Rechtsgrundlage beachtet werden.

Danach sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung widerruft und es „an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung“ fehlt.

Generalanwalt am EuGH: Bußgeldhaftung des Verantwortlichen für Tätigkeiten seines Auftragsverarbeiters

Eine weitere wichtige DSGVO-Interpretation vom 4.5.2023 (dem Datenschutztag am EuGH), die bisher kaum beachtet wurde: in der Rechtssache C-683/21 hat Generalanwalt Emiliou seine Schlussanträge (bisher nur auf Englisch verfügbar) zu einigen relevanten Fragen zur Anwendung der DSGVO vorgelegt. Zu der Frage der Voraussetzungen einer gemeinsamen Verantwortlichkeit hatte ich hier im Blog bereits berichtet.

Zudem befasst sich der Generalanwalt aber unter anderem auch noch mit der Frage, ob gegen einen für die Verarbeitung Verantwortlichen in Anwendung von Art. 83 DSGVO eine Geldbuße verhängt werden kann, wenn die rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten nicht von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen selbst, sondern von einem Auftragsverarbeiter vorgenommen wurde.

Also: die Haftung des Verantwortlichen für seinen Auftragsverarbeiter. Ein für die Praxis extrem relevantes Thema, wenn wir an die vielen Geschäfts- und Verarbeitungsprozesse denken, in denen Dienstleister als Auftragsverarbeiter eingesetzt werden.

Die kurze Antwort des Generalanwalts: „Meines Erachtens ist diese Frage zu bejahen.“

Zunächst stellt der Generalanwalt klar, dass ein für die Verarbeitung Verantwortlicher keine personenbezogenen Daten selbst verarbeiten muss, solange er das „Warum und Wie“ der betreffenden Verarbeitungsvorgänge bestimmt. Er kann sich hierfür eines Auftragsverarbeiters bedienen.

Die Definition des Auftragsverarbeiters in Art. 4 Nr. 8 DSGVO, dass „personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet“ werden, bestätigt nach Ansicht des Generalanwalts, dass im Rahmen der Anwendung der DSGVO ein Verantwortlicher haftbar gemacht und nach Art. 83 DSGVO mit einer Geldbuße belegt werden kann,

wenn personenbezogene Daten unrechtmäßig verarbeitet werden und diese unrechtmäßige Verarbeitung nicht von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen selbst, sondern von einem Auftragsverarbeiter vorgenommen wurde“. (Rz. 94)

Die Haftung des Verantwortlichen gilt jedoch nicht für jede Tätigkeit des Auftragsverarbeiters, sondern nur, soweit ein Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten im Auftrag des für die Verarbeitung Verantwortlichen verarbeitet.

Dies ist der Fall, solange der Auftragsverarbeiter im Rahmen des ihm von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen erteilten Auftrags handelt und die Daten gemäß den rechtmäßigen Anweisungen des für die Verarbeitung Verantwortlichen verarbeitet“. (Rz. 95)

Wichtig: die Haftung für den Dienstleister greift also nur, solange dieser im Rahmen des Auftrages agiert.

 „Wenn der Auftragsverarbeiter jedoch über den Rahmen dieses Auftrags hinausgeht und die als Auftragsverarbeiter erhaltenen Daten für seine eigenen Zwecke verwendet …, kann gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen meines Erachtens keine Geldbuße“ für die unrechtmäßige Verarbeitung verhängt werden.

Ein Bußgeld kann daher auch dann gegen einen Verantwortlichen für Tätigkeiten seines Auftragsverarbeiters verhängt werden, wenn personenbezogene Daten nur vom Auftragsverarbeiter rechtswidrig verarbeitet wurden und der Verantwortliche an der Verarbeitung nicht beteiligt ist.

Die Erkenntnisse des Generalanwalt werden viele eventuell nicht als „bahnbrechend“ ansehen. Meines Erachtens ist aber zum einen beachtenswert, dass das Haftungsrisiko des Auftraggebers für seine Dienstleister nun durch einen Generalanwalt am EuGH klar herausgestellt wurde. Zum anderen verdeutlichen die Schlussanträge für die Praxis noch einmal, dass man als Verantwortlicher genaues Augenmerk auf seine vertraglichen Beziehungen zu Auftragsverarbeitern legen sollte.

