Die Monopolkommission, ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung auf dem, Gebiet des Wettbewerbsrechts und der Regulierung, hat am 9. Juli 2014 ihr neuestes Hauptgutachten vorgelegt. Das Gutachten mit dem Titel „Eine Wettbewerbsordnung für die Finanzmärkte“ (PDF) befasst sich unter anderem auch mit der Marktmacht von Internetunternehmen und Fragen zu datenbasierten Geschäftsmodellen und deren Umgang mit personenbezogenen Daten. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der aktuell geführten Diskussion um die Stellung von Google und die Überlegungen deutscher Politiker, den Konzern möglicherweise zu entflechten, besonders interessant.
Nachfolgend einige aus meiner Sicht einige interessante Aussagen des 824 Seiten starken Gutachtens:
Mit Blick auf die derzeitige Debatte um den Schutz der Bürger vor einem angeblich zu starken Zugriff der großen Unternehmen auf ihrer personenbezogenen Daten stellt die Kommission fest, dass in der Öffentlichkeit teilweise drastische Maßnahmen diskutiert, die jedoch mitunter über das hinausgehen, was auf Grundlage der aktuellen Erkenntnisbasis angezeigt oder gerechtfertigt erscheinen kann. Die Gutachter sprechen sich daher dafür aus, die Diskussion zu versachlichen und – ausgehend von einer Abgrenzung und Analyse der Problembereiche – genauer zu ermitteln, in welcher Hinsicht ein konkreter Handlungsbedarf besteht und mit welchen Mitteln feststellbare Probleme behoben werden können (S. 59).
Die Gutachter gehen auch kurz auf das Google-Urteil des EuGH und die dort festgestellte Anwendbarkeit europäischen Datenschutzrechts ein. Sie sind der Ansicht, dass die Geltung unterschiedlicher Datenschutzniveaus (durch die Geltung verschiedener Gesetze) für vergleichbare Dienste auch weiterhin substanzielle wettbewerbliche Auswirkungen haben kann. Aus ihrer Sicht sei es daher nicht fernliegend, dass Anbieter mit Sitz in Deutschland wettbewerbliche Nachteile gegenüber etwa in den USA ansässigen Unternehmen haben könnten. Die Monopolkommission möchte das Thema des weitreichenden Datenzugriffs durch Unternehmen in drei Problembereiche gliedern, die aus wettbewerbspolitischer Sicht zu analysieren sind.
- Die (rechtswidrige) Erhebung, Speicherung und Nutzung von personenbezogenen Daten (Datenschutzproblem).
- Die missbräuchliche Ausnutzung einer (datenbasierten) wirtschaftlichen Machtstellung (Wettbewerbsproblem).
- Die Ausbeutung der Stellung gegenüber dem Verbraucher (Verbraucherschutzproblem).
Die Gutachter weisen darauf hin, dass bei einer Suche nach Lösungen versucht werden sollte, diese drei Bereiche nicht miteinander zu vermengen (S. 60).
Zu dem Thema „Daten als Wettbewerbsfaktor“ führt die Kommission aus, dass die Verwendung personenbezogener Daten die Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung für die nicht zahlenden Nutzer ermöglicht. Die Qualität der Dienste steigt dabei nicht nur mit der Zahl der Nutzer, sondern auch gerade mit der Menge der Informationen, die über andere Nutzer verfügbar sind. Mit Blick auf Suchmaschinen ist gerade erst aufgrund der Berücksichtigung und Analyse verfügbarer Nutzerdaten die Anzeige relevanter und damit auch nützlicher Suchergebnisse möglich. Da diese Dienste oft unentgeltlich angeboten werden und damit eine Preisdifferenzierung nicht möglich ist, kommt der Qualität der Suchergebnisse und damit der Nutzung persönlicher Daten für die Orientierung an den Präferenzen des Suchenden eine besondere Rolle zu (S. 62). Daher können sich Internetplattformen durch die Nutzung von Netzwerkeffekten und von personenbezogenen Daten durchaus Vorteile im Wettbewerb mit konkurrierenden Anbietern verschaffen.
Die Gutachter gehen auch auf die in der öffentlichen Diskussion vorgebrachten Vorwürfe ein, einzelne Online-Diensteanbieter seien „marktmächtig“ oder gar „übermächtig“. Hier bemängelt die Kommission, dass dabei überwiegend nicht deutlich werde, auf welche Märkte genau sich die Marktanteile oder genannte Diagnose beziehen sollen. Der Begriff der Markmacht ist jedoch ein zentraler Anknüpfungspunkt von kartell- und regulierungsrechtlichen Pflichten. In der Praxis können hierfür etwa Marktanteile eines Unternehmens ein Indikator sein. Die Feststellung von Marktanteilen setzt jedoch notwendigerweise eine Abgrenzung des relevanten Marktes voraus. Bei Plattformmärkten liegen eigenständige Teilmärkte typischerweise für jeden einzelnen Kundenkreis vor. Als Beispiel führt das Gutachten Internet-Suchmaschinen an. Hier lassen sich etwa Märkte für die Internetsuche, für die Listung in Suchmaschinen und für (dort platzierte) Werbung unterscheiden (S. 64). Allerdings bereitet eine klare Marktabgrenzung und damit eine verlässliche Bestimmung von Marktanteilen hier nicht unerhebliche Schwierigkeiten, da etwa nicht nur direkte Konkurrenten (Yahoo!, Bing, etc.) diese Funktionen anbieten, sondern auch andere Plattformen, wie Reiseportale oder Onlinehändler. Die Kommission befürwortet daher eine Unterscheidung nach „horizontalen“ Suchmaschinen (Google, Bing, etc.), die Ergebnisse listen, ohne nach Themengebieten zu differenzieren und „vertikalen“ Suchmaschinen (Amazon, eBay, etc.) die eine spezialisierte Suche innerhalb eines festgelegten Bereiches ermöglichen.
Die Kommission geht auch auf die in der Debatte um große Betreiber von Suchportalen und sozialen Netzwerken aufgestellten Behauptungen ein, diese seien „systemrelevant“ oder „Gatekeeper“ für die Datennutzung und den Datenaustausch im Internet. Damit soll ausgedrückt werden, dass solche Unternehmen eine Infrastruktur bereitstellen, die für die Gesellschaft von grundlegender Bedeutung ist (S. 65). Die Kommission hinterfragt jedoch, ob es sich bei Suchportalen oder sozialen Netzwerken um sogenannte „wesentliche Einrichtungen“ im wettbewerbsrechtlichen Sinne handelt. Die Gutachter führen aus, dass das Konzept der „wesentlichen Einrichtungen“ sich auf Unternehmen, die marktbeherrschend sind, weil sie eine wesentliche Einrichtung kontrollieren, d. h. ein Eingangsprodukt, das für einen Marktzutritt auf einem vor- oder nachgelagerten Markt unerlässlich ist.
Das Ergebnis im Gutachten:
Es gibt jedenfalls zurzeit keine Anhaltspunkte, dass etwa die großen Suchportale unerlässlich wären, um das Internet zu nutzen oder darin zu suchen. Auch hinsichtlich der bestehenden sozialen Netzwerke erscheint die Annahme einer wesentlichen Einrichtung eher fernliegend, jedenfalls mit Blick auf die Nutzung solcher Netzwerke im sozialen Kontext.(S.66)
Insgesamt ist das Gutachten wirklich lesenswert und gibt einen guten Überblick über die Fragen, die sich hier derzeit und in Zukunft im Bereich der Schnittmenge von Wettbewerbsrecht und dem Datenschutz stellen könnten.