Verzicht auf den Auskunftsanspruch im arbeitsgerichtlichen Vergleich? Zur Abdingbarkeit von Betroffenenrechten

Bekanntlich gehört die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO in arbeitsgerichtlichen Verfahren mittlerweile „zum guten Ton“ – ob nun wirklich immer mit einer Intention des Datenschutzes oder doch eher, um Aufwände zu kreieren, sei hier dahingestellt.

In ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht 2023 (ab S. 119) befasst sich die Datenschutzbehörde des Saarlandes (LfDI) mit der relevanten Frage, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung (etwa in Form eines Vergleichs) mit dem Inhalt treffen können, dass der Betroffene auf die Ausübung seines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO verzichtet? Ob das Betroffenenrecht also zur Disposition der Parteien steht?

Datenschutz als Grundrecht – Selbstbestimmtheit der Betroffenen

Die LfDI verweist darauf, dass das europäische Datenschutzrecht Ausfluss des Grundrechts aus Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ist. Dieses Grundrecht sei wichtig – jedoch kein Grundrecht unabdingbarer Natur, wie etwa die Menschenwürde aus Art. 1 GRCh.

Die Behörde geht davon aus, dass das Prinzip der Selbstbestimmtheit des Betroffenen im Datenschutzrecht besondere Bedeutung hat. Was etwa durch das Institut der Einwilligung aus Art. 6 Abs. 1 lit. a, Art. 7 DSGVO unmissverständlich zum Ausdruck komme.

Die LfDI leitet hieraus in einem Erst-Recht-Schluss ab:

Kann der Betroffene durch eine Einwilligung zur Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten seine Zustimmung erteilen und dieser Verarbeitung dadurch eine rechtliche Grundlage verleihen, so muss er auch eine Entscheidungsbefugnis dahingehend haben, ob und in wieweit er seine hierzu im Annex stehenden Betroffenenrechte ausübt bzw. auf diese verzichtet.“

Dies gelte auch in Situationen, in denen es evtl. ein Machtgefälle bzw. Ungleichgewicht zwischen den Parteien gibt – wie im Beschäftigtenverhältnis. Die LfDI macht hier aber eine relevante Einschränkung ihrer Ansicht. Sie sieht insbesondere dort die Möglichkeit der Selbstbestimmtheit, wo es um zurückliegende Verarbeitungen in der Vergangenheit geht.

Formulierung des Vergleiches / Verzichts

Zudem befasst sich die LfDI auch mit der erforderlichen Formulierung einer solchen Vereinbarung. Grundsätzlich müssen die Formulierungen in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich natürlich hinreichend klar und bestimmt sein,

um ein datenschutzrechtliches Betroffenenrecht einvernehmlich auszuschließen“.

Auch eine sog. Salvatorische Abgeltungsklausel, mit der jegliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten sein sollen, genügt nach Auffassung der LfDI dem Bestimmtheitserfordernis.

Auch wenn sich die Vereinbarung dem Wortlaut nach „nur“ auf Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ bezieht, ist dies nach Auffassung der Behörde unschädlich, da das Arbeitsverhältnis gerade Grundlage der Datenverarbeitung ist. Der Bezug zum „Arbeitsverhältnis“ umfasst danach nicht nur arbeitsrechtliche Ansprüche im engeren Sinne,

sondern auch solche datenschutzrechtlicher Art, welche mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen und für welche das Arbeitsverhältnis Verarbeitungsgrundlage war“.

Jedoch macht die LfDI noch eine Einschränkung.

Der Verzicht auf das Betroffenenrecht könne sich nicht auf solche Verarbeitungen beziehen, die der Betroffene noch nicht absehen kann. Hier müsse er weiterhin einen Auskunftsanspruch haben.

Mit Blick auf die Begründung zuvor, dass es sich um Ansprüche aus dem „Arbeitsverhältnis“ handeln muss, scheint die LfDI also eine Grenze zu solchen Verarbeitungen zu ziehen, die erst in Zukunft stattfinden würden.

Insgesamt stellt die Aufsichtsbehörde aber am Ende ihrer Ausführungen noch einmal fest:

Auskunftsansprüche über Datenverarbeitungen der Vergangenheit, genauer über solche Verarbeitungen, welche aus zeitlich vor dem hierauf gerichteten Vertragsschluss (Vergleichsschluss) resultierenden Datenerhebungen stammen, stehen indes grundsätzlich zur Disposition der Vertragsparteien“.

Fazit

Die LfDI vertritt eine, aus meiner Sicht, durchaus pragmatische und eher verantwortlichenfreundliche Position zur Frage, ob Betroffenenrechte abdingbar sind. Wichtig ist der Behörde zurecht eine klar verständliche und transparente Regelung hierzu. Zudem will die LfDI den Verzicht auf das Betroffenenrecht „nur“ für vergangene Verarbeitungen gelten lassen. Wichtig: ob der Betroffene von den vergangenen Verarbeitungen auch tatsächlich Kenntnis hat, scheint keine Voraussetzung aus Sicht der Behörde zu sein.

Spannend wäre jetzt natürlich die Diskussion, ob die Argumentation der LfDI auf andere Betroffenenrechte übertragbar ist (zB das Recht auf Löschung oder Berichtigung) – aus meiner Sicht schon. Zum einen beschränkt die LfDI ihre Ansicht nicht nur auf das Auskunftsrecht. Zum anderen sind die vorgebrachten Argumente durchaus auch für andere Betroffenenrechte anwendbar.  

Bundesverwaltungsgericht Österreich wendet EDSA-Leitlinien zur Berechnung von Geldbußen an

Datenschutzbehörden verwenden zur Berechnung von Geldbußen bekanntlich die EDSA-Leitlinien 04/2022 vom 24.5.2023. Gleichzeitig wissen wir, dass Leitlinien des EDSA keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung für Verantwortliche, Auftragsverarbeiter oder auch nationale Gerichte haben. Der EDSA selbst stellte dazu bereits 2021 fest: „In dieser Hinsicht spiegeln die Leitlinien und Empfehlungen des EDPB, obwohl sie an sich nicht verbindlich sind, den gemeinsamen Standpunkt und das gemeinsame Verständnis wider, das die Behörden einheitlich anwenden wollen“. (Stellungnahme des EDSA).

Dennoch stellen die Leitlinien des EDSA in der Praxis, aber auch in gerichtlichen Verfahren, eine wichtige Ansicht dar, die auch von Generalanwälten am EuGH zur Auslegung der DSGVO verwendet werden (vgl. etwa Rz. 28 in der Rs. C-307/22, zu den Leitlinien 01/2022).

Für die Wirkung und auch rechtliche Bedeutung von Leitlinien relevant ist daher eine neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) aus Österreich vom 26.3.2024 (Gz. W137 2241630-1).