Was ist also wichtig:

  • Haftung für Tätigkeiten des Auftragsverarbeiters, solange dieser im Rahmen der rechtmäßigen Weisungen agiert
  • Daher ist sehr relevant, die das System der Weisungserteilung in der Praxis ausgestaltet ist (wer erteilt in welcher Form welche Weisungen?)
  • Zudem muss unbedingt klar definiert werden, was der Auftrag ist. Denn, je unbestimmter und damit umfassender der Auftrag an den Dienstleister ausgestaltet ist, desto höher ist mein Haftungsrisiko als Verantwortlicher

EuGH: Nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO führt zu einer rechtswidrigen Verarbeitung

Gestern wurde in der Datenschutz-Community natürlich vor allem über die Urteile des EuGH in der Rechtssache C-487/21 und der Rechtssache C-300/21 diskutiert. Etwas untergegangen ist hierbei ein drittes Urteil des EuGH zum Datenschutzrecht (C-60/22). Die Praxisrelevanz dieses dritten Urteils ist meines Erachtens aber nicht zu unterschätzen. Der EuGH setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern Verstöße gegen Pflichten aus der DSGVO, die nicht direkt eine Verarbeitung personenbezogener Daten betreffen, zu einer Rechtswidrigkeit dieser Datenverarbeitung führen. Aus der Praxis kennen wir diese Diskussion etwa in Bezug auf fehlerhafte Datenschutzhinweise (Art. 12, 13 DSGVO) oder nicht abgeschlosse Verträge zur Auftragsvearbeitung (Art. 28 DSGVO).

Sachverhalt

Das VG Wiesbaden legte dem EuGH unter anderem die Frage vor, ob ein fehlendes oder unvollständiges Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten (Art. 30 DSGVO) oder eine fehlende Vereinbarung über eine gemeinsame Verantwortlichkeit (Art. 26 DSGVO) dazu führt, dass eine Datenverarbeitung „unrechtmäßig“ im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO ist.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH arbeitet in seinem Urteil sehr schön den Unterschied zwischen jenen Artikeln der DSGVO heraus, die die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung betreffen und solchen Vorschriften, die gerade keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit haben.

Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit – Art. 6 Abs. 1 DSGVO

Der Startpunkt ist für den EuGH der Grundsatz nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO, wonach personenbezogene Daten „auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden [müssen]“. Die dort geforderte Rechtmäßigkeit wird aber nach Ansicht des EuGH nicht in jedem Artikel der DSGVO geregelt oder durch jede Pflicht berührt.

Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung wird aber, wie sich aus der Überschrift von Art. 6 der DS-GVO selbst ergibt, gerade in ebendiesem Artikel geregelt.“ (Rz. 55)

Die Liste der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Fälle, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann, ist erschöpfend und abschließend. Die Einhaltung der in Art. 26 DSGVO und in Art. 30 DSGVO verankerten Pflichten zählen aber nach Ansicht des EuGH

nicht zu den in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 genannten Gründen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“. (Rz. 59)

Der EuGH folgert hieraus, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 DSGVO ableiten lässt,

dass ein Verstoß des Verarbeiters gegen die in den Art. 26 und 30 dieser Verordnung vorgesehenen Pflichten keine „unrechtmäßige Verarbeitung“ im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Buchst. d und Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung darstellt“. (Rz. 61)

Erweiterte Voraussetzungen aus Kap. II DSGVO

Der EuGH weitet die für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung relevanten Artikel dann aber doch etwas über Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO und Art. 6 Abs. 1 DSGVO hinaus aus.

Er orientiert sich hierbei an dem Umfang von Kapitel II DSGVO. Die Art. 7 bis 11 DSGVO betreffen, genau wie die Art. 5 und 6 DSGVO, die Grundsätze die zum Ziel haben,

den Umfang der dem Verarbeiter nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung obliegenden Pflichten näher zu bestimmen“ (Rz. 58).

Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur rechtmäßig, wenn sie diese anderen Bestimmungen des Kapitels II einhält, die im Wesentlichen die Einwilligung, die Verarbeitung besonderer Kategorien sensibler personenbezogener Daten und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten betreffen.

Dann ist aus Sicht des EuGH aber auch Schluss. Weitere Artikel und Pflichten der DSGVO betreffen nicht die Frage der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung. Aus der Struktur und aus der Systematik der DSGVO gehe eindeutig hervor, dass sie zum einen zwischen den „Grundsätzen“, die in ihrem Kapitel II geregelt werden,

und zum anderen den „allgemeinen Pflichten“ unterscheidet, die zu Abschnitt 1 des Kapitels IV der Verordnung gehören, das die Verantwortlichen betrifft; zu diesen Pflichten zählen die Pflichten nach den Art. 26 und 30 ebendieser Verordnung.“ (Rz. 62)

Zuletzt für der EuGH auch das Ziel der DSGVO als Argument an, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen zu gewährleisten, insbesondere des Rechts auf Privatleben – bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Das Fehlen einer Vereinbarung nach Art. 26 DSGVO oder eines Verzeichnisses im Sinne von Art. 30 DSGVO reicht aber

für sich genommen nicht aus, um nachzuweisen, dass ein Verstoß gegen das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten vorliegt“. (Rz. 65)

Auswirkung für die Praxis

Der EuGH befasst sich in seinem Urteil natürlich nur mit den ihm vorgelegten Fragen und hier den Art. 26 und 30 DSGVO. Meiner Ansicht nach ist die Begründung des EuGH hinsichtlich der Frage, welche Artikel der DSGVO für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung relevant sind, aber so eindeutig, dass das Urteil auch auf andere Konstellationen und andere Pflichten aus der DSGVO übertragbar ist.

