Bundesregierung: Datensammlungen stellen einen Wettbewerbsvorteil dar

Die deutsche Bundesregierung hat sich in einer Stellungnahme vom 22. April 2015 zum XX. Hauptgutachten der Monopolkommission 2012/2013 und dabei insbesondere auch zu dem Themenkreis Datenschutz, Wettbewerb und Markmacht geäußert.

Das referenzierte Hauptgutachten der Monopolkommission hatte ich bereits einmal hier im Blog besprochen. Die Monopolkommission widmet sich darin unter anderem auch der Internetökonomie und den Problemkreisen Datenschutz, Wettbewerb und Verbraucherschutz. Inbesondere geht es dabei auch um die Auswirkungen der Sammlung von großen Mengen personenbezogener Daten und wie sich das Datenschutz- und Kartellrecht hier ergänzen können oder sollten.

In ihrer Stellungnahme geht die Bundesregierung zunächst auf die geplante Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auf europäischer Ebene ein. Ihrer Ansicht nach wird die DS-GVO eine wettbewerbsfördernde Dimension besitzen, welche insbesondere durch die Harmonisierung des derzeitigen EU-Datenschutzrechts und eine damit angestrebte Angleichung der Anwendungspraxis zum Ausdruck kommen soll. (S. 3) Nicht erwähnt wird freilich, dass die DS-GVO möglicherweise weitreichende Ausnahmeklauseln enthalten könnte, die es den Mitgliedstaaten erlauben würden, jeweils eigene nationale Regelungen zum Umgang etwa mit bestimmten Arten von personenbezogenen Daten zu schaffen. Wo dann der Harmonisierungseffekt einer Verordnung bleibt, wird sich zeigen.

Weiter trifft die Bundesregierung dann eine klare Aussage:

Eine (oft langfristig aufgebaute) Sammlung von personenbezogenen Daten über das Verhalten von Nutzern stellt jedenfalls gegenüber Wettbewerbern, die nicht über eine solche Sammlung verfügen, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil dar und kann so die Marktzutrittsschranken erhöhen.

Nach Ansicht der Bundesregierung soll das Allheilmittel gegen solche Tendenzen das in der DS-GVO neu zu schaffende „Recht auf Datenportabilität“ sein, welches eine leichte Übertragung von Datensätzen ermöglichen soll und den

Wechsel von einem Internetdiensteanbieter zum anderen erleichtert.

Dass freilich in der DS-GVO nichts davon steht, dass das Recht auf Datenportabilität allein auf Internetdiensteanbieter anwendbar ist und damit faktisch jede (!) verantwortliche Stelle trifft (den Handwerksbetrieb ebenso wie den Stromanbieter), wird auch hier nicht näher beleuchtet. Nicht nur die Internetdiensteanbieter wären also derzeit von der Pflicht zur Datenportabilität erfasst. Die Regierung geht davon aus, dass es wettbewerbsbehindernde Lock-in-Effekte verringern kann.

Auch äußert sich die Bundesregierung zu der generellen Bedeutung und den Auswirkungen des Datenschutzrechts auf den Märkten im Internet. Die Bundesregierung teilt hier nämlich die Auffassung der Monopolkommission,

dass dem Datenschutzrecht auf Internetmärkten eine wichtige wettbewerbspolitische Bedeutung zukommt.

Fast im unmittelbaren Zusammenhang gesteht die Bundesregierung jedoch auch ein, dass das Zusammenspiel von Wettbewerbs- und Datenschutzaspekten weitgehend ungeklärt und insbesondere zu diesen Fragen eine vertiefte Sachverhaltsaufklärung erforderlich ist (S. 4).

Weitergehend stellt die Bundesregierung klar, dass der Schutz vor Marktmachtmissbrauch sowie eine effektive Zusammenschlusskontrolle gesichert sein müssen. Dass die geltenden rechtlichen Vorschriften insoweit möglicherweise defizitär sind, erkennt die Regierung. Sie wird daher den bestehenden Ordnungsrahmen umfassend auf eventuellen Anpassungsbedarf prüfen und

dabei auf eine sorgfältig austarierte Balance zwischen technologieoffenen, innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen auf der einen und einer Marktmachtbegrenzung auf der anderen Seite achten.

Konkret nennt die Bundesregierung auch ein Beispiel. Ihrer Ansicht nach wirft der Erwerb von WhatsApp durch Facebook die Frage auf, inwieweit bei der Prüfung, ob ein Zusammenschluss der Fusionskontrolle unterfällt, nicht nur die aktuellen Umsätze der Unternehmen berücksichtigt werden sollten, sondern auch der Wert einer Transaktion. Nach Auffassung der Regierung wird dieser Wert maßgeblich durch die Zahl der Nutzer und den Wert der Daten bestimmt.

Und wie sieht es mit einer möglichen Monopolstellung von Google aus? Die Monopolkommission war zu dem Ergebnis gelangt, dass Internetsuchmaschinen keine wesentlichen Einrichtungen darstellen und auch nicht unerlässlich seien, um das Internet zu nutzen. Die Bundesregierung scheint diese Auffassung zumindest nicht vollumfänglich zu teilen. Sie sieht hier weiteren Klärungsbedarf und eventuell einen Ansatz für weitergehende Regelungen. Insbesondere sollte ihrer Ansicht nach auf europäischer Ebene geprüft werden,

inwieweit für marktmächtige Plattformbetreiber über das Wettbewerbsrecht hinausgehende Regeln erforderlich sind.

Digitaler Binnenmarkt: EU-Kommission plant umfassende Reformen

In dieser Woche wurden zwei Entwurfsdokumente der Europäischen Kommission geleaked, die ambitionierte Ideen für Reformen auf dem digitalen Binnenmarkt in Europa erkennen lassen.

Hier die Links zu den beiden Dokumenten:
Digital Single Market: The Evidence
A Digital Single Market Strategy for Europe

Betroffen von den vorgeschlagenen Reformen wären sowohl der Verbraucherschutz, der E-Commerce, das Urheberrecht oder auch das Datenschutzrecht. Ich möchte mich auf einige Aspekte beschränken.