In dem Verfahren ging es um eine Geldbuße der österreichischen Behörde auf Grundlage von Art. 83 DSGVO. Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Verfahren dann zunächst aus, bis der EuGH in der Rechtssache Deutsche Wohnen (C-807/21) entschieden hatte. Danach wurde das Verfahren inhaltlich fortgesetzt.

Das BVwG teilte den Parteien nach der Fortsetzung der Verhandlung mit, dass das Gericht bei der Frage der Bemessung der Geldbuße die Leitlinien 04/2022 zumindest mit heranziehen wird.

Dabei wurde den Verfahrensparteien bekannt gegeben, dass sich der Senat bei der allfälligen Strafbemessung an den Leitlinien 04/2022 für die Berechnung von Geldbußen im Sinne der DSGVO des Europäischen Datenschutzausschusses, Version 2.1; angenommen am 24. Mai 2023 (auch „Guidelines“ des EDPB) orientieren werde.“

Hiergegen scheint keine der Verfahrensparteien Einwände gehabt zu haben oder rechtliche Argumente gegen die Anwendung der Kriterien des EDSA vorgebracht zu haben.

Bei der konkreten Berechnung der Geldbuße hat das BVwG die Leitlinien des EDSA auch verwendet – wohl aber nicht allein die Leitlinien, da das Gericht davon spricht, dass es diese „ergänzend…herangezogen“ hat.

Das Bundesverwaltungsgericht hat ergänzend die Leitlinien 04/2022 des Europäischen Datenschutzausschusses  als Berechnungsgrundlage herangezogen, die bei – hier gegebenem geringem Schweregrad („low level of seriousness“) – und der oben festgehaltenen Umsatzgröße einen statischen Strafrahmen von bis zu EUR 500.000 annehmen, wobei der konkrete Umsatz im unteren Drittel der Bandbreite (100 Millionen bis 250 Millionen Euro) liegt“.

Was lässt sich aus dieser Entscheidung des BVwG ableiten?

Das Gericht scheint zum einen keinerlei rechtliche Bedenken hinsichtlich der Anwendung der Leitlinien zur Berechnung von Geldbußen zu haben. Zum anderen wird die dort vorgeschlagene Berechnungsmethode vom BVwG verwendet (was für das betroffene Unternehmen im Übrigen auch nicht immer „schlecht“ sein muss). Daher scheint das Gericht also auch die vorgeschlagene Berechnung des EDSA auf Basis des Art. 83 DSGVO als schlüssig anzusehen. Zumindest ergeben sich aus der Entscheidung des BVwG keine Hinweise darauf, dass das Gericht die Vorschläge des EDSA inhaltlich als unzulässig oder mit der DSGVO nicht vereinbar ansieht. Im Ergebnis wird man die Entscheidung des BVwG daher auch als eine Art „Bestätigung“ der vom EDSA vorgeschlagenen Berechnungsmethode ansehen können.

Verwaltungsgericht Stuttgart: DSGVO-Auskunft über gelöschte Daten oder Löschprotokolle?

Mit Urteil vom 30.11.2023 (Az. 11 K 3946/21) hat sich das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart sehr umfassend mit dem Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO befasst. Eventuell berichte zu weiteren Aspekten des Urteils noch nachfolgend im Blog. Heute möchte ich nur einen kleinen Aspekt beleuchten.

In dem Verfahren verlangte der Kläger von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Hierbei ging es u.a. um die Frage, ob der Verantwortliche auch Auskunft über gelöschte personenbezogene Daten erteilen muss.

Das VG vertritt hierzu die einzig richtige Ansicht:

Was nicht mehr existiert, kann nicht beauskunftet werden.“

Zwar stelle nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch das Löschen von Daten eine „Verarbeitung“ personenbezogener Daten dar. Vollständig gelöschte Daten können allerdings denklogisch nicht Anknüpfungspunkt des Auskunftsanspruchs aus Art 15 Abs. 1 2. Hs. i.V.m. Abs. 3 DSGVO sein.

Interessant und auch konsequent ist aber die Auffassung des VG hinsichtlich der Auskunft zu vorhandenen Löschprotokollen.

Das Gericht verweist darauf, dass, wenn ein Löschungsvorgang jedenfalls seinem Umfang nach noch dokumentiert und gespeichert ist, dies ein (einzelnes) personenbezogenes Datum über den Betroffen darstelle.

Das VG erläutert diese Ansicht auch an einem Beispiel: eine Dokumentation eines Löschungsvorgangs wie „Löschungsvorgang am XX.XX.XXXX: alle vom Kläger eingereichten Belege aus dem Kalenderjahr XXXX und davor“ sei dann vom Auskunftsrecht umfasst, wenn sich diese Information noch auf den Betroffenen beziehen lasse. Aus meiner Sicht ist die Auffassung des VG richtig. Denn eine Information „Daten 1,2,3 von Carlo Piltz wurden am XX.XX.XXXX gelöscht“ oder auch die Angabe „Von der Person erhaltene Dokumente aus 2020 wurden gelöscht„, bezieht sich auf eine natürliche Person, wenn intern nachvollzogen werden kann, wer diese Person ist.

Leider geht das VG hier nicht darauf ein, ob die Ausnahmevorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 2 b BDSG greifen würde. Danach besteht das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO nicht, wenn Daten ausschließlich Zwecken der Datenschutzkontrolle dienen und die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde sowie eine Verarbeitung zu anderen Zwecken durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen ist.

Werden Löschprotokolle zum Nachweis aufbewahrt, dass Daten tatsächlich gelöscht wurden, stellt dies auch meiner Sicht eine Maßnahme zu „Zwecken der Datenschutzkontrolle“ dar – ob also der Löschverpflichtung nachgekommen würde. Natürlich müsste der Verantwortliche, um sich auf die Ausnahme berufen zu können, dann aber auch die übrigen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Nr. 2 b BDSG erfüllen.

Schwedische Datenschutzbehörde: Umsetzung eines Widerspruchs gegen Werbe-E-Mails innerhalb von 2 Tagen

In einer Entscheidung vom 17.10.2023 hatte sich die schwedische Datenschutzbehörde (IMY) mit mehreren Beschwerden gegen das Unternehmen H&M wegen unzulässiger Marketing-E-Mails und Newsletter befasst. Unter anderem ging es um die Frage, wie schnell ein Verantwortlicher einen Werbewiderspruch nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO umsetzen muss.

Sachverhalt

Ein Betroffener beschwerte sich, dass er am 5. April 2019 einen Widerspruch nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO gegenüber H&M ausgeübt hatte, in der Folgezeit aber weiterhin werbliche E-Mails, in der Form von Newslettern, erhielt.

Der Widerspruch erfolgt wohl einmal in den Kontoeinstellungen und auch durch direkte Kontaktaufnahme mit dem Kundenservice in Polen und England. Am 8. April 2019 antwortete H&M, dass der Betroffene keine weiteren Newsletter erhalten würde.

