Europäischer Gerichtshof verhandelt über Vorratsdatenspeicherung

Heute findet vor dem europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die mündliche Verhandlung in den verbundenen Rechtssachen C-203/15 und C-698/15 statt (Link zum Sitzungskalender). In den Verfahren geht es um die Frage der Konformität nationaler Gesetze mit EU-Recht, die Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von Verkehrsdaten verpflichten. Im Jahr 2014 hat der EuGH die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt (Urt. v. 8. April 2014, C-293/12).

In den nun verhandelten Verfahren muss ich der EuGH mit nationalen Gesetzen befassen, die eine Speicherung von Verkehrsdaten vorschreiben.

In einem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen (Tele2 Sverige, C-203/15) stellt das vorlegende Gericht die Frage, ob

eine generelle Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten, die sich (wie [im Vorabentscheidungsersuchen] beschrieben) auf alle Personen und alle elektronischen Kommunikationsmittel sowie auf sämtliche Verkehrsdaten erstreckt, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung von Straftaten vorzusehen, mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 unter Berücksichtigung der Art. 7, 8 und 52 Abs. 1 der Charta vereinbar

ist.

Falls der EuGH diese erste Frage verneinen sollte, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Vorratsspeicherung dennoch zulässig sein kann, wenn

a) der Zugang der nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten wie [im Vorabentscheidungsersuchen] beschrieben festgelegt ist und
b) die Sicherheitsanforderungen wie [im Vorabentscheidungsersuchen] beschrieben geregelt sind und
c) sämtliche relevanten Daten wie [im Vorabentscheidungsersuchen] beschrieben für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Tag, an dem die Kommunikation beendet wird, gespeichert und anschließend gelöscht werden müssen?

Verbunden mit diesem Verfahren wird zugleich ein Vorabentscheidungsersuchen aus England behandelt (Davis u.a., C-698/15), in dem es ebenfalls um die Frage der Konformität nationaler Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung geht. Hier stellt das vorlegende Gericht unter anderem die Frage, ob das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-293/12

verbindliche, für die nationale Regelung eines Mitgliedstaats über den Zugang zu gemäß den nationalen Rechtsvorschriften auf Vorrat gespeicherten Daten geltende Voraussetzungen für die Vereinbarkeit mit den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) fest

legt.

Heute wird zunächst einmal nur verhandelt. Das bedeutet, dass die verschiedenen Beteiligten ihre Positionen darlegen können. Der Gerichtshof kann im Rahmen der mündlichen Verhandlung aber auch Fragen stellen, aus denen sich bereits oft eine Tendenz für ein späteres Urteil abzeichnet.

Gerade das Vorabentscheidungsersuchen aus Schweden ist insbesondere auch für die kürzlich in Deutschland (wieder) beschlossene Vorratsdatenspeicherung relevant. Denn der deutsche Gesetzgeber geht für das „Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ (pdf) unter anderem davon aus, dass der Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 eröffnet ist und nationale Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung sich an den Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union messen lassen müssen.

EU-US Privacy Shield: Europäische Datenschützer fordern Verbesserung – zur Not will man klagen

Am 6. und 7. April 2016 haben sich die deutschen Datenschutzbehörden zu ihrer ein 90 Konferenz in Schwerin getroffen. Im Rahmen dieses Treffens wurde unter anderem auch die vorgeschlagene Angemessenheitsentscheidung der europäischen Kommission zum neuen EU-US Privacy Shield beraten. Ob gewollt oder nicht, in dem nun veröffentlichten Beschluss der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden (pdf) veröffentlichen die Datenschützer bereits jetzt das Ergebnis der Prüfung des EU-US Privacy Shield durch die sogenannte Art. 29 Gruppe, die Versammlung aller europäischen Datenschutzbehörden. Der nun veröffentlichte Beschluss dient als Mandat für die Vertreter der deutschen Behörden in diesem Gremium.

(Update: Der Link zu dem Beschluss wurden zwischenzeitlich von den Webseiten der Behörden entfernt. Mit einer gewissen Vorahnung habe ich das Dokument aber direkt heruntergeladen, als es noch online verfügbar war. Den Beschluss stelle ich hier gerne zur Verfügung: Mandat für die Vertreter Deutschlands in der Artikel-29-Gruppe).

Im bisherigen Text der Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe finden sich folgende Schlussfolgerungen und Ergebnisse:

Until these issues are addressed, the WP29 considers it is not in a position to reach an overall conclusion on the draft adequacy decision. It stresses that some of the clarifications and concerns – in particular relating to national security – may also impact the viability of the other transfer tools.

Therefore, the WP29 is not yet in a position to confirm that the current draft adequacy decision does, indeed, ensure a level of protection that is essentially equivalent to that in the EU.

Das Mandat der deutschen Vertreter soll insbesondere die Argumentationslinie umfassen, dass der bislang vorgelegte Entwurf der Adäquanzentscheidung nicht genügt, um von einem angemessenen (essentially equivalent) Datenschutzniveau sprechen zu können.

Auf der Basis der derzeit vorgelegten Dokumente können die Art. 29 Datenschutzgruppe keine zustimmende Stellungnahme abgeben.

Zu beachten ist freilich, dass die Stellungnahme der europäischen Datenschützer keine bindende Wirkung hat. Sollte diese also tatsächlich negativ ausfallen, so würde dies die europäische Kommission nicht daran hindern, die Angemessenheit Entscheidung dennoch anzunehmen. Diesen Fall scheinen die deutschen Datenschutzbehörden vorherzusehen. In dem Mandat für die deutschen Vertreter findet sich nämlich auch die Vorgabe, sich dafür einzusetzen, dass für den Fall, dass die Kommission die Adäquanzentscheidung trifft, ohne die Defizite auszuräumen, die Art. 29 Gruppe befürworten werde,

dass diese Entscheidung (etwa durch Musterklagen einzelner Datenschutzaufsichtsbehörden) durch Vorlage an den EuGH überprüft wird.

Die folgenden Tage und Wochen im Rahmen der Verhandlung um den EU-US Privacy Shield dürfen auf der Grundlage dieser Informationen mit Spannung verfolgt werden.

Update:
Nach wenigen Stunden und der Verbreitung (insb. international) der Information, dass die deutschen Behörden das oben verlinkte Dokument zum Privacy Shield veröffentlicht haben, ist das Dokument nun auf keiner Webseite der deutschen Behörden zu finden.

Datenschutz-Grundverordnung: Auslegungshilfe und praktischer Überblick

Die endgültige Textfassung der zukünftigen Datenschutz-Grundverordnung wird derzeit noch durch den Übersetzungsdienst der Europäischen Union, in Absprache mit dem europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten, erstellt. Inhaltlich weiß man im Groben seit der Einigung im Trilog am 17. bzw. 18. Dezember 2015 auf einen gemeinsamen Text, welche Regelungen in Zukunft für den Umgang mit Person bezogenen Daten in Europa gelten werden.

Zwar werden viele altbekannte Prinzipien der geltenden EU-Datenschutzrichtlinie fortgeführt und unverändert übernommen. Nichtsdestotrotz wird es an vielen Stellen auch (größere oder kleinere) Änderungen geben. Datenschutzpraktiker sind vor diesem Hintergrund für jede Anwendungs- und Auslegungshilfe zu den neuen Regelungen dankbar.

