Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates beim Einsatz von ChatGPT & Co? Arbeitsgericht Hamburg sagt „nein“ – im konkreten Fall

Seit einiger Zeit erfahren Systeme mit künstlicher Intelligenz und vor allem das Tool ChatGPT reges Interesse. Viele Unternehmen möchten ihren Mitarbeitenden ermöglichen, diese Tools zu verwenden. In einem nun entschiedenen Fall hatte das Arbeitsgericht (ArbG) Hamburg die Frage zu beantworten, ob der Betriebsrat vor dem Einsatz von ChatGPT und ähnlichen Programmen zu beteiligen ist und eventuell auch ein Verbot des Einsatzes dieser Systeme erzwingen kann (Beschl. v. 16.01.2024 – 24 BVGa 1/24).

Sachverhalt
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte der Konzernbetriebsrat von einem Unternehmen u.a., dass dieses seinen Mitarbeitern den Einsatz von ChatGPT und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz verbietet.

Das Unternehmen wollte für die Mitarbeitenden generative Künstliche Intelligenz als neues Werkzeug bei der Arbeit zur Unterstützung nutzbar machen. Es veröffentlichte dafür auf der Intranetplattform „Guidelines for Generative Al Utilization“, eine Generative KI-Richtlinie Version 1 und ein Handbuch „Generative al Manual ver.1.0.“, die den Arbeitnehmern Vorgaben machen, wenn diese bei der Arbeit IT-Tools mit künstlicher Intelligenz bei der Arbeit nutzen. Gleichzeitig veröffentlichte das Unternehmen im Intranet eine Erklärung an die Mitarbeiter, in der über die KI-Leitlinien informiert wird.

ChatGPT und auch andere KI-Systeme werden im konkreten Fall nicht auf den Computersystemen der Arbeitgeberin installiert. Die Nutzung der Tools erfolgt mittels Webbrowser und erfordert lediglich die Anlegung eines Accounts auf dem Server des jeweiligen Anbieters. Wollen die Mitarbeiter ChatGPT nutzen, müssen diese eigene, private Accounts anlegen.

Der Betriebsrat ging davon aus, dass sowohl ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG als auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG bestehe. Die Arbeitgeberin habe durch die Entsperrung von ChatGPT verbunden mit der Veröffentlichung von Richtlinien zur Nutzung generativer Künstlichen Intelligenz die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrates grob verletzt.

Entscheidung
Das ArbG lehnte die Anträge des Betriebsrates zum Teil als unzulässig und auch als unbegründet ab.

Der Antrag, Guidelines, Handbuch und KI-Richtlinie vom Intranet zu entfernen, sei unbegründet.

§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb)
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen.

Nach Ansicht des ArbG hat die Arbeitgeberin mit ihren Maßnahmen, die zur Gestattung der Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Konkurrenzprogramme durch die Mitarbeiter geführt haben, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aber nicht verletzt.

Mitbestimmungsfrei sind danach Maßnahmen, die das so genannte Arbeitsverhalten der Beschäftigten regeln. Darum handele es sich, wenn der Arbeitgeber kraft seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll.

Nach Ansicht des ArbG

„fallen die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten“.

Ergänzend sollte man sicher anfügen: im konkreten Fall.

Das Gericht begründet seine Ansicht weiter, dass die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung stellt. Richtlinien, Handbuch usw. sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehe.

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Nach dieser Norm hat der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mitzubestimmen.

Auch dieses Mitbestimmungsrecht habe die Arbeitgeberin hier nach Ansicht des ArbG nicht verletzt.

Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren. Zwar sind technische Einrichtungen bereits dann zur Überwachung „bestimmt“, wenn sie objektiv geeignet sind, dass der Arbeitgeber Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer erheben und aufzuzeichnen kann.

Vorliegend stellte das ArbG u.a. darauf ab, dass ChatGPT und die vergleichbaren Konkurrenzprodukte nicht auf den Computersystemen der Arbeitgeberin installiert wurden. Will ein Arbeitnehmer diese Tools nutzen, muss er diese wie jede andere Homepage auch, mittels eines Browsers aufrufen. Zudem erhalte die Arbeitgeberin keine Meldung oder Information, wann welcher Arbeitnehmer wie lange und mit welchem Anliegen ChatGPT genutzt hat.

Zwar werde der Browser die Nutzung des Tools regelmäßig aufzeichnen.

„Dies stellt aber keine Besonderheit von ChatGPT dar, sondern ergibt sich aus den Funktionsmöglichkeiten des Browsers, der den Surfverlauf des Nutzers abspeichert“.

Der Browser selbst sei zwar somit eine technische Einrichtung, die geeignet ist, Leistungs- und Verhaltensinformationen der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Jedoch haben die Parteien hier zur Nutzung von Browsern eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, weshalb der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG bereits ausgeübt hat.

Zweitens begründet das ArbG seine Ansicht damit, dass der Anbieter des Tools, etwa von ChatGPT, die vorgenannten Daten wohl aufzeichnet.

„Dies führt aber nicht zur Mitbestimmung, denn der dadurch entstehende Überwachungsdruck wird nicht vom Arbeitgeber ausgeübt.“

Denn die Arbeitgeberin könne auf die vom Hersteller gewonnenen Informationen nicht zugreifen.

Fazit
Wie oben angesprochen, ist diese Entscheidung konkret bezogen auf die Gegebenheiten des Einzelfalls erfolgt – was auch völlig richtig ist. Insbesondere hat das ArbG hier etwa auf die bestehende Betriebsvereinbarung zu Browsern verweisen können. In anderen Konstellationen mag die Entscheidung eines Gerichts daher aber auch anders ausfallen. Interessant für die Praxis sind die Erwägungen des ArbG aber in jedem Fall.

Arbeitsgericht: Datenschutzverstöße des Betriebsrates können ein Grund für dessen Auflösung sein

Das Arbeitsgericht Elmshorn (ArbG) hat sich in seinem Beschluss vom 23.08.2023 (Az. 3 BV 31 e/23) unter anderem mit der Frage befasst, inwiefern Datenschutzverstöße eines Betriebsrates nach § 23 Abs. 1 BetrVG wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten zu dessen Auflösung führen können (die Beschwerde gegen den Beschluss ist beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Az. 5 TaBV 16/23 anhängig).

Sachverhalt

Über ein Viertel der Belegschaft sowie die Arbeitgeberin beantragten gem. § 23 Abs. 1 BetrVG die Auflösung des Betriebsrates. Es lägen grobe Verletzungen gesetzlicher Pflichten durch den Betriebsrat und einzelne Mitglieder vor. (Ich beschränke mich hier auf datenschutzrechtlich relevante Themen; daneben wurden auch noch andere Verstöße geltend gemacht)

Der Betriebsrat druckte jeweils einzeln pro Mitarbeiter per E-Mail verschickte Dienstpläne aus, sichtet, kontrolliert und bearbeitet diese. Sie werden jeweils in einem DIN A 4-Ordner für jeden einzelnen Mitarbeiter abgeheftet. Daneben werden alle Urlaubsanträge von allen Mitarbeitern durch die Arbeitgeberin per E-Mail an den Betriebsrat geschickt, welche dieser ebenfalls ausdruckt, sichtet und einsortiert. Zudem habe der Betriebsratsvorsitzende in einer Betriebsversammlung Gesundheitsdaten zweier Mitarbeiter veröffentlicht.

Die Antragsteller sind der Ansicht, der Betriebsrat verstoße mit einer umfassenden Speicherung von Personendaten im Rahmen der Dienstplannachkontrollen gegen den Datenschutz. Zudem stelle die Bekanntgabe von Gesundheitsdaten auf der Betriebsversammlung einen erheblichen Datenschutzverstoß dar.