Intern wurde der Betroffene wohl auch vom allgemeinen Newsletter genommen. Aber nicht von einem speziellen Kundenclub-Newsletter. Der Betroffene erhielt weiter bis zum 1. August 2019 diese Newsletter zugesendet – also ca. 4 Monate. Am 2. August 2019 wurde der Widerspruch dann auch für den Kundenclub-Newsletter umgesetzt.

Entscheidung der IMY

In ihrer Begründung stellt die IMY zunächst die gesetzlichen Anforderungen für diesen Fall dar.

Nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten zum Zwecke von Werbung einzulegen. Es bedarf hierzu keiner weiteren Abwägung durch den Verantwortlichen oder Begründung durch den Betroffenen. Erfolgt der Widerspruch, so gibt Art. 21 Abs. 3 DSGVO vor, dass die personenbezogenen Daten nicht mehr für diese Zwecke verarbeitet werden dürfen.

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde folgt hieraus, dass eine weitere Verwendung der Daten für werbliche Zwecke einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO darstellt, da hierfür keine Rechtsgrundlage vorliegt.

Die Umsetzung des Werbewiderspruchs stellt aus Sicht der IMY eine Routineaufgabe für Verantwortliche dar, da gerade keine weiteren Voraussetzungen zur Umsetzung des Widerspruchs zu erfüllen sind.

Zudem verlangt Art. 12 Abs. 3 DSGVO, dass der Verantwortliche der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung stellt. Die IMY versteht diese Vorgabe so, dass der Verantwortliche unverzüglich den Werbewiderspruch zu bearbeiten und umzusetzen hat.

Die IMY legt hier einen strengen Maßstab an die zeitliche Umsetzung des Widerspruchs in den Systemen von H&M an. Die Aufsichtsbehörde verweist darauf, dass H&M ein automatisiertes Verfahren zur Umsetzung von Widersprüchen implementiert hatte.

Es sei aber stets eine Frage des Einzelfalls und der konkreten Umstände, wie schnell der Verantwortliche den Widerspruch umsetzen muss – wie also die Vorgabe „unverzüglich“ zu verstehen ist.

Im konkreten Fall nahm die Aufsichtsbehörde an:

In Anbetracht der Umstände des Falles ist IMY der Ansicht, dass zwei Tage eine angemessene Frist für die Bearbeitung des Widerspruchs durch das Unternehmen waren

Die IMY begründet ihre Ansicht unter anderem damit, dass hier gerade ein automatisiertes Verfahren eingerichtet wurde. Die Frist könnte etwa im Fall von manuellen Umsetzungen eine andere sein. Zwei Tage sind also nicht als starre Vorgabe zu verstehen. Zudem dürfte hier auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass es sich um ein großes Unternehmen handelt, welches viele Kunden weltweit hat und daher Widersprüche an sich nichts Besonderes darstellen.

Generell fordert die Aufsichtsbehörde, dass Widersprüche nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO schnell umzusetzen sind, da entsprechend Abs. 3 gerade verhindert werden soll, dass die Daten für werbliche Zwecke weiter verarbeitet werden.

Insgesamt ging die Aufsichtsbehörde hier von Verstößen gegen Art. 12 Abs. 3, Art. 21 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 DSGVO aus.

Bußgeld in Höhe von 310.000 EUR: Einkauf und Verwendung von Datensätzen (Leads) für Werbezwecke ohne rechtmäßige Einwilligung

Die französische Aufsichtsbehörde (CNIL) hat ein Bußgeld in Höhe von 310.000 EUR gegen das Unternehmen FORIOU erlassen, weil das Unternehmen personenbezogene Datensätze ohne Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO für Marketingzwecke verwendet hat (Pressemitteilung der CNIL). Der konkrete Fall an sich mag „wenig spannend“ klingen, jedoch sind die der Entscheidung zugrunde liegenden Ansichten der CNIL generell praxisrelevant für den Umgang mit Daten von Kunden oder potentiellen Neukunden.

Entscheidung der CNIL

FORIOU führt telefonische Akquisitionskampagnen durch, um die von ihm vermarkteten Treueprogramme und -karten zu bewerben. Die Daten der potentiellen Interessenten kauft das Unternehmen von Datenmaklern und Betreibern von Websites für Gewinnspiele und Produkttests. Im Grunde also ein recht alltäglicher Vorgang in der heutigen digitalen Wirtschaft – der Einkauf von Leads / Datensätzen für Werbezwecke.

Die CNIL stellte im Rahmen einer Untersuchung jedoch fest, dass FORIOU keine Rechtsgrundlage, in Form einer wirksamen Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO, für die Verwendung der Daten nachweisen konnte. Hierbei lag der Fehler nicht nur bei dem werbenden Unternehmen selbst – die Datensätze / Leads waren quasi schon ohne ausreichende Rechtsgrundlage erhoben und mit diesem Makel der „Rechtswidrigkeit“ an FORIOU verkauft worden. Folgende Verstöße legte die CNIL dem Unternehmen zur Last:

  • Irreführende Darstellung der Formulare zur Datenerhebung und Einholung einer (unwirksamen) Einwilligung bei den Datenlieferanten.
  • Die Zustimmungs-Schaltflächen, mit denen die Betroffenen die Einwilligung in die Weitergabe und werbliche Nutzung ihrer Daten erteilen sollten, wurden (durch ihre Größe, Farbe, Überschrift und Position) viel größer und deutlicher hervorgehoben, als die Ablehnungsmöglichkeit.
  • Zudem ist FORIOU, als Käufer der Daten, nach der DSGVO verpflichtet, sich zu vergewissern, dass die betroffenen Personen eine gültige Einwilligung erteilt haben.
  • Zwar habe FORIOU seinen Datenlieferanten im Vorfeld bestimmte vertragliche Anforderungen auferlegt – diese jedoch im weiteren Verlauf nicht wirksam kontrolliert.
  • Zudem wurde FORIOU nicht in jedem Formular als Partner / Unternehmen erwähnt, welches die Daten für werbliche Nutzungszwecke erhält.

Fazit

Die Entscheidung der CNIL knüpft inhaltlich an die festgestellten Verstöße im vergangenen Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen CRITEO an. Für die Praxis bedeutet dies, dass Unternehmen, wenn sie personenbezogene Daten von Datenlieferanten, Partnern oder auch Konzerngesellschaften erhalten, stets selbst dafür Sorge tragen müssen, dass eine Rechtsgrundlage für den intendierten Nutzungszweck vorhanden ist.

Datenschutzbehörde Baden-Württemberg: neue Handreichung zu „Drittstaatentransfers“ – wann liegt eine „Übermittlung“ vor und wie muss darüber informiert werden?