Der Rat der Europäischen Union hat nun den Entwurf der Begründung des Rates (pdf) zu der Datenschutz-Grundverordnung veröffentlicht. Im Prinzip handelt es sich bei diesem 36-seitigen Dokument um einen hilfreichen, wenn auch groben Überblick über und eine geraffte Zusammenfassung der zukünftigen Regelungen. Mit Blick auf die zukünftige Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung durch die Praxis, die Gerichte oder die Datenschutzaufsichtsbehörden dürfte dieses Dokument durchaus nützlich sein.

Europäische Kommission: Für PayPal gilt luxemburgisches Datenschutzrecht

Im Rahmen der Beschwerde eines deutschen Staatsbürgers hat sich die Europäische Kommission unter anderem zur Frage des anwendbaren Datenschutzrechts und der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde für das Unternehmen PayPal geäußert. Die Stellungnahme der Europäischen Kommission ist über die Webseite des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments abrufbar (pdf).

Der Petent rügte unter anderem, dass PayPal personenbezogene Daten, auch auf Aufforderung, nicht löschen würde und dass Kundenkonten nach einer Sperrung nur nach Übermittlung personenbezogener Daten wieder freigeschaltet werden würden.

Die Kommission befasst sich in ihrer Stellungnahme zunächst mit allgemeinen Grundsätzen und Vorgaben des geltenden Datenschutzrechts. Mit Blick auf PayPal weißt die Kommission darauf hin, dass das unternehmen eventuell gesetzlich dazu verpflichtet sein kann, personenbezogene Daten für Zwecke der Verhinderung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verarbeiten. In einem solchen Fall sei die Datenverarbeitung auch gerechtfertigt, jedoch muss sich diese auf das erforderliche Maß zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten beschränken.

Zudem führt die Kommission aus, dass es in erster Linie Aufgabe der nationalen Aufsichtsbehörden sei, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen zu überwachen. Da PayPal (Europe) in Luxemburg niedergelassen ist und die von der Beschwerde umfassten Datenverarbeitungen im Rahmen der Tätigkeiten dieser Niederlassung ausgeführt werden, sei auf den ersten Blick auch luxemburgisches Datenschutzrecht anwendbar.

Wenn der Petent der Ansicht ist, dass die Datenverarbeitung nicht den Vorgaben des luxemburgischen Rechts entspreche, dann kann er sich, so die Kommission, mit einer Beschwerde an die luxemburgische Datenschutzbehörde wenden.

Alternativ könne er sich auch an die für ihn zuständige Aufsichtsbehörde in Deutschland wenden, die dann mit der Aufsichtsbehörde in Luxemburg kooperieren müsse. Denn jede nationale Aufsichtsbehörde ist, unabhängig vom anwendbaren Recht, dem Grunde nach erst einmal befugt und auch verpflichtet, Beschwerden von Bürgern entgegen zu nehmen. Sie darf, bei Anwendbarkeit eines anderen Datenschutzrechts, jedoch z.B. keine sanktionierenden Maßnahmen erlassen. Diesbezüglich verweist die Kommission auf das Urteil des EuGH in der Sache „Weltimmo“ (C-230/14).

Administrative Court of Hamburg in Facebook case – Google Spain does not apply

Yesterday the Administrative Court of Hamburg decided (pdf, German) that German data protection law does not apply to the data processing operations relevant for  giving Facebook users access to the social network only with their real names.

Many observers might wonder how the court came to this conclusion after the European Court of Justice widened the scope of the current European data protection law with its decisions in Google and Google Spain (C-131/12) and also interpreted the notion of “establishment” (Art. 4 para 1 lit. a of Directive 95/46/EC) in Weltimmo (C-230/14) quite broadly.

The court ruled that the business operations of Facebook in Dublin as well as those of Facebook Germany constitute an establishment within the meaning of Art. 4 para 1 Directive95/46/EC. Furthermore, the court held that if several national data protection laws might apply due to the fact that the controller is established in several Member States, the law of the Member State should apply in which the establishment with the closest connection to the disputed data processing operation is located. According to the court, that is Facebook Ireland in this specific case.

According to the court, the disputed data processing operation, however, is not carried out in the context of the activities of the German establishment in the sense of Art. 4 para 1 lit. a of Directive 95/46/EC.

The notion “carried out in the context of the activities” is to be interpreted broadly in accordance with the jurisprudence of the European Court of Justice in Google and Google Spain only if the controller is established outside the European Union, like in Google Spain. That broad interpretation of “carried out in the context of the activities” can however not be applied in the present case. Art. para 1 of Directive 95/46/EC is a conflict of law rule and determines the applicable data protection law between the laws of different Member States in case of an inner-EU situation (see also the Opinion of the Advocate General in Weltimmo, margin number 23).

With regard to the Google Spain decision, the court explains that in the present case, there might actually exist an “inextricable link” between the activities of the German and the Irish establishment. But according to the court, the reasoning of the European Court of Justice in that case cannot be applied since it concerns a conflict of jurisdictions within the European Union whereas in the Google Spain case the court in the first place wanted to give effect to European data protection law. The European Court of Justice based its decision on the argument that “it cannot be accepted that the processing of personal data carried out for the purposes of the operation of the search engine should escape the obligations and guarantees laid down by Directive 95/46” (see C-131/12, margin number 58). According to the administrative court, in the present case, the controller is established in a Member State of the European Union (Ireland). Therefore there exists no risk in the present case that natural persons affected by the contested data processing operation could be deprived of the protection offered by Directive 95/46/EC. The question in this case only was which national data protection law (within the scope of Directive 95/46/EC) would apply.

According to the court, in the case of such a conflict of data protection laws of Member States, the law of the country has to apply, in which the establishment with the closest connection of its activities to the disputed data processing operation is located. In this case: Ireland.

Französische Datenschutzbehörde prüft Facebook – Analyse und Kritik

Am 8. Februar 2016 hat die französische Datenschutzbehörde (CNIL) bekannt gegeben, dass sie den Betreiber des sozialen Online-Netzwerks Facebook am 26. Januar 2016 durch ein förmliches Anschreiben dazu aufgefordert hat, mehrere Verstöße gegen das französische Datenschutzrecht innerhalb von drei Monaten abzustellen. Sollten nicht alle in dem Anschreiben (pdf; Englisch) beanstandeten Datenschutzverstöße innerhalb dieses Zeitraums abgestellt werden, so weist die Behörde darauf hin, dass es am Ende möglicherweise zu Sanktionen kommen könnte. Nachfolgend möchte ich auf einige Aspekte der Feststellung der französischen Datenschutzbehörde näher eingehen.

Anwendbares Recht

Wenig überraschend geht die Behörde zunächst davon aus, dass auf die Datenverarbeitungen des Unternehmens französisches Datenschutzrecht anwendbar sei. „Wenig überraschend“ ist dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der EuGH in seinen beiden Entscheidungen Google Spain (C-131/12) und Weltimmo (C-230/14) den Anwendungsbereich europäischen Datenschutzrechts sehr weit ausgedehnt hat.

In der Entscheidung „Weltimmo“, die aufgrund des eine Woche später gefällten Urteil zu Safe Harbor nur wenig Beachtung fand, konkretisierte EuGH die Anforderungen an das Vorliegen einer „Niederlassung“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst a der Datenschutzrichtlinie (RL 95/46/EG). Meine Blogbeiträge sowohl zu dem Urteil als auch zu den entsprechenden Schlussanträgen findet man hier.