Illegale Inhalte im Internet
Die Kommission verweist bei der Frage der rechtlichen Grundlage zum Vorgehen gegen illegale Inhalte im Internet auf die derzeitigen Vorgaben der e-Commerce-Richtlinie. Nach dieser sind Intermediäre für fremde Inhalte grundsätzlich nicht selbst verantwortlich, müssen jedoch tätig werden, wenn sie von rechtswidrigen Inhalten erfahren. Die Kommission sieht hier Probleme bei der Rechtedurchsetzung, insbesondere könne der Prozess zum Löschen rechtswidriger Inhalte lange dauern und intransparent sein. Zudem sei oft nicht klar, wann Internet-Intermediäre von einer passiven Rolle (etwa des Hosters) in eine aktive Rolle schlüpfen und damit selbst für Inhalte verantwortlich sind. Die Kommission plant daher, weitere Initiativen zum Vorgehen gegen rechtswidrige Informationen im Netz vorzustellen und genauere Vorgaben für Sorgfaltspflichten von Intermediären aufzustellen.

Umgang mit personenbezogenen Daten
Datensicherheit spielt für die Kommission eine wichtige Rolle, wenn es um das Vertrauen der Bevölkerung in das Internet und den Umgang mit Daten geht. Es bestünden derzeit noch große Lücken bei dem Angebot an passenden Technologien und Lösungen, um Sicherheit in Netzwerken herstellen zu können. Zudem möchte die Kommission in Zukunft die Auswirkungen der Nutzung personenbezogener Daten für unterschiedliche Zwecke durch Internetdiensteanbieter untersuchen. Dieser Aspekt gehört zu einer großen geplanten Untersuchung des Marktes der Diensteanbieter im Internet.
Der Mitteilungsentwurf verweist auch auf die geplante Datenschutz-Grundverordnung. Die gesetzlichen Regelungen, welche durch diese aufgestellt werden, betreffen jedoch nicht spezialgesetzliche Vorgaben zum Umgang mit personenbezogenen Daten, etwa im Bereich der elektronischen Kommunikationsdienste (e-privacy-Richtlinie). Diese speziellen Gesetze sollen nach Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung überprüft und eventuell reformiert werden.

Aufbau einer „Data Economy“
Die Kommission sieht (gesetzgeberischen) Handlungsbedarf in den „datengetriebenen“ Wirtschaftszweigen, insbesondere wo es um Big Data, Cloud-Dienste, Open Data und Fragen des Eigentums an Daten geht. Um die neu entstehenden, auf Daten beruhenden Technologien zu nutzen, möchte die Kommission die derzeit bestehenden Hindernisse beseitigen, welche einen freien Fluss von Daten innerhalb der EU verhindern. Nach Ansicht der Kommission müssen die Anbieter von „Datendiensten“ derzeit mit verschiedenen Schwierigkeiten kämpfen, unter anderem Anforderungen an eine Speicherung von Daten allein in einem bestimmten Land oder auch Anforderungen der Verschlüsselung. Die Kommission möchte daher eine „Freier Fluss von Daten“-Initiative anstoßen, welche sich der Beseitigung nationaler Vorgaben zur lokalen Speicherung von Daten und zur verpflichtenden Errichtung von Serverfarmen in einem bestimmten Land widmet. Dies gerade auch mit Blick auf den Bereich des Cloud-Computing.

Am Ende des Dokuments „A Digital Single Market Strategy for Europe“ findet sich noch eine Roadmap, auf der die jeweiligen Themen aufgelistet sind und ihnen Jahre zugeordnet werden, wann hier von Seiten der Kommission mit einer Initiative gerechnet wird.

Verbandsklagebefugnis im Datenschutzrecht: Bundesregierung lehnt Vorschläge des Bundesrates ab

Bekanntlich wird derzeit ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren diskutiert. Vor allem Verbraucherschutzverbände sollen in Zukunft die Möglichkeit erhalten, bestimmte datenschutzrechtswidrige Verarbeitungsvorgänge durch Unternehmen gerichtlich untersagen lassen zu können (hierzu soll ein neuer § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG eingefügt werden).

Zu dem Regierungsentwurf (mein Beitrag dazu hier), als auch zu der Stellungnahme des Bundesrates hatte ich bereits ausführlich hier geschrieben. Der Gesetzesentwurf liegt nun im Bundestag und muss dort unter anderem im federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz beraten werden.

Veröffentlicht wurde nun auch die Antwort der Bundesregierung auf die Stellungnahme des Bundesrates (in diesem PDF ab S. 42), in der der Bundesrat unter anderem eine Erweiterung des Tatbestandes des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG (angreifbar wären demnach nicht nur, wie von der Bundesregierung vorgeschlagen, bestimmte Datenverarbeitungen zu „kommerziellen“ Zwecken, sondern jegliche Datenverarbeitungen) sowie die Einführung eines allgemeinen Kopplungsverbotes von Einwilligung und Abschluss eines Vertrages in § 28 Abs. 3b BDSG vorsah.

Um es kurz zu machen: die Bundesregierung lehnt die Vorschläge des Bundesrates ab.

Zu der vorgeschlagenen Erweiterung des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG stellt die Bundesregierung fest, dass die Beschränkung auf Vorschriften, die die Zulässigkeit der Datenerhebung, Datenverarbeitung und Datennutzung zu bestimmten kommerziellen Zwecken betreffen,

vor allem auch im Interesse von kleinen und mittleren Unternehmen die Abmahn- und Klagemöglichkeiten soweit wie möglich konkretisieren

soll.