Der LfDI Baden-Württemberg hat mit Stand Januar 2024 „Handreichung zu Kapitel V der DS-GVO“ veröffentlicht. Darin erläutert die Datenschutzbehörde ihre Position zu einigen praxisrelevanten Themen rund um Datentransfers in Drittländer außerhalb der EU. Nachfolgend betrachte ich beispielhaft zwei Aspekte der Handreichung.

Wann liegt eine „Übermittlung“ personenbezogener Daten vor?

Die Antwort auf diese Frage ist schon länger umstritten – u.a. auch, weil die DSGVO nicht definiert, was unter einer „Übermittlung“ im Sinne von Kap. V DSGVO zu verstehen ist.

Der LfDI geht für Fallkonstellationen des Zugriffs aus Drittländern auf Daten innerhalb der EU davon aus,  

„dass es sich auch beim Einräumen einer faktischen Zugriffsmöglichkeit aus dem Drittstaat (beispielsweise für administrative oder Supportzwecke) um einen Transfer gemäß Kapitel V DS-GVO handeln kann, zumindest dann, wenn der Zugriff später auch tatsächlich erfolgt.“

Wichtig sind bei dieser Ansicht zwei Aspekte:

  • Es „kann“ sich um eine Übermittlung handeln. Es liegt daher damit nicht per se bei Zugriffsmöglichkeit eine Übermittlung vor.
  • Und: dies ist nur der Fall, wenn der Zugriff auf Daten auch tatsächlich erfolgt.

Gerade die zweite Anforderung des LfDI ist aus meiner Sicht zu begrüßen. Denn hiermit positioniert sich die Behörde klar gegen Auslegungen, die bereits allein eine Zugriffsmöglichkeit als „Übermittlung“ ansehen wollen. Die Datenschutzbehörde verlangt aber klar, dass faktisch ein Zugriff erfolgen muss – die Möglichkeit allein genügt nicht.

Wie muss in Datenschutzhinweisen über Drittlandstransfers informiert werden?

Nach Art. 13 Abs. 1 f) DSGVO muss der Verantwortliche „gegebenenfalls“ über die Absicht informieren, die personenbezogenen Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation zu übermitteln, sowie das Vorhandensein oder das Fehlen eines Angemessenheitsbeschlusses der Kommission oder im Falle von Übermittlungen gemäß Art. 46 oder Art. 47 oder Art. 49 Abs. 1 Unterabsatz 2 DSGVO einen Verweis auf die geeigneten oder angemessenen Garantien und die Möglichkeit, wie eine Kopie von ihnen zu erhalten ist, oder wo sie verfügbar sind.

In dieser gesetzlichen Anforderung stecken mehrere (alternative) Informationspflichten. Information über

  • die Absicht, personenbezogene Daten zu übermitteln
  • das Vorhandensein oder das Fehlen eines Angemessenheitsbeschlusses
  • die geeigneten oder angemessenen Garantien nach Art. 46 oder Art. 47 oder Art. 49 Abs. 1 Unterabsatz 2 DSGVO und die Möglichkeit, wie eine Kopie von ihnen zu erhalten ist, oder wo sie verfügbar.

Zum zweiten Punkt vertritt etwa die irische Aufsichtsbehörde die Ansicht, dass die Information auf jeden Fall erteilt werden muss, auch wenn sie nur negativ ausfällt weil es keinen Angemessenheitsbeschluss gibt (z. B.: „Für das Land XYZ liegt kein Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission vor“) (vgl. hier meinen Blogbeitrag).

Der LfDI Baden-Württemberg setzt in seiner Handreichung voraus, dass 1) eine namentliche Nennung des Empfängerlandes und 2) des eingesetzten Transferinstruments erfolgen muss. Dies bedeutet für Datenschutzhinweise, dass diese sowohl das oder die konkreten Drittländer benennen müssen. Daneben muss auch konkret für das jeweilige Drittland angegeben werden, ob und welcher  Angemessenheitsbeschluss vorliegt oder aber z.B. die EU-Standarddatenschutzklauseln verwendet werden.

Wichtig: die irische Aufsichtsbehörde legt die Anforderungen des Art. 13 DSGVO in der Weise aus, dass es nicht ausreicht, einfach einen Link zu einer allgemeinen Webseite der Europäischen Kommission zu setzen. Die betroffene Person sollte vielmehr in der Lage sein, auf das jeweilige Dokument, auf das man sich beruft, zuzugreifen. Also etwa per Link auf den konkreten Angemessenheitsbeschluss.

Neuer Referentenentwurf: Recht (Pflicht) auf Verschlüsselung bei Telemedien? Unklare Vorschläge und Risiko der Europarechtswidrigkeit

Das Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) hat mit Stand 07.02.24 einen Referentenentwurf für ein erstes Gesetz zur Änderung des Telekommunikation- Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) erarbeitet (netzpolitik.org hat den Entwurf veröffentlicht). Ziel der vorgeschlagenen Regelungen (zumindest laut der Begründung): sog. nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste (also etwa E-Mail- Dienste, Messengerdienste und Chat-Dienste) sollen dazu verpflichtet werden, als Standard eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anzubieten. Also eine Pflicht zur Verschlüsselung.

Für die breitere Praxis relevant, weil Telemedien (also insbesondere Online-Angebote) erfasst sind: „das Gleiche“ soll für die Speicherung von Informationen im Rahmen der Nutzung von Cloud-Diensten gelten. Das betrifft aber (anders als man meinen mag) nicht nur die „Großen“ wie AWS, Azure oder Apple.

Nachfolgend möchte ich kritisch auf einige Aspekte des Entwurfs konkret bezogen auf Cloud-Dienste eingehen.

Geplante Vorgabe, § 19 Abs. 6 TTDSG
Es soll ein neuer § 19 Abs. 6 TTDSG eingefügt werden:

(6) „Anbieter von Telemedien, deren Dienstleistung darin besteht, vom Nutzer von Te- lemedien bereitgestellte Informationen für diesen auf einem Datenspeicher zum Abruf bereitzuhalten, informieren den Nutzer über die Möglichkeit einer durchgehenden und sicheren Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen, die gewährleistet, dass die Informationen nur vom bereitstellenden Nutzer gelesen werden können.“

Adressiert werden hier gerade nicht nur die (kleinere) Gruppe von nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdiensten, sondern allgemein Anbieter von Telemedien (etwa Webseiten und Apps), die aber zusätzlich noch als Leistung das Speichern von Informationen anbieten müssen. Diese Fallgruppe kann aber ziemlich umfassend sein, wenn man etwa Angebote (B2B und auch B2C) in den Blick nimmt, die für ihre Nutzer z.B. Rechnungen und Belege zum Abruf bereithalten, das Hochladen von Fotos und Videos ermöglichen oder Kundenkonten und dort enthaltene Angaben speichern etc.