Mit dem ebenfalls für die Anwendbarkeit europäischen Datenschutzrechts relevanten Merkmal der Datenverarbeitung „im Rahmen der Tätigkeit“ eine Niederlassung, hat sich der EuGH in seinem „Google Spain“ Urteil auseinandergesetzt und auch dieses Tatbestandsmerkmal sehr weit ausgelegt.

Dem Grunde nach reicht dem Gericht für die Bejahung der Anwendbarkeit europäischen Datenschutzrechts (bzw. des jeweils nationalen Datenschutzrechts) eine untrennbare wirtschaftliche Verbundenheit zwischen der verantwortlichen Stelle und einer Niederlassung in einem Mitgliedstaat aus. Die Niederlassung muss nicht einmal selbst bei der untersuchten Datenverarbeitung mitwirken.

Vor allem stellte der EuGH auch darauf ab, dass eine nationale Niederlassung an der Generierung von Einnahmen für den Mutterkonzern beteiligt ist.

Hier stellt sich für mich die Frage, wie der Niederlassung zu beurteilen wären die überhaupt keine Einnahmen für ein Mutterkonzern in einem anderen Mitgliedstaat oder sogar außerhalb der EU generieren, sondern vielmehr nur Ausgaben produzieren. Man denke etwa an Repräsentanzen, die sich allein um die Öffentlichkeit Arbeit eines Unternehmens kümmern, zu Veranstaltungen einladen etc. da hier keine Einnahmen generiert werden, könnte man sich fragen, ob in einer solchen Situation das jeweils nationale Datenschutzrecht Anwendung findet.

Zurück zum Verfahren der französischen Datenschutzbehörde: aus einer gesamteuropäischen Betrachtungsweise lässt sich kritisch anmerken dass wir gerade in Deutschland völlig divergierende Gerichtsentscheidungen dazu haben, welches Datenschutzrecht nun konkret auf Facebook anwendbar ist (Kammergericht Berlin, Az. 5 U 42/12; Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein: Az. 4 MB 10/13). Kritisieren lässt sich zudem, dass sowohl in den dortigen deutschen Verfahren, als auch jetzt im Verfahren der CNIL (zumindest soweit dies aus den veröffentlichten Dokumenten hervorgeht) ganz allgemein auf Datenverarbeitungen abgestellt wird, ohne diese einzelnen zu konkretisieren und jede Datenverarbeitung für sich zu betrachten. Meines Erachtens ist genau dieser Prüfung Schritt jedoch erforderlich. Für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung prüft man ja auch nicht alle Datenverarbeitungen auf einmal, sondern muss sich auf jede einzelne Verarbeitung konzentrieren. Warum soll in Bezug auf die Frage des anwendbaren Datenschutzrechts etwas anderes?

Interessanterweise stellt die CNIL zudem in ihrem Schreiben fest dass sowohl die Facebook Inc. als auch Facebook Irland Ltd. gemeinsam für die Verarbeitung verantwortliche darstellen würden. Auch diese Feststellung laufend diametral zu jenen von deutschen Gerichten. Mir geht es hier vor allen Dingen darum das Problem aufzuzeigen, in dem sich international agierende Unternehmen befinden. Nimmt man die in den europäischen Mitgliedstaaten vorherrschenden verschiedenen Feststellungen von Gerichten und Datenschutzbehörden zusammen, erscheint ein recht sicheres Wirtschaften nur schwer möglich, selbst wenn man einen dementsprechenden Anspruch an seine Tätigkeiten hat (was meines Erachtens stets der Fall sein sollte).

Zuletzt möchte ich mit Blick auf die Frage des anwendbaren Datenschutzrechts noch auf die kürzlich veröffentlichte überarbeitete Stellungnahme 179 (pdf) der Art 29 Datenschutzgruppe verweisen. In dieser analysiert das Gremium die oben genannten Entscheidungen des EuGH.

Insbesondere gehen die Datenschützer darin begrüßenswerte weise auch davon aus, dass es ein Fehler wäre, wenn man die Entscheidungen des EuGH zu weit auslegen und zu dem Schluss kommen würde,  dass die Existenz jeglicher Niederlassung die nur im entferntesten mit einer Datenverarbeitung der verantwortlichen Stelle zu tun hat zur Anwendbarkeit europäischen Datenschutzrechts führen würde.

Insbesondere stellt die Art. 29 Datenschutzgruppe auch heraus, dass der EuGH in seiner “Google Spain” Entscheidung zu Begründung anführt, dass Betroffene in der EU ansonsten den durch die Datenschutzrichtlinie gewährten Schutz verlieren würden. Dieses Argument, so die Datenschützer, würde jedoch in dem Fall, in dem eine verantwortliche Stelle in einem EU Mitgliedstaat sitzt, nicht greifen. Denn in einem solchen Fall würde stets europäisches Datenschutzrecht anwendbar sein. Es käme nur auf die Frage an, welches nationale Recht.

Zuletzt noch der Hinweis auf eine weitere Feststellung der Art 29 Gruppe in ihrer neuen Stellungnahme: allein eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit zwischen einem Mutterunternehmen und einer Niederlassung in einem europäischen Mitgliedstaat reicht für sich betrachtet noch nicht aus, um das jeweilige Datenschutzrecht zur Anwendung zu bringen. Genau mit diesem Argument hatte jedoch das Kammergericht in Berlin das deutsche Datenschutzrecht für anwendbar erklärt.

Datenverarbeitung für Werbezwecke

Des Weiteren bemängelt die CNIL, dass Facebook personenbezogenen Daten von Mitgliedern für Werbezwecke verarbeitete und dafür keine Rechtsgrundlage vorliege. Eine vorherige Einwilligung der betroffenen Nutzer liege nicht vor. Damit kommen im Ergebnis als Grundlage der Verarbeitung nur ein Vertrag oder aber die berechtigten Interessen von Facebook in Betracht wenn die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht überwiegen würden.

Hinsichtlich einer Verarbeitung für vertragliche Zwecke stellt die CNIL fest, dass die Nutzung der Daten für Werbezwecke gerade nicht der Durchführung des Vertrages mit den Betroffenen diene. Die Datenverarbeitung sei nur einen Nebenzweck, um vertragliche Pflichten zu erfüllen. Zudem führen die französischen Datenschützer an, dass Nutzer die Möglichkeit hätten der Verarbeitung ihrer Daten für Werbezwecke zu widersprechen (opt-out). Dies würde dafür sprechen, dass sie Datenverarbeitung für Werkezwecke nicht für die Durchführung des Nutzungsvertrages mit dem Betroffenen erforderlich ist.

Hier stellt sich freilich aus Praxis sich die Frage, ob man dann als Unternehmen in Zukunft einfach vertraglich die Verarbeitung für Werbezwecke gegenüber dem Nutzer regeln und diese zum Vertragsinhalt machen sollte. Zudem würde man dann eben keine Widerspruchsmöglichkeit anbieten. Nach der Argumentation der CNIL, könnte die Datenverarbeitung dann ja eventuell zulässig sein. Auf die Frage, wie dies dann mit Vorgaben wie jener des § 28 Abs. 4 BDSG in Einklang gebracht werden kann, möchte ich hier nicht näher eingehen.