In Bezug auf den Vorschlag der Einführung eines allgemeinen Kopplungsverbotes im BDSG führt die Bundesregierung aus, dass § 28 BDSG voraussichtlich

ohnehin bald durch Regelungen der EU-Datenschutzgrundverordnung abgelöst werden wird

und die Bundesregierung eine Änderung der Vorschrift schon deshalb nicht für zweckmäßig hält. Mit dieser Argumentation könnte man freilich den gesamten eigenen Gesetzesentwurf torpedieren, da die geplante Datenschutzgrundverordnung auch eine Regelung zur Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden vorsehen soll und als EU-Verordnung nationalen Vorschriften vorgehen wird.

Diesbezüglich ist jedoch noch zwischen Kommission, Parlament und Rat nicht geklärt, wie die konkrete Ausgestaltung erfolgen soll. Gerade im Rat wurde die Befugnis für Verbände, auf eigene Faust datenschutzrechtliche Verarbeitungstätigkeiten vor Gericht zu bringen, teilweise eingeschränkt. Im Endeffekt könnte es sich bei dem vorliegenden deutschen Gesetz also allein um einen Lückenfüller und eine Gesetzesänderung mit auf der Stirn stehendem Ablaufdatum handeln.

Die weiteren Verhandlungen im Bundestag werden vor dem Hintergrund der widerstreitenden Positionen sicherlich interessant werden.

Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung nach eigenen Angaben in ihrer Antwort derzeit den allgemeinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Telemediendatenschutz prüft und dazu gegebenenfalls noch ein gesondertes Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperiode einleiten wird. Auch Änderungen der datenschutzrechtlichen Vorschriften des Telemediengesetzes (TMG) sind daher möglich, wobei sich auch hier dann die Frage nach einer zukünftigen Kollision mit der Datenschutzgrundverordnung stellen wird.

Datenschutzbehörde kritisiert Big Data-Analysen in der Fußball-Bundesliga

Am vergangenen Freitag hat die Landesdatenschutzbeauftragte in Bremen ihren Jahresbericht für das Jahr 2014 (PDF) vorgestellt. In dem Bericht geht es unter anderem auch um Big Data-Analysen im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2014 in Brasilien und den Einsatz modernen Analysetechnologien in der Fußball-Bundesliga.

In Ihrem Jahresbericht verweist die Landesdatenschützerin auf Presseberichte (aus dem Handelsblatt), nach denen in der Bundesliga unter anderem der TSG 1899 Hoffenheim und der FC Bayern München bei der Auswertung von Spielen und der Leistung der eigenen Spieler auf die Technologie der Softwarefirma SAP setzen.

Nach Auffassung der Landesdatenschützerin richtet sich die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten der Fußballspieler im Rahmen der Big Data-Analysen allein nach § 32 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Denn die Spieler befinden sich mit dem jeweiligen Verein in einem Beschäftigtenverhältnis. Personenbezogene Daten der Fußballspieler dürfen im Rahmen einer solchen Rechtsbeziehung nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG

für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

Nach Ansicht der Landesdatenschützerin sind jedoch Datenanalysen zum Zwecke der Steigerung der Leistung einzelner Spieler oder auch der Effektivität der Mannschaftsleistung nicht von diesem Erlaubnistatbestand erfasst. In ihrem Jahresbericht führt sie zu der Erlaubnis des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG aus:

Von wirtschaftlichem oder sportlichem Erfolg, der durch Datenverarbeitungen gefördert werden soll, steht da nichts. (Jahresbericht, S. 11)

Bereits diese Auffassung ist meiner Ansicht nach zu eng. Natürlich kann in einem allgemein gültigen Bundesdatenschutzgesetz nichts von „wirtschaftlichem und sportlichen Erfolg“ stehen. Es handelt sich nicht um ein „Fußballdatenschutzgesetz“ oder ähnliches. Die Vorschrift ist absichtlich offen und neutral formuliert, um dem weiten Anwendungsbereich des BDSG zu entsprechen.

Zudem: was, wenn nicht der sportliche und sich damit logischerweise einstellende wirtschaftliche Erfolg ist Gegenstand des Beschäftigungsverhältnisses zwischen einem Fußballverein und seinem angestellten Spieler? Zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses kann es meiner Ansicht nach daher durchaus erforderlich sein, die während eines Spiels gesammelten Daten auszuwerten.

Man mag meinen, dass als datenschutzrechtlicher „Ausweg“ dann noch die Einwilligung des Fußballspielers in Betracht kommt. Denn wenn doch der Spieler selbst mit der Analyse der Daten einverstanden ist, dann kann doch wohl kein Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung bestehen. Doch leider sieht die Landesdatenschützerin (und im Übrigen auch viele andere Landesdatenschützer) auch dieses Vorgehen als rechtlich zweifelhaft an. Die einer Einwilligung notwendig innewohnende Freiwilligkeit soll nämlich in einem Beschäftigungsverhältnis nicht gegeben sein. Damit würde eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung fehlen. Die Landesdatenschutzbeauftragte führt aus:

auch im Verhältnis zwischen hoch verdienenden Bundesligaprofis und ihren Vereinen muss an die Freiwilligkeit von Einwilligungen ein Fragezeichen gesetzt werden. (Jahresbericht, S. 11)

Auch diese Auffassung ist meiner Ansicht nach zumindest angreifbar. Denn zu Ende gedacht würde man damit den betroffenen Arbeitnehmer, hier den Fußballprofi, datenschutzrechtlich entmündigen. Man würde ihm die grundrechtlich geschützte Möglichkeit nehmen, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung auszuüben, wenn für die Frage der Zulässigkeit der Einwilligung nur noch objektive Kriterien und Perspektiven Dritter entscheidend wären.

Sind also die derzeit in der Fußball Bundesliga durchgeführten Big Data-Analysen datenschutzrechtswidrig? Ich denke, dass die Datenanalysen in deutschen Fußballvereinen durchaus datenschutzrechtlich begleitet werden sollten, um, falls erforderlich, entsprechend steuernd eingreifen zu können. Eine generelle Unzulässigkeit der Analysen kann ich jedoch nicht erkennen.