In der Praxis dürften hier vor allem die Informationspflichten nach Art. 12-14 DSGVO eine Rolle spielen. Einige Datenschutzbehörden gehen ja davon aus, dass ein Verstoß gegen Art. 13 DSGVO zu einer Rechtswidrigkeit der Verarbeitung führt. Diese Argumentation ist mit dem Urteil des EuGH nun meines Erachtens nicht mehr haltbar. Deklinieren wir es mit den Argumenten des EuGH durch:

  • Art. 12-14 DSGVO sind nicht in Art. 6 Abs. 1 DSGVO enthalten
  • Art. 12-14 DSGVO sind nicht Teil des Kapitel II der DSGVO

Dasselbe dürfte meines Erachtens insbesondere auch für Art. 28 DSGVO, also fehlende Verträge zur Auftragsverarbeitung oder auch einen Verstoß gegen Art. 32-36 DSGVO gelten, wenn also zB keine saubere DSFA durchgeführt wurde. Aber: natürlich sind Verstöße gegen diese Artikel weiter bußgeldbewehrt und evtl. entstehen auch Schadenersatzansprüche für Betroffene.

Europäischer Datenschutzausschuss veröffentlicht Bericht zur Prüfung von Datentransfers in Drittländer

Die europäischen Datenschutzbehörden haben einen Bericht (PDF) über die Ergebnisse der Arbeit der Task Force veröffentlicht, die eingerichtet wurde, um 101 Beschwerden zu prüfen, die von der Nichtregierungsorganisation NOYB im Anschluss an das Schrems-II-Urteil des EuGH in verschiedenen Mitgliedstaaten eingereicht wurden.

Wichtig für die Praxis: der Bericht legt die gemeinsamen Standpunkte der Mitglieder der Task Force dar und enthält Informationen über die Ergebnisse der betroffenen Fälle.

Nachfolgend habe ich einige relevante Aspekte zusammengefasst (auch wenn die Positionen nicht völlig neu sind):

  • Wenn ein bestimmtes Tool zur Erhebung personenbezogener Daten auf einer Website ohne Rechtsgrundlage im Sinne von Art. 6 Abs. 1 DSGVO verwendet wird, ist die Datenverarbeitung rechtswidrig, auch wenn es keine Probleme mit den Anforderungen von Kapitel V der DSGVO gibt.
  • Abschluss des EU-Standarddatenschutzklauseln gemäß Art. 46 Abs. 2 lit. c) DSGVO mit rückwirkender Kraft ist nicht zulässig.
  • Die Verschlüsselung durch den Datenimporteur ist keine geeignete Maßnahme, wenn der Datenimporteur als Anbieter des Tools gesetzlich verpflichtet ist, die kryptografischen Schlüssel ggü. Behörden in dem Drittland zur Verfügung zu stellen.
  • Anonymisierungsfunktionen sind keine geeignete Maßnahme, wenn die Anonymisierung erfolgt, nachdem die Daten in das Drittland übermittelt wurden.
  • In Fällen, in denen ein Auftragsverarbeiter als Datenexporteur im Auftrag des für die Verarbeitung Verantwortlichen (des Website-Betreibers) handelt, ist der für die Verarbeitung Verantwortliche ebenfalls für den Datentransfer verantwortlich und könnte gemäß Kapitel V der DSGVO haftbar gemacht werden.
  • Wenn der für die Verarbeitung Verantwortliche nicht in der Lage ist, ausreichende Angaben zu machen, um nachzuweisen, wie Übermittlungen stattfinden, könnte dies zu einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 DSGVO (Rechenschaftspflicht) führen.  
  • Die Entscheidung eines Website-Betreibers, ein bestimmtes Tool für bestimmte Zwecke zu verwenden (z. B. zur Analyse des Verhaltens der Website-Besucher), wird als Bestimmung der „Zwecke und Mittel“ gemäß Art. 4 Abs. 7 DSGVO angesehen (womit der Website-Betreiber zum (Mit)Verantwortlichen wird).

