Verzicht auf den Auskunftsanspruch im arbeitsgerichtlichen Vergleich? Zur Abdingbarkeit von Betroffenenrechten

Bekanntlich gehört die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO in arbeitsgerichtlichen Verfahren mittlerweile „zum guten Ton“ – ob nun wirklich immer mit einer Intention des Datenschutzes oder doch eher, um Aufwände zu kreieren, sei hier dahingestellt.

In ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht 2023 (ab S. 119) befasst sich die Datenschutzbehörde des Saarlandes (LfDI) mit der relevanten Frage, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung (etwa in Form eines Vergleichs) mit dem Inhalt treffen können, dass der Betroffene auf die Ausübung seines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO verzichtet? Ob das Betroffenenrecht also zur Disposition der Parteien steht?

Datenschutz als Grundrecht – Selbstbestimmtheit der Betroffenen

Die LfDI verweist darauf, dass das europäische Datenschutzrecht Ausfluss des Grundrechts aus Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ist. Dieses Grundrecht sei wichtig – jedoch kein Grundrecht unabdingbarer Natur, wie etwa die Menschenwürde aus Art. 1 GRCh.

Die Behörde geht davon aus, dass das Prinzip der Selbstbestimmtheit des Betroffenen im Datenschutzrecht besondere Bedeutung hat. Was etwa durch das Institut der Einwilligung aus Art. 6 Abs. 1 lit. a, Art. 7 DSGVO unmissverständlich zum Ausdruck komme.

Die LfDI leitet hieraus in einem Erst-Recht-Schluss ab:

Kann der Betroffene durch eine Einwilligung zur Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten seine Zustimmung erteilen und dieser Verarbeitung dadurch eine rechtliche Grundlage verleihen, so muss er auch eine Entscheidungsbefugnis dahingehend haben, ob und in wieweit er seine hierzu im Annex stehenden Betroffenenrechte ausübt bzw. auf diese verzichtet.“

Dies gelte auch in Situationen, in denen es evtl. ein Machtgefälle bzw. Ungleichgewicht zwischen den Parteien gibt – wie im Beschäftigtenverhältnis. Die LfDI macht hier aber eine relevante Einschränkung ihrer Ansicht. Sie sieht insbesondere dort die Möglichkeit der Selbstbestimmtheit, wo es um zurückliegende Verarbeitungen in der Vergangenheit geht.

Formulierung des Vergleiches / Verzichts

Zudem befasst sich die LfDI auch mit der erforderlichen Formulierung einer solchen Vereinbarung. Grundsätzlich müssen die Formulierungen in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich natürlich hinreichend klar und bestimmt sein,

um ein datenschutzrechtliches Betroffenenrecht einvernehmlich auszuschließen“.

Auch eine sog. Salvatorische Abgeltungsklausel, mit der jegliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten sein sollen, genügt nach Auffassung der LfDI dem Bestimmtheitserfordernis.

Auch wenn sich die Vereinbarung dem Wortlaut nach „nur“ auf Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ bezieht, ist dies nach Auffassung der Behörde unschädlich, da das Arbeitsverhältnis gerade Grundlage der Datenverarbeitung ist. Der Bezug zum „Arbeitsverhältnis“ umfasst danach nicht nur arbeitsrechtliche Ansprüche im engeren Sinne,

sondern auch solche datenschutzrechtlicher Art, welche mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen und für welche das Arbeitsverhältnis Verarbeitungsgrundlage war“.

Jedoch macht die LfDI noch eine Einschränkung.

Der Verzicht auf das Betroffenenrecht könne sich nicht auf solche Verarbeitungen beziehen, die der Betroffene noch nicht absehen kann. Hier müsse er weiterhin einen Auskunftsanspruch haben.

Mit Blick auf die Begründung zuvor, dass es sich um Ansprüche aus dem „Arbeitsverhältnis“ handeln muss, scheint die LfDI also eine Grenze zu solchen Verarbeitungen zu ziehen, die erst in Zukunft stattfinden würden.

Insgesamt stellt die Aufsichtsbehörde aber am Ende ihrer Ausführungen noch einmal fest:

Auskunftsansprüche über Datenverarbeitungen der Vergangenheit, genauer über solche Verarbeitungen, welche aus zeitlich vor dem hierauf gerichteten Vertragsschluss (Vergleichsschluss) resultierenden Datenerhebungen stammen, stehen indes grundsätzlich zur Disposition der Vertragsparteien“.