Abmahnung bei Datenschutzverstößen: Bundesrat nimmt Stellung und will noch mehr (Update)

Am 4. Februar 2015 hat das Bundeskabinett den Entwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts (PDF) beschlossen. Ich berichtete hierzu im Blog. Im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, hat sich nun auch der Bundesrat mit dem Gesetzesentwurf zu befassen und wird auf seiner nächsten Sitzung am 27. März 2015 über die eigenen Empfehlungen hierzu beraten.

Die Empfehlungen des federführenden Rechtsausschusses, des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, des Ausschuss für Innere Angelegenheiten und des Wirtschaftsausschusses wurden nun veröffentlicht (BR-Drs. 55/1/15, PDF) und bergen einige Überraschungen. Das Dokument enthält die Vorschläge jedes Ausschusses und es werden nicht alle dort aufgeführten Vorschläge in die finale Stellungnahme des Bundesrates aufgenommen, da sich die Vorschläge teilweise auch ausschließen. Dennoch möchte ich nachfolgend auf einige der Empfehlungen der Ausschüsse eingehen, gerade weil auch völlig neue Vorschläge gemacht werden.

Kein genereller Anspruch auf Beseitigung
Der Wirtschaftsausschuss gibt zu bedenken (Ziff. 5), dass bislang kein Bedarf für einen Beseitigungsanspruch im Unterlassungsklagengesetz (UKlag) gesehen wurde und dieser nun im Rahmen des Gesetzesentwurfs neu eingeführt werden soll. Sollte der Beseitigungsanspruch generell und nicht nur spezifisch für Verstöße gegen das Datenschutzrecht eingeführt werden, bestünde vielmehr die Gefahr, dass die Unternehmen in diesem Bereich weitgehenden Forderungen ausgesetzt werden, deren finanzieller und organisatorischer Aufwand in keinem Verhältnis zu der begangenen Verletzung des Verbraucherschutzes stünden.

Erweiterung des Verletzungstatbestandes in § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz schlägt vor (Ziff. 6), den Wortlaut der vorgeschlagenen Nr. 11 auf jenen des ursprünglichen Referentenentwurfs zu ändern und damit zu erweitern. Es soll dann heißen:

11. die Vorschriften, die für die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer gelten.

Dem Ausschuss für Verbraucherschutz ist dabei ein Dorn im Auge, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung den Anwendungsbereich der Nr. 11 grundsätzlich auf Vorschriften beschränkt, „welche die Zulässigkeit regeln“. Zur Begründung führt der Ausschuss aus, dass insbesondere Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher auf Benachrichtigung, Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Sperrung nach den §§ 33, 34 und 35 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erfasst werden sollten. Auch die Beschränkung der vorgeschlagenen Nr. 11 auf Datenverarbeitungen zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Betreibens einer Auskunftei, des Erstellens von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen, des Adresshandels, des sonstigen Datenhandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken kritisiert der Ausschuss.

Im Ergebnis strebt man hier also erneut jene unbestimmte Ausweitung der Vorschrift an, die bereits nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs kritisiert und im Gesetzesentwurf folgerichtig nicht übernommen wurde.

Dieser Vorschlag des Ausschusses für Verbraucherschutz konkurriert mit einem Vorschlag des Ausschuss für Wirtschaft (Ziff. 7), der darum bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie die datenschutzrechtlichen Vorschriften, die für eine Verbandsklage in Betracht kommen sollen, konkretisiert und weiter eingegrenzt werden können. Der im Gesetzesentwurf verwendete Begriff der „vergleichbaren kommerziellen Zwecke“ erscheint nämlich zu weitgehend. Denn haben Unternehmen Kontakt mit Verbrauchern, ist eigentlich per se von einer kommerziellen Verarbeitung von Daten auszugehen. Wäre dann also praktisch jede Datenverarbeitung eines Unternehmens mit Bezug zu einem Verbraucher eine solche für „vergleichbare kommerzielle Zwecke“? Der Anwendungsbereich ist für den Wirtschaftsausschuss damit unklar und stellt für die Unternehmen eine Rechtsunsicherheit dar.

Gefahr paralleler Rechtstreitigkeiten durch Verbraucherverbände und Datenschutzbehörden
Der Innen- als auch der Wirtschaftsausschuss (Ziff. 11) möchten im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Pflicht für Gerichte zur Anhörung der zuständigen Datenschutzbehörde um eine Verpflichtung der anspruchsberechtigten Stellen ergänzen. Danach soll die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde bereits vor außergerichtlicher Geltendmachung oder vor Klageerhebung unterrichtet und angehört werden. Die Datenschutzbehörden besitzen schließ0lich auch einen gesetzlichen Beratungsauftrag, auch für Unternehmen (§ 38 Abs. 1 S. 2 BDSG). Dieser Beratungsauftrag sowie das Vertrauen von Unternehmen in die Verbindlichkeit von Aussagen der Datenschutzaufsichtsbehörden würden nach Ansicht der beiden Ausschüsse erheblich geschwächt, wenn Aufsichtsbehörden bei ihrer Beratungstätigkeit keine Kenntnis von etwaigen durch die Verbände eingeleiteten, gleich gelagerten Parallelverfahren hätten.

Neu: Einführung eines allgemeinen Koppelungsverbots im BDSG
Sowohl der Rechtsausschuss als auch der Innenausschuss (Ziff. 12) schlagen völlig unabhängig von dem ursprünglichen Gesetzesentwurf eine Anpassung des § 28 Abs. 3b BDSG vor. Es soll ein allgemeines Koppelungsverbots im Datenschutzrecht eingeführt werden. Derzeit sieht § 28 Abs. 3b BDSG noch vor, dass die verantwortliche Stelle den Abschluss eines Vertrags nicht von einer Einwilligung des Betroffenen abhängig machen darf, wenn dem Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne die Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich ist.

