Generalanwalt am EuGH: Kopie-Begriff nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO bezieht sich nicht per se auf Dokumente – wann sind Daten „verständlich“?

Heute hat Generalanwalt (GA) Pitruzella seine Schlussanträge in der Rechtssache C‑487/21 veröffentlicht. Die Ausführungen des GA sind sehr praxisrelevant, da es um den Inhalt und Umfang des Anspruchs auf eine Kopie personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO geht.

Vielleicht direkt vorab: der GA vertritt eine eher einschränkende Auslegung des Kopie-Begriffs (allein auf die personenbezogenen Daten), eröffnet jedoch die Möglichkeit einer Herausgabe von (Teilen von) Dokumenten, in denen die personenbezogenen Daten enthalten sind.

Zudem bleibt der GA eher vage bei der entscheidenden Frage: was sind, gerade in Bezug auf Daten in Dokumenten, eigentlich die „personenbezogenen Daten“? Denn der GA ist deutlich: es ist eine Kopie der „personenbezogenen Daten“ herauszugeben. Wenn man nun ein 20 seitiges PDF-Dokument als Ganzes als personenbezogenes Datum ansehen würde, weil auf S. 3 und S. 16 der Name einer Person steht, müsste man das ganze Dokument als „personenbezogenes Datum“ herausgeben. Dieser Streit dürfte in der Praxis vorerst weiter bestehen.

Begutachtete Vorlagefragen

Im Hauptteil der Schlussanträge befasst sich der GA mit der Frage nach der genauen Bedeutung des Begriffs „Kopie“ in Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Zudem soll geklärt werden, welche Tragweite das der betroffenen Person durch diese Bestimmung verliehene Recht hat. Insbesondere, ob diese Bestimmung das Recht auf Erhalt einer Kopie auch der Dokumente – oder von Auszügen aus Datenbanken –, in denen die personenbezogenen Daten verarbeitet werden, verleiht oder ob sie sich darauf beschränkt, das bloße Recht auf Erhalt einer originalgetreuen Reproduktion der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu gewähren.

Begründung des GA

Der GA nimmt eine aus meiner Sicht sehr schöne rechtliche Analyse des Art. 15 Abs. 3 DSGVO anhand von Wortlaut, Kontext und den Zielen, die mit der DSGVO verfolgt werden, vor.

Analyse des Wortlauts

Der GA betrachtet drei verschiedene Begriffe: den Begriff „Kopie“, den Begriff „personenbezogene Daten“ und den Begriff „Gegenstand der Verarbeitung“.

Die DSGVO sieht keine spezifische Definition des Begriffs „Kopie“ vor. Aus rein terminologischer Sicht bezeichne der Ausdruck „Kopie“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch die originalgetreue Reproduktion oder Abschrift. Klar ist, dass die Kopie, die der für die Verarbeitung Verantwortliche der betroffenen Person zur Verfügung stellen muss, die Kopie der „personenbezogenen Daten“ ist, die Gegenstand der Verarbeitung sind.

Für den Begriff „personenbezogene Daten“ verweist der GA auf die Rechtsprechung des EuGH und dortige Beispiele. Die Tragweite des Begriffs „personenbezogene Daten“, ist sehr weit. Mit der Verwendung des Ausdrucks „alle Informationen“ im Zusammenhang mit der Bestimmung dieses Begriffs komme das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen. Es genügt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist.

Nach Ansicht des GA bedeutet dies, dass dieser Begriff und damit das Recht auf Auskunft über diese Daten und auf Erhalt einer Kopie dieser Daten nicht ausschließlich auf Daten beschränkt ist, die von einem Verantwortlichen erhoben, aufbewahrt und verarbeitet werden, sondern auch die weiteren Daten zu umfassen hat, die von diesem Verantwortlichen nach der Verarbeitung möglicherweise erzeugt werden, wenn auch sie Gegenstand der Verarbeitung sind.

Wenn also nach der Verarbeitung einer Reihe personenbezogener Daten neue, aus dieser Verarbeitung resultierende Informationen über eine identifizierte oder identifizierbare Person erzeugt werden, die als personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO eingestuft werden können,

müsste das in Art. 15 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 DSGVO vorgesehene Recht auf Auskunft zu den personenbezogenen Daten und auf Erhalt einer Kopie daher meines Erachtens auch diese erzeugten Daten umfassen, wenn diese Daten selbst Gegenstand der Verarbeitung sind.“

Was drittens den Begriff „Gegenstand der Verarbeitung“ betrifft, verweist der GA auf die Definition der „Verarbeitung“ in Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Aus der weiten Bedeutung des Begriffs ergebe sich, dass Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO der betroffenen Person das Recht verleiht, eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten zu erhalten, die Gegenstand eines Vorgangs sind, der als „Verarbeitung“ eingestuft werden kann.

Aber, und hier kommt zum ersten Mal die engere Auffassung zum Ausdruck: „verleiht diese Bestimmung als solche jedoch kein Recht, andere als die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten spezifischen Informationen über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten selbst zu erhalten“.

Als Ergebnis der Wortlautauslegung stellt der GA fest, dass die „Kopie der personenbezogenen Daten“ eine getreue Wiedergabe dieser Daten sein muss. Dies bedeutet, dass je nach Art der verarbeiteten Daten und der Art der Verarbeitung eine Kopie dieser Daten verschiedene Formate wie Papierform, Audio- oder Videoaufzeichnungen, elektronisches Format oder andere Formate aufweisen kann.

Wichtig ist, dass die Kopie dieser Daten wortgetreu ist und es der betroffenen Person ermöglicht, volle Kenntnis von allen Daten zu erlangen, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Eine etwaige Zusammenstellung der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, muss diese Daten originalgetreu und verständlich wiedergeben und im Übrigen den Inhalt der zu übermittelnden Daten nicht beeinflussen.“

Umfasst sind alle personenbezogenen Daten und damit nicht nur der erhobenen Daten, sondern auch vom Verantwortlichen erzeugte personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind.

Aber: Art. 15 Abs. 3 DSGVO bezieht sich ausschließlich auf Kopien der personenbezogenen Daten.

Daher, so der GA, „kann sie zum einen kein Recht auf Zugang zu Informationen begründen, die nicht als solche eingestuft werden können, und verleiht zum anderen nicht – zwangsläufig – ein Recht auf Erhalt von Kopien von Dokumenten oder anderen Trägern, die personenbezogene Daten enthalten“.

Diese Feststellung ist meines Erachtens relevant:

  • die Kopie kann sich nur auf personenbezogene Daten beziehen (Hinweis: hier kann man weiter streiten, wann diese vorliegen)
  • der GA scheint davon auszugehen, dass ein Dokument nicht als solches direkt zum personenbezogenen Datum wird, nur weil in dem Dokument ein solches Datum enthalten ist. Ansonsten würde der zweite Halbsatz der Begründung oben keinen Sinn machen („die personenbezogene Daten enthalten“).

Systematische und teleologische Analyse

Sodann geht der GA in die systematische und teleologische Analyse über.

Abs. 1 des Art. 15 DSGVO sehe vor, dass die betroffene Person das Recht hat, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob seine personenbezogenen Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf die in den Buchst. a bis h angeführten Informationen.

Diese Bestimmung konkretisiere somit das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten und damit zusammenhängende Informationen, indem sie den genauen Gegenstand und den Anwendungsbereich des Auskunftsrechts festlegt.

Art. 15 Abs. 3 DSGVO, so der GA, regele die Modalitäten der Ausübung dieses Rechts,

indem er u. a. die Form festlegt, in der der für die Verarbeitung Verantwortliche die personenbezogenen Daten der betroffenen Person zur Verfügung zu stellen hat, nämlich in Form einer Kopie und damit einer getreuen Wiedergabe der Daten.“

Für den GA ist klar, dass Abs. 3 kein eigenständiger Anspruch des Betroffenen ist. Art. 15 Abs. 3 DSGVO definiere nicht den Gegenstand und den Anwendungsbereich des durch Abs. 1 konkretisierten Rechts auf Auskunft. Daher könne Abs. 3 diesen Anspruch auch nicht ändern oder erweitern.

Art. 15 Abs. 3 DSGVO könne daher

kein eigenständiges Recht der betroffenen Person darauf begründen“, „Informationen zu erhalten, die über die in Abs. 1 der Bestimmung genannten hinausgehen“.

Der GA fasst dann in Rz. 52 seine vorläufigen Ergebnisse zusammen:

  • dass Art. 15 Abs. 3 S.1 DSGVO keinen eigenständigen Anspruch auf Erhalt von Kopien von Dokumenten oder anderen Trägern, die personenbezogene Daten enthalten, verleiht.
  • dass diese Bestimmung der betroffenen Person kein Recht verleiht, andere als die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten Informationen über die Verarbeitung personenbezogener Daten, wie z. B. Informationen zu den für die Verarbeitung personenbezogener Daten verwendeten Kriterien, Modellen, internen (berechnungs- oder sonstigen) Regeln oder Verfahren, zu erhalten.

Danach öffnet der GA in der weiteren Begründung jedoch doch die Tür einen Spalt weit dafür, über Abs. 3 eventuell Dokumente oder Teile von Dokumenten, in denen Daten enthalten sind, zu erhalten. Er stützt sich hierbei jedoch nicht allein auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO, sondern auf die Vorgaben zu den Betroffenenrechten in Art. 12 DSGVO.

Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO ist im Licht der anderen Bestimmungen der DSGVO auszulegen. Hier ist u. a. Art. 12 Abs. 1 DSGVO relevant. Danach muss der Verantwortliche geeignete Maßnahmen treffen, um der betroffenen Person alle u. a. in Art. 15 DSGVO genannten Informationen in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln, und dass die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch erfolgt, es sei denn, die betroffene Person verlangt, dass diese mündlich erteilt werden.

Das Ziel: die betroffene Person soll in die Lage versetzt wird, die an sie gerichteten Informationen in vollem Umfang zu verstehen.

Und aus dem Erfordernis der Verständlichkeit der in Art. 15 Abs. 1 lit.. a bis h DSGVO angeführten Daten und Informationen folgert der GA,

dass nicht ausgeschlossen ist, dass es in bestimmten Fällen, um der betroffenen Person die gänzliche Verständlichkeit der an sie übermittelten Informationen zu gewährleisten, erforderlich ist, dieser Passagen von Dokumenten oder vollständige Dokumente oder Auszüge aus Datenbanken zu übermitteln.“

Das bedeutet: im Einzelfall muss der Verantwortliche eventuell dennoch Dokumente oder Teile von Dokumenten herausgeben, damit Betroffene die an sie übermittelten personenbezogenen Daten und deren Verwendung verstehen.