Fazit

Die LfDI vertritt eine, aus meiner Sicht, durchaus pragmatische und eher verantwortlichenfreundliche Position zur Frage, ob Betroffenenrechte abdingbar sind. Wichtig ist der Behörde zurecht eine klar verständliche und transparente Regelung hierzu. Zudem will die LfDI den Verzicht auf das Betroffenenrecht „nur“ für vergangene Verarbeitungen gelten lassen. Wichtig: ob der Betroffene von den vergangenen Verarbeitungen auch tatsächlich Kenntnis hat, scheint keine Voraussetzung aus Sicht der Behörde zu sein.

Spannend wäre jetzt natürlich die Diskussion, ob die Argumentation der LfDI auf andere Betroffenenrechte übertragbar ist (zB das Recht auf Löschung oder Berichtigung) – aus meiner Sicht schon. Zum einen beschränkt die LfDI ihre Ansicht nicht nur auf das Auskunftsrecht. Zum anderen sind die vorgebrachten Argumente durchaus auch für andere Betroffenenrechte anwendbar.  

Geplante EU-Verordnung zur besseren Durchsetzung der DSGVO – Weitergabe von Informationen aus behördlichen Datenschutzverfahren an andere nationale Aufsichtsbehörden (z. B. Wettbewerb, Finanzen) vorgeschlagen

Derzeit wird in Brüssel über den Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Festlegung zusätzlicher Verfahrensregeln für die Durchsetzung der Verordnung (EU) 2016/679 (2023/0202(COD)) verhandelt. Im Europäischen Parlament ist der LIBE-Ausschuss federführend zuständig und dieser hat mit Datum vom 14. Dezember 2023 seine Änderungsvorschläge zu dem Berichtsentwurf vom 9. November 2023 vorgelegt.

Verordnung zur Festlegung zusätzlicher Verfahrensregeln für die Durchsetzung der DSGVO

Ich hatte hier im Blog schon vor einiger Zeit einen Beitrag zu einer möglichen geänderten Fristenberechnung bei der Meldung von Datenschutzverletzungen verfasst. Die vorgeschlagene Verordnung fliegt meines Erachtens immer noch sehr unter dem „Radar“ der betroffenen Kreise, hat dabei extrem viele (potentiell) relevante Änderungen zur Folge.

Kurz zur Einordnung: die Verordnung soll Verfahrensregeln im Fall von grenzüberschreitenden Verarbeitungen und darauf basierenden aufsichtsbehördlichen Verfahren etablieren. Die Regelungen der Verordnung würden nationalen Verfahrensvorgaben als Spezialvorschriften vorgehen.

Heute möchte ich auf einen aus meiner Sicht für betroffene Unternehmen und öffentliche Stellen beachtenswerten Vorschlag aus dem LIBE-Ausschuss hinweisen.

Weitergabe von Informationen aus aufsichtsbehördlichen Verfahren an andere nationale Stellen

Nach einem neu vorgeschlagenen Art. 7 Abs. 2a (Änderungsantrag 311 in dem Dokument vom 14. Dezember 2023) sollen die Aufsichtsbehörden anstreben, die im Rahmen der in dieser Verordnung festgelegten Verfahren erhaltenen Informationen an die für den Datenschutz und andere Bereiche zuständigen nationalen und Unionsaufsichtsbehörden, einschließlich der Wettbewerbs-, Finanzdienstleistungs-, Energie-, Telekommunikations- und Verbraucherschutzbehörden, weiterzuleiten, wenn die Informationen für die Aufgaben und Pflichten dieser Behörden als relevant erachtet werden.

Hier noch das englische Original:

Supervisory authorities shall strive to communicate the information obtained in the context of the procedures set out in this Regulation to national and Union supervisory authorities competent in data protection and other areas, including competition, financial services, energy, telecommunications and consumer protection authorities, where the information is deemed relevant to the tasks and duties of those authorities.”

Der Vorschlag bedeutet im Grunde, dass Datenschutzbehörden dazu angehalten sind, Informationen aus einem Aufsichtsverfahren gegen einen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter auch an andere nationale Stellen zu geben, die ebenfalls in ihrem jeweiligen Rechtsbereich für die Überwachung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters zuständig sind.

Interessant ist, dass der Vorschlag wohl keine Pflicht zur Weitergabe der Informationen vorsieht. Andererseits sollen die Aufsichtsbehörden zur Informationsweitergabe angehalten werden. Für die Frage, ob Informationen aus dem Verfahren weitergegeben werden sollen, kommt es nach dem Vorschlag wohl allein auf die Einschätzung der Datenschutzbehörde an. Die Weitergabe soll erfolgen, wenn „die Informationen für die Aufgaben und Pflichten dieser Behörden als relevant erachtet werden“ – aus Sicht der Datenschutzbehörde.

An welche Aufsichtsbehörden in anderen Rechtsbereichen die Informationen weitergegeben werden sollen, wird nicht abschließend benannt („einschließlich“). Beispielhaft werden etwa Behörden aus dem Bereich Wettbewerb, Energie, Telekommunikation oder auch Verbraucherschutz.