Entscheidung

Das ArbG ging von mehreren Pflichtverletzungen aus und beschloss die Auflösung des Betriebsrates. 

Prüfungsmaßstab des Gerichts waren die Anforderungen des § 23 Abs. 1 BetrVG. Ein zur Auflösung des Betriebsrats führender grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten liegt dann vor, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere den betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden.

Unter anderem begründete das ArbG seine Entscheidung auch mit datenschutzrechtlichen Verstößen.

Mit der Mitteilung von Gesundheitsdaten von Arbeitnehmern wie auch der massenhaften Lagerung von Mitarbeiterdaten verstößt der Betriebsrat massiv gegen Geheimhaltungspflichten und die Verpflichtung zum Datenschutz.“

Nach Ansicht des ArbG ist der Betriebsrat zur Geheimhaltung von persönlichen Daten verpflichtet.

Zudem stelle die Verletzung von Datenschutzverpflichtungen zugleich eine Verletzung von Pflichten aus § 23 Abs. 1 BetrVG dar.

Mit der Mitteilung von Gesundheitsdaten von zwei Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung verletze der Betriebsrat das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Mitarbeiter.

Der Betriebsrat verteidigte sich damit, dass auf der Betriebsversammlung keine Gesundheitsdaten bekannt gemacht worden seien. Denn die Erkrankungen seien bereits betriebsöffentlich bekannt gewesen und die Äußerungen seien zudem jedenfalls nicht protokolliert worden.

Diese Argumente ließ das ArbG nicht gelten. Auch wenn die Vorfälle bereits anderweitig im Betrieb „die Runde gemacht“ haben sollten bzw. sich als Arbeitsunfälle ereigneten, stehe dem Betriebsratsvorsitzende eine Äußerung über den Gesundheitszustand einzelner Arbeitnehmer in der Betriebsversammlung nicht zu.

Zudem bemängelte das ArbG, dass der Betriebsrat mit dem Ausdruck und der Ablage von allen Dienstplänen, Krankheitsmitteilungen und Urlaubsanträgen quasi eine doppelte Personalakte führe. Er lege Unterlagen doppelt an, deren Zweck der Speicherung mehr als zweifelhaft sei.

Auch der Betriebsrat ist grundsätzlich zur sog. Datensparsamkeit angehalten“.

Ein permanenter Lesezugriff örtlicher Betriebsräte auf die elektronischen Personalakten der Arbeitnehmer zu Kontrollzwecken im Rahmen einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung eines elektronischen Ablagesystems für Personalakten wäre unwirksam, da hiermit unverhältnismäßig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingegriffen wird.

Eine solche lege der Betriebsrat aber gerade an, wenn er für jeden Mitarbeiter einen Aktenordner führt, aus dem sich die Arbeits- und Abwesenheitszeiten inkl. Urlaub ergeben.

Der Betriebsrat könne gegebenenfalls bei der Arbeitgeberin Einsicht verlangen.

Es ist gerade nicht erforderlich, dass es zu einer Art doppelten Buchführung durch den Betriebsrat kommt. Dies verstößt gegen die erforderliche Sparsamkeit im Umgang mit personenbezogenen Daten.“

Kundentracking im Shopping-Center – Schweizer Datenschutzbehörde veröffentlicht Leitlinien

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) hat auf seiner Webseite eine Einschätzung zum Betrieb von Personentrackingsystemen veröffentlicht, die, wenn auch das Datenschutzrecht in der Schweiz keine direkte Umsetzung der europäischen Datenschutzrichtlinie darstellt, für die Anwendung des europäischen und deutschen Datenschutzrechts in solchen Szenarien interessant ist. Denn viele Vorgaben des schweizerischen Datenschutzrechts sind mit jenen des europäischen und deutschen Datenschutzrechts vergleichbar.

In seiner Analyse stellt der EDÖB zwei Varianten des Personentrackings dar und verweist darauf, dass die Variante, in der man an einem bestimmten Ort (z.B. am Eingang eines Einkaufszentrums oder auf der Autobahneinfahrt) bestimmte Merkmale der passierenden Objekte so erfasst, dass man sie an nachfolgenden Kontrollpunkten wiedererkennen und deren Bewegungen nachvollziehen kann, in der Praxis immer häufiger zum Einsatz komme.

Mit Blick auf die wichtige Frage, ob überhaupt personenbezogene Daten verarbeitet werden und dann die Regelungen des Datenschutzrechts eingreifen, geht der EDÖB davon aus, dass einige Systeme direkt personenbezogene Merkmale wie biometrische Gesichtsdaten oder Autokennzeichen erfassen, um Personen und Fahrzeuge beim Passieren der Kontrollpunkte wiederzuerkennen. Andere Systeme erfassen Daten der von den passierenden Personen getragenen Mobilfunkgeräte (IMSI- und TMSI-Nummern oder Mac-Adresse) und zeichnen so den Weg des Trägers auf. Hier ist der EDÖB der Auffassung, dass diese Daten zwar für sich nicht unbedingt einen Personenbezug aufweisen.

Jedoch kann sich der Personenbezug gerade aus den erstellten Bewegungsprofilen ergeben. Ein Beispiel: So unterscheiden sich beispielsweise die Bewegungsprofile des Verkaufspersonals in einem Ladengeschäft von denjenigen der Kunden. Bei kleineren Läden lässt sich so rasch ein Bewegungsprofil einem bestimmten Mitarbeiter zuordnen. Der EDÖB ist daher der Ansicht, dass auch bei diesen Systemen von der Verarbeitung personenbezogener Daten auszugehen ist.

Jede Verarbeitung personenbezogener Daten bedarf einer Rechtsgrundlage. Nach Ansicht des EDÖB kommen vorliegend ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse der datenverarbeitenden Stelle oder die Einwilligung der Betroffenen in Betracht. Auch im europäischen und deutschen Datenschutzrecht kennen wir diese Erlaubnistatbestände.

Mit Blick auf die Einwilligung der Betroffenen verweist der EDÖB richtigerweise auf praktische Schwierigkeiten, um die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung zu erfüllen. So müssen die betroffenen Personen, bevor sie einwilligen, angemessen über die fragliche Datenerhebung und -bearbeitung informiert werden. An Orten mit großem Publikumsverkehr, wo Menschen ständig in Bewegung sind, kann dies schwierig sein.

Als Erlaubnistatbestand kommt dann die Interessenabwägung in Frage, bei der die berechtigten Interessen der datenverarbeitenden Stelle oder Dritter mit jenen der Betroffenen abgewogen werden müssen. Nach Auffassung des EDÖB kann in den Fällen, in denen ein Personentrackingsystem z.B. zur Analyse von Personenströmen zur Verbesserung der Sicherheit in Flughäfen oder Bahnhöfen eingesetzt wird, von einem überwiegenden öffentlichen Interessen ausgegangen werden, sofern dabei nicht das Verhalten bestimmter Personen analysiert wird. Dasselbe gilt für die Analyse von Verkehrsströmen auf Autobahnen zur Vermeidung von Staus.

Komplizierter wird es jedoch, wenn das Tracking personenbezogen zum Zwecke der Werbung erfolgen soll. Zwar sieht es der EDÖB auch noch als zulässig an, wenn mit dem System Kundenfrequenzen gemessen oder das durchschnittliche Verhalten von Kundenkategorien analysiert werden soll. Kein Rechtfertigungsgrund bestehe jedoch in der Regel für Auswertungen des persönlichen Verhaltens bestimmter Personen, um diesen z.B. massgeschneiderte Werbung zuzustellen.