Auch lehnt die CNIL die Datenverarbeitung auf der Grundlage berechtigter Interessen von Facebook ab. Dies soll nur möglich sein, wenn Nutzer Kontrolle darüber haben, wie personenbezogene Daten genutzt werden und sie ihre Rechte effektiv ausüben können. Dies sei hier jedoch nicht gegeben.

Besondere Arten personenbezogener Daten

Im Profil bei Facebook können Nutzer unter anderem Informationen über ihre religiöse Einstellung oder auch ihre sexuelle Orientierung angeben. Bei diesen Arten von Informationen handelt es sich umso genannte besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9 BDSG), deren Verarbeitung nach den gesetzlichen Vorgaben nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen möglich ist.

Was man hierbei beachten sollte ist, dass Datenschutzbehörden den Begriff der besonderen Arten personenbezogenen Daten grundsätzlich sehr weit auslegen und hierunter viel mehr Informationen fallen, als vielen vielleicht bewusst ist. So geht etwa die Art. 29 Gruppe in einer Stellungnahme zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten bei der Nutzung von Apps (pdf) davon aus, dass die Information, dass jemand einer Brille trägt ein solches besonderes Datum darstellt. Das bedeutet: ein Foto, auf dem jemand eine normale Brille trägt, würde auch unter diese Kategorie fallen. In der Stellungnahme kommen die Datenschützer der Art 29 Gruppe im Prinzip zu dem Ergebnis, dass eigentlich nur eine Einwilligung die Datenverarbeitung für solche Fälle (Apps, Internet, etc.) rechtfertigen kann. Meinen Beitrag zu der erwähnten Stellungnahme findet man hier und hier einen weiteren zu einer Einschätzung durch die Bundesregierung.

Die CNIL verlangt in ihrem Anschreiben, dass eine Einwilligung für die Verarbeitung dieser Arten von Daten überhaupt nur dann wirksam abgegeben werden könnte, wenn ein Kästchen durch den Nutzer angeklickt wird. Erst dann sei die Voraussetzung erfüllt, dass die betroffene Person „ausdrücklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt“ (so in Art. 8 Abs. 2 Buchst a) Datenschutzrichtlinie) habe.

Ausdrücklich verneint die französische Datenschutzbehörde das Vorliegen einer Einwilligung durch den Nutzer, wenn dieser freiwillig die betroffenen Daten in seinem Profil eingegeben und dann zur Ansicht freigegeben bzw. hochgeladen hat. Warum es sich hierbei nicht um eine ausdrückliche Einwilligung handeln soll, kann ich jedoch nicht ganz nachvollziehen.

Natürliche stets Voraussetzung, dass der Nutzer zuvor weiß, in Wasser einwilligt, um welche Daten es sich handelt und für welche Zwecke diese Daten genutzt werden. Ist diese Voraussetzung jedoch gegeben, und gibt der Nutzer in Kenntnis dieser Informationen freiwillig derartige Daten an und führt dann noch aktiv eine entsprechende Handlung aus, wie etwa den Klick auf einen Button, um die Daten im Profil anzeigen zu lassen, lässt sich meines Erachtens durchaus argumentieren, dass eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Hier zeigt sich leider einmal mehr ein in der Praxis bekanntes Problem bei dem Versuch, datenschutzrechtlich sicher zu handeln: die geltenden Vorgaben sind teilweise schlicht realitätsfern und werden in der Masse einfach nicht mehr beachtet. Ich persönlich kann mich zum Beispiel nicht entsinnen, dass sich eine den Anforderungen der französischen Datenschützer entsprechende Einwilligung abgeben musste, als ich mein Profilbild bei Twitter hochgeladen habe. Genau dieses Argument habe ich auch gegenüber der Abgeordneten im europäischen Parlament, Frau Birgit Sippel, im Rahmen einer Diskussion auf Twitter entgegengehalten. Nachfolgend Auszüge aus der Diskussion:

Zuletzt sei noch der Hinweis gestattet, dass die europäischen Datenschützer in ihrer Stellungnahme 187 (pdf) festgestellt haben, dass in der Online-Umgebung eine ausdrückliche Einwilligung durch die Verwendung elektronischer oder digitaler Signaturen gegeben werden. Sie kann abhängig vom Zusammenhang aber auch durch anklickbare Schaltflächen, das Versenden einer bestätigenden E-Mail, das Anklicken von Icons usw. erteilt werden.

Warum soll es aber dann nicht ausreichen, wenn man im Profil bei Facebook seine Daten ausfüllt und danach auf eine Schaltfläche klickt, um diese hochzuladen? Die Anforderung der französischen Datenschutzbehörde ist ja, dass zusätzlich zu diesem aktiven Verhalten noch in jedem Falle eine Checkbox vorgehalten werden muss die auch noch einmal aktiv angeklickt werden muss. Endeffekt verlangen die Datenschützer damit zwei aktive, ausdrückliche Handlungen.

Schwaches Passwort

Zudem kritisiert die französische Datenschutzbehörde die Vorgaben für das Passwort bei dem sozialen Netzwerk. Dieses muss dort aus mindestens 6 Zeichen, einer Zahl und einem Buchstaben bestehen. Diese Anforderung ist nach Auffassung der CNIL jedoch keine ausreichende Daten Sicherheitsmaßnahme und verstößt gegen Vorgaben französischen Rechts. Unweigerlich möchte man sich natürlich fragen, wie viele Unternehmen im Internet gegen diese Vorgabe wohl verstoßen. Hinsichtlich dieser Beanstandung verweist die französische Datenschutzbehörde zudem darauf, dass ein entsprechender Verstoß mit einer Strafe in Höhe von bis zu 1.5 Mio EUR geahndet werden kann.

Datentransfers in Drittstaaten

Auch bemängelt die CNIL, dass Facebook, zumindest nach eigener Aussage gegenüber der Behörde im Rahmen der Prüfung, immer noch personenbezogene Daten auf der Grundlage der Angemessenheitsentscheidung der Europäischen Kommission zu Safe Harbor übermitteln würde. Da diese Angemessenheitsentscheidung seit dem entsprechenden Urteil des EuGH jedoch nicht mehr existiert, kann dieses Instrument richtigerweise nicht mehr für Datentransfers genutzt werden. Des Weiteren nutze Facebook jedoch auch Standardvertragsklauseln als Grundlage einer Datenübermittlung in Drittstaaten. Im Ergebnis wird man hier eine genauere Untersuchung, die ja gerade auch im Land im Rahmen der Beschwerde von Max Schrems läuft, abwarten müssen.

Was mich persönlich jedoch verblüfft hat, ist, dass die Entscheidung der CNIL bzw. das vorliegende Anschreiben auf den 26. Januar 2016 datiert. Nach eigener Aussage (Pressemitteilung vom 16. Oktober 2015,  pdf) wollten die europäischen Datenschutzbehörden, deren Vorsitz gerade die Leiterin der CNIL inne hat, Unternehmen jedoch bis Ende Januar (also bis zum 31. Januar 2016) Zeit geben, Datentransfers in die USA auf entsprechende neue Grundlagen zu stützen. Auch der Hamburgische Beauftragte für den Datenschutz hatte im November 2015 informiert (pdf), dass Unternehmen, die Daten auf der Grundlage der ungültigen Angemessenheitsentscheidung zu Safe Harbor übermitteln, „ab Februar 2016 mit Maßnahmen durch die Aufsichtsbehörden rechnen“ müssen. Die damals aufgestellte Übergangsfrist scheint also daher eher eine grobe Richtschnur gewesen und von den Aufsichtsbehörden unterschiedlich in der Praxis umgesetzt worden zu sein.