EuGH zum Löschanspruch: Betroffener Person obliegt der Nachweis, dass Informationen unrichtig sind

In seiner Entscheidung C-460/20 (vom 8.12.2022) befasst sich der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit der Beweislast in Fällen, in denen eine betroffene Person die Entfernung von Links zu Webseite-Beiträgen aus der Liste der Suchergebnisse im Internet beantragt.

Die Entscheidung des Gerichtshofs

Von hoher Relevanz für die Praxis sind die Argumente des EuGH zur Beweislast in Fällen von Art. 17 DSGVO. Konkret ging es hier um die Frage, wer im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO die Beweislast dafür trägt nachzuweisen, dass auf einer Webseite aufgelistete Inhalte unrichtige Behauptungen enthalten.

Beantragt eine betroffene Person die Löschung bestimmter Daten mit der Begründung, diese seien unrichtig, so obliegt nach dem EuGH „dieser Person der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist“ (Rz. 68).

Dem EuGH zufolge darf jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt werden, die geeignet wäre, die praktische Wirkung des Rechts auf Löschung zu beeinträchtigen. Daher muss die Person den Nachweis der Unrichtigkeit erbringen, kann aber nicht verpflichtet werden, eine gerichtliche Entscheidung gegen den Betreiber der betreffenden Website vorzulegen.

Was die andere Seite betrifft, so kann von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen nicht verlangt werden, dass er den Sachverhalt ermittelt und eine kontradiktorische Debatte mit dem Anbieter der Inhalte führt. Der EuGH geht davon aus, dass der Verantwortliche nicht verpflichtet ist, „bei der Suche nach Tatsachen, die von dem Auslistungsantrag nicht gestützt werden, aktiv mitzuwirken, um festzustellen, ob dieser Antrag stichhaltig ist“ (Rz. 70).

Eine ähnliche Argumentation für Art. 16 DSGVO?

In einer Entscheidung aus März 2022 (BVerwG 6 C 7.20) hatte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ebenfalls mit einem ähnlichen Fall zu befassen, allerdings verlangte die betroffene Person eine Datenberichtigung nach Art. 16 DSGVO. Das BVerwG hat darauf hingewiesen, dass der Maßstab für die Qualifizierung eines Datums als „richtig“ oder „unrichtig“ im Sinne des Art. 16 S. 1 DSGVO zunächst die objektive Wirklichkeit ist.

Was die Beweislast betrifft, so verwies das Gericht auf Art. 5 Abs. 2 DSGVO. Nach Auffassung des BVerwG enthält die DSGVO enthält in Art. 5 Abs. 2 DSGVO eine spezifische Bestimmung, wer die Beweislast für die Richtigkeit des nach dem Begehren der betroffenen Person neu einzutragenden Datums trägt. Die Vorschrift regelt auch die Beweislast, soweit die Einhaltung der Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 DSGVO in einem Rechtsstreit zwischen dem Verantwortlichen und der betroffenen Person im Streit steht.

Konkret bezogen auf einen Berichtigungsanspruch, bei dem die Richtigkeit eines Datums umstritten ist, ist damit auch die Frage verbunden, ob der für die Verarbeitung Verantwortliche mit der Verarbeitung des „alten“ oder aber des „neuen“ Datums seiner Pflicht zur Einhaltung des Grundsatzes der Datenrichtigkeit gerecht wird.

Das BVerwG führt aus, dass „die Nichterweislichkeit der Richtigkeit des Datums, dessen Verarbeitung der jeweilige Anspruchsteller mit dem Berichtigungsanspruch nach Art. 16 Satz 1 DSGVO begehrt, zu Lasten des Anspruchstellers geht“. Der Verantwortlichen muss im Zweifel in Zukunft nachweisen, dass ein durch ihn verarbeitetes Datum richtig ist. Wenn ihm aber dieser Nachweis obliegt, so das BVerwG, kann von ihm nicht verlangt werden, „ein vom Antragsteller angegebenes Datum, dessen Richtigkeit sich nicht feststellen lässt, einzutragen und weiter zu verarbeiten“.

Fazit

Beide Entscheidungen enthalten relevante Klarstellungen hinsichtlich der Beweislast in der Praxis, wenn es um die Bearbeitung von Betroffenenansprüchen geht. Unternehmen, die häufig mit Anfragen von betroffenen Personen konfrontiert sind, die die Berichtigung oder Löschung von Daten beantragen, ohne etwa einen Beweis für die Unrichtigkeit der vorhandenen Daten vorzulegen, können sich bei der Beurteilung der Frage, ob sie die Daten berichtigen müssen, an den Gründen dieser Entscheidungen orientieren.