Es geht dem GA hier ersichtlich um den Kontext der Datenverarbeitung und wohl nicht um eine Festlegung, ob die Dokumente an sich personenbezogene Daten sind (dann müsste man sie ja ohnehin herausgeben).

Die Begründung und vorgeschlagene Vorgehensweise des GA, dürfte in der Praxis natürlich erneut zu Diskussionen und Unsicherheiten führen. Der GA verweist darauf, dass die Analyse der Notwendigkeit, Dokumente oder Auszüge zur Verfügung zu stellen, um die Verständlichkeit der übermittelten Informationen zu gewährleisten,

zwangsläufig von Fall zu Fall anhand der Art der Daten, die Gegenstand des Antrags sind, und des Antrags selbst vorgenommen werden“.

Zwar, so der GA, kann es in bestimmten Fällen für ein umfassendes Verständnis der in Rede stehenden personenbezogenen Daten erforderlich sein, den Kontext zu kennen, in dem diese Daten verarbeitet werden.

Diese Erwägung ist jedoch nicht geeignet, der betroffenen Person auf der Grundlage der in Rede stehenden Bestimmung ein allgemeines Recht auf Zugang zu Kopien von Dokumenten oder Auszügen aus Datenbanken zu verleihen“.

Systematisch führt der GA auch noch an, dass eine Auslegung von Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO dahin, dass diese Bestimmung kein allgemeines Recht auf Zugang zu Kopien von Dokumenten oder Auszügen aus Datenbanken gewährt, sofern dies nicht erforderlich ist, um die Verständlichkeit der übermittelten Daten und Informationen zu gewährleisten, auch dadurch bestätigt wird, dass das Recht auf Zugang zu Dokumenten, insbesondere zu Verwaltungsdokumenten, ausdrücklich durch andere Unionsrechtsakte oder nationale Rechtsakte geregelt wird, die andere Ziele haben als diejenigen, die den Schutz personenbezogener Daten sicherstellen.

Fazit

Als Ergebnis fasst der GA daher unter anderem zusammen:
diese Bestimmung der betroffenen Person kein allgemeines Recht verleiht auf teilweise oder vollständige Kopie des Dokuments, das die personenbezogenen Daten der betroffenen Person enthält, oder, wenn die personenbezogenen Daten in einer Datenbank verarbeitet werden, auf einen Auszug aus dieser Datenbank“.

Zum einen wird man nun sehen und warten müssen, ob und inwieweit sich der EuGH den Argumenten anschließt. Sollte die Begründung des GA so übernommen werden, dürften sich in der Praxis dennoch weiter Fragen stellen.

Insbesondere, wann ein Dokument oder zB eine Datenbank als Ganzes als personenbezogene Datum anzusehen ist. Ob es also eine Art „Infektion“ des Datums auf das ganze Dokument gibt.

Zum anderen wird in der Praxis die Frage aufkommen, wann den herauszugebende Daten eventuell nicht „verständlich“ sind und damit die Anforderungen nach Art. 12 Abs. 1 DSGVO noch nicht erfüllt sind.

Wer ist hier nachweispflichtig? Muss der Verantwortliche erahnen, dass Betroffene die Daten nicht verstehen? Sollte dies der Fall sein, bedeutet dies natürlich eine Unsicherheit für den Verantwortlichen und im schlimmsten Fall die Umkehrung der Ausnahme (Herausgabe ganzer Dokumente) zur Regel. Denn will der Verantwortliche auf Nummer sicher gehen, müsste er stets das ganze Dokument herausgeben.

Oder muss der Betroffene nachweisen, dass die Daten nicht „verständlich“ sind? Die mangelnde Fähigkeit des Verständnisses der Daten ist schließlich eine Eigenschaft, die allein in seiner Sphäre als Anspruchsteller liegt.

EDSA: Rechtgrundlage des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO als zusätzliche „Absicherung“ zu anderen Rechtsgrundlagen

Zuletzt hatte ich schon einmal aus dem Beschluss des EDSA in einem Verfahren der irischen Aufsichtsbehörde gegen Meta Platforms (bezüglich Instagram) berichtet. Nachfolgend möchte ich auf eine weitere relevante Ansicht des EDSA aus diesem Beschluss hinweisen.

Bekanntlich enthält Art. 6 Abs. 1 DSGVO verschiedene mögliche Rechtsgrundlagen für eine Datenverarbeitung. Oftmals stellt sich in der Praxis die Frage, ob ein Verantwortlicher einer Datenverarbeitung, die etwa auf Grundlage einer Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO), Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO (Vertragsdurchführung) oder Art. 6 Abs. 1 c) DSGVO (Erfüllung rechtlicher Pflichten) erfolgt, zusätzlich dieselbe Verarbeitung auch auf Grundlage der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO vornehmen kann. Dies insbesondere in solchen Fällen, in denen der Verantwortliche nicht ganz sicher ist, ob die eigentlich ausgewählte Rechtsgrundlage wirklich zu 100% erfüllt ist. Oder anders formuliert: darf ein Verantwortlicher, zur Absicherung einer Datenverarbeitung etwa auf Basis einer Einwilligung, diese Datenverarbeitung auch hilfsweise auf die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO stützen?

Die Antwort hierauf gibt nun der EDSA in seinem Beschluss.

Die deutschen Aufsichtsbehörden vertraten die Auffassung, dass ein berechtigtes Interesse im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO nicht bestehen kann, wenn der für die Verarbeitung Verantwortliche es nur für den Fall geltend macht, dass Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO auf der Grundlage des nationalen Rechts nicht auf Minderjährige anwendbar sei. Wenn also Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO als Rechtsgrundlage nicht möglich wäre.

Der EDSA schließt sich dieser Interpretation nicht an; zumindest nicht pauschal (in Rz. 105 des Beschlusses).

Der EDSA verweist auf die Stellungnahme 6/2014 der damaligen Art. 29 Datenschutzgruppe zum Begriff des „berechtigten Interesses“ und folgenden Hinweis (S. 12):

Andererseits kann eine angemessene Bewertung der Abwägung nach Artikel 7 Buchstabe f, häufig verbunden mit der Möglichkeit, von der Verarbeitung abzusehen, in anderen Fällen eine vertretbare Alternative zu einem unangemessenen Berufen etwa auf die Voraussetzung der „Einwilligung“ oder der „Notwendigkeit für die Erfüllung eines Vertrags“ darstellen. So gesehen, bietet Artikel 7 Buchstabe f zusätzliche Sicherheiten – die geeignete Maßnahmen erfordern – im Vergleich zu den anderen, vordefinierten Voraussetzungen“.

Daher, so der EDSA, scheint es nicht unmöglich, dass ein Verantwortlicher sich auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO beruft, wenn in Anbetracht der besonderen Umstände der Verarbeitung die Anforderungen der DSGVO erfüllt sind. Der EDSA erteilt hier meines Erachtens (noch) keinen Freifahrtschein dafür, stets pauschal auch Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO mit anzuwenden. Jedoch insbesondere in solchen Fällen, in denen die eigentlich angedachte Rechtsgrundlage (aus welchen Gründen auch immer) ein gewisses rechtliches Risiko birgt. Hierzu wird man etwa im Fall des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO auch den Umstand zählen können, dass ein Vertrag aufgrund spezieller nationaler Regelungen nicht wirksam wäre.  Der EDSA gesteht aber in jedem Fall ein mögliches berechtigtes Interesse auch dann zu, falls Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO dann genutzt werden soll, wenn die Voraussetzungen der eigentlich angedachten Rechtsgrundlage eventuell nicht (mehr) vorliegen – also als „Absicherung“ der Datenverarbeitung.  

§ 25 TTDSG – wem gegenüber ist eigentlich eine Einwilligung für Cookies zu erteilen?

Über das neue TTDSG und dort den § 25 TTDSG, habe ich schon einige Male berichtet. Heute möchte ich eine zunächst simpel anmutende Frage aufwerfen, die bei näherer Betrachtung eventuell nicht so einfach zu beantworten ist: wem gegenüber (also welcher Stelle) ist eine Einwilligung nach § 25 Abs. 1 TTDSG zu erteilen?

Man könnte meinen, dass das doch der Verantwortliche nach der DSGVO sein muss. Ganz klar. Vorab: es existieren verschiedenste Auslegungsmöglichkeiten. Und meines Erachtens ist es nicht zwingend der Verantwortliche nach der DSGVO.

Gesetzeswortlaut

Zunächst hilft natürlich (vermeintlich) immer der Blick ins Gesetz. § 25 Abs. 1 TTDSG lautet: „Die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, sind nur zulässig, wenn der Endnutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen eingewilligt hat. Die Information des Endnutzers und die Einwilligung haben gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 zu erfolgen“.

Die europäische Grundlage, Art. 5 Abs. 3 S. 1 ePrivacy-Richtlinie, lautet: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, nur gestattet ist, wenn der betreffende Teilnehmer oder Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen, die er gemäß der Richtlinie 95/46/EG u. a. über die Zwecke der Verarbeitung erhält, seine Einwilligung gegeben hat“.

Beim Lesen beider Vorschriften wird deutlich: es wird nicht spezifiziert, wem gegenüber die Einwilligung zu erteilen ist. Ich meine hier nicht (nur) die faktische Abgabe gegenüber einer Stelle, sondern die legitimierende Zielrichtung der Einwilligung. Welche Stelle muss also im Einwilligungstext stehen und sich auf die Wirkung der Einwilligung berufen, damit sie auf das Endgerät zugreifen kann?

Planet49-Verfahren

Sowohl in den Schlussanträgen als auch im Urteil des EuGH in der Rechtssache C-673/17 wird oft auf den „Diensteanbieter“ abgestellt.