Ausblick

Auch in Deutschland kämpft Facebook derzeit an mehreren Datenschutzfronten. In Hamburg ist vor dem Verwaltungsgericht ein Verfahren zur Frage der Klarnamenpflicht in dem sozialen Netzwerk anhängig. Am 25. Februar 2016 findet die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Frage statt, ob Fanpage Betreiber datenschutzrechtlich verantwortlich sind.

Datenschutz-Grundverordnung: „Snowden-Klausel“ wird nicht im Vereinigten Königreich gelten

Die sogenannte „Snowden-Klausel“, Art. 43a der zukünftigen Datenschutz-Grundverordnung (deutsche Fassung, pdf) wurde, ursprünglich in noch weitergehende im Umfang, vom Europäischen Parlament in den Text für das zukünftig geltende Datenschutzrecht in Europa eingebracht. Nachdem sich nunmehr das Europäische Parlament und der Rat auf eine gemeinsame Fassung der Datenschutz-Grundverordnung verständigt haben, lautet der finale Text von Art. 43a (vor der amtlichen Übersetzung):

Nach dem Unionsrecht nicht zulässige Übermittlung oder Weitergabe

Urteile eines Gerichts eines Drittlands und Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde eines Drittlands, mit denen von einem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter die Übermittlung oder Weitergabe personenbezogener Daten verlangt wird, dürfen unbeschadet anderer Gründe für die Übermittlung gemäß diesem Kapitel jedenfalls nur dann anerkannt oder vollstreckbar werden, wenn sie auf eine in Kraft befindliche internationale Übereinkunft wie etwa ein Rechtshilfeabkommen zwischen dem ersuchenden Drittland und der Union oder einem Mitgliedstaat gestützt sind.

Dieser Artikel besagt, dass bei Anfragen von Behörden aus Staaten außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes, beispielsweise wenn Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdienste personenbezogene Daten zu Betroffenen im Rahmen ihrer Ermittlungen verlangen, eine Weitergabe von personenbezogenen Daten rechtlich nur zulässig ist, wenn hierfür eine internationale Übereinkunft (wie etwa ein Rechtshilfeabkommen) mit den jeweiligen Drittstaat existiert oder die Datenübermittlung durch andere Tatbestände des Kapitels V der Datenschutz-Grundverordnung erlaubt ist.

Am 4. Februar 2016 hat nun die parlamentarische Unterstaatssekretärin im Ministerium für Kultur, Medien und Sport des Vereinigten Königreichs, Baroness Neville-Rolfe, in einer schriftlichen Stellungnahme mitgeteilt, dass das Vereinigte Königreich dem Art. 43a Datenschutz-Grundverordnung und seinem Anwendungsbereich nicht unterworfen sein wird. Das Vereinigte Königreich wird das sog. „opt-in“, also die entsprechende Einwilligung zur Anerkennung der bindenden Wirkung, nicht erteilen. Dass das Vereinigte Königreich hier überhaupt eine Wahlmöglichkeit besitzt und entscheiden kann, ob es an bestimmten Maßnahmen der Europäischen Union gebunden ist oder nicht, ist für den Bereich der Justiz und des Inneren im sog. „opt-in Protokol 21“ (pdf) geregelt.

Als Folge ist das Vereinigte Königreich also nicht an die Vorschrift des Art. 43a Datenschutz-Grundverordnung gebunden. Dies bedeutet freilich auch, dass Anfragen von Behörden und Gerichten aus Staaten außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes sich nicht an diesen Vorgaben messen lassen müssen, wenn sie Auftragsverarbeiter oder für die Verarbeitung Verantwortliche mit Sitz im Vereinigten Königreich betreffen.

Dieser Aspekt ist meines Erachtens eine nicht zu unterschätzende Tatsache mit Blick auf das eigentlich mit der Datenschutz-Grundverordnung angestrebte einheitliche Schutzniveau in der Europäischen Union. Man kann trefflich darüber streiten, ob dies überhaupt bereits aufgrund der vielen Öffnungsklauseln in der Datenschutz-Grundverordnung der Fall ist. Das nun angekündigte Ausbleiben des „opt-ins“ durch das Vereinigte Königreich für Artikel 43a, betrifft jedoch zudem einen ganz zentralen Bereich, nämlich die Frage der Zulässigkeit von Datenübermittlung an ausländische Behörden, über den ja etwa derzeit Microsoft mit der amerikanischen Regierung vor Gerichten streitet. Eine Kette ist bekanntlich immer nur so stark, wie ihr schwächstes Glied.

EU-US Privacy Shield: Was wir bisher wissen.

Am 2. Februar 2016 hat die Europäische Kommission eine politische Einigung mit der amerikanischen Regierung auf ein neues System bzw. einen Rahmen für transatlantische Datentransfers bekanntgegeben, das „EU-US Privacy Shield“. Was genau der Inhalt dieses Systems sein wird, dazu existieren derzeit kaum valide Informationen. Das mag man kritisieren. In der Öffentlichkeit wurden zwar bereits Einschätzungen diskutiert, nach denen das EU-US Privacy Shield den datenschutzrechtlichen Anforderungen an Datentransfers in Drittstaaten (insbesondere unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 6. Oktober 2015, C-362/14) klar nicht genügen würde. Derartige inhaltliche Meinungen halte ich persönlich jedoch für verfrüht und warte daher gerne auf einen konkreten Text (insbesondere die Angemessenheitsentscheidung der Europäischen Kommission), der sich dann juristisch prüfen lässt.

Dennoch brennt die Frage, was da auf transatlantische Datenübermittlungen und betroffene Organisationen zukommt, verständlicherweise vielen Beteiligten unter den Nägeln. Bis also ein offizieller Text vorliegt, lässt sich dem Grunde nach nur zusammentragen, was aus verschiedenen Quellen bekannt gegeben wurde. An diesen Ankündigungen muss sich das System dann auch messen lassen. Nachfolgend möchte ich versuchen, eine solche Übersicht (Stand 4. Februar 2016) zu erstellen.

Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 2. Februar 2016

Überwachung und Durchsetzung der Regelungen durch das US-Handelsministerium und die Federal Trade Commission (FTC).

Vorgaben zur verstärkten Zusammenarbeit mit den europäischen Datenschutzbehörden.

Zusagen der US-Regierung, dass die Möglichkeiten für Behörden, nach dem amerikanischen Recht auf im Rahmen der neuen Vereinbarung übertragene personenbezogene Daten zuzugreifen, an klare Bedingungen, Beschränkungen und Aufsicht geknüpft ist, um einen allgemeinen Zugang zu verhindern.

Europäer werden die Möglichkeit haben, jede Anfrage oder Beschwerde in diesem Zusammenhang bei einer neu zu schaffenden Ombudsperson vorzubringen.

Verbindliche Zusicherungen der US-Regierung, dass der Zugang durch Behörden für Zwecke der nationalen Sicherheit klaren Grenzen, Schutz- und Aufsichtsmechanismen unterliegen wird.