Generalanwalt am EuGH: Mitarbeiter sind keine „Empfänger“ – zum Umfang des Auskunftsanspruchs

Am 15. Dezember 2022 hat Generalanwalt (GA) Sanchez-Bordona seine Schlussanträge in dem Verfahren C-579/21 vorgelegt. Es geht um einige interessante Fragen hinsichtlich des Umfangs des Auskunftsrechts nach Art. 15 DSGVO. Daneben wird auch kurz auf die Rolle von Mitarbeitern nach der DSGVO bei einem Verantwortlichen eingegangen.

Sachverhalt

In dem Verfahren geht es um einen Betroffenen, der davon Kenntnis erlangte, dass seine personenbezogenen Daten als Kunde des Verantwortlichen abgefragt worden waren. Während dieser Zeit war der Betroffene nicht nur Kunde, sondern auch beim Verantwortlichen beschäftigt.

Der Betroffene forderte den Verantwortlichen auf, ihn über die Identität derjenigen bei ihm Beschäftigten, die im genannten Zeitraum Zugang zu seinen Daten hatten, sowie über den Zweck der Datenverarbeitung zu informieren. Diesen Anspruch begründete er mit Art. 15 DSGVO und damit, dass er mittlerweile von dem Verantwortlichen gekündigt worden war und u. a. die Gründe für seine Kündigung klären wollte.

Der Verantwortliche weigerte sich Auskunft über die Namen der bei Beschäftigten zu erteilen, die personenbezogene Daten des Betroffenen verarbeitet hatten. Nach seiner Ansicht gilt das Recht aus Art. 15 DSGVO nicht für interne Verzeichnisse oder Tagesprotokolle, aus denen hervorgeht, welche Beschäftigten zu welchem Zeitpunkt Zugang zu dem die Kundendaten enthaltenden Datenverarbeitungssystem hatten.

Unterschied zwischen „personenbezogenen Daten“ und „Informationen“

Zunächst befasst sich der GA generell mit der Struktur und dem Inhalt des Art. 15 DSGVO. Er weist darauf hin, dass die Bestimmung zwischen „personenbezogenen Daten“ zum einen und „Informationen“ im Sinne von Abs. 1 Buchst. a bis h zum anderen klar unterscheide. Hieraus folgert er, dass „Informationen“ keine personenbezogenen Daten sind.

Die Informationen, die der betroffenen Person nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO zur Verfügung zu stellen sind, dürfen daher nicht mit den personenbezogenen Daten der betroffenen Person im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DSGVO verwechselt werden.“

Der Zweck der Erteilung der Informationen liegt in dem Hinweis auf bestimmte Rechte der betroffenen Person oder insbesondere auf Aspekte, die mit der durchgeführten Verarbeitung zusammenhängen, wie z. B. auf ihren Zweck (d. h. den Grund der Verarbeitung) und ihren Gegenstand (die Kategorien der verarbeiteten Daten).

Aus diesem Grund, so der GA, hat der Betroffene im vorliegenden Fall auch keinen Anspruch auf seine personenbezogenen Daten über das Merkmal der „Informationen“, auch wenn nach den Informationen nach Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO Empfänger zu benennen sind und hierunter eventuell (siehe dazu sogleich) Angaben dazu fallen, welche Mitarbeiter auf Daten des Betroffenen zugegriffen haben.

Der Betroffene hat einen Anspruch auf die „Informationen“ nach Abs. 1, aber nicht, weil diese Informationen an sich „personenbezogene Daten“ darstellten, sondern aufgrund der ausdrücklichen Vorgabe in Art. 15 Abs. 1 DSGVO.

Mitarbeiter als „Empfänger“ im Sinne der DSGVO?

Sodann widmet sich der GA der Frage, ob Mitarbeiter des Verantwortlichen, die mit personenbezogenen Daten umgehen, als „Empfänger“ nach Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO zu benennen sind.

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der Betroffene, selbst wenn es sich nicht um seine personenbezogenen Daten handelt, im Licht von Art. 15 Abs. 1 lit. a und c DSGVO berechtigt ist, Auskunft über die beim Verantwortlichen Beschäftigten, die seine personenbezogenen Daten verarbeitet haben, zu erlangen.

Dem Betroffenen geht es hier gerade um die Identität der Beschäftigten, die seine Kundendaten abgefragt haben, sowie um den Zeitpunkt der Verarbeitung und den Verarbeitungszweck.

Der GA betrachtet zunächst die Definition des „Empfängers“ nach Art. 4 Nr. 9 DSGVO. Dies ist eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, der personenbezogene Daten offengelegt werden, unabhängig davon, ob es sich bei ihr um einen Dritten handelt oder nicht. Eine extensive Auslegung, wonach auch Mitarbeiter hierunter fallen, lehnt der GA ausdrücklich ab.