Pflicht zur Verschlüsselung?
Unklar ist aber bereits, ob für diese Anbieter

  • eine Pflicht zur Verschlüsselung,
  • eine Pflicht zum Vorhalten der Möglichkeit der Verschlüsselung oder
  • nur eine Pflicht zur Information über eine mögliche Verschlüsselung
    geschaffen werden soll.

§ 19 Abs. 6 TTDSG spricht eher für eine reine Informationspflicht. „informieren den Nutzer über die Möglichkeit einer durchgehenden und sicheren Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen, …“ Dies würde dann aber auch kein „Recht auf Verschlüsseung“ für Betroffene schaffen.

So wird auch in der Begründung zu § 19 Abs. 6 TTDSG (S. 12 des Entwurfs) ausgeführt: „In § 19 Absatz 6 wird eine Informationspflicht hinsichtlich der Möglichkeiten einer sicheren und durchgehenden Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen bei der Nutzung von Cloud-Speichern eingeführt“.

Ganz anders lautet dagegen die Begründung in Teil A des Entwurfs (S. 7): „Das Recht auf Verschlüsselung wird hier für solche Clouddienste geregelt, die als Speicherdienste fungieren, die von den meisten Unternehmen, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern zunehmend genutzt werden…“ und „Anbieter von Clouddiensten sollten zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Cybersicherheit im Rahmen ihrer technischen und organisatorischen Vorkehrungen gewährleisten, dass die Nutzer solcher Dienste die gespeicherten Informationen mit einer sicheren und durchgängigen Verschlüsselung schützen können“.

Hier wird vorgegeben, dass Anbieter zumindest die Verschlüsselung „gewährleisten“ müssen.

Danach wird aber wieder einschränkend erläutert: „Das Recht auf Verschlüsselung ist hier eine Informationspflicht des Anbieters, da die Verschlüsslung in den Händen des jeweiligen Nutzers liegt.“

Mir ist daher aktuell nicht klar, welche konkreten Pflichten für die betroffenen Anbieter von Telemedien mit dem Entwurf vorgesehen werden sollen.

Welche Art der Verschlüsselung?
Doch die Unklarheiten des Vorschlags gehen weiter.

§ 19 Abs. 6 TTDSG spricht von einer „durchgehenden und sicheren Verschlüsselung“. Das ist etwas anderes, als die in dem vorgeschlagenen § 2 Abs. 2 Nr. 7 TTDSG eingefügte Legaldefinition der „sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“.

Hätte der Entwurfsverfasser auch in § 19 Abs. 6 TTDSG eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gemeint, hätte man dies dort erwähnen können (bzw. müssen). Denn an anderer Stelle des Entwurfs wird der Begriff ja sogar gesetzlich definiert. Da in Abs. 6 aber gerade diese Art der Verschlüsselung nicht erwähnt wird, muss es sich um eine andere Form der Verschlüsslung handeln. Eventuell „nur“ eine Transportverschlüsselung? Der Entwurf lässt potentielle Adressaten hierüber im Unklaren.

Widersprüchlich ist leider auch erneut die Begründung des Entwurfs. Auf S. 1 heißt es: „sollen nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste dazu verpflichtet werden, ihre Telekommunikationsdienste als Standard mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüs- selung anzubieten. Das Gleiche gilt für die Speicherung von Informationen im Rahmen der Nutzung von Cloud-Diensten,…

Hier wird also auf eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung abgestellt – die im vorgeschlagenen Normtext aber gerade fehlt.

Fehlende Regelungskompetenz – Verstoß gegen die DSGVO
Neben diesen inhaltlichen Mängeln des Vorschlags, schwebt über der angedachten Regelung in § 19 Abs. 6 TTDSG aber meines Erachtens ohnehin das Damoklesschwert der Europarechtswidrigkeit (wie im Übrigen über dem ganzen § 19 TTDSG).

Nach der Begründung des Entwurfs und auch des Textes zu § 19 Abs. 6 TTDSG sollen „bereitgestellt Informationen“ verschlüsselt werden.

Personenbezogene Daten erfasst? DSGVO anwendbar
Aufgrund der weite dieses Begriffs, dürften hiervon natürlich auch personenbezogene Daten (z.B. Bilder, Videos, Rechnungen in Kundenkonten etc.) erfasst sein. Oder anders ausgedrückt: wenn der Vorschlag aus dem BMDV überhaupt nicht personenbezogene Daten beim „Recht auf Verschlüsselung“ umfassen würde, könnte man die Initiative im Bereich Cloud-Dienste wohl gleich wieder beerdigen, da es nur wenige Anwendungsbereiche gäbe.

Wenn aber § 19 Abs. 6 TTDSG auch personenbezogene Daten umfasst, wird sich hinsichtlich der Stoßrichtung des Vorschlags eine ganz entscheidende Frage stellen:

  • ist mit der Regelung eine Pflicht zur Verschlüsselung oder
  • mindestens eine Pflicht zum Vorhalten von Verschlüsselungsmöglichkeiten vorgesehen?

Kollision mit Vorgaben des Art. 32 DSGVO
Sollte eine dieser Fragen mit „ja“ beantwortet werden, kollidiert die Regelungen mit den unmittelbar geltenden Vorgaben der DSGVO, insbesondere Art. 32 DSGVO, der gerade keine Pflicht zur Verschlüsselung vorsieht. Nach Art. 32 Abs. 1 DSGVO treffen der Verantwortliche und Auftragsverarbeiter unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Art. 32 Abs. 1 a) DSGVO sieht beispielhaft die Verschlüsselung vor – aber nicht verpflichtend.

§ 19 Abs. 6 TTDSG würde also, wenn man hier eine Pflicht schaffen will, von den Vorgaben des Art. 32 DSGVO abweichen. Wohl im Sinne einer „strengeren“ Regelung.

Abweichung möglich? Keine Öffnungsklausel
Die DSGVO gilt als EU-Verordnung unmittelbar in Deutschland. Soweit ihr Anwendungsbereich betroffen ist, also personenbezogene Daten verarbeitet werden, soll die DSGVO nach Ansicht des EuGH (vgl. etwa C-319/20, Rz. 57) eine grundsätzlich vollständige Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sicherstellen. Verordnungen nach Art. 288 AEUV haben sowie aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären (Rz. 58).

Von dieser Regel gibt es in der DSGVO aber Ausnahmen. Der EuGH hat hierzu geurteilt, dass einzelne Bestimmungen der DSGVO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, zusätzliche, strengere oder einschränkende, nationale Vorschriften vorzusehen, die ihnen einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung dieser Bestimmungen lassen („Öffnungsklauseln“). Mitgliedstaaten dürfen nur unter den Voraussetzungen und innerhalb der Grenzen eben dieser Bestimmungen von den Vorgaben der DSGVO abweichen (Generalanwalt, C-319/20, Rz. 52).