Zum ersten Mal wird für EU-Bürger die Möglichkeit bestehen, Rechtsschutzverfahren in diesem Bereich [Anm. d. Autors: bezieht sich auf den Zugang durch Behörden für Zwecke der nationalen Sicherheit] in Anspruch zu nehmen.

Jährliche gemeinsame Überprüfung, um die Umsetzung dieser Verpflichtungen genau zu beobachten. Die Europäische Kommission und das US-Handelsministerium werden die Überprüfung durchführen und Experten für Nachrichtendienste aus den USA und europäische Datenschutzbehörden zur Teilnahme einladen.

US-Unternehmen, die personenbezogene Daten aus Europa importieren möchten, müssen sich zur Einhaltung von Vorgaben verpflichten, wie personenbezogene Daten verarbeitet und die Rechte des Einzelnen gewährleistet werden.

Darüber hinaus muss sich jedes Unternehmen, welches mit Arbeitnehmerdaten aus Europa umgeht, dazu verpflichten, Entscheidungen der europäischen Datenschutzbehörden anzuerkennen und nachzukommen.

Jeder Bürger, der der Auffassung ist, dass seine Daten im Rahmen des neuen Systems unzulässig verwendet wurden, wird mehrere Rechtsbehelfsverfahren zur Auswahl haben.

Unternehmen haben konkrete Fristen zu beachten, um auf Beschwerden zu antworten.

Europäische Datenschutzbehörden können Beschwerden an das US-Handelsministerium und die Federal Trade Commission weiterleiten.

Alternative Streitbeilegungsmechanismen werden kostenlos sein.

Die Europäische Kommission wird nun in den nächsten Wochen einen Entwurf für eine Angemessenheitsentscheidung [Anm. d. Autors: Nach Art. 25 Abs. 6 der Europäischen Datenschutzrichtlinie] erarbeiten. Dieser wird der Art. 29 Datenschutzgruppe für eine Stellungnahme zugeleitet und muss nach dem Ausschussverfahren [Anm. d. Autors: Art. 31 der Europäischen Datenschutzrichtlinie] angenommen werden.

Fragerunde des US Handelsministeriums auf Twitter vom 3. Februar 2016

Um am Privacy Shield teilnehmen zu können, müssen US-Unternehmen entweder Durchsetzungsbefugnissen der FTC oder des US-Transportministeriums unterliegen.

Ich selbst hatte zwei Fragen gestellt: 1) Ob das System erneut auf einer Selbstzertifizierung der US-Unternehmen basieren wird? 2) Ob noch amerikanisches Recht angepasst werden muss?

Die Antwort des US-Handelsministeriums, kurz und knapp:

Derzeit unter Safe Harbor zertifizierte Unternehmen werden einen Übergangszeitraum erhalten.

Das US-Handelsministerium wird die für das Privacy Shield zuständige Mitarbeiterzahl verdoppeln.

Auf die Frage eines Twitter-Nutzers, ob die „Presidential Policy Directive 28“ (PPD-28) ein rechtlich bindendes Instrument darstelle, antwortete das US-Handelsministerium:

Informationsblatt des US Handelsministeriums vom 2. Februar 2016 (hier Informationen, die über jene der Europäischen Kommission hinausgehen)

Unternehmen werden sich verpflichten, an Schiedsverfahren als mögliche letzte Instanz bei Beschwerden teilzunehmen, um sicherzustellen, dass EU-Bürger die Möglichkeit haben, auf diesem Wege Rechtsmittel einzulegen.

Das Privacy Shield enthält neue vertragliche Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre und zur Aufsicht für Daten, die von teilnehmenden Unternehmen an Dritte weitergegeben oder von deren Dienstleistern verarbeitet werden, um die Haftung besser zu regeln und die Fortgeltung des Schutzes zu gewährleisten.

Ankündigung

Und noch eine Ankündigung zum Schluss: unter www.euusprivacyshield.de werde ich bald eine eigene Informationsseite einrichten und dort versuchen, die neuesten Entwicklung rund um dieses wichtige Projekt zu verfolgen und zu kommentieren.

Vernetzte Fahrzeuge: Möchte die Bundesregierung den Datenschutz verschärfen?

Am heutigen Freitag soll im Bundestag über einen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Intelligente Mobilität fördern – Die Chancen der Digitalisierung für den Verkehrssektor nutzen“ (BT-Drs. 18/7362, pdf) abgestimmt werden.

In diesem Antrag befasst sich die Bundesregierung unter anderem auch mit dem Thema Datenschutz (ab S. 5) und wie mit personenbezogenen Daten, die beim Einsatz verletzter Fahrzeuge entstehen, in Zukunft umgegangen und wie diese geschützt werden sollen. Die in dem Antrag zum Ausdruck gebrachten Forderungen bzw. Wünsche werfen jedoch einige Fragen mit Blick auf die geltende Rechtslage im Datenschutzrecht auf.

Nach dem Antrag sollen personenbezogene Daten, die vom Fahrzeug erzeugt werden, nur

mit Zustimmung des Betroffenen und bestehend auf einer gesetzlichen Grundlage pseudonymisiert erhoben werden dürfen, so dass u.a. die Erstellung von Bewegungsprofilen mit einem direkten Personenbezug nicht möglich ist.

Vor dem Hintergrund des geltenden Rechts, dass personenbezogene Daten, auf die sich die Bundesregierung hier ausdrücklich bezieht, dann verarbeitet werden dürfen, soweit dies ein Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift erlaubt oder aber der Betroffene selbst eingewilligt hat (§ 4 Abs. 1 BDSG), irritiert die Formulierung, dass personenbezogene Daten mit Zustimmung des Betroffenen und (!) auf einer gesetzlichen Grundlage erhoben werden dürfen. Den gesetzlichen Vorgaben hätte es jedoch entsprochen, wenn das Wort „und“ durch ein oder ersetzt worden wäre. Die Bundesregierung scheint hier den Wunsch zu äußern, dass sowohl eine Einwilligung vorliegen als auch eine gesetzliche Grundlage einschlägig sein muss, damit personenbezogene Daten überhaupt erst erhoben werden dürfen.

Hierbei kann es sich freilich auch um ein Versehen oder eine zu strenge Auslegung am Wortlaut meinerseits handeln. Sollte die Bundesregierung jedoch tatsächlich kumulativ eine Einwilligung als eine gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung erforderlich halten, so dürfte dies gegen europäisches Recht verstoßen.

Der europäische Gerichtshof hat bereits im Jahre 2011 (C-468/10 und C-469/10) zu Art. 7 der Datenschutzrichtlinie (RL 95/46 EG), der die möglichen Grundlagen einer Datenverarbeitung festlegt, entschieden, dass die Mitgliedstaaten weder neue Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten neben Art. 7 der Richtlinie 95/46 einführen, noch zusätzliche Bedingungen stellen dürfen, die die Tragweite eines der sechs in diesem Artikel vorgesehenen Grundsätze verändern würden. Möchte die Bundesregierung jedoch kumulativ sowohl die Einwilligung als auch eine gesetzliche Erlaubnis für die Zulässigkeit des Umgangs mit personenbezogenen Daten im vernetzten Fahrzeug vorsehen, dürfte dies eine zusätzliche Bedingungen im Sinne des Urteils des europäischen Gerichtshofs darstellen. Die Erfüllung von zwei möglichen Zulässigkeitsalternativen würden verpflichtend zusammengefasst.