Der letzte Teil des Satzes soll nun jedoch gestrichen werden: „Die verantwortliche Stelle darf den Abschluss eines Vertrags nicht von einer Einwilligung des Betroffenen nach Absatz 3 Satz 1 abhängig machen.“

Die mit diesem Vorschlag für die Einführung eines allgemeinen Koppelungsverbots verbundene Einschränkung der Vertragsgestaltungsfreiheit der Unternehmen erscheint für die Ausschüsse gerechtfertigt. Der Vorschlag zur entsprechenden Anpassung des BDSG ist jedoch nicht neu. Bereits im Rahmen der letzten BDSG-Novelle wurde ein solches allgemeines Kopplungsverbot durch den Bundesrat vorgeschlagen (BR-Drs. 4/09), jedoch am Ende nicht in das Gesetz aufgenommen.

Neu: Auskunftsrecht für Betroffene von Persönlichkeitsrechtsverletzungen
Der Rechtsausschuss schlägt zudem apart von den Anpassungen des Gesetzesentwurfs vor (Ziff. 15), dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren geprüft werden möge, ob zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1. Juli 2014 (Az. VI ZR 345/13) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden sollte, aufgrund derer ein von einer im Internet begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung Betroffener gegenüber dem Telemediendienstanbieter Auskünfte über die Nutzerdaten des Persönlichkeitsrechtsverletzers erlangen kann. Der BGH hatte in diesem Urteil entschieden, dass ein Geschädigter mangels datenschutzrechtlicher Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG keinen Anspruch gegenüber einem Online-Bewertungsportal auf Auskunft über Namen und Anschrift desjenigen Nutzers habe, der in dem Portal unwahre und damit unzulässige Tatsachenbehauptungen über ihn aufstellt (hierzu der Kollege Thomas Stadler in seinem Blog). Der Portalbetreiber als Dienstanbieter i. S. d. TMG ist nach der Rechtsprechung daher nicht befugt, ohne die Einwilligung des Nutzers Auskünfte über dessen personenbezogene Daten zu erteilen. Für den Rechtsausschuss ist das Fehlen des Auskunftsanspruchs bedenklich und stellt eine Regelungslücke dar, welche durch den Gesetzgeber geschlossen werden muss.

Fazit
Die Ausschüsse im Bundesrat scheinen den Gesetzesentwurf genutzt zu haben, um nicht nur an dem Entwurf selbst inhaltlich Anpassungen vorzuschlagen, sondern auch noch weitere datenschutzrechtliche Themen, die eventuell schon etwas länger auf der gesetzgeberischen To-Do-Liste stehen, in das Gesetzgebungsverfahren einzuführen. Ob ein solches Vorgehen, unabhängig von der inhaltlichen Diskussion, in jeder Hinsicht begrüßenswert erscheint, mag man positiv oder negativ beantworten. Innenminister de Maizère hat erst letzte Woche angekündigt, dass man die Verhandlungen zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) bis Juni im Rat abschließen möchte, um dann die Verhandlungen mit dem Parlament und der Kommission aufzunehmen. Wenn dann etwa im Jahre 2015 die Datenschutz-Grundverordnung verbindliches Recht in Europa wird, so müssen sich deutsche Regelungen zum Datenschutz an diesen Vorgaben messen lassen und werden aufgrund des Vorrangs des EU-Rechts im Zweifel unwirksam sein. Auch in der DS-GVO soll es etwa Vorgaben für ein Verbandsklagerecht von Verbraucherorganisationen geben. Die genauen Voraussetzungen und die Reichweite des Klagerechts ist derzeit aber noch umstritten. Bestehende deutsche Regelungen, die nun auf die schnelle noch ins Gesetz gegossen werden, würden dann jedoch ihre Wirksamkeit verlieren. Man würde also gesetzliche Vorgaben mit bereits jetzt bekannter Haltbarkeit schaffen. Der Sinn hinter einem solchen Vorgehen erschließt sich mir nicht unbedingt.

Update vom 27.3.2015:
Heute hat der Bundesrat über die oben erwähnten Ausschussempfehlungen abgestimmt. In der angenommenen Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 55/15(B)) sind die von mir oben angesprochenen Änderungswünsche, insbesondere die „Rückkehr“ zum Referentenentuwrf, das Kopplungsverbot und der Vorschlag zur Einführung eines Auskunftsanspruchs im TMG, enthalten. Es bleibt abzuwarten, wie und ob die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren Bestand haben werden.

Empfehlung im Bundesrat: Mehr Einsatz für den Schutz von Beschäftigtendaten

Am 27. März 2015 wird der Bundesrat erneut tagen. Auf der Tagesordnung wird auch die Stellungnahme des Bundesrates zum Jahreswirtschaftsbericht 2015 der Bundesregierung (BT-Drs. 18/3840, PDF) stehen.

Der im Bundesrat für die Beratung zu dem Jahreswirtschaftsbericht 2015 federführend verantwortliche Wirtschaftsausschuss möchte dem Bundesrat empfehlen, dass sich die Bundesregierung in den Verhandlungen um die Datenschutz-Grundverordnung im Rat der Europäischen Union verstärkt für die Berücksichtigung der Belange der Arbeitnehmer in einer digitalisierten Arbeitswelt einzusetzen. Dies geht aus der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses (BR-Drs. 31/1/15, PDF) vom 13. März 2015 hervor.

Danach empfiehlt der Ausschuss dem Bundesrat festzustellen, dass

mit einer stärkeren Digitalisierung das Potenzial für neue Arbeitsplätze in Industrie, Dienstleistung und Handel besteht.

Gleichzeitig weist die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses jedoch auch auf Risiken einer verstärkten Digitalisierung des Arbeitsmarktes hin. Nach Ansicht der Verfasser der Empfehlung bestehen diese vor allem in einer Schwächung der betrieblichen Mitbestimmung und in einem Missbrauch von Beschäftigtendaten, der verhindert werden müsse.