Daneben sind weitere Vorgaben des Datenschutzrechts, wie die Pflicht, personenbezogene Daten zu löschen, wenn deren Verarbeitung für den festgelegten Zweck nicht mehr erforderlich ist, oder auch die generelle Informationspflicht zu beachten.

Bundesregierung: Generelles Tracking-Verbot im Internet kaum umsetzbar

Am 25. Februar 2016 hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages seine Begründung (pdf) zu der Petition 58055 – „Internet – Generelles Verbot von Tracking im Internet“ vom 19.03.2015 beschlossen.

Mit der Petition wird ein generelles „Tracking“-Verbot gefordert, unter anderem mit der Begründung, dass „Tracking“ im Zeitalter von Big Data ein unregierbares Risiko für jeden Verbraucher darstelle und im Internet in der Regel ohne die Kenntnis der Verbraucher jeder Aufruf einer Website an Drittunternehmen übertragen werde.

Der Petitionsausschuss hat auch die Bundesregierung zur Stellungnahme zu der Petition aufgefordert, die in die Begründung des Ausschusses mit eingeflossen ist.

Dem Grunde nach scheint der Ausschuss die Bedenken des Petenten zu teilen. So stellt er fest,

dass Unternehmen im Internet mit Hilfe von Cookies und anderen Verfolgungstechniken in die Privatsphäre der Nutzer eingreifen.

Jedoch versucht der Ausschuss, auch unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bundesregierung, eine vermittelnde und praxisorientierte Position einzunehmen.

Denn Cookies können etwa auch bestimmten Funktionalitäten (z. B. dem Anzeigen von Produkten im „Warenkorb“) sowie der Benutzerfreundlichkeit dienen. Weiter führt der Ausschuss aus, dass sich Verbraucher derzeit nur ansatzweise gegen „Tracking“ mit restriktiven Einstellungen des verwendeten Browsers zum Datenschutz und der Installation von einschlägigen Add-ons schützen können.

Der Petitionsausschuss stellt nachfolgend fest,

dass ein generelles Verbot von „Tracking“ auf unterschiedlichen Ebenen nach Einschätzung der Bundesregierung nur mit sehr hohem Aufwand umsetzbar wäre.

Gerade die praktische Durchsetzung eines solchen Verbotes wäre nur schwer vorstellbar, da etwa Hersteller entsprechender Browser oft nicht in Deutschland oder der EU ansässig sind.

Für den Ausschuss ist es daher umso wichtiger, dass eine umfassende und verständliche Information der Internet-Nutzer über die eingesetzten Techniken und ihre Folgen erfolgt, insbesondere welche Daten von wem erhoben und an wen diese übertragen werden.

Gesetzentwurf: Grüne wollen Schufa und Co. strenger regulieren

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat im Bundestag ein Gesetz zur „Verbesserung der Transparenz und der Bedingungen beim Scoring (Scoringänderungsgesetz, PDF)“ eingebracht. Mit diesem Gesetz zur Änderung verschiedener Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) möchte die Fraktion laut der Gesetzesbegründung

„insbesondere die Transparenz des statistischen Analyseverfahrens beim Scoring“

grundlegend verbessern werden.

Die Ausgangslage
Der Gesetzesentwurf referenziert unter anderem auf eine Studie des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein und der GP Forschungsgruppe aus dem Jahre 2014. Beeinflusst ist der Gesetzesentwurf freilich auch durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 2014 (VI ZR 156/13), in dem es um den Auskunftsanspruch von Prsonen gegenüber der SCHUFA ging und das Gericht entschied, dass

die sogenannte Scoreformel, also die abstrakte Methode der Scorewert berechnung

der Auskunft suchenden Person nicht mitzuteilen ist. Ebenso wenig erstrecke sich der Auskunftsanspruch auf solche Inhalte der Scoreformel, die als Geschäftsgeheimnisse schützenswert sind.

Der Gesetzesentwurf
Nachfolgend möchte ich knapp auf einige Änderungsvorschlage des Gesetzesentwurfs eingehen.

Es soll eine generelle Pflicht der Vorabkontrolle beim Angebot von Scoringverfahren eingefügt werden (§ 4d Abs. 5 S. 2 BDSG-E). Diese Pflicht soll, anders als die bestehende Vorabkontrollverpflichtung, unabhängig davon bestehen, ob eine gesetzliche Verpflichtung oder eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder die Verarbeitung für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist. Zuständig für die Vorabkontrollen ist innerhalb von Unternehmen, wie auch jetzt, der Datenschutzbeauftragte.

Die Informationspflichten im Rahmen der Meldepflicht (und damit des Verfahrensverzeichnisses) sollen um einen neuen Punkt erweitert werden (§ 4e Abs. 1 Nr. 10 BDSG-E). Nach der Nr. 10 sollen im Fall des Scoring „eine Beschreibung des wissenschaftlich anerkannten mathematischstatistischen Verfahrens sowie Angaben zu § 28b Nummer 4“ erfolgen. Nach dem Gesetzesentwurf liegt der Zweck der Meldung darin, die eine Prüfung der Zulässigkeit der beabsichtigten Verfahren zu ermöglichen. Nicht erwähnt wird in dem Entwurf jedoch eine Anpassung von § 4g Abs. 2 S. 2 BDSG, wonach der Datenschutzbeauftragte nur die Angaben nach § 4e Satz 1 Nr. 1 bis 8 auf Antrag jedermann in geeigneter Weise verfügbar machen muss. Informationen zum anerkannten mathematischstatistischen Verfahren sollen also nicht im öffentlichen Verfahrensverzeichnis erwähnt werden.

Natürlich soll auch der § 28b BDSG geändert werden, der derzeit die Zulässigkeit von Scoring-Verfahren regelt. § 28 BDSG gibt vor, was zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswertes genutzt und nicht genutzt werden darf. Nach dem neuen § 28b Abs. 1 Nr. 4 BDSG-E darf ein Wahrscheinlichkeitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten des Betroffenen erhoben oder verwendet werden, wenn

für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts zum Zwecke der Bonität keine Anschriftendaten, Daten aus sozialen Netzwerken, Daten aus Internetforen, Angaben zur Staatsangehörigkeit, zum Geschlecht, zu einer Behinderung oder Daten nach § 3 Absatz 9 genutzt werden.

Explizit soll also eine Verwendung von besonderen Arten personenbezogener Daten (z.B. Gesundheitsdaten) ebenso ausgeschlossen werden, wie ein Rückgriff auf Informationen aus „sozialen Netzwerken“ und „Internetforen“. Der Praktiker wird sich fragen: Was ist damit gemeint? Die Begründung definiert „Soziale Netzwerke“ und “Internetforen“ als

Plattformen, auf denen z.B. Kontakte, Meinungen, Interessen und das Einkaufsverhalten der betroffenen Personen mitgeteilt werden.

Plattformen auf denen Meinungen und Interessen mitgeteilt werden. Man möchte sich gar nicht ausmalen, was man (bei einer weiten Auslegung) alles hierunter fassen könnte.

Zudem soll eine neue § 28b Abs. 1 Nr. 5 BDSG-E eingefügt werden. Die Verwendung des Wahrscheinlichkeitswertes wird davon abhängig gemacht, dass

der Betroffene vor Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts über die vorgesehene Nutzung seiner Daten schriftlich unterrichtet worden ist. Die Unterrichtung ist zu dokumentieren. Soll die Unterrichtung zusammen mit anderen Erklärungen erfolgen, ist sie besonders hervorzuheben.