Schlussanträge, etwa Rz. 111: „Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Informationen der Diensteanbieter im Rahmen des Erfordernisses in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58, dass der Nutzer klare und umfassende Informationen erhalten muss, zu erteilen hat und ob hierzu auch die Funktionsdauer der Cookies und die Frage zählen, ob Dritte auf die Cookies Zugriff erhalten.“ und Rz. 117: „Wie sich aus den Erwägungsgründen 23 und 26 der Richtlinie 2002/58 ergibt, ist die Funktionsdauer der Cookies ein Bestandteil des Erfordernisses einer Einwilligung in Kenntnis der Sachlage, was bedeutet, dass die Diensteanbieter „die Teilnehmer stets darüber auf dem Laufenden halten [sollen], welche Art von Daten sie verarbeiten und für welche Zwecke und wie lange das geschieht“.“.

Urteil, etwa Rz. 81: „Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58 dahin auszulegen ist, dass Angaben zur Funktionsdauer der Cookies und dazu, ob Dritte Zugriff auf die Cookies erhalten können, zu den Informationen zählen, die der Diensteanbieter dem Nutzer einer Website zu geben hat“.

Der Begriff „Diensteanbeiter“ wird in Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie aber nicht verwendet. Auch findet sich in der RL 2002/58/EG keine Definition dieses Begriffs. Ich vermute eher, dass sowohl der Generalanwalt als auch der EuGH hier die Begrifflichkeiten der damaligen Vorschriften des TMG (insb. aus § 15 Abs. 3 TMG) aus den Vorlagefragen des BGH übernommen haben. Dort war vom „Diensteanbieter“ die Rede.

Legt man diesen Begriff als Einwilligungsadressaten fest (wie gesagt, ohne, dass sich dies aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie ergibt), so müsste man sich an der Legaldefinition des § 2 Nr. 1 TMG orientieren, der wiederum eine Umsetzung von Art. 2 lit. b der eCommerce-Richtlinie (2000/31/EG) darstellt. „Diensteanbieter“ ist danach jede natürliche oder juristische Person, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet.

Folgt man diesem Weg, würde dies aber bedeuten, dass eine Einwilligung eventuell dem Betreiber einer Webseite gegenüber erteilt werden muss, obwohl dieser selbst gar keine Cookies, Tags oder ähnliches einsetzt, sondern dies durch Dritte auf der Webseite durchgeführt wird. Er es diesen Dritten also „nur“ erlaubt. Die Konsequenz wäre dann, dass Nutzer diesen Dritten gegenüber keine Einwilligung erteilen müssten/könnten, sondern dem Betreiber der Webseite. Im Ergebnis erscheint dies aber wenig sinnvoll, da der Webseitenbetreiber, wenn er das Cookie nicht selbst setzt und den Zugriff auf das Endgerät nicht steuert, keine Einwirkungsmöglichkeit auf das Tracking hat, außer dieses technisch komplett zu unterbinden, indem er den Dritten „aussperrt“. Zudem spricht gegen diese Auslegung schlicht der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie.

EDSA und alte Art. 29 Datenschutzgruppe

In der Vergangenheit haben sich bereits der EDSA und auch die Art. 29 Datenschutzgruppe mit der Frage befasst, für wen die Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie gelten; welche Stellen sie also verpflichten.

In seiner Stellungnahme 5/2019 zum Zusammenspiel zwischen der e-Datenschutz-Richtlinie und der DSGVO geht der EDSA wohl von einem weiten Anwendungsbereich der Vorschrift aus. Dort heißt es in Rz. 28: „Im Lichte dieser Zielsetzung gelten Artikel 5 Absatz 3 und Artikel 13 der e-Datenschutz-Richtlinie für Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste wie auch für Betreiber von Websites (z. B. für Cookies) oder andere Unternehmen (z. B. für Direktmarketing)“. Die Öffnung erfolgt am Ende durch „oder andere Unternehmen“. Der EDSA begrenzt den Adressatenkreis des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie ausdrücklich nur auf Betreiber einer Webseite.

Noch deutlicher war hier in der Vergangenheit die Art. 29 Datenschutzgruppe. In der Stellungnahme 2/2010 zur Werbung auf Basis von Behavioural Targeting führen die Aufsichtsbehörden auf S. 11 aus: „Darüber hinaus findet Artikel 5 Absatz 3 unabhängig davon Anwendung, ob es sich bei der das Cookie platzierenden Stelle um einen für die Verarbeitung Verantwortlichen oder um einen Auftragsverarbeiter handelt“. Diese Ansicht ist meines Erachtens zutreffen. Zum einen kennt die ePrivacy-Richtlinie nicht die Begriffe „Verantwortlicher“ und „Auftragsverarbeiter“. Zum anderen dient Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-richtlinie auch nicht dem Schutz personenbezogener Daten (deren Verarbeitung aber zwingend notwendig ist, damit etwa ein Verantwortlicher nach der alten DS-RL oder jetzt der DSGVO existiert). Diese Auslegungen sind also eher weit und beschränken sich vor allem nicht allein auf einen „Diensteanbieter“ oder Betreiber einer Webseite. Ganz deutlich wird dies auf S. 13 der Stellungnahme 2/2010: „die Verpflichtungen gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation finden auf diejenigen Anwendung, die Cookies auf den Endgeräten der betroffenen Personen platzieren und/oder Informationen von Cookies abrufen, die bereits auf diesen Geräten gespeichert sind“. Die Art. 29 Datenschutzgruppe folgt hier einem faktischen Ansatz: diejenige Stelle, die auf Informationen zugreift oder Informationen ablegt ist nach Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie verpflichtet. Ihr gegenüber muss die Einwilligung Wirkung entfalten.

Orientierungshilfen der DSK und des BayLfD

Spannend sind zudem noch die jüngsten Ansichten der deutschen Behörden.

Auf S. 4 der Orientierungshilfe der DSK aus Dezember 2021 heißt es: „Adressaten des TTDSG sind neben den Anbieter:innen von Telekommunikationsdiensten vor allem Anbieter:innen von Telemediendiensten gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 TTDSG“. Und speziell zur Einwilligung nach § 25 Abs. 1 TTDSG auf S. 19: „Die Verantwortlichkeit für die Wirksamkeit der eingeholten Einwilligungen verbleibt bei den jeweiligen Anbieter:innen des Telemedienangebotes“. Die DSK scheint also, durchaus entsprechend der nationalen Vorgabe und Definition des Begriffs im TTDSG, eine einschränkende Auslegung vorzunehmen. Verantwortlich soll der Anbieter des Telemedienangebots sein. Diese Auslegung dürfte für das TTDSG rein national nachvollziehbar sein. Die Frage ist aber, ob sie europarechtlich zwingend und vor allem mit Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richltinie konform ist. Denn stellt man allein auf den Anbieter des Telemedienangebots ab, würde man (etwa anders als die damalige Art. 29 Gruppe) solche Stellen ausschließen, dass das Telemedien nicht anbieten, aber dennoch auf diesem Cookies setzen oder anderes Tracking durchführen.

Oder anders ausgedrückt und mE für die Praxis extrem relevant: soll das bedeuten, dass der App- oder Webseiten-Betreiber dafür verantwortlich ist, dass ihm und/oder dem das Cookie platzierenden Dritten gegenüber eine wirksame Einwilligung abgegeben wird, obwohl er nicht die Stelle ist, die im Sinne des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie auf Informationen zugreift oder solche im Endgerät ablegt?

Und zum Abschluss möchte ich dann auf die, meines Erachtens eventuell im Ergebnis nicht unbedingt zur DSK abweichende, aber doch schon inhaltlich deutlichere Ansicht des BayLfD in seiner neuen Orientierungshilfe zum TTDSG eingehen. Dort heißt es in Rz. 24: „Folgerichtig ist auch der Adressatenkreis der durch die Endnutzerin oder den Endnutzer erteilten Einwilligungen beziehungsweise der Ausnahmen von der Einwilligungspflicht nach § 25 Abs. 2 TTDSG nicht auf die Telemedienanbieterinnen und Telemedienanbieter beschränkt, deren Dienste die Endnutzerin oder der Endnutzer unmittelbar in Anspruch nimmt“. Ja, richtig: „nicht auf die Telemedienanbieterinnen und Telemedienanbieter beschränkt“! Das scheint mit eine andere Auslegung, als jene der DSK. Nämlich eher im Sinne des Wortlauts von Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie. Der BayLfD gesetht in Rz. 25 aber auch zu, dass faktisch Telemedienanbieter die Hauptadressaten der Norm (§ 25 TTDSG) sind.

Fazit

Ich habe hier nur auszugsweise einige Quellen und Materialien kurz zusammengefasst. Allein auf dieser Basis zeigt sich bereits das Spektrum an Auslegungen. Die Frage, wem gegenüber inhaltlich die Einwilligung nach § 25 TTDSG zu erteilen ist, hat in der Praxis aus meiner Sicht aber extreme Relevanz. Allein wenn man an die Gestaltung von Cookie-Bannern oder ein CMP denkt. Sind wir gespannt, wie sich die Anwendung in der Praxis entwickelt.

Cookie-Einwilligung: Ist die Information, dass Dritte keinen (!) Zugriff auf Cookies haben, zwingend erforderlich?

Nach § 25 Abs. 1 TTDSG sind die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, sind nur zulässig, wenn der Endnutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen eingewilligt hat. (Hervorhebung durch mich)

Diese Information des Endnutzers und die Einwilligung haben gemäß Satz 2 nach der DSGVO zu erfolgen.

Wenn nun Unternehmen darüber nachdenken, ihre Produkte, Apps und Webseiten diesen Vorgaben anzupassen, wird sich unweigerlich die Frage stellen, welche „umfassenden Informationen“ hier zu erteilen sind?

Da § 25 TTDSG auf Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie beruht, lohnt sich natürlich ein Blick in die Rechtsprechung des EuGH zu dieser Vorschrift. In Art. 5 Abs. 3 S. 1 ePrivacy-Richtlinie ist geregelt: „… wenn der betreffende Teilnehmer oder Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen, die er gemäß der Richtlinie 95/46/EG u. a. über die Zwecke der Verarbeitung erhält, seine Einwilligung gegeben hat“.

In dem Planet49 Verfahren (C-673/17) haben sich sowohl der Generalanwalt (Schlussanträge) als auch danach der EuGH (Urteil) mit der Frage auseinandergesetzt, welche Angaben unter den „klaren und umfassenden Informationen“ zu verstehen sind.

Was gilt, wenn keine personenbezogenen Daten vorliegen?