Nach der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses soll der Bundesrat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang darum bitten,

sich darüber hinaus im Europäischen Rat für die Berücksichtigung der Belange im Rahmen der Beratung und Beschlussfassung hinsichtlich einer Datenschutz-Grundverordnung und der Gestaltung des Digitalen Binnenmarktes einzusetzen.

Datenschutzreform: Konzerninterne Datentransfers sollen erleichtert werden

Der Rat der Europäischen Union und insbesondere die Ratsarbeitsgruppe, die sich mit der Reform des europäischen Datenschutzrechts befasst (Dapix), sind in diesen Tagen nicht zu beneiden. Nach der Veröffentlichung von Verhandlungsdokumenten (auf statewatch.org und edri.org zu finden) zu den neuesten Änderungen an dem Entwurf für eine Datenschutz-Grundverordnung, ging ein Kritikgewitter auf die Dapix nieder (u.a. bei heise online, futurezone.at und Tagesspiegel).

Ob die Kritik berechtigt ist oder nicht, möchte ich hier nicht näher untersuchen. Mir ist bei einem flüchtigen Blick auf eines der betreffenden Dokumente (Kapitel 2, (Englisch) PDF) vielmehr ein aus der Praxis positiv zu bewertender Änderungsantrag aus Deutschland ins Auge gestochen.

In einem neuen Erwägungsgrund 38a schlägt Deutschland vor, dass in Zukunft Datenübermittlungen innerhalb von Unternehmensgruppen bzw. eines Konzerns, grundsätzlich aufgrund eines berechtigten Interesses der Verantwortlichen Stelle erlaubt sein sollen. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Übermittlung für verwaltungsinterne bzw. administrative Zwecke erfolgt.

Das Thema des sog. Konzernprivilegs (bzw. sein Fehlen im Datenschutzrecht) wäre mit dieser Änderung zumindest eingeschränkt erledigt. Derzeit müssen auch Datentransfers in einer Unternehmensgruppe auf eine Einwilligung oder einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand gestützt werden. Es existiert kein Privileg des konzerninternen Datentransfers. Es handelt sich datenschutzrechtlich um eine Übermittlung i.S.d. § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG. Der deutsche Vorschlag würde nun zwar einem Datentransfers nicht seine Natur einer Übermittlung nach dem Gesetz nehmen (daher meine Wortwahl des eingeschränkten Konzernprivilegs). Jedoch wäre diese Übermittlung in bestimmten Fällen von vornherein erlaubt.

Einen ähnlichen Vorschlag, jedoch nicht nur in der Form eines Erwägungsgrundes, sondern direkt als einen neuen Art. 22 Abs. 3a, hat auch das Europäische Parlament in seiner Entschließung zur Datenschutz-Grundverordnung im März 2014 gemacht.

Was letztendlich von diesem Vorschlag der deutschen Delegation im Rat übrig bleibt, muss man abwarten. Denn über diesen Änderungsantrag dürfte noch nicht in Gänze zwischen den Mitgliedstaaten diskutiert worden sein. Sollte es ein solcher Erwägungsgrund jedoch in die Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat schaffen, so stünden die Chancen aufgrund des ähnlichen Vorschlags aus dem Parlament, bestimmt nicht schlecht, dass wir am Ende zumindest ein „eingeschränktes Konzernprivileg“ erhalten.

Bundesregierung: Gesundheits-Apps der Versicherungen nur mit Einwilligung möglich

Das Thema Gesundheitsdaten und Apps macht auch vor der deutschen Politik nicht halt. Letzte Woche hatte ich bereits berichtet, dass die europäischen Datenschützer kürzlich eine Stellungnahme zum Datenschutz bei Lifestyle-Apps und die Verarbeitung von Gesundheitsdaten veröffentlicht haben. Mobile Geräte und Apps auf solchen Geräten, um den eigenen Tagesablauf aufzuzeichnen, werden jedoch nicht unbedingt nur aus einem Fitness- oder Lifestyle-Gesichtspunkt angeschafft. Auch Versicherungsunternehmen sind an den so gesammelten Gesundheitsdaten interessiert, etwa um die Verträge und Tarife passgenauer auf ihre Kunden abstimmen zu können.

Eine nun veröffentlichten Antwort (PDF) der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, setzt sich ebenfalls genauer mit der Frage des Datenschutzes bei Gesundheits-Apps und den Rechtsgrundlagen der Datenverarbeitung durch Versicherungen auseinander.

Die grundsätzliche Aussage der Bundesregierung:

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die kontinuierliche Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten der Versicherten zu ihrem Gesundheitszustand durch private Krankenversicherungsunternehmen nur nach vorheriger ausdrücklicher Einwilligung der Versicherten zulässig.

Die Bundesregierung geht in ihrer Antwort noch etwas genauer auf die Anforderungen des hier einschlägigen § 4a Abs. 3 BDSG ein.

Bedarf für eine Gesetzesänderung sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung auf europäischer Ebene jedoch nicht. Man werde dort dafür eintreten, dass eine Einwilligung auch in Zukunft nur dann wirksam ist, wenn sie informiert und freiwillig erteilt wird. Darüber hinaus bestehe kein Bedarf, neue gesetzliche Regelungen zu treffen.

Interessant ist noch die Antwort der Bundesregierung auf die Frage, wie in Zukunft sichergestellt werden soll, dass Personen, die ein Angebot der Versicherungen zum Aufzeichnen ihrer Gesundheitsdaten über Apps bewusst nicht in Anspruch nehmen möchten, in der Folge nicht etwa höhere Versicherungsbeiträge zahlen müssen. Die Bundesregierung verweist darauf, dass § 203 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) abschließend regele, unter welchen Voraussetzungen die Beiträge in der privaten Krankenversicherung erhöht werden können. Eine Weigerung von Betroffenen, an erweiterten Datensammlungen bezüglich ihrer Gesundheit und ihres Lebenswandels durch Apps oder andere mobile Anwendungen teilzunehmen, erfülle die Voraussetzungen des § 203 VVG nicht.