Dies bedeutet: bevor überhaupt irgendeine Datenverarbeitung hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitswertes beginnen kann, muss der Betroffene schriftlich(!) informiert werden. Dies soll auch innerhalb von AGB möglich sein, jedoch dann deutlich hervorgehoben. Hier grüßt meines Erachtens der Medienbruch. Denn in dem bisher geltenden § 28b Nr. 4 BDSG ist auch allein von „Unterrichtung“ die Rede. Schriftlich muss diese nicht erfolgen.

Zudem soll ein neuer § 28b Abs. 2 BDSG-E vorgeben, dass das wissenschaftlich anerkannte mathematisch-statistische Verfahren muss dem Stand der Wissenschaft und Forschung entsprechen muss. Wie genau dieser Stand aussieht, dies überlässt der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, die hierzu durch eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Vorgaben machen kann.

Auch die Weite des Auskunftsanspruchs soll vergrößert werden. Nach dem neuen § 34 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BDSG-E ist Auskunft zu erteilen, über

die verwendeten Einzeldaten, die Gewichtung der verwendeten Daten, die verwendeten Vergleichsgruppen und die Zuordnung der betroffenen Personen zu den Vergleichsgruppen, die in die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts einfließen.

Ein solcher Umfang des Auskunftsanspruches ist derzeit nicht vorgesehen.
U
nd noch eine weitere wichtige Änderung soll im Rahmen des Auskunftsanspruchs geregelt werden. § 34 Abs. 2 S. 2 BDSG-E sieht vor, dass der Zugang zu diesen Informationen nicht

unter Berufung auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis abgelehnt werden“

kann. Diese Änderung referenziert direkt auf das oben erwähnte Urteil des BGH, mit dem die Verfasser des Gesetzentwurfs nicht einverstanden sind und folglich eine gesetzgeberische Anpassung vorschlagen. Interessant ist folgende Klarstellung in der Gesetzesbegründung:

Verlangt werden kann nicht die Offenlegung … des zugrunde liegenden Algorithmus.

Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen erkennt der Gesetzesentwurf nicht an. Auch ein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht auf Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG der Scoring-Verwender lehnt die Gesetzesbegründung ab.

Der Gesetzesentwurf sieht noch weitere Änderungen vor. Unter anderem soll eine jährliche Auskunftspflicht (!) der Auskunfteien eingeführt werden.

Zudem soll eine Pflicht für die zuständigen Landesdatenschutzbehörden eingeführt werden, Unternehmen, die Scoring-Verfahren verwenden, mindestens einmal jährlich zu kontrollieren (§ 38 Abs. 1 S. 2 BDSG-E). Hierbei handelt es sich um eine „Sollpflichtprüfung“. Dies bedeutet, dass die Aufsichtsbehörden grundsätzlich prüfen müssen, es sei denn es liegen besondere Umstände vor. Bei der derzeitigen Ausstattung (finanziell als auch personell) der Behörden, darf man sich doch die Frage stellen, inwieweit eine solche Pflicht eventuell weite Teile einer Behörde binden und damit lähmen könnte. Denn eine Prüfung sollte wenn sie denn schon durchgeführt wird doch umfassend erfolgen und nicht etwa als eine Art „Feigenblatt“ dienen. Dies erfordert dann aber auch einigen Einsatz an Personal und Zeit.

Fazit
Es bleibt abzuwarten, inwieweit der vorliegende Gesetzesentwurf im Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen erfahren wird und ob sich die Opposition hier gegenüber der Koalition durchsetzen kann. Zudem muss freilich auf die sich bereits abzeichnende Einigung bei der Datenschutz-Grundverordnung hingewiesen werden, die dann Gesetzesnormen schafft, die den hier entstehenden Regelungen grundsätzlich vorgehen.

Gericht: Namen und Kontaktdaten von Amtsmitarbeitern dürfen nicht im Internet veröffentlicht werden

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 25.03.2015 (Az. 5 B 14.2164) entschieden, dass personenbezogene Daten von Behördenmitarbeitern (etwa Name, Telefon- und Faxnummer) nicht einfach öffentlich im Internet von Dritten zum Abruf bereitgehalten werden dürfen. Es fehle diesbezüglich an einem berechtigten Interesse des Veröffentlichenden und auch das schutzwürdige Interesse des Betroffenen würde, wenn die Informationen ansonsten nicht öffentlich verfügbar sind, überwiegen.

Der Fall
Eine kommunale Wählervereinigung in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, deren Zweck die Teilnahme an Kommunalwahlen ist, wendete sich gegen eine Anordnung des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht (LDA) zur Löschung personenbezogener Daten. Grundlage dieser verwaltungsrechtlichen Anordnung gegen den Verein war, dass dieser auf seiner Homepage den E-Mail-Verkehr zwischen dem Vorstand und einer Angestellten im öffentlichen Dienst im Bürgerbüro des Umweltministeriums veröffentlichte. In der von dem Verein veröffentlichten Adresszeile und in der Signatur der E-Mails waren der Anfangsbuchstabe des Vornamens der Angestellten, ihr Nachname, ihre dienstliche E-Mailadresse, die um die letzten beiden Ziffern gekürzte Telefonnummer, die dienstliche Faxnummer und die Dienstadresse angegeben.

Die Entscheidung
Das Gericht entschied, dass sich der Kläger nicht auf das sogenannte Medienprivileg nach § 41 BDSG berufen kann und dass auch sonst keine Rechtsvorschrift ersichtlich sei, die die Nennung personenbezogener Daten Dritter auf der Homepage erlauben würde.

Veröffentlichung der Daten
Nach Ansicht des Gerichts wurden durch die Veröffentlichung des Mail-Verkehrs und der darin enthaltenen Informationen auf der Homepage die personenbezogenen Daten der Behördenmitarbeiterin in der Weise verarbeitet, das Dritte diese Daten einsehen oder abrufen konnten. Damit lag nach Auffassung des Gerichts eine Datenübermittlung nach § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 b) BDSG vor. Was das Gericht hier jedoch unbeachtet lässt ist, dass nach dem Gesetz diese Daten auch tatsächlich eingesehen oder abgerufen werden müssen („einsieht oder abruft“). Im Ergebnis liegt freilich dennoch eine Datenverarbeitung vor, sei es als Speicherung (§ 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 BDSG) oder in der Form der Weitergabe (§ 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 a) BDSG), denn für die Weitergabe reicht die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Informationen durch einen Dritten aus. Mit Blick auf die Veröffentlichung von Daten auf einer Internetseite entscheid dies der EuGH im Jahre 2003 (C-101/01) noch anders, wobei dieser Entscheidung wohl auch andere Erwägungen zugrundlagen. In der Google-Entscheidung (C-131/12) ging der EuGH jüngst relativ unproblematisch davon aus, dass die Darstellung von Ergebnislisten mit personenbezogenen Daten im Internet eine Weitergabe dieser Daten an Dritte darstellt.

Kein Medienprivileg
Der Verein brachte zu seiner Verteidigung unter anderem vor, dass sein Handeln unter das sog. Medienprivileg (§ 41 BDSG) fallen würde und er daher die Vorgaben des BDSG weitestgehend nicht zu beachten habe. Nach § 41 BDSG werden Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse von den Bestimmungen des BDSG weitgehend freigestellt, soweit sie personenbezogene Daten ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erheben, verarbeiten oder nutzen. Dieser Auffassung folgte das Gericht nicht:

Bei der vom Kläger durch seinen Vorstand betriebenen Webseite handelt es sich, wie ein Blick auf den in der Satzung des Vereins beschriebenen Vereinszweck eindeutig zeigt, nicht um eine Tätigkeit im Pressewesen, sondern um eine Tätigkeit in der kommunalen Parteipolitik.