Sowohl der Generalanwalt als auch der EuGH verweisen für die Informationspflichten auf die entsprechenden Vorgaben der alten DS-RL und der DSGVO (dort: 13, 14 DSGVO). Hier dürfte bereits eine erste Anmerkung wichtig sein: in dem Verfahren ist der EuGH davon ausgegangen, dass personenbezogene Daten vorlagen. Daher war es auch kein Problem, auf Artt. 13, 14 DSGVO zu verweisen. Für die Praxis interessant ist aber sicher die Frage, ob man die Informationspflichten der DSGVO auch (entsprechend) beachten muss, wenn „nur“ Informationen und noch keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

Zwei mögliche Lösungsansätze: entweder, man geht davon aus, dass die DSGVO mangels personenbezogener Daten keine Anwendung findet. Oder man wendet die Informationspflichten auf „Informationen“ nach der ePrivacy-Richtlinie zumindest entsprechend. Ich würde eher zur zweiten Sichtweise tendieren. Schlicht aus dem Grund, weil Art. 5 Abs. 3 S. 1 ePrivacy-Richtlinie für die zu erteilenden Informationen ausdrücklich auf die alte DS-RL und damit (nach Art. 94 DSGVO) jetzt auf die DSGVO verweist.

Spezifische Anforderungen an „klare und umfassende Informationen“ bei Cookies?

Sowohl der Generalanwalt als auch der EuGH gehen mithin davon aus, dass die allgemeinen Informationspflichten der Art. 13, 14 DSGVO zu erfüllen sind. Etwa in einer Datenschutzerklärung.

Spannend sind jedoch cookie-spezifsche Informationspflichten, die zusätzlich erfüllt werden müssen.

„Klare und umfassende Informationen“ bedeutet nach Ansicht des Generalanwalts, dass „ein Nutzer imstande ist, die Konsequenzen jeder etwa von ihm erteilten Einwilligung leicht zu ermitteln“. Und, speziell mit Blick auf Cookies: „Sie müssen detailliert genug sein, um es dem Nutzer zu ermöglichen, die Funktionsweise der tatsächlich verwendeten Cookies zu verstehen“ (Rz. 115)

Und hiervon sind zwei spezielle Merkmale umfasst:

  • die Funktionsdauer der Cookies
  • die Frage, ob Dritte auf die Cookies Zugriff erhalten (Rz. 116)

Das Merkmal der „Funktionsdauer“ erhebt der Generalanwalt sogar zum Bestandteil einer wirksamen Einwilligung. Nach seiner Ansicht hängt die Funktionsdauer des Cookies „mit den die Einwilligung in Kenntnis der Sachlage betreffenden ausdrücklichen Erfordernissen bezüglich der Qualität und Zugänglichkeit der Information für die Nutzer zusammen“ (Hervorhebung durch mich; Rz. 118).

Die Frage, ob Dritte Zugriff auf verwendete Cookies haben oder nicht, scheint aus Sicht des Generalanwalts im Grunde auch zur Einwilligung selbst zu gehören. Praxisrelevant ist die Ansicht des Generalanwalts vor allem deshalb, da er fordert, dass Nutzer „ausdrücklich darüber informiert werden, ob Dritte Zugriff auf die gesetzten Cookies haben oder nicht“ (Rz. 120). Dem Generalanwalt reicht es ausdrücklich gerade nicht aus, nur dann zu informieren, wenn tatsächlich ein Zugriff durch Dritte erfolgt. Er verlangt, dass auch eine Negativ-Information erteilt wird, dass ein solcher Zugriff nicht erfolgt.

Interessanterweise verlangt der EuGH ebenfalls, dass beide oben benannten cookie-spezifischen Informationen erteilt werden. Jedoch verknüpft er diese Anforderung sehr konkret mit dem zu beurteilenden Fall und den Zwecken der Cookies: es geht um „Cookies zur Sammlung von Informationen zu Werbezwecken für Produkte der Partner des Veranstalters eines Gewinnspiels dienen“. Nach dem EuGH „zählen Angaben zur Funktionsdauer der Cookies und dazu, ob Dritte Zugriff auf die Cookies erhalten können“ (Rz. 75) in diesem Fall zu den zu erteilenden umfassenden Informationen. Bedeutet: wenn man denn möchte, könnte man bei dem Einsatz von Cookies für andere Zwecke (zB statistische Analyse) argumentieren, dass dann nicht die strengen cookie-spezifischen Vorgaben gelten.

Das Merkmal „Funktionsdauer der Cookies“ verortet der EuGH in Art. 13 Abs. 2 lit. a DSGVO: danach sind Informationen über die Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, zu erteilen.

Interessant und meines Erachtens eventuell abweichend vom Generalanwalt ist die Ansicht des EuGH zu dem Merkmal, „ob Dritte auf die Cookies Zugriff erhalten“. Der EuGH verweist hierzu auf Art. 13 lit. e DSGVO „denn dort sind ausdrücklich die Empfänger oder Kategorien von Empfängern der Daten genannt“ (Rz. 80). Der Unterschied zur Ansicht des Generalanwalts ist, dass der EuGH nicht ausdrücklich verlangt, dass auch negativ informiert werden muss, wenn kein Zugriff erfolgt. Er bestätigt, dass Informationen dazu, „ob Dritte Zugriff auf die Cookies erhalten können, zu den Informationen zählen, die der Diensteanbieter dem Nutzer einer Website zu geben hat“ (Rz. 81). Durch den Verweis auf die DSGVO-Informationspflicht bzgl. der Empfänger kann man meines Erachtens aber argumentieren, dass dies allein eine positive Information umfasst. Wenn also tatsächlich Zugriffe auf die Cookies stattfinden (übertragen auf DSGVO: wenn Empfänger vorhanden sind). Denn Art. 13 Abs. 2 lit. e DSGVO verpflichtet gerade nicht dazu, auch zu informieren, wenn keine Empfänger vorhanden sind.

Finanzgericht: Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch

Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) hatte sich mit der Frage des Umfangs des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO und dessen Geltendmachung zum Zweck der Akteneinsicht zu befassen. Im Ergebnis lehnt das FG mit Urteil vom 26.7.2021 (Az. 10 K 3159/20) einen solchen Anspruch ab.

Sachverhalt

Vor dem FG streitig war, ob dem Kläger aufgrund von Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein Anspruch auf Akteneinsicht in die Handakten im Rahmen einer Betriebsprüfung zusteht. Der Kläger ist selbstständiger Apotheker und der Beklagte führte eine Betriebsprüfung bei diesem durch. In diesem Zuge kam es zu Besprechungen zwischen der Steuerberaterin des Klägers und der Betriebsprüferin wegen angeblicher fehlender Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Der Kläger begehrte Akteneinsicht im laufenden Verfahren, welche jedoch abgelehnt wurde. Am Ende lief es darauf hinaus, dass der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg einreichte. Zur Begründung führt er aus, die Klage richte sich gegen die Ablehnung der Akteneinsicht in die Handakte der Betriebsprüfung. Aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO folge ein gebundener Anspruch auf Übersendung der Akten an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, der nicht zeitlich eingeschränkt sei und damit auch im laufenden Betriebsprüfungsverfahren bestehe.

Entscheidung

Das FG geht davon aus, dass ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht nicht durch das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO begründet wird und lehnte die Klage als unbegründet hab.

Nach Ansicht des FG ist die DSGVO jedenfalls bei einer Betriebsprüfung, die sich neben anderen Steuerarten auch auf die Umsatzsteuer erstreckt, insgesamt anwendbar.

Danach geht das FG etwas ausführlicher als andere Gerichte in Entscheidungen zu Art. 15 DSGVO zunächst auf den Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ein.

Regelungsziel der DSGVO ist der in Art. 8 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) und Art. 16 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährleistete Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Bereits auf der Ebene der Grundrechtecharta ist das Recht jeder Person verankert, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRC).

Die Betroffenenrechte der DSGVO wurzeln in der Erwägung des europäischen Normgebers, dass der Einzelne selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen können muss. Natürliche Personen sollen daher grundsätzlich die Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen (Erwägungsgrund 7 Satz 2 zur DSGVO)

Das FG macht in seiner Begründung also zunächst deutlich, wie wichtig die Betroffenenrechte und gerade das Auskunftsrecht sind.

Das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO und das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 der Vorschrift erweisen sich damit als elementare subjektive Datenschutzrechte, da erst die Kenntnis darüber, ob und in welchem Umfang ein Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet, die betroffene Person in die Lage versetzt, weitere Rechte auszuüben

Weiter geht das FG davon aus, dass die frühere Rechtsprechung des EuGH zur Datenschutz-Richtlinie auf die Auslegung des Art. 15 DSGVO anwendbar ist. Denn der europäische Gesetzgeber wolle mit der DSGVO an die Ziele und Grundsätze der Datenschutzrichtlinie anknüpfen. Daher biete die in der Rechtsprechung vorgenommene Charakterisierung des Auskunftsanspruchs aus Art. 12 Buchst. a Datenschutz-Richtlinie auch Hinweise auf das Verständnis des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO.

Aber das Auskunftsrecht diene nach der Rechtsprechung des EuGH nicht der Schaffung eines Zugangs zu Verwaltungsdokumenten, weil dies nicht die Zielrichtung des europäischen Datenschutzrechts ist (EuGH-Urteil vom 17. Juli 2014, C-141/12, Rn. 46).

Zudem stellt das FG fest, dass die Erfüllung des Anspruchs („Ob“ der Auskunftserteilung) nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht im Ermessen der Finanzbehörde stehe. Das „Wie“ der Auskunftserteilung werde durch Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO jedoch nicht geregelt, so dass hieraus allein kein Akteneinsichtsrecht abgeleitet werden könne.

Das FG arbeitet dann nach und nach Argumente dafür heraus, was den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO von einem Akteneinsichtsrecht unterscheidet.

Einem vollumfassenden Akteneinsichtsanspruch bei der Finanzbehörde sei etwa schon aus sprachlichen Gründen zu widersprechen,

da sich Art. 15 DSGVO dem Wortlaut nach nur auf bestimmte personenbezogene Daten bezieht und nicht auf eine allgemeine Einsicht in die Akten

Zudem sei das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO auch nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch. Das Akteneinsichtsrecht beruhe vornehmlich auf dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) und soll den Anspruchsteller in die Lage versetzen, die Grundlagen einer Verwaltungsentscheidung nachzuvollziehen.