Unklar ist zudem, wie sich die Vorgabe der Bundesregierung, dass per se bereits nur pseudonymisierte Daten erhoben werden dürfen, mit der geplanten Vorgabe verhält, dass hierfür sowohl eine Einwilligung als auch eine gesetzliche Erlaubnis erforderlich ist. Zwar wird heute bereits vielfach davon ausgegangen, dass es sich auch bei pseudonymisierten Daten weiterhin um personenbezogene Daten handelt. Jedoch wird gerade der Umgang mit Daten unter einem Pseudonym, insbesondere auch wenn es sich um Fälle handelt die von der Bundesregierung im Antrag angesprochen werden, nämlich wenn Nutzungsprofile erstellt werden, gesetzlich privilegiert. So erlaubt § 15 Abs. 3 TMG die Erstellung von Nutzungsprofilen unter Verwendung eines Pseudonyms für Zwecke der Werbung, Marktforschung oder auch zur bedarfsgerechten Gestaltung von Telemedien ohne vorherige Einwilligung. Dem Nutzer muss nur die Gelegenheit gegeben werden, der Datenverarbeitung im Nachhinein zu widersprechen. Gerade wenn man sich das vernetzte Fahrzeug anschaut, welches sich immer mehr zu einem rollenden Telemediendienst wandelt, stellt sich daher die Frage, ob die Bundesregierung eine Verschärfung der geltenden Vorgaben auch bezüglich des Erstellens von Nutzungsprofilen unter einem Pseudonym plant.

Des Weiteren weist die Bundesregierung in ihrem Antrag darauf hin, dass den Betroffenen die wichtigsten Informationen zum Umgang mit personenbezogenen Daten einfach formuliert bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgabe ist nicht unbedingt neu, denn bereits derzeit müssen Informationen zur Datenverarbeitung etwa nach § 13 Abs. 1 TMG oder § 4 Abs. 3 BDSG.

Zudem sieht der Antrag der Bundesregierung vor, dass der Fahrer und/oder Fahrzeughalter selbst entscheiden dürfen sollte,

wer Zugriff auf seine personenbezogenen Daten hat. Deshalb bedarf das Auslesen bzw. Übermitteln dieser Daten aus dem Fahrzeug einer Erlaubnis. Die „Aktivierung/Deaktivierung“ der Datenu?bermittlung muss jederzeit möglich und einfach auszuführen sein.

Auch diese Forderung ist dem Grunde nach erst einmal keine Änderung zu geltenden Rechtslage. Denn wie bereits beschrieben, bedarf eine Datenverarbeitung (damit auch eine Erhebung im Wege des Zugriffs) entweder der Einwilligung oder eines gesetzlichen Erlaubnistatbestandes. Eine Verschärfung würde sich jedoch dann ergeben, wenn die Aussagen der Bundesregierung dahin zu verstehen sind, dass mit dem „selbst entscheiden dürfen“ stets eine Einwilligung des Betroffenen gemeint ist. Man könnte jedoch eventuell auch davon ausgehen, dass diese Erlaubnis bereits bei Vertragsabschluss, etwa beim Kauf des Fahrzeugs, erteilt wird. Zudem spricht die Bundesregierung in ihrem Antrag von „einer“ Erlaubnis und nicht „seiner“. Unter „einer Erlaubnis“ kann man auch gesetzliche Grundlagen verstehen.

Der nachfolgende Zusatz jedoch, dass die Aktivierung bzw. Deaktivierung einer Datenübermittlung jederzeit möglich sein muss, spricht erneut für das zwingende Erfordernis einer Einwilligung des Betroffenen die durch die zuvor beschriebene Aktivierung bzw. Deaktivierung ausgeübt wird. Da diese „jederzeit“ ausgeübt können werden soll, kann es sich auch nicht um eine zuvor erteilte Einwilligung, etwa beim Kauf des Autos handeln.

Insgesamt stellen sich nach kurzer Analyse dieses Antrags der Bundesregierung doch einige Fragen und man wird abwarten müssen, in welcher Form die Bundesregierung eine Umsetzung dieses Antrags plant. Sollte es ja noch zu den oben besprochenen Verschärfungen kommen, habe ich Zweifel, ob diese einer Prüfung aus europarechtlicher Sicht standhalten würden. Dies gilt auch, wenn in ca. zwei Jahren die neue Datenschutz Grundverordnung wirksam wird.

Das Thema Datenschutz und vernetzte Fahrzeuge ist derzeit nicht nur im Parlament von Interesse. Diese Woche haben sich die Landesdatenschutzbeauftragten in Deutschland und der Verband der Automobilindustrie auf eine gemeinsame Leitlinie (pdf) bei der Anwendung und Auslegung des geltenden Datenschutzrechts mit Blick auf die Nutzung vernetzter Fahrzeuge geeinigt (hierzu mein englischer Blogbeitrag).

Stellungnahme europäischer Datenschützer: Weiter Anwendungsbereich des europäischen Datenschutzrechts

Die Art. 29 Datenschutzgruppe hat am 16. Dezember 2015 eine überarbeitete Version (pdf) ihrer Stellungnahme 8/2010 zum anwendbaren Datenschutzrecht (pdf) verabschiedet. Die Überarbeitung wurde insbesondere nach den Urteilen den Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Sache „Google Spain“ (C-131/12) und „Weltimmo“ (C-230/14) erforderlich, in denen der Gerichtshofs die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Datenschutzrichtlinie auslegte.

Die europäische Regelung

Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Datenschutzrichtlinie beantwortet die Frage (oder versucht dies zumindest), wann das jeweils nationale Datenschutzrecht eines EU-Mitgliedstaates anwendbar ist:

Jeder Mitgliedstaat wendet die Vorschriften, die er zur Umsetzung dieser Richtlinie erlässt, auf alle Verarbeitungen personenbezogener Daten an, die im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt werden, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats besitzt. Wenn der Verantwortliche eine Niederlassung im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten besitzt, ergreift er die notwendigen Maßnahmen, damit jede dieser Niederlassungen die im jeweils anwendbaren einzelstaatlichen Recht festgelegten Verpflichtungen einhält.

Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe

Grundsätzlich analysieren die Datenschützer das Google Spain-Urteil des EuGH und gehen vereinzelt auch auf das zeitlich später ergangene Weltimmo-Urteil ein.

Nach Auffassung der Datenschützer wendet der EuGH europäisches Datenschutzrecht auf Datenverarbeitungen an, die durch eine verantwortliche Stelle vorgenommen werden, die in einem Staat außerhalb der EU niedergelassen ist, wenn sie eine „relevante“ Niederlassung innerhalb der EU besitzt. Jedoch werfe dieser sehr weite Anwendungsbereich europäischen Rechts auch Fragen auf.

Ebenfalls wichtig für die Art.29 Gruppe ist die Frage, inwieweit bei Konstellationen, in denen die verantwortliche Stelle in der EU niedergelassen ist und mehrere Niederlassungen in anderen Mitgliedstaaten besitzt, die Vorgaben des EuGH übertragbar sind und ob eventuell stets nur ein nationales Datenschutzrecht anwendbar ist.