In Deutschland könnte man also an die Weitergabe von „relevanten“ Informationen an die BaFin oder das Bundeskartellamt denken. Ziemlich klar ist der Zweck des Vorschlags, anderen Aufsichtsbehörden ebenfalls die Durchführung von entsprechenden Verfahren zu ermöglichen.

Jedoch soll die Weitergabe nach dem Vorschlag wohl tatsächlich nur an Behörden, also öffentliche Stellen, erfolgen.

Der Sinn und Zweck des Vorschlags ergibt sich recht klar aus der Begründung im Berichtsentwurf (Änderungsantrag 117, Dokument vom 9. November 2023; inoffizielle Übersetzung):

In der Erkenntnis, dass die Untersuchung von Verstößen im Bereich des Datenschutzes Beweise für Verstöße in anderen Bereichen liefern können. Dies ist eine Forderung vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen

Keine Pflicht zur Vertraulichkeit?

Man wird die Frage stellen können, wie eine solche Vorgabe bzw. ein solches Recht mit der Vertraulichkeitsverpflichtung der Datenschutzbehörden einhergeht.

Nach Art. 54 Abs. 2 DSGVO sind ja die Mitglieder und die Bediensteten jeder Aufsichtsbehörde gemäß dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten sowohl während ihrer Amts- beziehungsweise Dienstzeit als auch nach deren Beendigung verpflichtet, über alle vertraulichen Informationen, die ihnen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben oder der Ausübung ihrer Befugnisse bekannt geworden sind, Verschwiegenheit zu wahren. Eventuell mag man über Art. 57 Abs. 1 g) DSGVO hiervon noch eine Ausnahme machen – jedoch allein in Bezug auf andere Datenschutzbehörden.

Sollte aber die neue Verordnung für zusätzliche Verfahrensregeln anwendbar werden, dann gilt diese (als EU-Verordnung) neben der DSGVO und konkretisiert bzw. ändert als Spezialregelung sogar die allgemeinen Regelungen der DSGVO, wie auch Art. 54 Abs. 2 DSGVO.

Auch ein Verweis auf möglicherweise entgegenstehende nationale Verbote würde wohl nicht helfen. Denn auch hierbei ist zu beachten, dass die verschlagene Verordnung unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat Anwendung finden würde. So führt etwa die EU-Kommission in der Begründung ihres Entwurfs aus: „Daher ist eine (in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltende) Verordnung erforderlich, um die rechtliche Fragmentierung zu verringern und das Maß an Harmonisierung zu gewährleisten“.

Ich werde in Zukunft sicher noch ein paar Beiträge zu der Verordnung veröffentlichen. Wie gesagt, sind dort viele interessante und praxisrelevante Änderungsvorschläge enthalten.

Bundesverwaltungsgericht Österreich: Übermittlung von Kundendaten zwischen Konzernunternehmen zur Verteidigung gegen Klagen

Das Bundesverwaltungsgericht Österreich (BVwG) hat in einer Entscheidung (11.12.2023, Geschäftszahl W137 2259819-1) einige relevante Aussagen zur Datenübermittlung in Unternehmensgruppen bzw. im Konzern auf Basis der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO getroffen.

Sachverhalt

Ein Betroffener beschwerte sich bei der österreichischen Datenschutzbehörde wegen unrechtmäßiger Datenverarbeitungen. Das Unternehmen A (ein Online-Glücksspielunternehmen) habe seine personenbezogenen Daten an ein weiteres Glücksspielunternehmen B (welches derselben Unternehmensgruppe angehört) unrechtmäßig weitergeleitet, bzw. ohne hinreichende Rechtfertigungsgründe gemäß Art. 6 DSGVO verarbeitet.

Die Besonderheit war hier, dass sich der Betroffene in zivilrechtlichen Gerichtsverfahren und Streitigkeiten mit Unternehmen A und Unternehmen B befand.

Der Betroffene forderte von Unternehmen A seine erlittenen Spielverluste zurück. Das Verfahren endete mit einem außergerichtlichen Vergleich. Kurz danach registrierte sich der Betroffene auf der Website des Glückspielunternehmens B und forderte im Rahmen eines Zivilverfahrens auch dort seine erlittenen Spielverluste zurück. Die Klage wurde aber abgewiesen, da das Zivilgericht Rechtsmissbrauch feststellte.

Diese letzte Klage wurde unter anderem deswegen abgewiesen, weil Unternehmen A dem Unternehmen B (aus derselben Unternehmensgruppe) Informationen zu dem Betroffenen weitergeleitet hatte, damit sich Unternehmen B gegen die Ansprüche wehren kann.