Und weiter: „Ein Akteneinsichtsrecht geht stets über ein bloßes Auskunftsrecht hinsichtlich der verarbeiteten personenbezogenen Daten hinaus; so ergeben sich aus einer Akteneinsicht regelmäßig auch rechtliche Stellungnahmen, Entscheidungsentwürfe und Berechnungen der Amtsträger, Dienstanweisungen oder Ermittlungsergebnisse, die schon dem Grunde nach nicht unter den Schutzbereich der DSGVO und des § 32c AO fallen.“

Das FG stellt hier meines Erachtens zurecht die verschiedenen Zielrichtungen und Zweck der beiden Ansprüche bzw. Rechte gegenüber. Ein datenschutzrechtlicher Anspruch kann auch ohne Akteneinsicht erfüllt werden, indem dem Betroffenen im Fall der Verarbeitung personenbezogener Daten die konkreten Daten sowie die Einzelangaben i.S. von Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO mitgeteilt werden. Diese Aussage des FG ist für die geführte Diskussion um die Reichweite des Art. 15 (sowohl Abs. 1 als auch Abs. 3) relevant.

Nach Ansicht des FG enthält die DSGVO keine Regelung über die Gewährung von Akteneinsicht, sondern lediglich über punktuelle datenschutzrechtliche Auskunftsrechte wie z.B. über die Zwecke der Verarbeitung, die Empfänger, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere Empfänger in Drittländern oder internationale Organisationen sowie falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer.

Zuletzt hält das FG die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Form der Auskunftserteilung i.S. des Art. 15 Abs. 1 DSGVO für nicht geboten.

Fazit

Die Entscheidung des FG ist meiner Ansicht nach deswegen interessant, weil das Gericht sehr wohl die Bedeutung der Betroffenenrechte und des Auskunftsrechts erkennt und herausarbeitet. Dann jedoch diesen Anspruch in seiner Zielrichtung und seinem Umfang klar von einem Akteneinsichtsrecht abgrenzt und es damit ablehnt, auf Grundlage von Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO komplette Akteninhalte (in denen sich auch personenbezogene Daten des Betroffenen befinden) herauszugeben.

Internes EDSA Dokument: Territoriale Anwendung der ePrivacy-Richtlinie und Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden

Im Rahmen der 50. Sitzung des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) vom 18.6.2021 hat das Gremium ein internes Dokument mit dem Titel „Dokument 04/2021 über Kriterien der territorialen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden für die Durchsetzung von Artikel 5 Absatz 3 der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation“ (PDF) angenommen. Im Rahmen eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten nach den Vorgaben des EU-Rechts, habe ich das Dokument nun erhalten.

Nach Angaben des federführenden Berichterstatters ziele das Dokument darauf ab, gemeinsame Kriterien für die territoriale Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden gemäß Art. 5 (3) der Richtlinie 2002/58/EG (ePrivacy-RL) festzulegen, insbesondere in Situationen, in denen ein für die Verarbeitung Verantwortlicher bzw. Diensteanbieter Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten hat.

Hintergrund

Hintergrund des Dokuments sind verschiedene Entscheidungen von Aufsichtsbehörden in Mitgliedstaaten zur Durchsetzung der Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL, also der Regelung zur Einwilligung (und den Ausnahmen) beim Einsatz von Cookies und anderen Trackingtechnologien. In dem ab 1.12.2021 geltenden § 25 TTDSG wird diese Vorgabe nun auch in deutsches Recht umgesetzt. Das EDSA-Dokument dürfte daher auch für Unternehmen von praktischer Relevanz sein, etwa im Fall ein Prüfverfahrens zum Einsatz von Cookies auf Webseiten oder in Apps, wenn ein Unternehmen mehrere Niederlassungen in der EU hat.

Inhalt

Grundsätzlich stellt der EDSA fest, dass es nach den Bestimmungen der ePrivacy-RL jedem Mitgliedstaat obliegt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Ziele der Richtlinie erreicht werden. Jedoch enthält die ePrivacy-RL keine Angaben zu ihrem räumlichen Geltungsbereich.

Der EDSA trennt in dem Dokument zwei Situationen.

Zum einen den Fall, dass ein Unternehmen Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten hat. Nach Ansicht der Datenschutzbehörden gibt die Rechtsprechung des EuGH zur territorialen Anwendung der aufgehobenen Richtlinie 95/46/EG einen Hinweis darauf, wie die territoriale Anwendung geregelt werden sollte. Der EDSA verweist hier auf die „Fanpage“-Entscheidung des EuGH, C-210/16 vom 5.6.2018. Bemerkenswert an dieser Einordnung ist freilich, dass die ePrivacy-RL diesen Verweis auf Vorgaben zum Anwendungsbereich und Zuständigkeit von Behörden nach der Richtlinie 95/46/EG gerade nicht vorsieht. Zwar stellen nach Art. 1 Abs. 2 ePrivacy-RL deren Bestimmungen eine „Detaillierung und Ergänzung der Richtlinie 95/46/EG“ dar. Gerade für den praktisch extrem relevanten Bereich des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL, passt dieser Verweis aber nicht, da es dort gerade nicht (!) um personenbezogene Daten geht.

Anknüpfungspunkt für den EDSA ist (durchaus verständlich, mit Blick auf den alten Art. 4 Richtlinie 95/46/EG) also das Vorhandensein einer Niederlassung in einem Mitgliedstaat. Daraus folgert der EDSA, dass jeder Mitgliedstaat berechtigt ist, sein nationales Recht zur Umsetzung der ePrivacy-RL durchzusetzen, „soweit es Nutzer betrifft, die sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden“. Dies bedeutet nach Auffassung der Behörden auch, dass keine Gesetzgebung zur Umsetzung der ePrivacy-RL die Aufsichtsbehörde eines anderen Mitgliedstaats daran hindern kann die Richtlinie im Einklang mit ihren innerstaatlichen Bestimmungen in Bezug auf Nutzer in ihrem Hoheitsgebiet durchzusetzen.

Der EDSA orientiert sich also tatsächlich stark an dem vorbenannten Urteil des EuGH.

Zum anderen den Fall, dass keine Niederlassung in der EU vorhanden ist. In diesem Fall, so der EDSA, kann das nationale Recht eines Mitgliedstaats andere Kriterien als die Niederlassung vorsehen, um sein nationales Recht in Bezug auf diesen für die Verarbeitung Verantwortlichen bzw. Diensteanbieter durchsetzen.

Zusammengefasst, folgt daraus aus Sicht der europäischen Datenschutzbehörden.

Wenn die Verarbeitung ausschließlich durch die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL geregelt ist, ist die für die Durchsetzung zuständige Behörde berechtigt, ihre Befugnisse auszuüben, wenn:

  • der für die Verarbeitung Verantwortliche/Dienstleister ist in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassen;
  • die Verarbeitung erfolgt im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung in ihrem Hoheitsgebiet, auch wenn die ausschließliche Verantwortung für Erhebung und Verarbeitung für das gesamte Gebiet der Europäischen Union bei einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat liegt;
  • bei Fehlen eines für die Verarbeitung Verantwortlichen/Diensteanbieters oder einer Niederlassung in ihrem Hoheitsgebiet, das nationale Recht ein weiteres Kriterium für seine Durchsetzung enthalten kann.

Aus meiner Sicht dürfte für die Praxis vor allem die Interpretation in dem zweiten Bulletpoint relevant sein, wenn also mehrere Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten vorhanden sind. Dann kommt es nach dem EDSA, auch im Anwendungsberiech des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL, auf die Frage an, ob der Zugriff auf Informationen oder das Speichern von Informationen in Endgeräten „im Rahmen der Tätigkeiten“ einer Niederlassung in dem jeweiligen Mitgliedstaat erfolgen. Ob diese analoge Anwendung der Vorgaben der Richtlinie 95/46/EG bzw. der Rechtsprechung des EuGH hierzu zwingend ist, erscheint mir jedoch (wie beschrieben) mindestens diskutabel. Zudem muss beachtet werden, dass zur Durchsetzung der e-Privacy-RL nicht zwingend die Datenschutzbehörden berufen sind. Die ePrivacy-RL eröffnet dem nationalen Gesetzgeber entsprechenden Spielraum bei der Umsetzung, was im Ergebnis bedeuten würde, die Rechtsprechung des EuGH zur Zuständigkeit von Datenschutzbehörden auf die Zuständigkeit anderer Behörden zu übertragen. Ich bin sehr gespannt, wie dieses Papier in Zukunft in Behördenentscheidungen Eingang findet.

Generalanwalt am EuGH: Inbox-Werbung bei Freemail-Diensten ist wie E-Mail-Werbung zu behandeln – Einwilligung erforderlich

Am 24. Juni 2021 hat der Generalanwalt (GA) am EuGH in der Rs. C-102/20 seine Schlussanträge vorgestellt. Sollte der EuGH der Begründung des GA folgen, würde dies eine Einwilligungspflicht auf für Inbox-Werbung bedeuten.

Hintergrund

Der BGH legte dem EuGH mit Beschluss vom 30.1.2020 (Az. I ZR 25/19) einige interessante Fragen zur Anwendung der strengen Anforderungen an E-Mail-Werbung auf sog. Inbox-Werbung vor. Fraglich war für den BGH, ob bei dieser Art von Werbeeinblendungen die Voraussetzungen für E-Mail-Werbung ebenso zu beachten sind. Dies würde im Grundsatz eine Einwilligungspflicht nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nach sich ziehen. Auslegungsgrundlage waren in den Vorlagefragen die relevanten europarechtlichen Vorschriften zur Einwilligungspflicht, also Art. 2 Abs. 2 lit. h RL 2002/58/EG (Begriff der „elektronischen Post“) und Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG.

In dem zugrundliegenden Verfahren wurde eine Werbeagentur damit beauftragt, Werbeeinblendungen in E‑Mail-Postfächern von Nutzern des kostenlosen E‑Mail-Dienstes T‑Online umzusetzen. Die Werbenachrichten erschienen im privaten Postfach eines Nutzers von T‑Online. In seiner Inbox, d. h. in dem Bereich, in dem die eingegangenen E‑Mails listenförmig angezeigt werden. Die Werbenachrichten waren in eingegangene E‑Mails eingebettet. Im Unterschied zu normalen E‑Mails war die Werbenachricht mit dem Wort „Anzeige“ versehen, grau unterlegt und enthielt weder ein Datum noch einen Absender, konnte nicht archiviert oder weitergeleitet werden und konnte auch nicht mit den vom E‑Mail-Dienstleister zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zur Bearbeitung von E‑Mails beantwortet werden. Die Einblendung der Werbenachrichte erfolgte nach dem Zufallsprinzip.