Das Berichten zu einem bestimmten politischen Thema auf der Homepage über eigene Aktivitäten sei für den Verein daher nicht Zweck, sondern nur das Mittel zum eigentlichen Zweck des politisch tätigen Vereins gewesen. Einer Verarbeitung von Daten zu ausschließlich journalistisch-redaktionellen Zwecken fand daher nicht statt.

Auch hier könnte man die Wertung des Gerichts zumindest kritisch hinterfragen. Die im Datenschutzrecht vorgesehene Privilegierung von Datenverarbeitungen für ausschließlich journalistische Zwecke ist nämlich durchaus nicht im Sinne klassischer Pressearbeit zu verstehen. So hat bereits der EuGH festgestellt (C-73/07), dass Handlungen als journalistische Tätigkeiten eingestuft werden können,

wenn sie zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Journalistische Tätigkeiten sind nicht Medienunternehmen vorbehalten und können mit der Absicht verbunden sein, Gewinn zu erzielen.

Der EuGH legt die das Medienprivileg also durchaus weit aus. Dies ändert freilich nichts an der Voraussetzung, die Datenverarbeitung ausschließlich zu einem journalistischen Zweck, wie etwa die Verbreitung von Meinungen, vorzunehmen.

Keine gesetzliche Erlaubnis
Damit war klar, dass die Datenverarbeitung vollumfänglich in den Anwendungsbereich des BDSG fiel. Nach § 4 Abs. 1 BDSG war somit eine gesetzliche Erlaubnis oder die Einwilligung der Betroffenen erforderlich. Eine Einwilligung lag freilich nicht vor. Auch § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG, wonach das Übermitteln personenbezogener Daten als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig ist, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt, konnte vorliegend nicht zu einer Rechtmäßigkeit der Verarbeitung führen.

Das Gericht verneinte bereits das Vorliegen eines Interesses des Vereins, den Namen und die Kontaktdaten der Betroffenen konkret zu benennen. Eine solche Einschätzung hängt freilich immer sehr stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Vorliegend besaß die Betroffene ersichtlich keine sachbearbeitende oder sonstwie herausgehobene Funktion. Sie hatte lediglich Fachinformationen von der zuständigen Fachabteilung an den Verein weitergeleitet. Es bestehe schlicht kein Zusammenhang zwischen dem veröffentlichten Inhalt der E-Mails und der Person der Betroffenen.

Das Gericht stellt zum Schluss zudem fest, dass selbst für den Fall, dass ein berechtigtes Interesse des Vereins bestanden hätte, das schutzwürdige Interesse der Betroffenen vorliegend überwogen hätte. Die Begründung ähnelt ein wenig derjenigen, die wir aus dem bereits oben einmal zitierten Google-Urteil des EuGH kennen. Nach dem Gericht handelte es sich insofern um einen nicht ganz unerheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, deren Daten zudem gerade nicht allgemein zugänglich waren. Diese Feststellung gelte auch für die im öffentlichen Dienst tätigen Mitarbeiter, die ohne ein überwiegendes berechtigtes Interesse mit ihren personenbezogenen Daten nicht einfach im Internet benannt werden dürften. Der für den Verein relevante Verwaltungsvorgang als solcher ließe sich zudem problemlos und ohne sachlichen Informationsverlust auch ohne Nennung personenbezogener Daten darstellen. So stellt das Gericht letztendlich fest:

Zusammengefasst wäre bei einer Interessenabwägung daher dem Interesse der Beigeladenen, ihre personenbezogenen Daten nicht weltweit abrufbar im Internet veröffentlicht zu sehen, der Vorrang einzuräumen.

Fazit
In der Sache und auf der Grundlage der in diesem Einzelfall vorliegenden Umstände, ist das Urteil durchaus vertretbar. Insbesondere im Rahmen der Abwägung der Interessen der Beteiligten steckt jedoch oft ein gewisser Spielraum für Argumentationen, so dass ein Ergebnis kaum per se vorhersehbar erscheint.

Abmahnung bei Datenschutzverstößen: Bundesrat nimmt Stellung und will noch mehr (Update)

Am 4. Februar 2015 hat das Bundeskabinett den Entwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts (PDF) beschlossen. Ich berichtete hierzu im Blog. Im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, hat sich nun auch der Bundesrat mit dem Gesetzesentwurf zu befassen und wird auf seiner nächsten Sitzung am 27. März 2015 über die eigenen Empfehlungen hierzu beraten.

Die Empfehlungen des federführenden Rechtsausschusses, des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, des Ausschuss für Innere Angelegenheiten und des Wirtschaftsausschusses wurden nun veröffentlicht (BR-Drs. 55/1/15, PDF) und bergen einige Überraschungen. Das Dokument enthält die Vorschläge jedes Ausschusses und es werden nicht alle dort aufgeführten Vorschläge in die finale Stellungnahme des Bundesrates aufgenommen, da sich die Vorschläge teilweise auch ausschließen. Dennoch möchte ich nachfolgend auf einige der Empfehlungen der Ausschüsse eingehen, gerade weil auch völlig neue Vorschläge gemacht werden.

Kein genereller Anspruch auf Beseitigung
Der Wirtschaftsausschuss gibt zu bedenken (Ziff. 5), dass bislang kein Bedarf für einen Beseitigungsanspruch im Unterlassungsklagengesetz (UKlag) gesehen wurde und dieser nun im Rahmen des Gesetzesentwurfs neu eingeführt werden soll. Sollte der Beseitigungsanspruch generell und nicht nur spezifisch für Verstöße gegen das Datenschutzrecht eingeführt werden, bestünde vielmehr die Gefahr, dass die Unternehmen in diesem Bereich weitgehenden Forderungen ausgesetzt werden, deren finanzieller und organisatorischer Aufwand in keinem Verhältnis zu der begangenen Verletzung des Verbraucherschutzes stünden.

Erweiterung des Verletzungstatbestandes in § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz schlägt vor (Ziff. 6), den Wortlaut der vorgeschlagenen Nr. 11 auf jenen des ursprünglichen Referentenentwurfs zu ändern und damit zu erweitern. Es soll dann heißen:

11. die Vorschriften, die für die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer gelten.

Dem Ausschuss für Verbraucherschutz ist dabei ein Dorn im Auge, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung den Anwendungsbereich der Nr. 11 grundsätzlich auf Vorschriften beschränkt, „welche die Zulässigkeit regeln“. Zur Begründung führt der Ausschuss aus, dass insbesondere Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher auf Benachrichtigung, Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Sperrung nach den §§ 33, 34 und 35 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erfasst werden sollten. Auch die Beschränkung der vorgeschlagenen Nr. 11 auf Datenverarbeitungen zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Betreibens einer Auskunftei, des Erstellens von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen, des Adresshandels, des sonstigen Datenhandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken kritisiert der Ausschuss.

Im Ergebnis strebt man hier also erneut jene unbestimmte Ausweitung der Vorschrift an, die bereits nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs kritisiert und im Gesetzesentwurf folgerichtig nicht übernommen wurde.

Dieser Vorschlag des Ausschusses für Verbraucherschutz konkurriert mit einem Vorschlag des Ausschuss für Wirtschaft (Ziff. 7), der darum bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie die datenschutzrechtlichen Vorschriften, die für eine Verbandsklage in Betracht kommen sollen, konkretisiert und weiter eingegrenzt werden können. Der im Gesetzesentwurf verwendete Begriff der „vergleichbaren kommerziellen Zwecke“ erscheint nämlich zu weitgehend. Denn haben Unternehmen Kontakt mit Verbrauchern, ist eigentlich per se von einer kommerziellen Verarbeitung von Daten auszugehen. Wäre dann also praktisch jede Datenverarbeitung eines Unternehmens mit Bezug zu einem Verbraucher eine solche für „vergleichbare kommerzielle Zwecke“? Der Anwendungsbereich ist für den Wirtschaftsausschuss damit unklar und stellt für die Unternehmen eine Rechtsunsicherheit dar.