Er vertritt die Ansicht,

dass der Begriff des Empfängers nicht die bei einer juristischen Person Beschäftigten einschließt, die unter Nutzung des Datenverarbeitungssystems der juristischen Person und im Auftrag ihrer leitenden Organe die personenbezogenen Daten eines Kunden abfragen.“

Wenn die Beschäftigten unter der unmittelbaren Verantwortung des Verantwortlichen tätig werden, so werden sie schon aufgrund dessen nicht zum „Empfänger“ der Daten. Diese Hinweis des GA ist wichtig, da er danach auch die Situation betrachtet, in der Beschäftigte gerade nicht innerhalb ihrer Weisungen agieren.

Offenlegung gegenüber Behörde

Seinen Standpunkt begründet der GA unter anderem auch mit dem Zweck des Art. 15 DSGVO. Dieser liegt vor allem darin, die Rechtmäßigkeit des Umgangs mit den Daten zu prüfen. Hierfür ist aber, soweit Beschäftigte innerhalb ihrer festgelegten Aufgaben agieren, nicht erforderlich, diese Beschäftigten zu benennen. Denn sie sind in diesem Fall nicht die Verantwortlichen, sondern ihr Arbeitgeber.

Der GA weist zudem darauf hin, dass von dem Anspruch nach Art. 15 DSGVO die Situation zu unterscheiden ist,

dass gegenüber den Aufsichtsbehörden die Beschäftigten namhaft zu machen sind und der Zeitpunkt anzugeben ist, zu dem einer von ihnen auf die personenbezogenen Daten des Kunden zugegriffen hat (d. h. auf den Inhalt dieser Angaben in den Verzeichnissen oder Dateisystemen, auf die ich nachstehend eingehen werde), damit diese Behörden die Rechtmäßigkeit der Handlungen überprüfen können.“

Über die Prüfmöglichkeit der Aufsichtsbehörden ist der Betroffene also abgesichert und nach Ansicht des GA bedarf es daher keiner Benennung von Mitarbeitern schon im Rahmen des Art. 15 DSGVO.

Sollte der Betroffene, basierend auf den Angaben nach einem Auskunftsbegehren nach Art. 15 DSGVO, noch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung haben, kann er (wie u.a. auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat), an den Datenschutzbeauftragten wenden (Art. 38 Abs. 4 DSGVO) oder bei der Aufsichtsbehörde eine Beschwerde einreichen (Art. 15 Abs. 1 Buchst. f und Art. 77 DSGVO).

Der Betroffene ist

jedoch nicht berechtigt, unmittelbar Auskunft über die personenbezogenen Daten (die Identität) eines Beschäftigten zu erhalten, der dem Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter unterstellt ist und grundsätzlich in Übereinstimmung mit dessen Anweisungen handelt.“

Für diese Ansicht spricht zudem Art. 29 DSGVO, der sich auf „jede dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter unterstellte Person, die Zugang zu personenbezogenen Daten hat“, bezieht. Diese Personen dürfen die Daten nur auf Anweisung ihres Arbeitgebers verarbeiten, der der eigentliche Verantwortliche (oder Auftragsverarbeiter) ist.

Ausnahme: Mitarbeiterexzess

Wie oben angemerkt, macht der GA aber auch eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Mitarbeiter nicht als Empfänger zu benennen sind. Es könne vorkommen, dass sich ein Beschäftigter nicht an die vom Verantwortlichen festgelegten Verfahren hält und auf eigene Initiative unrechtmäßig die Daten von Kunden oder anderen Beschäftigten abfragt.

In einem solchen Fall handelt der unredlich handelnde Beschäftigte jedoch nicht im Auftrag und im Namen des Verantwortlichen.“

Dies sind also jene Fälle, in denen Mitarbeiter eigenmächtig und außerhalb ihrer vertraglich festgelegten Tätigkeiten auf Daten zugreifen oder mit diesen umgehen. Oft werden diese Situationen auch als sog. Mitarbeiterexzess bezeichnet.

Der GA ist der Ansicht, dass der unredlich handelnde Beschäftigte als „Empfänger“ angesehen werden kann,

da er die personenbezogenen Daten der betroffenen Person unrechtmäßig gegenüber sich selbst (im übertragenen Sinne) „offengelegt“ hat, oder als (eigenständig) Verantwortlicher.

Hiermit bestätigt der GA zudem, dass Mitarbeiter zu eigenen Verantwortlichen nach der DSGVO werden können, wenn sie sich über ihre arbeitsvertraglich festgelegten Aufgaben hinwegsetzen. Mit allen möglichen Konsequenzen, wie etwa die Erfüllung der DSGVO-Pflichten, dem Risiko eines Bußgeldes gegen sie selbst nach Art. 83 DSGVO oder Schadenersatzansprüche von Betroffenen nach Art. 82 DSGVO.