Das Problem: für das Thema der zwingenden Verschlüsselung personenbezogener Daten bei Telemedien sieht die DSGVO gar keine Öffnungsklausel vor.

  • Art. 32 DSGVO enthält eine solche Ausnahme bzw. Öffnungsklausel für Mitgliedstaaten gerade nicht.
  • Die Einschränkungsmöglichkeiten des Art. 23 DSGVO sind auf Art. 32 DSGVO nicht anwendbar.
  • Öffnungsklauseln aus Kapitel IX dürften hier auch nicht einschlägig sein.

Fazit
Ich bin gespannt, wie sich der nun vorliegende Referentenentwurf inhaltlich entwickelt. Derzeit sehe ich aber sowohl konkret inhaltliche Probleme bzgl. der einzelnen Vorgaben, als auch abstrakt strukturelle Risiken hinsichtlich des Verhältnisses zur DSGVO.

Österreichisches Bundesverwaltungsgericht: Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO) gegen den (alten) Arbeitgeber? Ja, aber…

Art. 20 DSGVO ist in der Rechtsprechung bisher kaum relevant geworden. Daher ist eine jüngere Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zum Recht auf Datenübertragbarkeit gegen eine ehemalige Arbeitgeberin besonders interessant (20.12.2023 – W211 2261679-1).

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Verantwortlichen, einem Transportunternehmen, beschäftigt und kündigte das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin verfügte über eine berufliche Emailadresse. Über diese Emailadresse wickelte sowohl berufliche als auch private Emailkorrespondenz ab.

Nach der Kündigung forderte die Klägerin von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin basierend auf Art. 20 DSGVO, ihre personenbezogenen Daten, insbesondere ihre Korrespondenz (privat und beruflich), die auf dem Emailaccount gespeichert sei, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu übermitteln.

Die Herausgabe der Daten wurde von der Arbeitgeberin in Bezug auf berufliche Emails verweigert, u.a. weil die Klägerin nun in einem Konkurrenzunternehmen arbeite. Hinsichtlich privater Emails sei diese Nutzung zwar gegen eine Dienstanweisung erfolgt – diese würden aber übermittelt und danach gelöscht.

Die Klägerin legte hierzu Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB) ein. Die DSB wies die Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Datenübertragbarkeit jedoch als unbegründet ab.

Nach Ansicht der DSB betreffe das Recht auf Datenübertragbarkeit jene Daten, die eine betroffene Person einem Verantwortlichen bereitgestellt habe. Dazu würden keine Daten zählen, die von anderen Nutzern eines Dienstes bereitgestellt worden seien. Deswegen würden empfangene Emails nicht unter den Anspruch aus Art. 20 DSGVO fallen. Darüber hinaus dürften bei Ausübung dieses Rechts die Rechte und Freiheiten anderer nicht beeinträchtigt werden. Die Übermittlung der beruflichen Emails würde die Arbeitgeberin schwer und unzulässig beeinträchtigen. Die Übermittlung privater Emails würde ebenfalls Rechte und Freiheiten Dritter beeinträchtigen, und zwar die Absender. Auch könnte der Inhalt der Emails sich auf Dritte beziehen.

Gegen diese Entscheidung der DSB wendet sich die Klägerin.

Entscheidung

Das BVwG verhielt sich nicht zu der Frage, welche Auswirkung die (vorgebrachte) Untersagung der privaten Nutzung der Emails hat. Nach Ansicht des BVwG ist die Frage, ob es eine Dienstanweisung gegen die private Nutzung des beruflichen Emailaccounts gab oder nicht,

für die datenschutzrechtliche Einschätzung im Endeffekt unerheblich“.

Das BVwG scheint hier also den Bereich des Datenschutzes streng von Fragen des (möglicherweise geltenden) Fernmeldegeheimnisses zu trenne.

Wichtig: Art. 20 DSGVO gilt auch im Arbeitsverhältnis

Implizit stellt das BVwG klar, dass das Recht auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DSGVO auch im (beendeten) Arbeitsverhältnis gilt. Denn es befasst sich nicht mit der Frage, ob Art. 20 DSGVO in der vorliegenden Konstellation überhaupt greift. Vielmehr prüft das BVwG das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen und Ausnahmen.

Was bedeutet „bereitgestellt“?

Nach Ansicht des BVwG sind unter „bereitgestellten“ Daten zunächst jene Daten zu verstehen, welche die betroffene Person aktiv und wissentlich der Verantwortlichen übermittelt hat (zB Daten, die bei der Kontoeröffnung angegeben werden, hochgeladene Bilder in sozialen Medien, Kontaktlisten des Webmail-Kontos).

Zudem verweist das BVwG auf die sehr weite Auslegung des Begriffs durch die Art.-29-Datenschutzgruppe. Danach umfasst das Recht auch jene Daten, die durch Nutzung des Dienstes der Verantwortlichen oder durch Beobachtung angefallen bzw. generiert worden sind.

Im Beschäftigungskontext könnten dies etwa Bewerbungsunterlagen, dienstliche E-Mails und elektronische Zeitaufzeichnungen sein. Damit war der Anwendungsberiech von Art. 20 DSGVO eröffnet. Diese Ansicht ist meines Erachtens richtig (vgl. etwa meinen Beitrag in RDV 2018, S. 3 “Datenübertragbarkeit im Beschäftigungsverhältnis – Arbeitgeberwechsel: Und die Daten kommen mit?“), auch wenn Art. 20 DSGVO wohl eigentlich nicht für diese Situationen gedacht war. Spannend wird es vielmehr bei den einzelnen Voraussetzungen und auch Ausnahmen des Art. 20 DSGVO.

BVwG: Betroffener muss „Bereitstellung“ darlegen

Eine erste Einschränkung bei der Ausübung des Rechts macht das BVwG bei dem Antrag auf Datenübertragung.

Die betroffene Person wird zur Geltendmachung ihres Begehrens darlegen müssen, dass die Daten, die sie übertragen lassen möchte, von ihr bereitgestellt wurden und sie betreffen, dass ihre Verarbeitung auf einer Einwilligung oder einem Vertrag beruht und dass sie automatisch verarbeitet werden“.

Das BVwG verlangt hier also vom Betroffenen den Nachweis, dass es sich um „bereitgestellte“ Daten iSv Art. 20 DSGVO handelt. Das Gericht begründet seine Ansicht u.a. damit, dass es sich um ein antragsbedürftiges Recht handele.

Im vorliegenden Fall habe der Antrag kein ausreichend konkretisiertes Begehren auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DSGVO für andere Daten als die Emails enthält. Abgesehen von der Korrespondenz über den Emailaccount werden weitere Daten, die übermittelt werden sollen, nicht ausreichend konkretisiert.