Begründung des GA

Nach Auffassung des GA erfüllt die hier streitgegenständliche Anzeige in den eingegangen Mails das Merkmal der „elektronischen Post“.

Dies ist nach Art. 2 Abs. 2 lit. h RL 2002/58/EG „jede … Text‑, Sprach‑, Ton- oder Bildnachricht“. Nach dem GA ist dieses Merkmal hier durch eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende sicherlich erfüllt (Rz 42).

Zudem muss die Nachricht „über ein öffentliches Kommunikationsnetz [verschickt]“ werden. Zweitens muss diese Nachricht „im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden“ können. Drittens muss diese Nachricht von ihrem Empfänger abgerufen werden können.

Der GA befürwortet eine Argumentation im Sinne einer funktionalen Auslegung des Begriffs „elektronische Post“, die zu der Annahme führen könnte, dass eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Voraussetzungen erfüllt. Auf jeden Fall, so der GA, dürfe dieser Begriff nicht isoliert, sondern müsse unter Berücksichtigung der Bestimmung, in der er verwendet wird, d. h. im vorliegenden Fall des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG, ausgelegt werden.

Daher befasst sich der GA nachfolgend mit den Vorgaben des Art. 13 Abs. 1. Eine Einwilligung bedürfen Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung, d. h. Nachrichten zu kommerziellen Zwecken, die sich direkt und individuell an die Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste richten. Zum anderen müssen diese Nachrichten den Nutzern durch „[d]ie Verwendung von automatischen Anruf- und Kommunikationssystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post“ zugehen (Rz. 51). Abzugrenzen sind die Vorgaben des Art. 13 Abs. 1 daher von Werbefenstern oder Bannern, die beim Aufrufen von Internetseiten erscheinen können.

Danach geht der GA zur Auslegung noch auf ErwG 67 der RL 2009/136/EG und ErwG 40 der RL 2002/58/EG ein. Danach ist für den GA deutlich, dass der Unionsgesetzgeber von einem weiten, über E‑Mails allein hinausgehenden Verständnis der elektronischen Kommunikationsmittel, mit denen Direktwerbung durchgeführt wird, ausgehen wollte (Rz. 53).

Danach wird es etwas konkreter und der GA prüft das Vorliegen der Voraussetzungen im konkreten Fall. Entscheidend sei hier, dass die in Rede stehenden Werbenachrichten ihre Adressaten tatsächlich durch die Verwendung elektronischer Post erreichen.

Vorliegend erscheinen die Nachrichten in der Inbox des Kontos eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes, d. h. an einer Stelle, die normalerweise elektronischer Post im engeren Sinne, nämlich privaten E‑Mails, vorbehalten ist.

Der Absender dieser Nachrichten bedient sich somit der elektronischen Post, um den Verbraucher zu erreichen, so dass es sich in Übereinstimmung mit dem 67. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/136, in dessen Licht Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 auszulegen ist, tatsächlich um Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung „per elektronischer Post“ handelt.“ (Rz. 54)

Die Einblendung von Nachrichten wie hier, in die Liste privater E‑Mails ist daher nach Ansicht des GA als Verwendung „elektronischer Post“ für die Zwecke der Direktwerbung einzustufen.

Und das bedeutet: es gilt das Einwilligungserfordernis des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG.

Dass die Werbeeinblendungen hier deutlich anders gestaltet sind als normale E-Mails, macht für den GA keinen Unterschied. So argumentiert der GA, dass die streitige Werbung auf derselben Ebene wie private E‑Mails erscheint. Daher komme ihr dieselbe Aufmerksamkeit zu wie die, die der Nutzer diesen privaten E‑Mails widmet. Zudem, so der GA, bestehe die Gefahr einer Verwechslung durch die Nutzer, da die Werbenachrichten Zeilen in der Inbox einnehmen, die normalerweise privaten E‑Mails vorbehalten sind und Ähnlichkeit mit privaten E‑Mails aufweisen (Rz. 55).

Auch der Umstand, dass die Werbenachricht im Gegensatz zu privaten E‑Mails grau unterlegt ist, keinen Speicherplatz einnimmt und nicht die üblichen Funktionalitäten von E‑Mails bietet, ändert für den GA nichts an seiner Einschätzung. Nach seiner Ansicht kann sich aus solchen Werbenachrichten trotzdem eine Beeinträchtigung der Privatsphäre von Nutzern eines E‑Mail-Dienstes ergeben, die Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG verhindern möchte (Rz. 56).

Der GA folgert daraus insgesamt:

Daraus folgt, dass eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende meines Erachtens in den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 fällt. Folglich ist eine solche Maßnahme der Direktwerbung unzulässig, wenn der Empfänger ihr nicht zuvor zugestimmt hat.“ (Rz. 63)

Ausblick

Wenn auch der EuGH der Begründung des GA folgt, müsste Inbox-Werbung in Zukunft nur mit vorheriger Einwilligung angezeigt werden. Eine (enge) Ausnahme mag es noch im Rahmen der Bestandskundenansprache geben (§ 7 Abs. 3 UWG). Die dortigen Voraussetzungen passen auf den hier relevanten Fall aber nicht ganz, denn so verlangt etwa Abs. 3 Nr. 1, dass ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat. Wenn aber Inbox-Werbung nach dem Zufallsprinzip (in Bezug auf de Nutzer) erfolgt, hat der Unternehmer im Zweifel gar nicht die E-Mail-Adresse des Kunden bzw. weiß er nicht, ob der Nutzer auch Kunde ist. Spannend wäre dann die Frage, ob auch die Ausnahmen nach § 7 Abs. 3 UWG (Art. 13 Abs. 2 RL 2002/58/EG) entsprechend technologieneutral ausgelegt werden dürfen.

EuGH-Urteil zur Einwilligung: Voraussetzungen der Wirksamkeit und Anforderungen an den Nachweis

Mit Urteil vom 11.11.2020 (Rechtssache C?61/19) hat der EuGH einige relevante Aussagen rund um die Wirksamkeitsanforderungen und Nachweispflichten von Verantwortlichen bei der Einholung von Einwilligungen nach der DSGVO getroffen. Zum Teil wurde das Urteil mit der Information kommentiert, dass der EuGH nur wieder einmal festgestellt habe, dass vorangekreuzte Kästchen nicht als Einwilligung taugen. Meines Erachtens enthält das Urteil jedoch durchaus mehr datenschutzrechtlichen Sprengstoff und damit Praxisauswirkungen.

Sachverhalt

Dem Urteil lag ein Verwaltungsverfahren zwischen Orange Romania und der rumänischen Datenschutzbehörde zugrunde.  Diese stellte fest, dass Orange Romania im Zeitraum vom 1. März 2018 bis zum 26. März 2018 mit natürlichen Personen Verträge über Mobiltelekommunikationsdienste in Papierform geschlossen habe, wobei diesen Verträgen Kopien der Ausweisdokumente dieser Personen angeheftet worden seien. Orange Romania habe nicht nachgewiesen, dass ihre Kunden, deren Verträgen Kopien ihrer Ausweisdokumente angeheftet gewesen seien, eine gültige Einwilligung zur Sammlung und Aufbewahrung von Kopien dieser Dokumente erteilt hätten.

Wichtig zur Einordnung des Urteils, ist die Darstellung des damaligen Verkaufsverfahrens. Es gibt zum einen Verträge, in denen das Kästchen, das die Klausel in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Dokumenten, die personenbezogene Daten mit Identifikationsfunktion enthielten, betroffen habe, angekreuzt worden sei, und zum anderen Verträge, bei denen ein solches Kreuz fehle. Orange Romania habe den Abschluss von Abonnementverträgen mit Kunden, die es abgelehnt hätten, in die Einbehaltung einer Kopie ihrer Ausweisdokumente einzuwilligen, nicht abgelehnt.

Interne Verfahren von Orange Romania zum Verkauf haben vorgesehen, dass diese Weigerung der Kunden in einem speziellen Vordruck zu dokumentieren sei, der von diesen Kunden vor Vertragsabschluss zu unterzeichnen sei.

Die Verkäufer haben die betroffenen Kunden während der Verfahren zum Abschluss Verträge vor deren Abschluss u. a. über den Zweck der Sammlung und Aufbewahrung der Kopien der Ausweisdokumente sowie über die Wahl, die die Kunden in Bezug auf diese Sammlung und Aufbewahrung hätten, unterrichtet, bevor sie mündlich die Einwilligung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung dieser Daten erhalten hätten. Das Kästchen in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Ausweisdokumenten sei allein auf der Grundlage der von den Betroffenen bei Vertragsschluss erklärten Zustimmung angekreuzt worden. Dieser Umstand ist wichtig: das Kästchen war nicht etwa per se vorangekreuzt. Es wurde aber, nach mündlicher Rückfrage beim Kunden, durch den Verkäufer (quasi für den Kunden) angekreuzt. Im Anschluss haben dann die Kunden den ganzen Vertrag, inklusive des dann natürlich schon angekreuzten Kästchens und der betreffenden Klausel zur Einwilligung unterzeichnet.

Der EuGH hatte hierauf basierend zwei Fragen zu beantworten:

  • ob unter diesen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Kunden in die Sammlung ihrer Ausweisdokumente und der Anheftung von Kopien davon an ihre Verträge gültig eingewilligt haben.
  • ob mit der Unterzeichnung eines Vertrags, in dem es eine Klausel über die Aufbewahrung von Kopien von Dokumenten, die personenbezogene Daten mit Identifikationsfunktion enthalten, gibt, das Vorliegen einer solchen Einwilligung nachgewiesen werden kann.

Entscheidung des EuGH

Wirksamkeit der Einwilligung

Zunächst stellte sich die Frage, ob die Einwilligung zur Verarbeitung der Daten in den Ausweiskopien in der hier durchgeführten Form wirksam erteilt wurde. Der EuGH prüft die Wirksamkeit sowohl anhand der alten EU Datenschutz-Richtlinie, als auch der DSGVO.