Gefahr paralleler Rechtstreitigkeiten durch Verbraucherverbände und Datenschutzbehörden
Der Innen- als auch der Wirtschaftsausschuss (Ziff. 11) möchten im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Pflicht für Gerichte zur Anhörung der zuständigen Datenschutzbehörde um eine Verpflichtung der anspruchsberechtigten Stellen ergänzen. Danach soll die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde bereits vor außergerichtlicher Geltendmachung oder vor Klageerhebung unterrichtet und angehört werden. Die Datenschutzbehörden besitzen schließ0lich auch einen gesetzlichen Beratungsauftrag, auch für Unternehmen (§ 38 Abs. 1 S. 2 BDSG). Dieser Beratungsauftrag sowie das Vertrauen von Unternehmen in die Verbindlichkeit von Aussagen der Datenschutzaufsichtsbehörden würden nach Ansicht der beiden Ausschüsse erheblich geschwächt, wenn Aufsichtsbehörden bei ihrer Beratungstätigkeit keine Kenntnis von etwaigen durch die Verbände eingeleiteten, gleich gelagerten Parallelverfahren hätten.

Neu: Einführung eines allgemeinen Koppelungsverbots im BDSG
Sowohl der Rechtsausschuss als auch der Innenausschuss (Ziff. 12) schlagen völlig unabhängig von dem ursprünglichen Gesetzesentwurf eine Anpassung des § 28 Abs. 3b BDSG vor. Es soll ein allgemeines Koppelungsverbots im Datenschutzrecht eingeführt werden. Derzeit sieht § 28 Abs. 3b BDSG noch vor, dass die verantwortliche Stelle den Abschluss eines Vertrags nicht von einer Einwilligung des Betroffenen abhängig machen darf, wenn dem Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne die Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich ist.

Der letzte Teil des Satzes soll nun jedoch gestrichen werden: „Die verantwortliche Stelle darf den Abschluss eines Vertrags nicht von einer Einwilligung des Betroffenen nach Absatz 3 Satz 1 abhängig machen.“

Die mit diesem Vorschlag für die Einführung eines allgemeinen Koppelungsverbots verbundene Einschränkung der Vertragsgestaltungsfreiheit der Unternehmen erscheint für die Ausschüsse gerechtfertigt. Der Vorschlag zur entsprechenden Anpassung des BDSG ist jedoch nicht neu. Bereits im Rahmen der letzten BDSG-Novelle wurde ein solches allgemeines Kopplungsverbot durch den Bundesrat vorgeschlagen (BR-Drs. 4/09), jedoch am Ende nicht in das Gesetz aufgenommen.

Neu: Auskunftsrecht für Betroffene von Persönlichkeitsrechtsverletzungen
Der Rechtsausschuss schlägt zudem apart von den Anpassungen des Gesetzesentwurfs vor (Ziff. 15), dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren geprüft werden möge, ob zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1. Juli 2014 (Az. VI ZR 345/13) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden sollte, aufgrund derer ein von einer im Internet begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung Betroffener gegenüber dem Telemediendienstanbieter Auskünfte über die Nutzerdaten des Persönlichkeitsrechtsverletzers erlangen kann. Der BGH hatte in diesem Urteil entschieden, dass ein Geschädigter mangels datenschutzrechtlicher Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG keinen Anspruch gegenüber einem Online-Bewertungsportal auf Auskunft über Namen und Anschrift desjenigen Nutzers habe, der in dem Portal unwahre und damit unzulässige Tatsachenbehauptungen über ihn aufstellt (hierzu der Kollege Thomas Stadler in seinem Blog). Der Portalbetreiber als Dienstanbieter i. S. d. TMG ist nach der Rechtsprechung daher nicht befugt, ohne die Einwilligung des Nutzers Auskünfte über dessen personenbezogene Daten zu erteilen. Für den Rechtsausschuss ist das Fehlen des Auskunftsanspruchs bedenklich und stellt eine Regelungslücke dar, welche durch den Gesetzgeber geschlossen werden muss.

Fazit
Die Ausschüsse im Bundesrat scheinen den Gesetzesentwurf genutzt zu haben, um nicht nur an dem Entwurf selbst inhaltlich Anpassungen vorzuschlagen, sondern auch noch weitere datenschutzrechtliche Themen, die eventuell schon etwas länger auf der gesetzgeberischen To-Do-Liste stehen, in das Gesetzgebungsverfahren einzuführen. Ob ein solches Vorgehen, unabhängig von der inhaltlichen Diskussion, in jeder Hinsicht begrüßenswert erscheint, mag man positiv oder negativ beantworten. Innenminister de Maizère hat erst letzte Woche angekündigt, dass man die Verhandlungen zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) bis Juni im Rat abschließen möchte, um dann die Verhandlungen mit dem Parlament und der Kommission aufzunehmen. Wenn dann etwa im Jahre 2015 die Datenschutz-Grundverordnung verbindliches Recht in Europa wird, so müssen sich deutsche Regelungen zum Datenschutz an diesen Vorgaben messen lassen und werden aufgrund des Vorrangs des EU-Rechts im Zweifel unwirksam sein. Auch in der DS-GVO soll es etwa Vorgaben für ein Verbandsklagerecht von Verbraucherorganisationen geben. Die genauen Voraussetzungen und die Reichweite des Klagerechts ist derzeit aber noch umstritten. Bestehende deutsche Regelungen, die nun auf die schnelle noch ins Gesetz gegossen werden, würden dann jedoch ihre Wirksamkeit verlieren. Man würde also gesetzliche Vorgaben mit bereits jetzt bekannter Haltbarkeit schaffen. Der Sinn hinter einem solchen Vorgehen erschließt sich mir nicht unbedingt.

Update vom 27.3.2015:
Heute hat der Bundesrat über die oben erwähnten Ausschussempfehlungen abgestimmt. In der angenommenen Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 55/15(B)) sind die von mir oben angesprochenen Änderungswünsche, insbesondere die „Rückkehr“ zum Referentenentuwrf, das Kopplungsverbot und der Vorschlag zur Einführung eines Auskunftsanspruchs im TMG, enthalten. Es bleibt abzuwarten, wie und ob die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren Bestand haben werden.

Datenschutz und Lifestyle-Apps: Europäische Datenschützer fordern Schutz der Gesundheitsdaten

Sog. Lifestyle-Apps, mobile Anwendungen auf Smartphones, Uhren oder Armbändern, die den täglichen Alltag einer Person aufzeichnen und dann Analysen der gesammelten Daten bieten, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Ein Stichwort ist das sog. „quantified self“.

Das bei diesen Entwicklungen eine Vielzahl an Informationen erhoben, verarbeitet und analysiert wird, dürfte jedem klar. Es geht ja dem Träger zumeist gerade darum, dass das Gerät oder eine App seinen Alltag aufzeichnet und er daraus Schlüsse, etwa zur Verbesserung der eigenen Gesundheit, ziehen kann.