Übertragung beruflicher Mails?

Das BVwG stützt sich in seiner Entscheidung auf die Argumentation der DSB. Eine Übertragung der beruflichen Emails wird auf der Grundlage der Ausnahme nach Art. 20 Abs. 4 DSGVO abgelehnt.

Die Übermittlung der beruflichen Emails würde die Rechte der Arbeitgeberin, zB in Bezug auf Geschäftskontakte und Rechnungsdaten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nunmehr in einem Konkurrenzunternehmen tätig ist, schwer beeinträchtigen.

Wichtig: damit macht das BVwG auch klar, dass der Verantwortliche selbst im Rahmen des Art. 20 Abs. 4 DSGVO eine „andere Person“ ist.

Übertragung private Mails?

Hier begründet das BVwG die Ablehnung des Anspruchs aus Art. 20 DSGVO anders. Hinsichtlich der auf der personalisierten Emailadresse verfassten privaten Emails kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betroffene diese im Sinne der Bestimmung der Verantwortlichen „bereitgestellt“ hat.

Das BVwG verneint hier also bereits das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals.

Zwar würde rein technisch, durch die Nutzung des Emailaccounts eine quasi automatische Bereitstellung der Daten an die Verantwortliche erfolgen.

Aber: es handelt sich dabei um keine Daten, die die Verantwortliche in irgendeiner sonstigen Weise verarbeitet noch verarbeiten will, noch der Betroffenen diesbezüglich einen Dienst zu Verfügung stellt, noch im eigentlichen Sinne einen solchen Dienst – für private Emails – zur Verfügung stellen will.

Nach dem BVwG fehlt es am Merkmal „bereitgestellt“, weil der Verantwortliche keine Absicht hat, diese Daten zu erhalten oder für die Bereitstellung einen Dienst zur Verfügung zu stellen. „Bereitstellen“ verlangt also nach dem BVwG, dass der Verantwortliche bewusst und willentlich die Daten empfängt bzw. verarbeitet.

Das Ergebnis des BVwG: Ein Recht auf Datenübertragbarkeit der verfassten privaten Emails aus dem Emailaccount besteht demnach nicht.

BDSG-Reform: Bundesregierung verabschiedet Entwurf zur Änderung des BDSG (Videoüberwachung, Auskunftsanspruch, gemeinsame Verantwortliche und Scoring)

Die Bundesregierung hat heute ihren Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) verabschiedet (Gesetzentwurf, PDF). Nachfolgend möchte ich einen ganz kurzen Überblick zu einigen vorgeschlagenen Änderungen geben.

Die DSK wird im BDSG verankert

In einem neuen § 16a BDSG soll die Datenschutzkonferenz (DSK) im BDSG institutionalisiert werden. Es wird jedoch keine Regelung zur rechtlichen Verbindlichkeit von Beschlüssen der DSK getroffen, da, so die Begründung, „damit wegen des Verbots der Mischverwaltung verfassungsrechtliche Grenzen berührt würden“.

Die Anpassung ist am Ende aus meiner Sicht nicht besonders praxisrelevant. Denn die DSK existiert bereits jetzt schon und hat auch eine Geschäftsordnung. Es wird als gesetzlich festgeschrieben, was bereits existiert.

Wegfall der Regelung zur Videoüberwachung für private Stellen

§ 4 Abs. 1 BDSG soll neu wie folgt gefasst werden:

Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) durch öffentliche Stellen ist nur zulässig,…“.

Hierdurch wird die Regelung zur Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume durch nichtöffentliche Stellen, also insbesondere Unternehmen, aus dem Bundesrecht genommen. Die Zulässigkeit dieser Videoüberwachung ergibt sich unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO.

Mögliche Auswirkung: sollte die Regelung so in Kraft treten, wäre bei Hinweisschildern zur Videoüberwachung an eine Anpassung hinsichtlich der Rechtsgrundlage zu denken, wenn dort noch auf § 4 Abs. 1 BDSG verwiesen wird.

Wichtig für die Praxis: Einschränkung des Auskunftsrechts bei Geschäftsgeheimnissen

Eine praxisrelevante Anpassung wird in § 34 Abs. 1 BDSG vorgeschlagen. Es soll folgender Satz neu angefügt werden:

Das Recht auf Auskunft besteht auch insoweit nicht, als der betroffenen Person durch die Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis des Verantwortlichen oder eines Dritten offenbart würde und das Interesse an der Geheimhaltung das Interesse der betroffenen Person an der Information überwiegt.“

Laut der Gesetzesbegründung soll klargestellt werden, dass im Rahmen der Ausnahmen von dem Recht auf Auskunft (Art. 15 Abs. 4 DSGVO) unter den Schutz „anderer Personen“ auch der Verantwortliche fällt und gewisse herauszugebende Daten einen rechtlichen Schutz genießen. „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse genießen einen solchen Schutz“.

Die Ausnahme greift dann, wenn das Interesse an der Geheimhaltung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse das Interesse der betroffenen Person an der Information überwiegt.

Diese Klarstellung ist zu begrüßen, jedoch wohl nicht zwingend erforderlich, da bereits ErwG 63 DSGVO „Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse“ ausdrücklich erwähnt.

Zuständige Aufsichtsbehörde bei gemeinsam Verantwortlichen

Zudem soll ein neuer § 40a BDSG mit dem Titel „Aufsichtsbehörde gemeinsam verantwortlicher Unternehmen“ eingefügt werden.

Die Regelung soll in Situationen gelten, in denen mehrere Unternehmen gemeinsam Verantwortliche (Art. 26 DSGVO) sind und mehrere Aufsichtsbehörden für sie zuständig wären. Dann sollen diese Verantwortlichen gemeinsam anzeigen können,

dass sie gemeinsam verantwortliche Unternehmen sind und deshalb für die von ihnen gemeinsam verantwortete Datenverarbeitung allein die Aufsichtsbehörde zuständig sein soll, in deren Zuständigkeitsbereich das Unternehmen fällt, das in dem der Anzeige vorangegangenen Geschäftsjahr den größten Jahresumsatz erzielt hat“.

Die Anzeige ist an alle Aufsichtsbehörden zu richten, die für die gemeinsam verantwortlichen Unternehmen zuständig sind. Sie muss etwa die Vereinbarung gem. Art. 26 DSGVO enthalten.

Wichtige Folge dieser Anzeige: ab dem Zeitpunkt, zu dem die Anzeige bei der zuständigen Behörde eingegangen ist, wird diese die allein zuständige Aufsichtsbehörde.

Vorgaben zum Scoring

Neu eingefügt (wenn auch angelehnt an den bisherigen § 31) wird ein § 37a BDSG, der Anforderungen an die Erstellung und auch Verwendung von „Wahrscheinlichkeitswerten“ regeln soll.

Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 BDSG dürfen etwa folgende Daten nicht für die Erstellung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzt werden: besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) und Anschriftendaten.

Geplante EU-Verordnung zur besseren Durchsetzung der DSGVO – Weitergabe von Informationen aus behördlichen Datenschutzverfahren an andere nationale Aufsichtsbehörden (z. B. Wettbewerb, Finanzen) vorgeschlagen

Derzeit wird in Brüssel über den Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Festlegung zusätzlicher Verfahrensregeln für die Durchsetzung der Verordnung (EU) 2016/679 (2023/0202(COD)) verhandelt. Im Europäischen Parlament ist der LIBE-Ausschuss federführend zuständig und dieser hat mit Datum vom 14. Dezember 2023 seine Änderungsvorschläge zu dem Berichtsentwurf vom 9. November 2023 vorgelegt.

Verordnung zur Festlegung zusätzlicher Verfahrensregeln für die Durchsetzung der DSGVO

Ich hatte hier im Blog schon vor einiger Zeit einen Beitrag zu einer möglichen geänderten Fristenberechnung bei der Meldung von Datenschutzverletzungen verfasst. Die vorgeschlagene Verordnung fliegt meines Erachtens immer noch sehr unter dem „Radar“ der betroffenen Kreise, hat dabei extrem viele (potentiell) relevante Änderungen zur Folge.

Kurz zur Einordnung: die Verordnung soll Verfahrensregeln im Fall von grenzüberschreitenden Verarbeitungen und darauf basierenden aufsichtsbehördlichen Verfahren etablieren. Die Regelungen der Verordnung würden nationalen Verfahrensvorgaben als Spezialvorschriften vorgehen.

Heute möchte ich auf einen aus meiner Sicht für betroffene Unternehmen und öffentliche Stellen beachtenswerten Vorschlag aus dem LIBE-Ausschuss hinweisen.

Weitergabe von Informationen aus aufsichtsbehördlichen Verfahren an andere nationale Stellen

Nach einem neu vorgeschlagenen Art. 7 Abs. 2a (Änderungsantrag 311 in dem Dokument vom 14. Dezember 2023) sollen die Aufsichtsbehörden anstreben, die im Rahmen der in dieser Verordnung festgelegten Verfahren erhaltenen Informationen an die für den Datenschutz und andere Bereiche zuständigen nationalen und Unionsaufsichtsbehörden, einschließlich der Wettbewerbs-, Finanzdienstleistungs-, Energie-, Telekommunikations- und Verbraucherschutzbehörden, weiterzuleiten, wenn die Informationen für die Aufgaben und Pflichten dieser Behörden als relevant erachtet werden.

Hier noch das englische Original:

Supervisory authorities shall strive to communicate the information obtained in the context of the procedures set out in this Regulation to national and Union supervisory authorities competent in data protection and other areas, including competition, financial services, energy, telecommunications and consumer protection authorities, where the information is deemed relevant to the tasks and duties of those authorities.”

Der Vorschlag bedeutet im Grunde, dass Datenschutzbehörden dazu angehalten sind, Informationen aus einem Aufsichtsverfahren gegen einen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter auch an andere nationale Stellen zu geben, die ebenfalls in ihrem jeweiligen Rechtsbereich für die Überwachung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters zuständig sind.

Interessant ist, dass der Vorschlag wohl keine Pflicht zur Weitergabe der Informationen vorsieht. Andererseits sollen die Aufsichtsbehörden zur Informationsweitergabe angehalten werden. Für die Frage, ob Informationen aus dem Verfahren weitergegeben werden sollen, kommt es nach dem Vorschlag wohl allein auf die Einschätzung der Datenschutzbehörde an. Die Weitergabe soll erfolgen, wenn „die Informationen für die Aufgaben und Pflichten dieser Behörden als relevant erachtet werden“ – aus Sicht der Datenschutzbehörde.

An welche Aufsichtsbehörden in anderen Rechtsbereichen die Informationen weitergegeben werden sollen, wird nicht abschließend benannt („einschließlich“). Beispielhaft werden etwa Behörden aus dem Bereich Wettbewerb, Energie, Telekommunikation oder auch Verbraucherschutz.

In Deutschland könnte man also an die Weitergabe von „relevanten“ Informationen an die BaFin oder das Bundeskartellamt denken. Ziemlich klar ist der Zweck des Vorschlags, anderen Aufsichtsbehörden ebenfalls die Durchführung von entsprechenden Verfahren zu ermöglichen.

Jedoch soll die Weitergabe nach dem Vorschlag wohl tatsächlich nur an Behörden, also öffentliche Stellen, erfolgen.

Der Sinn und Zweck des Vorschlags ergibt sich recht klar aus der Begründung im Berichtsentwurf (Änderungsantrag 117, Dokument vom 9. November 2023; inoffizielle Übersetzung):

In der Erkenntnis, dass die Untersuchung von Verstößen im Bereich des Datenschutzes Beweise für Verstöße in anderen Bereichen liefern können. Dies ist eine Forderung vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen

Keine Pflicht zur Vertraulichkeit?

Man wird die Frage stellen können, wie eine solche Vorgabe bzw. ein solches Recht mit der Vertraulichkeitsverpflichtung der Datenschutzbehörden einhergeht.

Nach Art. 54 Abs. 2 DSGVO sind ja die Mitglieder und die Bediensteten jeder Aufsichtsbehörde gemäß dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten sowohl während ihrer Amts- beziehungsweise Dienstzeit als auch nach deren Beendigung verpflichtet, über alle vertraulichen Informationen, die ihnen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben oder der Ausübung ihrer Befugnisse bekannt geworden sind, Verschwiegenheit zu wahren. Eventuell mag man über Art. 57 Abs. 1 g) DSGVO hiervon noch eine Ausnahme machen – jedoch allein in Bezug auf andere Datenschutzbehörden.

Sollte aber die neue Verordnung für zusätzliche Verfahrensregeln anwendbar werden, dann gilt diese (als EU-Verordnung) neben der DSGVO und konkretisiert bzw. ändert als Spezialregelung sogar die allgemeinen Regelungen der DSGVO, wie auch Art. 54 Abs. 2 DSGVO.

Auch ein Verweis auf möglicherweise entgegenstehende nationale Verbote würde wohl nicht helfen. Denn auch hierbei ist zu beachten, dass die verschlagene Verordnung unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat Anwendung finden würde. So führt etwa die EU-Kommission in der Begründung ihres Entwurfs aus: „Daher ist eine (in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltende) Verordnung erforderlich, um die rechtliche Fragmentierung zu verringern und das Maß an Harmonisierung zu gewährleisten“.

Ich werde in Zukunft sicher noch ein paar Beiträge zu der Verordnung veröffentlichen. Wie gesagt, sind dort viele interessante und praxisrelevante Änderungsvorschläge enthalten.