Der EuGH verweist zunächst auf ErwG 32 und auch sein Urteil in Planet 49 (C-673/17). Danach wird ausdrücklich ausgeschlossen, dass bei „Stillschweigen, bereits angekreuzte[n] Kästchen oder Untätigkeit“ eine Einwilligung vorliegt. In einem solchen Fall ist es nämlich praktisch unmöglich, objektiv zu bestimmen, ob der Nutzer einer Website tatsächlich seine Einwilligung in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten gegeben hat, indem er die voreingestellte Markierung eines Kästchens nicht aufgehoben hat, und ob diese Einwilligung überhaupt in informierter Weise erteilt wurde. Die erforderliche Willensbekundung muss zudem „für den konkreten Fall“ erfolgen, was so zu verstehen sei, dass sie sich gerade auf die betreffende Datenverarbeitung beziehen muss und nicht aus einer Willensbekundung mit anderem Gegenstand abgeleitet werden kann.

Da hier die Einwilligung innerhalb des Vertragstextes enthalten war, referenziert der EuGH zudem auf Art. 7 Abs. 2 S. 1 DSGVO wonach, wenn die Einwilligung der betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung erfolgt, die noch andere Sachverhalte betrifft, das Ersuchen um Zustimmung in einer solchen Form erfolgen muss, dass es von den anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist.

Allgemein relevant ist auch die Anforderung des EuGH an das Merkmal „in informierter Weise“ (Art. 4 Nr. 11 DSGVO). Zur Ausfüllung dieser Anforderung verweist das Gericht auf die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO. Der für die Verarbeitung Verantwortliche muss der betroffenen Person eine Information über alle Umstände im Zusammenhang mit der Verarbeitung der Daten in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zukommen lassen. Mindestinhalt der Informiertheit der Einwilligung sind danach:

  • die Art der zu verarbeitenden Daten,
  • die Identität des für die Verarbeitung Verantwortlichen,
  • die Dauer und die Modalitäten dieser Verarbeitung
  • die Zwecke, die damit verfolgt werden,

Diese Informationen müssen den Betroffenen bekannt sein. Die Informationen müssen diese Person in die Lage versetzen, die Konsequenzen einer etwaigen von ihr erteilten Einwilligung leicht zu bestimmen.

Ganz entscheidend ist auch noch der Hinweis auf die erforderliche Freiwilligkeit. Nach dem EuGH muss eine echte Wahlfreiheit bestehen. Vertragsbestimmungen dürfen die Betroffenen nicht über die Möglichkeit irreführen, einen Vertrag abschließen zu können, auch wenn sich die Person weigert, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen. Sind solche Hinweise zur Freiwilligkeit nicht vorhanden, kann die Einwilligung dieser Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten weder als freiwillig erteilt noch im Übrigen als in Kenntnis der Sachlage oder in informierter Weise erteilt angesehen werden.

Im konkreten Fall sah der EuGH diese Anforderungen nicht als erfüllt an.

Zum einen wurde die (durch das Verkaufspersonal) angekreuzte Klausel in Bezug auf die Verarbeitung dieser Daten nicht in einer Form präsentiert, die sie klar von anderen Vertragsklauseln unterscheidet. Zum anderen hegt das Gericht Zweifel, ob die Einwilligung in informierter Weise erteilt wurde. Kritisch sieht der EuGH den Umstand, dass sich die in Rede stehende Vertragsklausel darauf beschränkt, „ohne irgendeinen anderen Hinweis die Identifikation als Zweck für die Aufbewahrung der Kopien der Personalausweise anzugeben“. Der EuGH sieht hier wohl nicht alle Anforderungen der Informiertheit als erfüllt an. Dies muss aber das vorlegende Gericht feststellen.

Zudem sieht der EuGH wohl auch die erforderliche Freiwilligkeit hier kritisch. Das vorlegende Gericht muss prüfen, „ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragsbestimmungen die betroffene Person mangels näherer Angaben zu der Möglichkeit, den Vertrag trotz der Weigerung, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen, abzuschließen, hinsichtlich dieses Punkts irreführen konnten und ob damit in Frage gestellt wird, dass die in dieser Unterschrift zum Ausdruck gebrachte Einwilligung in informierter Weise und in Kenntnis der Sachlage erfolgt ist“.

Was bedeutet dies für die Praxis? Die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung bleiben hoch. Der EuGH dekliniert hier noch einmal sehr gut die wichtigsten Anforderungen an eine Einwilligung nach der DSGVO durch. Besonderes Augenmerk muss in der Praxis in jedem Fall auf eine transparente und klare Erteilung der Einwilligung, umfassende Informationen und die Sicherstellung der Freiwilligkeit und der Hinweis auf eben diese gelegt werden.

Nachweis der Einwilligung

Spannend sind sodann die Ausführungen des EuGH zu der Nachweispflicht des Verantwortlichen. Der EuGH verweist zunächst auf die Datenschutzgrundsätze. Der Verantwortliche hat nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO u. a. die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung dieser Daten zu gewährleisten. Zudem muss er, wie Art. 5 Abs. 2 DSGVO klarstellt, in der Lage sein, diese Rechtmäßigkeit nachzuweisen. Nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat, wenn die Verarbeitung auf einer Einwilligung beruht.

Vorliegend sind die Kunden nach Aussage von Orange Romania während der Verfahren zum Abschluss der Verträge vor deren Abschluss u. a. über den Zweck der Sammlung und Aufbewahrung der Kopien der Ausweisdokumente sowie über die Wahl, die die Kunden in Bezug auf diese Sammlung und Aufbewahrung hätten, unterrichtet worden. Danach hätten die Mitarbeiter mündlich die Einwilligung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung dieser Daten erhalten und das Kästchen in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Ausweisdokumenten angekreuzt.

Dies genügt dem EuGH offensichtlich nicht.

Da die betroffenen Kunden das Kästchen, das diese Klausel betrifft, anscheinend

nicht selbst angekreuzt haben, ist der bloße Umstand, dass dieses Kästchen angekreuzt wurde, nicht geeignet, eine positive Einwilligungserklärung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung einer Kopie ihrer Personalausweise nachzuweisen“.

Nach Ansicht des EuGH reicht der Umstand, dass die Kunden die Verträge mit dem angekreuzten Kästchen unterzeichnet haben,

„für sich genommen nicht aus, um eine solche Einwilligung nachzuweisen, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Klausel tatsächlich gelesen und verstanden worden ist“.

Meines Erachtens bedeutet dies für die Praxis, dass etwa allein der interne Vermerk „Kunde hat zugestimmt“ durch einen Mitarbeiter im Rahmen von Kundengesprächen nicht als Nachweis einer erteilten Einwilligung ausreicht. Dies dürfte vor allem für Telefongespräche oder auch allgemein Verkaufsgespräche relevant sein, in denen der Mitarbeiter des Unternehmens während des Gesprächs parallel zB einen Vertrag ausfüllt. Man denke hier insbesondere auch an Call-Center. Im Grunde ist das Urteil für jegliche Situation relevant, in der die Einwilligung mündlich erteilt wird.

Der EuGH sieht diese Art der Nachweisführung jedoch nicht per se als ungeeignet an. Er ergänzt ausdrücklich „sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Klausel tatsächlich gelesen und verstanden worden ist“. Das bedeutet, dass Unternehmen in der Praxis durchaus das Häkchen für den Kunden setzen dürfen, dies jedoch nur dann der Nachweispflicht genügt, wenn zusätzlich (prozessuale) Maßnahmen vorgesehen sind, die belegen können, dass der Betroffene die Einwilligung selbst und die dazugehörigen Informationen auch zur Kenntnis genommen hat. Der Nachweis, dass der Vertrag mit der entsprechenden Klausel unterzeichnet wurde, reicht nicht aus.

Die Anforderung des EuGH, dass der Kunde die Klausel wirklich auch gelesen haben muss, ist meines Erachtens eher im Sinne einer „Kenntnisnahme“ zu verstehen. Denn wir soll man als Verantwortlicher in der Praxis sicherstellen, dass ein Betroffener wirklich den Text liest? Selbst wenn man ihm die Klausel zum Lesen vorlegt, könnte er ja (salopp formuliert) nur auf das Blatt starren. In diesem Fall zu fordern, dass das Unternehmen den Nachweis des Lesens erbringt, halte ich persönlich für überspitzt.

Ergänzungen der EU-Standardvertragsklauseln – ist eine Genehmigung durch die Datenschutzbehörde wirklich erforderlich?

Nach dem Schrems II Urteil des EuGH (C-311/18) wird viel darüber diskutiert, wie die vom EuGH vorgeschlagenen „zusätzlichen Maßnahmen“ (Rz. 133) in die geltenden Standardvertragsklauseln (SCC) aufgenommen oder an diese angehängt werden können, ohne Gefahr zu laufen, dass die so ergänzten Klauseln einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürfen. Der nachfolgenden Analyse liegt stets eine geplante Ergänzung der Klauseln zu Grunde, die sich positiv auf die Betroffenen auswirken würde (auch wenn allein schon diese Frage in der Praxis nicht immer einfach zu beantworten ist).

Zum Hintergrund

Nach Art. 46 Abs. 2 lit. c) iVm Abs. 5 DSGVO können die die bisherigen SCC als geeigneten Garantien eingesetzt werden, ohne dass hierzu eine besondere Genehmigung einer Aufsichtsbehörde erforderlich wäre. Der Einsatz der unveränderten SCC ist mithin sicher genehmigungsfrei.

Die in dem Verfahren relevanten Standardvertragsklauseln (2010/87/EU) schreiben in Art. 10 vor: „Die Parteien verpflichten sich, die Klauseln nicht zu verändern. Es steht den Parteien allerdings frei, erforderlichenfalls weitere, geschäftsbezogene Klauseln aufzunehmen, sofern diese nicht im Widerspruch zu der Klausel stehen.“ (Hervorhebung nur hier)

Der EuGH geht in seinem Urteil nun aber davon aus, „die in den Standarddatenschutzklauseln enthaltenen Garantien zu ergänzen“ (Hervorhebung nur hier), um die Einhaltung des unionrechtlich verlangten Schutzniveaus zu gewährleisten (Rz. 133). Als Begründung stellt der EuGH u.a. auf ErwG 109 DSGVO ab, in dem es heißt: „[d]ie dem Verantwortlichen … offenstehende Möglichkeit, auf die von der Kommission … festgelegten Standard-Datenschutzklauseln zurückzugreifen, … den Verantwortlichen [nicht] daran hindern [sollte], ihnen weitere Klauseln oder zusätzliche Garantien hinzuzufügen“ (Hervorhebung nur hier) und dass der Verantwortliche insbesondere „ermutigt werden [sollte], [durch Ergänzung der Standarddatenschutzklauseln] zusätzliche Garantien zu bieten“.