Fazit

Sollte der EuGH den Argumenten des GA folgen, wird damit höchstgerichtlich bestätigt, dass Mitarbeiter innerhalb eines Verantwortlicheren nicht als „Empfänger“ nach der DSGVO gelten und daher etwa nicht im Rahmen einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO zu nennen sind.

EuGH: Art. 5 Abs. 2 & Art. 24 DSGVO erlegen Verantwortlichen auch (neue) Compliance-Pflichten auf

In seinem kürzlich ergangen Urteil vom 27.10.2022 (C-129/21) befasst sich der EuGH u.a. mit der Frage, welche konkreten Pflichten aus den sehr allgemein gehaltenen Vorgaben nach Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 DSGVO erwachsen können.

Im konkreten Fall (und ich denke, man muss die Besonderheiten des Falles bei der Begründung durchaus berücksichtigen) geht der EuGH sogar soweit, aus der Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO, der Pflicht nach Art. 24 DSGVO und unter Auslegung der Art. 12 Abs. 2 und Art. 17 DSGVO, eine eigenständige Informationspflicht für Verantwortliche zu kreieren, die in dieser Form eigentlich nicht ausdrücklich in der DSGVO vorgesehen ist.

Konkret ging es um die Frage, ob Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 DSGVO dahin auszulegen sind, dass eine Datenschutzbehörde verlangen kann, dass ein Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen als Verantwortlicher geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ergreift, um weitere Verantwortliche, nämlich den Telefondienstanbieter, der ihm die personenbezogenen Daten seines Teilnehmers übermittelt hat, sowie die anderen Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen, denen er selbst solche Daten geliefert hat, über den Widerruf der Einwilligung dieses Teilnehmers zu informieren.

Die Auffassung des EuGH zu Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 DSGVO:

erlegen Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 DSGVO den für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlichen eine allgemeine Rechenschaftspflicht sowie Compliance-Pflichten auf“.

Und:

Insbesondere verpflichten diese Bestimmungen die Verantwortlichen, zur Wahrung des Rechts auf Datenschutz geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um etwaigen Verstößen gegen die Vorschriften der DSGVO vorzubeugen„.

Für die Praxis von Relevanz dürfte hier der Hinweis auf „vorzubeugen“ sein. Konkret muss der Verantwortliche also ein Compliance-System schaffen, um Verstöße gegen die DSGVO vorab zu verhindern. Diese Aussage mag aus der allgemeinen „Compliance-Sicht“ wenig überraschen, geht es doch dort gerade darum, Rechtsverletzungen zu verhindern. Für den Bereich der DSGVO ist die Aussage aber relevant, da insbesondere Art. 24 DSGVO sehr allgemein gehalten und z. B. ein Verstoß gegen diese Norm nicht bußgeldbewährt ist.

Der EuGH verweist hier auch auf die Begründung des Generalanwalts. Dieser ging ganz explizit davon aus, dass eine solche hier in Rede stehende Informationspflicht zumindest nicht aus Art. 17 oder 19 DSGVO direkt ableitbar ist.

Es trifft zu, dass Art. 17 Abs. 2 und Art. 19 DSGVO spezifische Informationspflichten festlegen, die „Verantwortliche“ (im Hinblick auf Daten, die öffentlich gemacht worden sind und deren Löschung beantragt worden ist) bzw. „Empfänger“ betreffen. Diese Bestimmungen erfassen jedoch nicht den in Rede stehenden Sachverhalt,…

Dennoch, so der EuGH, ergebe sich aus den allgemeinen Verpflichtungen nach Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 DSGVO in Verbindung mit Art. 19 DSGVO, dass ein Verantwortlicher geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen muss, um die anderen Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen, denen er solche Daten geliefert hat, über den an ihn gerichteten Widerruf der Einwilligung der betroffenen Person zu informieren.

Dies ergebe sich auch aus einer entsprechenden Auslegung des in Art. 12 Abs. 2 DSGVO vorgesehenen Erfordernisses, wonach der Verantwortliche verpflichtet ist, der betroffenen Person die Ausübung der Rechte zu erleichtern, die ihr u. a. durch Art. 17 DSGVO gewährt werden.

EuGH zu den Nachweispflichten bei der Löschung von Daten

In einem kürzlich ergangenen Urteil (Urt. v. 20.10.2022, C-77/21) befasste sich der EuGH mit der praxisrelevanten (wenn durchaus auch ungeliebten) Frage, welche Anforderungen bei der Löschung von Daten und insbesondere dem Nachweis der Erfüllung der Löschpflicht zu beachten sind.