Die Vertreter der europäischen Datenschutzbehörden, versammelt in der sog. Art. 29 Gruppe, haben nun eine kurze Stellungnahme veröffentlicht (PDF), in der sie auf die grundsätzliche Definition des Begriffs „Gesundheitsdaten“, die möglichen Risiken einer Verarbeitung solcher Daten und der gesetzlichen Grundlagen des Umgangs mit diesen Daten eingehen. Nachfolgend möchte ich einige der in dem Papier besprochenen Themenfelder kurz darstellen.

Was sind „Gesundheitsdaten“?
Weit überwiegend befassen sich die Datenschützer mit der Frage, was denn überhaupt genau sog. „Gesundheitsdaten“ sind. Denn Art. 8 Abs. 1 der europäischen Datenschutzrichtlinie (RL 95/46/EG) definiert nur die „besonderen Kategorien personenbezogener Daten“, worunter auch „Daten über Gesundheit“ fallen. Was jedoch hierunter zu verstehen ist, das lässt die Richtlinie offen. Auch das deutsche Datenschutzrecht definiert nur die Oberkategorie der „besonderen Arten personenbezogener Daten“ (§ 3 Abs. 9 BDSG). Hierunter fallen auch Angaben über die Gesundheit. Was aber unter den „Angaben über die Gesundheit zu verstehen ist, das wird nicht erläutert.

Die Art. 29 Gruppe geht davon aus, dass es in Europa bestimmte Arten von Informationen gibt, die ohne weiteres als Gesundheitsdaten angesehen werden. Hierzu gehören medizinische Daten, Daten über den physischen oder psychischen Zustand, die im Zusammenhang mit einem beruflichen, medizinischen Kontext entstehen. Nach Ansicht der Datenschützer fallen jedoch unter den Begriff der Gesundheitsdaten noch vielmehr Informationen. So etwa die Information, dass sich eine Person ein Bein gebrochen hat, dass eine Person eine Brille oder Kontaktlinsen trägt oder aber Informationen zu dem Trink- oder Rauchverhalten.

Grundsätzlich möchten die Datenschützer den Begriff der Gesundheitsdaten sehr weit auslegen. So ist es nach ihrer Ansicht gerade auch möglich, dass „rohe“ und für sich genommen völlig belanglose Daten, wie etwa die Information „Person X hat heute 4786 Schritt zurückgelegt“, in Kombination mit anderen Informationen, aus denen man dann auf den Gesundheitszustand schließen kann, zu Gesundheitsdaten werden. Die Kombination von neutralen Informationen und ihre Analyse zu Zwecken der Gesundheit führen also zur Entstehung von Gesundheitsdaten.

Gesetzliche Grundlage der Datenverarbeitung

Nach Art. 8 Abs. 1 RL 95/46/EG ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten grundsätzlich untersagt. Dieses Verbot wird durch einzelne gesetzliche Erlaubnistatbestände durchbrochen, etwa wenn die Verarbeitung zum Zweck der Gesundheitsvorsorge oder der medizinischen Diagnostik erforderlich ist und die Verarbeitung durch ärztliches Personal erfolgt. Relevant für die Praxis und gerade für die hier angesprochenen Lifestyle-Apps ist insofern die ausdrücklich Einwilligung der betroffenen Person (Art. 8 Abs. 2 a) RL 95/46/EG bzw. § 4a Abs. 3 BDSG).
Wenn ein Anbieter eines Armbandes oder einer Lifestyle-App Gesundheitsdaten erhebt und verarbeitet, wird nach Ansicht der Art. 29 Gruppe häufig allein die Einwilligung der Nutzer die einzige Möglichkeit darstellen, um diese Daten rechtmäßig verarbeiten zu können.

Zu beachtende Datenschutzprinzipien

Daneben weisen die Datenschützer auf wichtige Prinzipien hin, die beim Umgang mit personenbezogenen Daten und gerade mit besonders sensiblen Gesundheitsdaten zu beachten sind. Insbesondere eine genaue Information der Betroffenen über die erhobenen und verarbeiteten Daten und die Zwecke der Verarbeitung ist hier wichtig. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung ist, dass sie „für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt“. Die Informationen zum Umgang mit den Gesundheitsdaten müssen den Nutzern von Apps bereits vor der ersten Datenverarbeitung erteilt werden, also nach Ansicht der Art. 29 Gruppe bereits vor dem Download einer App. Daneben gilt es weitere Datenschutzprinzipien wie den Zweckbindungsgrundsatz und das Gebot der Datensparsamkeit zu beachten.

NRW-Justizminister fordert „Recht auf digitalen Neustart“ für Jugendliche

Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, möchte sich laut dem Spiegel für eine Bundesratsinitiative einsetzen, um Internetnutzern die gesetzlich verankerte Möglichkeit zu geben, Suchmaschinenbetreibern in bestimmten Fällen die Löschung von Daten abzuverlangen. Im Blick hat Kutschaty bei seinem Vorschlag vor allem Jugendliche. Seiner Ansicht nach machten sich nämlich zu wenige von ihnen Gedanken über das, was sie ins Internet stellen. Jahre später könnte es dann zu Problemen, etwa bei Bewerbungen kommen.

Recht auf Vergessenwerden?
Der Vorschlag des Ministers (und gerade der Verweis auf Suchmaschinen) klingt nach dem Wunsch einer gesetzlichen Verankerung des sog. Rechts auf Vergessenwerden, wie es der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Mai 2014 in seinem Google-Urteil aus der geltenden EU-Datenschutzrichtlinie entwickelte. Da jedoch das Recht von Betroffenen, Verweise auf Internetseiten unter bestimmten Voraussetzungen aus den Suchergebnislisten löschen zu lassen, nach dem EuGH bereits derzeit gesetzlich verankert (bzw. aus den Vorgaben der EU-Datenschutzrichtlinie mindestens ableitbar) ist, muss man sich fragen, welche gesetzlichen Neuregelungen der Justizminister konkret anstrebt? Denn diese wären ja eigentlich nicht erforderlich, sollte es sich allein um das Löschen (oder anders: Unterdrücken) von Links in Ergebnislisten handeln.

Bestehende Vorgaben
Die Intention scheint mehr in die Richtung des allgemeinen Schutzes von Jugendlichen und Kindern im Internet zu gehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, dass sich ihre digitale Vergangenheit auf Knopfdruck in Luft auflösen lässt. Dies würde auch zu dem Begriff „digitaler Neustart“ passen. Insofern stellt sich dann jedoch die Frage, welche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssten, um Bilder, Informationen und Texte, die man als Jugendlicher veröffentlicht hat, zu löschen?

Soll es sich etwa nur um personenbezogene Daten handeln? Hier gilt bereits das Datenschutzrecht, welches nicht nach Erwachsenen und Kindern unterscheidet. Die geltenden Gesetze stellen zum einen gewisse Voraussetzungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten an sich, wenn also etwa ein Internetdienst die Daten eines Jugendlichen eigenverantwortlich verwendet. Zudem sehen die Gesetze Löschpflichten für verantwortliche Stellen vor, die nicht nur von dem Ablauf einer gewissen Zeit, sondern auch der Unvereinbarkeit der weiteren Verwendung der Daten mit den Interessen des Jugendlichen abhängen können. Wozu also neue Regelungen?

Digitale Generalamnestie?
Eventuell steckt hinter dem Vorschlag daher eher der Gedanke einer „digitalen Generalamnestie“. Nach dem Motto: bis zum 18. Lebensjahr dürfen sich Jugendlichen im Netz austoben und ihre Jugendsünden dann auch löschen lassen. Ein solcher Vorschlag birgt jedoch meines Erachtens einige Risiken (etwa kollidierende Grundrechte Dritter) und ist natürlich gleichzeitig auch eine Art Schuldeingeständnis, nämlich dass man als Staat noch nicht die (richtigen) Mittel und Wege gefunden hat, um Kinder und Jugendliche auf die unbestreitbar bestehenden Risiken beim Umgang mit dem Internet vorzubereiten und sie aufzuklären.