Sowohl aus dem ErwG 109 DSGVO als auch dem Urteil des EuGH ergibt sich damit klar, dass „weitere Klauseln“ oder „Ergänzungen“ der geltenden SCC möglich, ja sogar zwingend erforderlich sein können, um ein angemessenes Schutzniveau im jeweiligen Drittland gewährleisten zu können. Zu einer daraus resultierenden Genehmigungspflicht äußert sich weder der EuGH, noch verhält sich ErwG 109 hierzu.

Woraus ergibt sich also die Ansicht, dass Ergänzungen der SCC genehmigt werden müssen? Meines Erachtens sprechen ErwG 109 DSGVO also auch die Vorgabe des EuGH zumindest nicht für eine Genehmigungspflicht.

Ansichten der Datenschutzbehörden

A.

Noch zur alten Rechtslage hat sich hierzu die AG „Internationaler Datenverkehr“ der deutschen Aufsichtsbehörden geäußert.

„Bei Änderung eines Standardvertrages, die eindeutig zugunsten des Betroffenen ausfällt, besteht u. U. keine Genehmigungspflicht nach § 4 c Abs. 2 BDSG, was durch Rückfrage bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu klären ist“.

(Abgestimmte Positionen der Aufsichtsbehörden in der AG „Internationaler Datenverkehr“ am 12./13. Februar 2007 – Bezug: Protokoll der Sitzung mit Wirtschaftsvertretern am 23. Juni 2006 Punkt II Nr. 4). Zumindest gingen die Behörden damals nicht per se von einer Genehmigungsbedürftigkeit aus. Jedoch sollte die Behörde um Rat gefragt werden.

B.

Aktueller ist die Ansicht des Landesbeauftragten für Datenschutz in Rheinland-Pfalz.

Sofern die Standardvertrags- bzw. Standarddatenschutzklauseln in unveränderter Form verwendet werden, sind die Datenübermittlungen genehmigungsfrei. Dies gilt auch noch dann, wenn ihnen weitere Klauseln oder zusätzliche Garantien hinzugefügt werden, solange diese weder mittelbar noch unmittelbar im Widerspruch zu den Standardklauseln stehen und die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen nicht beschneiden (Erwägungsgrund 109). Bei solchen Hinzufügungen sollten Unternehmen jedoch eine gewisse Vorsicht walten lassen, da im Falle eines inhaltlichen Widerspruchs zu den Standardvertrags- bzw. Standarddatenschutzklauseln die Übermittlung genehmigungspflichtig wird“ (Hervorhebungen nur hier)

Der LfDI sieht also durchaus die zulässige Möglichkeit, die SCC durch zusätzliche Klauseln (etwa Pflichten für de Importeur) zu ergänzen, ohne, dass dadurch eine Genehmigungspflicht entsteht. Zudem informiert er darüber, dass eine solche Ergänzung wohl nur dann als genehmigungsfrei angesehen wird, wenn sie nicht im Widerspruch zu den Klauseln der SCC steht.

C.

Strenger, jedoch leider ohne Begründung, ist die Ansicht des Hessischen Beauftragten für Datenschutz.

Zwar ist es möglich, die Standarddatenschutzklauseln auch in umfangreichere Vertragswerke einzubauen oder um zusätzliche Klauseln zu ergänzen. Zu bedenken ist allerdings, dass die Übermittlung der Daten nur dann genehmigungsfrei ist, wenn die Standarddatenschutzklauseln unverändert verwendet werden (Hervorhebung nur hier). Die Behörde sieht wohl also gar keine Möglichkeit, die SCC zu ergänzen, ohne, dass eine Genehmigung der Behörde erforderlich wäre. Warum dies so ist, begründet die Behörde aber leider nicht.

D.

Einen Mittelweg wählt die Aufsichtsbehörde aus NRW.

Einer besonderen Genehmigung der EU-Standardvertragsklauseln durch die LDI NRW bedarf es nicht, denn die Eignung des Vertragswerks als Garantie im Sinne des Art. 46 Abs. 1 DS-GVO folgt bereits aus der Erwähnung in Art. 46 Abs. 2 lit. c) DS-GVO . Werden allerdings einzelne Klauseln individuell verändert oder Klauseln der einzelnen Verträge miteinander vermischt, entsteht grundsätzlich ein Individualvertrag, der gemäß Art. 46 Abs. 3 DS-GVO im Kohärenzverfahren auf EU-Ebene abgestimmt und durch die Aufsichtsbehörde genehmigt werden muss. Grundsätzlich können darunter auch Ergänzungen fallen, die der Anpassung an die DS-GVO dienen (etwa zur Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 3 DS-GVO durch die EU-Standardvertragsklauseln selbst). Ob im Einzelfall keine Genehmigungspflicht und/oder Abstimmungspflicht auf EU-Ebene besteht, ist in Zweifelsfällen durch Rückfrage bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu klären.“ (Hervorhebung nur hier). Die LDI NRW tendiert wohl zu einer Genehmigungspflicht, empfiehlt jedoch, eine entsprechende Rückfrage bei der Aufsichtsbehörde zu stellen.

Eigene Interpretation

Als ich mich dem Thema genähert habe, habe ich mich zunächst gefragt, woraus sich eigentlich ergibt, dass Ergänzungen per se genehmigungsbedürftig seien? Aus der DSGVO ergibt sich dies mE nämlich nicht. Im Gegenteil sprechen die Vorgaben des ErwG 109 DSGVO meiner Ansicht nach eher für die Möglichkeit der Ergänzung, ohne Genehmigungspflicht.

Denn ErwG 109 DSGVO geht von der Möglichkeit der Verwendung der SCC (= genehmigungsfrei) aus, was den Verantwortlichen aber gerade nicht „daran hindern“ soll, ihnen weitere Klauseln oder zusätzliche Garantien hinzuzufügen, solange diese weder mittelbar noch unmittelbar im Widerspruch zu den SCC stehen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen beschneiden. Ich verstehe diese Erläuterung so, dass die Einfachheit des Einsatzes (nicht daran hindern) eben gerade nicht durch Ergänzungen aufgehoben werden soll, wenn diese Ergänzungen positiv für Betroffene sind. Denn wozu wäre sonst der letzte Teil des Satzes relevant, wenn doch jede Anpassung ohnehin genehmigt werden müsste (egal ob positiv oder negativ). Oder anders ausgedrückt: eine Genehmigungsbedürftigkeit bei positiver Anpassung würde mich als Unternehmen daran hindern, die SCC in der eigentlich vorgesehen genehmigungsfreien Form zu nutzen.

Einziger Anhaltspunkt dafür, dass Änderungen zu einer Genehmigungspflicht führen, wäre meines Erachtens die Klausel 10 der SCC selbst. Dieser Klausel steht aber derzeit ErwG 109 DSGVO und die Vorgabe des EuGH entgegen.

Klar für eine genehmigungsfreie Anpassung der SCC sprechen auch die FAQ der EU-Kommission zu internationalen Datentransfers (pdf). Auf die Frage „9. CAN COMPANIES INCLUDE THE STANDARD CONTRACTUAL CLAUSES IN A WIDER CONTRACT AND ADD SPECIFIC CLAUSES?” wird dort geantwortet (B.1.9):

Yes. Parties are free to agree to add other clauses as long as they do not contradict, directly or indirectly, the standard contractual clauses approved by the Commission or prejudice fundamental rights or freedoms of the data subjects. It is possible, for example, to include additional guarantees or procedural safeguards for the individuals (e.g. online procedures or relevant provisions contained in a privacy policy).”

Unter B.1.10 gibt die Kommission dann zu Bedenken: „Once they change the standard contractual clauses these are no longer “standard”. The companies will consequently not benefit from the specific favourable treatment attached to the standard contractual clauses”.

Fazit

Für mich ergibt sich hieraus folgendes Bild: sowohl der EuGH als auch ErwG 109 DSGVO gestatten (ja fordern) ausdrücklich die Ergänzung der Klauseln um zusätzliche Garantien bzw. Klauseln. Damit die SCC ihren genehmigungsfreien Charakter nicht verlieren, muss wohl (so verstehe ich die FAQ der Kommission) darauf geachtet werden, dass die Klauseln der SCC selbst nicht angefasst werden, sondern quasi on top noch Pflichten oder mehr Rechte vereinbart werden. In der Praxis wird es sicher nicht immer einfach sein, klar eine Trennlinie zu ziehen, ob eine neue Pflicht oder neue Klausel auch wirklich keine Änderung der SCC-Klauseln darstellt. Meines Erachtens sprechen aber gute Gründe dafür, dass bei entsprechender Ergänzung der SCC um weitere (!) und zusätzliche (!) Garantien, eine Genehmigungsbedürftigkeit nicht besteht.

Die Rolle von „Übereinkommen Nr. 108+“ im Rahmen der Prüfung des Datenschutzniveaus in Drittländern nach der DSGVO

Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schrems II (C-311/18) wird vermehrt deutlich, dass der Inhalt dieses Urteils bei weitem nicht nur Auswirkungen auf Datenübermittlungen in die USA hat. Wenn kein Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission existiert, fordert der EuGH von datenexportierenden Verantwortlichen, dass sie vor der Übermittlung prüfen, ob in dem jeweiligen Drittland ein gleichwertiges Schutzniveau für personenbezogene Daten existiert.

Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung das Übereinkommen Nr. 108+ (man spricht von „Nr. 108+“, da das alte Übereinkommen im Jahre 2018 angepasst wurde) des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (Übereinkommen Nr. 108) bei der Prüfung des Schutzniveaus in Drittländer spielt, die Vertragspartei dieses völkerrechtlichen Übereinkommens sind. Mein Kollege Philipp Quiel und ich haben uns hierzu ein paar tiefergehende Gedanken gemacht und die Vorgaben der DSGVO für ein „gleichwertiges Schutzniveau“ den Regelungen des Übereinkommen Nr. 108+ gegenübergestellt. Den Beitrag kann man hier herunterladen (PDF).

Ergänzung vom 31.8.2020: aufgrund des Feedbacks auf Twitter haben wir die gegenüberstellende Analyse um die Regelungen des Übereinkommens 108 und Informationen zum Gültigkeitsstatus ergänzt. Danke.