Ausgangsverfahren

Ein ungarisches Unternehmen richtete nach einer technischen Störung, die den Betrieb eines Servers beeinträchtigte, unter der Bezeichnung „test“ eine Testdatenbank ein. In diese kopierte das Unternehmen personenbezogene Daten von ungefähr einem Drittel der Kunden, die in einer anderen Datenbank gespeichert waren, die mit einer Website verlinkt werden konnte und die aktualisierten Daten der Newsletter-Abonnenten für Zwecke der Direktwerbung sowie die Zugangsdaten der Systemadministratoren zur Schnittstelle der Website enthielt. Die ungarische Datenschutzbehörde entschied, dass das Unternehmen gegen Art. 5 Abs. 1 lit. b und e DSGVO verstoßen habe, da es die Testdatenbank nach der Durchführung der notwendigen Tests und Fehlerbeseitigungen nicht sofort gelöscht habe. Hierdurch seien in der Testdatenbank eine große Menge Kundendaten fast 18 Monate ohne irgendeinen Zweck und in einer Weise gespeichert worden seien, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht habe.

Entscheidung des EuGH

In seinem Urteil befasst sich der EuGH ab Rz. 46 ff. mit dem Grundsatz der Speicherbegrenzung und damit auch der Frage der Lösch- und einer erforderlichen Nachweispflicht.

Zunächst stellt der EuGH (wie schon öfter in der Vergangenheit) klar, dass die Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 DSGVO kumulativ einzuhalten sind. „Daher muss die Speicherung personenbezogener Daten nicht nur dem Grundsatz der „Zweckbindung“, sondern auch dem Grundsatz der „Speicherbegrenzung“ genügen“.

Bezogen auf den konkreten Fall bewertet der EuGH danach die Frage, ob Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO dahin auszulegen ist, dass der in dieser Vorschrift vorgesehene Grundsatz der „Speicherbegrenzung“ es dem Verantwortlichen verwehrt, in einer zu Testzwecken und zur Behebung von Fehlern eingerichteten Datenbank personenbezogene Daten, die zuvor für andere Zwecke erhoben worden waren, länger zu speichern als für die Durchführung dieser Tests und die Behebung dieser Fehler erforderlich ist.

Nachweis über Erforderlichkeit der Speicherung

Nach Ansicht des EuGH muss der Verantwortliche in der Lage sein, gemäß dem Grundsatz der Rechenschaftspflicht, „nachzuweisen, dass die personenbezogenen Daten nur so lange gespeichert werden, wie es für die Erreichung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet wurden, erforderlich ist“.

Praktisch dürfte dies für ein Löschkonzept bedeuten, dass für personenbezogene Daten die jeweilige festgelegte Aufbewahrungsdauer genau geprüft und gut begründbar sein muss. Im Grunde sieht der EuGH hier zwei Ziele der Nachweispflicht:

  • Dass die personenbezogenen Daten rein faktisch nur für den Zeitraum der Erforderlichkeit verarbeitet werden und danach nicht mehr (personenbeziehbar) vorhanden sind.
  • Dass die Erforderlichkeit der Verarbeitung zur Erreichung der definierten Zwecke dargelegt werden kann.

Der erste Aspekt ist aus meiner Sicht eher ein technisches bzw. organisatorisches Thema. Der zweite Aspekt betrifft eher die juristische Begründung der Verarbeitung.

Ein Datum kann mehreren Zwecken dienen – aber irgendwann ist Schluss

Der EuGH stellt im Hinblick auf die Erforderlichkeit zudem klar, dass es nicht zwingend nur einen Verarbeitungszweck geben muss, für den ein Datum verwendet wird. Vielmehr kann ein Datum im Laufe der Zeit mehreren Zwecken dienen. Jedoch ist die Verarbeitung eines Datums dann nicht mehr zulässig, wenn das Datum für die Erreichung der Zwecke nicht mehr erforderlich ist. In diesem Fall muss das Datum gelöscht werden, wenn diese Zwecke erreicht sind. Für den konkreten Fall geht der EuGH daher davon aus, dass der Grundsatz der „Speicherbegrenzung“ es dem Verantwortlichen verwehrt, „in einer zu Testzwecken und zur Behebung von Fehlern eingerichteten Datenbank personenbezogene Daten, die zuvor für andere Zwecke erhoben worden waren, länger zu speichern als für die Durchführung dieser Tests und die Behebung dieser Fehler erforderlich ist“. Für die Praxis der Datenlöschung, etwa in Form eines Löschkonzepts, kommt dem Merkmal der „Erforderlichkeit“ und damit der Begründung, warum Daten noch verwendet werden müssen, entscheidende Bedeutung zu.