Auch weist die Bundesregierung darauf hin, dass es sich bei den so gesammelten Gesundheitsdaten um sehr persönliche und sensible Informationen handeln kann. Laut der Antwort haben daher die Versicherungsunternehmen sicherzustellen, dass Aspekte der Datensicherheit ausreichend berücksichtigt werden und die im § 9 BDSG vorgegebenen technischen und organisatorischen Maßnahmen (wie z. B. durch Verwendung eines dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden Verschlüsselungsverfahrens) getroffen werden, um etwa zu vermeiden, dass durch Fehler oder kriminelle Energie personenbezogene Daten über das Versicherungsunternehmen hinaus verbreitet werden können.

Jedoch sieht die Bundesregierung nicht nur die Versicherungen in der Pflicht, wenn es um den Einsatz neuer Techniken und Methoden geht, Gesundheitsdaten zu sammeln und auszuwerten. Laut der Antwort geht die Regierung davon aus, dass

Versicherte sich der besonderen Bedeutung ihrer Daten zum persönlichen Lebenswandel und ihrem Gesundheitsverhalten bewusst sind und daher sorgsam und zurückhaltend mit der Weitergabe entsprechender Informationen umgehen.

Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen: Geplante Änderungen und offene Fragen

Gestern hat das Bundeskabinett den Entwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts (PDF) beschlossen. Nach der Gesetzesbegründung soll durch eine geplante Neuregelung des § 2 Abs. 2 UKlaG ausdrücklich geregelt werden, dass datenschutzrechtliche Vorschriften, welche die Zulässigkeit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Betreibens von Auskunfteien, des Erstellens von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen, des Adresshandels, des sonstigen Datenhandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken regeln, Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 Abs. 1 UKlaG sind (neuer § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG-E). Als Folge können dann anspruchsberechtigte Stellen (§ 3 UKlaG), wie etwa Verbraucherschutzverbände, Unterlassungs- und (ebenfalls neu geplant) Beseitigungsansprüche gegen Unternehmen geltend machen, die gegen Datenschutzvorschriften verstoßen, welche eine Datenverarbeitung zu oben benannten Zwecken regeln.

Zwei wichtige Änderungen
Einen ersten Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz hatte ich hier im Blog bereits im Juni 2014 veröffentlicht und umfassend besprochen.

Der nun verabschiedete Entwurf ist vor allem in zwei Punkten angepasst worden:

  • Die datenschutzrechtlichen Vorschriften, gegen die verstoßen werden muss, um anspruchsberechtigten Stellen eine Klagemöglichkeit zu eröffnen, wurden thematisch eingeschränkt. Ob diese Beschränkung ausreicht bzw. wie diese Beschränkung grundsätzlich zu beurteilen ist, kann man noch einmal vertiefter erörtern. Gerade der Begriff „zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken“ dürfte aufgrund seiner Unschärfe in der Praxis auf erhebliche Anwendungsschwierigkeiten stoßen.
  • Zudem soll ein neuer § 12a UKlaG-E eingeführt werden, der die Beteiligung der zuständigen Landesdatenschutzbehörden sicherstellen soll. Das Gericht hat nach dem Entwurf vor einer Entscheidung in einem Verfahren über einen Anspruch nach § 2 UKlaG, das eine Zuwiderhandlung gegen ein Verbraucherschutzgesetz nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG-E zum Gegenstand hat, die zuständige inländische Datenschutzbehörde zu hören.

Konformität mit Europarecht
Ich möchte mich nachfolgend noch kurz einer möglichen Europarechtswidrigkeit des Gesetzesentwurfs widmen. Bereits in meinem Beitrag zu dem ersten Entwurf, habe ich hier Probleme mit der Vereinbarkeit europäischen Rechts gesehen. Die Begründung zum neuen Gesetzesentwurf sieht diesen mit europäischem Recht vereinbar. Insbesondere weißt die Gesetzesbegründung darauf hin, dass mit Blick auf die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG der Europäische Gerichtshof zwar grundsätzlich von einer vollständigen Harmonisierung ausgehe. Dies beziehe sich allerdings nur auf das materielle Datenschutzrecht und nicht auf die Rechtsbehelfe und Sanktionen (Kapitel III). Der deutsche Gesetzgeber sieht konkret Kapitel III der Richtlinie 95/46/EG als nicht abschließend an. Die Mitgliedstaaten könnten daneben auch noch weitere Rechtsbehelfe zur Durchsetzung des Datenschutzrechts, insbesondere auch Verbandsklagen vorsehen.

Ob diese Ansicht zutreffend ist, möchte ich zumindest hinterfragen. So hat der Europäische Gerichtshof nämlich gerade mit Blick auf die benannten „Rechte“ und damit auch Rechtsbehelfe (also Instrumente, um diese Rechte durchzusetzen) ausdrücklich entscheiden (Urt. v. 6.11.2003, C-101/01, Rz. 95):

Wie sich insbesondere aus ihrer achten Begründungserwägung ergibt, bezweckt die Richtlinie 95/46, hinsichtlich der Rechte und Freiheiten von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in allen Mitgliedstaaten ein gleichwertiges Schutzniveau herzustellen. (Hervorhebung durch mich)

Und weiter geht der EuGH darauf ein, dass Mitgliedstaaten durchaus in bestimmten Bereichen die Möglichkeit besitzen, besondere Regelungen zu schaffen. Jedoch stellt er auch klar (Rz. 97):

Von diesen Möglichkeiten muss aber in der in der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Art und Weise und im Einklang mit ihrem Ziel Gebrauch gemacht werden“

Für mich jedoch besonders relevant in Bezug auf die Frage der Europarechtskonformität der geplanten Übertragung von Klagemöglichkeiten auf Verbände ist Art. 28 Abs. 4 DS-RL. Danach kann sich jede Person oder ein sie vertretender Verband zum Schutz der die Person betreffenden Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten an jede Kontrollstelle mit einer Eingabe wenden (Hervorhebung durch den Autor). Verbände, die betroffene Personen vertreten, können sich also an die Datenschutzbehörden wenden. Dieses Recht steht auch den Betroffenen selbst zu.