Beispielhaft sei auf die USA und dort auf ein am 1.1.2015 in Kalifornien in Kraft getretenes Gesetz (Privacy Rights for California Minors in the Digital World) verwiesen. Dieses Gesetz sieht in seinem Abschnitt 22581 nämlich in der Tat eine Art „digitalen Neustart“ für Kinder im Internet (darüber hinausgehend aber etwa auch für Anbieter von Apps) vor. Die Möglichkeit für Jugendliche, bei einem Dienst oder Anbieter eingegeben Informationen (es muss sich nicht um personenbezogene Daten handeln) zu löschen bzw. löschen zu lassen, wird dort jedoch nicht pauschal gewährt, sondern enthält bestimmte Einschränkungen. So etwa eine Speicherpflicht des Anbieters aufgrund anderer Gesetze oder wenn die Informationen anonymisiert werden.

Fazit
Die Beweggründe des Justizministers sind jedoch vielleicht auch noch von einer anderen Natur. Laut dem Spiegel hält es Herr Kutschaty „für problematisch, wenn es keine gesetzliche Regelung gibt und wir uns in Fragen von Persönlichkeitsrechten auf ein Entgegenkommen von Google verlassen müssen“. Den Minister scheint also gerade die mangelnde Durchsetzung der (meines Erachtens bereits bestehenden) gesetzlichen Regelungen bzw. die tatsächlichen Probleme bei der Durchsetzbarkeit (mangelndes Personal und fehlende finanzielle Mittel in den zuständigen Behörden) zu treiben. Dazu bedarf es aber nicht noch eines „neuen“ Rechts, welches dann auch nicht durchsetzbar ist und am Ende einen reinen Placeboeffekt hervorruft.

USA: Automobilhersteller einigen sich auf Datenschutzprinzipien

Das intelligente Auto als Teil des „Internets der Dinge“ wird in der Öffentlichkeit mit gemischten Gefühlen betrachtet. Einige sehen die Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen, die Datenverarbeitungen im Zusammenhang mit Autos bieten, andere wiederum warnen vor dem „gläsernen Autofahrer“.

Viele der neu entwickelten Technologien und Dienstleistungen rund um das „Smart Car“ beruhen auf bzw. sind auf Informationen aus einer Vielzahl von Fahrzeugsystemen angewiesen und ihnen ist das Sammeln von Informationen, etwa über den Standort eines Fahrzeugs oder das Fahrverhalten, immanent.

In Amerika hat die “Alliance of Automobile Manufacturers (Auto Alliance)”, die viele wichtige Automobilhersteller (u.a. auch BMW of North America, Mercedes-Benz USA, Volkswagen Group of America und Ford Motor Company) zu ihren Mitgliedern zählt, nun Datenschutzprinzipien entwickelt und verabschiedet, die für den Umgang mit personenbezogenen Daten gelten.

Das Vertrauen der Verbraucher ist nach Ansicht der Auto Alliance entscheidend für den Erfolg von Fahrzeugtechnologien und Dienstleistungen. Den Mitgliedern ist zudem bewusst, dass Verbraucher wissen möchten, wie diese Fahrzeugtechnologien und Dienstleistungen funktionieren und ihnen selbst Vorteile bringen können, während sie gleichzeitig ihre Privatsphäre respektieren.

Die Datenschutzprinzipien

Die Datenschutzprinzipien (PDF) stellen nach Aussage der Auto Alliance einen Ansatz dar, um die Privatsphäre der Kunden zu schützen. Diese Prinzipien gelten für die Erfassung, Verwendung und Weitergabe von Informationen in Verbindung mit Fahrzeugtechnologien und -dienstleistungen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, die an Verbraucher in den Vereinigten Staaten von Amerika verkauft oder von diesen geleased werden.

Die Datenschutzprinzipien enthalten unter anderem Regelungen zur Transparenz, der Datensparsamkeit oder auch der Datensicherheit. Interessant ist die allgemeine Definition des Anwendungsbereichs der Prinzipien. Diese gelten für sog. abgedeckte Informationen („covered information“), also solche Daten, die von den Prinzipien selbst definiert werden. Dabei handelt es sich um identifizierbare Informationen, die Fahrzeuge in elektronischer Form sammeln, erzeugen oder aufnehmen und die aus den Fahrzeugen durch einen teilnehmenden Automobilhersteller ausgelesen werden.

Was sind nun die „identifizierbaren Informationen“ (man denkt hierbei direkt an den Streit um den Personenbezug von IP-Adressen)? Auch dieser Begriff wird in den Prinzipien definiert. Es handelt sich um Informationen, die verknüpft sind oder vernünftigerweise verknüpfbar sind i) mit dem Fahrzeug aus dem die Daten abgerufen werden, ii) mit dem Eigentümer oder Leasingnehmer des Fahrzeugs oder iii) mit dem registrierten Benutzer einer Dienstleistung, die mit dem Fahrzeug verbunden ist. Der Anwendungsbereich scheint also durchaus weit gefasst zu sein, da eine Verknüpfung mit dem Fahrzeug selbst genügt.

Definiert werden im Übrigen etwa auch was „biometrische Daten“ und „Ortungsdaten“ sind.

Praktisch stellt sich für Automobilhersteller häufig die Frage, wie man den gesetzlich vorgegeben Informationspflichten im Datenschutzrecht nachkommen kann, ohne den Kunden jedes Mal mehrere ausgedruckte Papiere in die Hand drücken zu müssen. Dies mag im zu unterschreibenden Kauf- oder Leasingvertrag noch möglich sein. Doch was geschieht, wenn neue Dienste in Anspruch genommen und neue Datenverarbeitungsprozesse initiiert werden? Diesbezüglich geben die Datenschutzprinzipien einen pragmatischen und praktikablen Weg vor. Nach Ansicht der Automobilhersteller gibt es keinen one-size-fits-all-Ansatz. Die Unterzeichner der Prinzipien sollen vielmehr situationsbedingt und –angemessen entscheiden, wie sie ihre Kunden im konkreten Kontext am besten informieren können. Möglichkeiten sind Hinweise in der Betriebsanleitung, auf Papier oder auch in elektronischen Anmeldeformularen und/oder Nutzungsvereinbarungen. Möglich ist es jedoch auch, die Informationen über das bordeigene Display darzustellen. Die unterzeichnenden Autohersteller verpflichten sich zudem mindestens dazu, Informationen zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten öffentlich zugänglich im Internet bereit zu halten.

Fazit
Die Initiative der Auto Alliance ist definitiv zu begrüßen. Zwar stellen die Datenschutzprinzipien kein bindendes Recht dar. Jedoch bieten Sie für die beteiligten Mitglieder die Chance, den Kunden zu zeigen, wie wichtig ihnen der Datenschutz und die Privatsphäre sind. Zudem lässt sich dieser Initiative ebenfalls entnehmen, dass es in der Zukunft durchaus möglich sein wird (und meines Erachtens auch möglich sein muss), Innovation und technologischen Fortschritt zu gewährleisten und zu fördern, ohne den Schutz personenbezogener Daten zu vernachlässigen. Derartige selbstverpflichtende Initiativen der Wirtschaft sind insoweit ein wirksames Mittel, um gerade in dem sich stets und ständig entwickelnden Bereich der datenverarbeitenden Technologien für Vertrauen und Sicherheit zu sorgen, wenn gesetzliche Vorgaben nur noch überholte oder unzureichende Vorgaben machen können.