Auslegung der EuGH-Urteile durch die Art. 29 Datenschutzgruppe

Zunächst befasst sich die Stellungnahme mit dem Tatbestandsmerkmal „im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung“. Die Art. 29 Gruppe weist auf eine weite Auslegung des Begriffs „Niederlassung“ in beiden Urteilen hin. Zudem kreiere der EuGH das Merkmal der „untrennbaren Verbundenheit“ der Tätigkeiten der europäischen Niederlassung mit der verantwortlichen Stelle, die in einem Staat außerhalb der EU ihren Sitzt hat.

Die Art. 29 Gruppe versteht diese Verbundenheit vor allem im Sinne eines wirtschaftlichen Konnexes, etwa im Sinne von Umsätzen der EU-Niederlassung. Es dürfe keine Trennung der Tätigkeiten möglich sein, ohne dass das Angebot des ausländischen Dienstes, etwa einer Suchmaschine, wirtschaftlich unrentabel werde.

Zu dem Merkmal der untrennbaren Verbundenheit stellt die Art. 29 Gruppe weiter fest, dass bei deren Vorliegen europäisches Datenschutzrecht anwendbar ist, selbst wenn die EU-Niederlassung gar keine Rolle bei Datenverarbeitung der verantwortlichen Stelle spielt. Nach Auffassung der Datenschützer können jedoch die Tätigkeiten der Niederlassung so mit der verantwortlichen Stelle verbunden sein, dass europäisches Recht auf deren Datenverarbeitung anwendbar ist. Hierzu bildet die Art. 29 Gruppe etwa ein Beispiel, in dem eine verantwortliche Stelle mehrere Verkaufsbüros in der EU besitzt. Dann beurteile sich Verarbeitung der verantwortlichen Stelle nach europäischem Datenschutzrecht, selbst wenn die Niederlassung in der EU an der Datenverarbeitung nicht beteiligt ist.

Zudem stellen die Datenschützer fest, dass das EuGH-Urteil das Geschäftsmodell einer Internetsuchmaschine und deren Generierung von Werbeeinnahmen betraf. Es wäre aus diesem Grund ein Fehler zu glauben, dass nun jede Verbindung zwischen einer EU-Niederlassung und der verantwortlichen Stelle im EU-Ausland ausreichen würde, um europäisches Datenschutzrecht zur Anwendung zu bringen. Jeder Fall muss für sich betrachtet werden. Andererseits dürfe das Urteil nach Ansicht der Art. 29 Gruppe aber auch nicht zu eng ausgelegt und etwa nur auf Suchmaschinen und deren Geschäftsmodell angewendet werden.

Aus Sicht der Praxis von Interesse dürfte die Aussage der Datenschützer sein, dass das Urteil ihrer Auffassung nach je nach Einzelfall vor allem auf Unternehmen anwendbar sein kann, die kostenlose Dienste in der EU anbieten und Daten, die von Nutzern dieser Dienste erhoben und verarbeitet werden, dann in der ein oder anderen Form kommerziell, z. B. für Werbezwecke, genutzt werden.

Auch der Frage, wie die Urteile des EuGH mit Blick auf Sachverhalte zu beurteilen sind, die allein Innerhalb der EU spielen, gehen die Datenschützer nach. Es geht hierbei um Fälle, bei denen mehrere Niederlassungen in verschiedenen Mitgliedstaaten bestehen und eine Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat existiert, die allein als verantwortliche Stelle agiert.

Ist in einem solchen Fall jedes nationale Recht und damit nebeneinander verschiedene Rechtsordnungen auf verschiedene Datenverarbeitung derselben verantwortlichen Stelle anwendbar, wenn die „untrennbare Verbundenheit“ besteht, selbst wenn diese Niederlassungen nicht an der Verarbeitung beteiligt sind?

Nach richtiger Auffassung der Art. 29 Gruppe hat der EuGH in seinem Google Spain-Urteil hierzu nichts gesagt und auch keine Unterscheidung getroffen, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn die verantwortliche Stelle in der EU ansässig ist. Ich möchte hinzufügen: das musste er auch gar nicht. Dennoch habe der EuGH für die Anwendung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Datenschutzrichtlinie eine neue Voraussetzung geschaffen: die untrennbare Verbundenheit zwischen verantwortlicher Stelle und der Niederlassung. Das Argument des EuGH, europäisches Recht anzuwenden, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass der Betroffene den ihm gewährten Schutz verlieren würde, ist nach Ansicht der Datenschützer in den Konstellationen, die allein in der EU spielen, nicht zwingend. Denn in einem solchen Fall geht es nur darum im Anwendungsbereich der Datenschutzrichtlinie zu bestimmen, welches nationale Recht anwendbar ist.

Doch geht die Art. 29 Gruppe davon aus, dass derzeit keine Vollharmonisierung unter dem europäischen Datenschutzrecht existiert. Daher sei es schon wichtig, welches nationale Recht gilt. Zudem führen die Datenschützer aus, dass die Datenschutzrichtlinie keine Form eines „one stop shops“ für das anwendbare Recht vorsieht. Es sei vielmehr jedes nationale Recht anwendbar, in dem eine Niederlassung existiert, die mit ihren Tätigkeiten untrennbar mit der verantwortlichen Stelle verbunden ist. Die Begründung: ansonsten bestünde die Gefahr des forum shoppings in der EU.

Das Fazit der Art. 29 Gruppe: der EuGH schafft ein neues Kriterium im Rahmen des Tatbestandsmerkmals des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Datenschutzrichtlinie („im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung“), die untrennbare Verbundenheit. Hier gehen die Datenschützer noch einmal deutlich darauf ein, dass es sich um eine wirtschaftliche Verbundenheit handeln muss.

Im zweiten Teil der Stellungnahme beschreiben die Datenschützer konkrete Änderungen ihrer alten Stellungnahme. Zudem stellen sie klar, dass selbst wenn nicht EU-Recht auf eine außerhalb der EU sitzende verantwortliche Stelle anwendbar ist, doch immer noch nationales Recht für solche Datenverarbeitungen gilt, die „lokal“ von einer EU-Niederlassung vorgenommen werden, etwa im Rahmen der Verwaltung eigener Dienstleister oder Mitarbeiter.

Zudem sei EU-Recht auch anwendbar, wenn nur eine einzige Niederlassung einer außereuropäischen verantwortlichen Stelle in der EU existiert, die Dienstleistungen in der EU anbietet. Dann scheint nach Ansicht der Art. 29 Gruppe eine Art Vermutung dafür zu streiten, dass die Tätigkeiten dieser EU-Niederlassung mit der verantwortlichen Stelle untrennbar verbunden sein müssen.

Zudem fügen die Datenschützer noch einige neue Beispiele für die Praxis in ihre Stellungnahme ein. Sehr relevant ist, dass die Art. 29 Gruppe in diesem Zusammenhang klarstellt, dass allein die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit nicht für eine „untrennbare Verbundenheit“ ausreicht. Selbst wenn nur eine Niederlassung in der EU vorhanden sein sollte und eine finanzielle Verbindung zur verantwortlichen Stelle (hier in Kanada) besteht, reicht dies nicht aus, wenn die EU-Niederlassung tatsächlich im Rahmen völlig andere Tätigkeiten agiert, als die verantwortliche Stelle.