Und die Datenschutzrichtlinie sieht eben eine solche Möglichkeit für Mitgliedstaaten nicht vor. Nach Art. 22 Richtlinie 95/46/EG haben Betroffene auch das Recht, bei der Verletzung der Rechte, die ihnen durch die für die betreffende Verarbeitung geltenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften garantiert sind, bei Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen. Der Verband oder eine Vertretung der Betroffenen ist in diesem Zusammenhang in der Richtlinie 95/46/EG aber gerade nicht aufgeführt und die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, ein Verbandsklagerecht zu schaffen, ist nicht vorgesehen. Dass eine solche Möglichkeit über die Vorgaben der Richtlinie 95/46/EG hinausgeht, kann man meines Erachtens auch daraus ableiten, dass Art. 28 Abs. 4 Richtlinie 95/46/EG die Verbände ausdrücklich anspricht und ihre Tätigkeit regelt. Danach kann sich jede Person oder ein sie vertretender Verband sich zum Schutz der die Person betreffenden Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten an jede Kontrollstelle mit einer Eingabe wenden. Der Richtliniengeber hat also gerade nur einen Fall der Beteiligung von Verbänden geregelt und zwar jenen, dass diese Betroffene gegenüber einer Behörde vertreten. Nicht jedoch gegenüber einem Gericht.

Fazit
Man wird abwarten müssen, wie der Gesetzentwurf im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren noch angepasst wird. Meines Erachtens bestehen jedoch nicht unbegründete Bedenken, dass hier eine Kollision mit europäischen Vorgaben existiert. Vielleicht muss diese Frage am Ende auch der Europäische Gerichtshof selbst entscheiden. Die Thematik an sich wird uns jedoch weiter beschäftigen, da die geplante Datenschutz-Grundverordnung ein Verbandsklagerecht vorsieht.

Datenschutzreform: Deutschland möchte Beschäftigtendatenschutz national regeln

Die Verhandlungen zur geplanten Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO, KOM (2012)11, PDF) gehen auch im Jahr 2015 weiter. Ziel der Verordnung stellt die Vereinheitlichung des europäischen Datenschutzrechts dar, wobei die DS-GVO anders als derzeit die Datenschutz-Richtlinie, zwingende, durch die Mitgliedstaaten nicht mehr in nationales Recht umzusetzende, Vorgaben machen würde.

Doch ob es am Ende tatsächlich bei solch durchgehenden und für die Mitgliedstaaten zwingeden Vorschriften in der DS-GVO bleibt, kann immer mehr bezweifelt werden. So zeigt sich in den Verhandlungen im Rat der Europäischen Union, dass große Sympathie dafür besteht, gerade im Bereich der öffentlichen Verwaltung sog. Öffnungsklauseln in die DS-GVO einzubauen, die den Mitgliedstaaten eine eigene nationale Ausgestaltungen der Regelungen zur Datenverarbeitung in bestimmten Themenfeldern, z. B. Steuern oder Sozialversicherungen, ermöglichen sollen.

Beschäftigtendatenschutz
Ein Dokument (PDF) aus dem November 2014 zeigt nun, dass Deutschland diese Möglichkeit von abweichenden nationalen Regelungen jedoch nicht nur für den öffentlichen Bereich favorisiert. Auch der Beschäftigtendatenschutz und der Umgang mit Arbeitnehmerdaten soll in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten selbstständig geregelt werden können, solange solche Regelungen noch dem grundsätzlichen Schutzniveau der DS-GVO entsprechen bzw. darüber hinausgehen.

Tarifverträge
Für die deutsche Delegation von besonderer Bedeutung ist dabei, dass auch zukünftig Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen als Grundlagen für Datenverarbeitungen innerhalb eines Unternehmens anerkannt werden. Unter dem geltenden deutschen Datenschutzrecht ist dies bereits der Fall. Derzeit lasse sich, so die deutschen Delegation, aus dem Entwurf der DS-GVO jedoch in keinster Weise ableiten, ob ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung auch in Zukunft als Grundlage einer Datenverarbeitung dienen können. Die EU-Kommission habe diesbezüglich zwar auf Art. 6 Abs. 1 c) DS-GVO (Verarbeitung zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung) verwiesen. Dieser Schluss ist für die deutsche Delegation jedoch nicht zwingend und weder aus dem Text der DS-GVO selbst, noch aus den Erwägungsgründen abzuleiten.

Einwilligung
Auch die Besonderheiten einer datenschutzrechtlichen Einwilligung des Arbeitnehmers in seinem Beschäftigungsverhältnis sollen stärker Berücksichtigung finden. Dazu schlägt die deutsche Delegation vor, dass in Zukunft das jeweilige nationale Datenschutzrecht die Anfroderungen festlegen kann, nach denen eine datenschutzrechtliche Einwilligung im Arbeitsverhältnis erteilt werden kann. Problematisch an derartigen Einwilligungen ist häufig ihre Wirksamkeit, da man an dem Erfordernis der „Freiwilligkeit“ einer solchen Willensbekundung im Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis zweifeln kann.

Sollten sich solche Vorschläge im Ergebnis durchsetzen, wird man sich natürlich die Frage stellen müssen, inwiefern die angedachte europaweite Vereinheitlichung des Datenschutzrechts mit der DS-GVO noch erzielt werden kann. Denn viele nationale Spezialregelungen würden freileich dazu führen, dass man, trotz einer allgemeinen gemeinsamen und verbindlichen Grundlage, in der Praxis doch wieder verschiedene Vorgaben im Umgang mit personenbezogenen Daten innerhalb Europas zu beachten hätte.

Eine aktuelle Liste an den Verhandlungsdokumenten des Rates zur Datenschutz-Grundverordnung findet man hier im Blog.