Die Frage für das Gericht war nun, ob die Datenübermittlung an das Konzernunternehmen zulässig war.

Entscheidung

Das BVwG führt für die in Rede stehende Datenübermittlung eine Prüfung der Voraussetzungen der Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO durch.

1.  Vorliegen eines berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden,

2.  Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und

3.  kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person.

Verarbeitung für andere Unternehmen (in der Gruppe) möglich

Zunächst stellt das BVwG fest, dass Art. 6 Abs. 1 f DSGVO es auch ermöglicht, eine entsprechende Verarbeitung für die berechtigten Interessen eines Dritten vorzunehmen. Hier, für Unternehmen B, welches mit Unternehmen A Teil einer Unternehmensgruppe ist. Dies ist ein wichtiger Hinweis für die Praxis, soweit es konzern- bzw. gruppenbezogene Verarbeitungen betrifft. Ein Unternehmen kann Daten zulässigerweise für die Interessen der verbundenen Unternehmen verarbeiten.

Berechtigtes Interesse

Das BVwG geht davon aus, dass hier ein berechtigtes Interesse sowohl von Unternehmen A als auch B vorlag. Unternehmen A stützte sich (wie auch die Datenschutzbehörde) auf ein Interesse zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen in Verbindung mit einem anhängigen Gerichtsverfahren,

um eine rechtsmissbräuchliche (risikolose) Spielweise in den Onlinecasinos der Unternehmensgruppe zu verhindern“.

Für die Praxis wird man dieser Ansicht etwas allgemeiner und unabhängig von Onlinecasinos entnehmen können, dass zur Verteidigung gegen rechtsmissbräuchliches Vorgehen von Kunden (oder ggfs. Beschäftigten) eine Datenübermittlung an Gruppenunternehmen ein berechtigtes Interesse darstellt.

Unternehmen A informierte das andere Mitglied der Gruppe, dass bereits zuvor durch den Betroffenen Spielverluste rückgefordert wurden und verhalf Unternehmen B, durch den sodann erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs, zum Obsiegen im zivilgerichtlichen Verfahren.

Aus Sicht des BVwG ergibt sich das berechtigte Interesse aus dem legitimen Zweck zur Verteidigung von Rechtsansprüchen gegen eine betrügerische Spielweise von registrierten Kunden. Dieses Interesse ist auch rechtmäßig. Das BVwG verweist hierzu auf Art. 48 der Charta der Grundrechte, der grundrechtlichen Verankerung von Verteidigungsrechten in einem Gerichtsverfahren.

Erforderlichkeit der Datenverarbeitung

Zudem muss die Datenverarbeitung im Rahmen der Verarbeitungsgrundsätze nach Art. 5 Abs. 1 DSGVO auf das Notwendigste beschränkt sein. Nach Ansicht des BVwG beschränkte sich die Datenübermittlung auf ein Minimum an Information. Insbesondere hatte der Betroffene schon durch die Registrierung auf der Website von Unternehmen B bereits einige persönlichen Daten angegeben.

Der Informationsgehalt der Übermittlung bestand ausschließlich darin, dass der BF bereits gegen ein Mitglied der Unternehmensgruppe Spielverluste gerichtlich geltend gemacht hatte.“

Für das Gericht war damit klar, dass eine über den Zweck der Verteidigung von Rechtsansprüchen hinausgehende Datenverarbeitung nicht stattgefunden hat.

Interessenabwägung

Zuletzt nimmt das BVwG die erforderliche Abwägung der Interessen mit jenen des Betroffenen vor. Es ist zu beurteilen, ob das berechtigte Interesse des Betroffenen an seinen personenbezogenen Daten gegenüber jenem des Verantwortlichen überwiegt.

Der Betroffene sah dies natürlich so. Er gab an, dass die Datenübermittlung dazu geführt habe, dass er das zivilgerichtliche Verfahren betreffend die Rückforderung seiner Spielschulden verloren habe. Daraus sei ihm ein Nachteil entstanden.

Diese Argumente lässt aber das BVwG nicht gelten.

Zum einen stellt das Gericht fest, dass nicht jede negative Auswirkung zu einem Überwiegen im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung führt. Auch diese Feststellung ist für die Praxis wichtig: „nur“, weil eine Verarbeitung ggfs. negative Folgen für den Betroffenen hat, bedeutet dies noch nicht direkt, dass auch die Interessenabwägung zulasten des Verantwortlichen ausgeht.

Das Gericht legt als Maßstab das zu gegenüberstellende berechtigte Interesse des Verantwortlichen und Dritten an.

Die Verteidigung von Rechtsansprüchen bildet ein fundamentales Grundrecht der österreichischen Rechtsordnung sowie des europäischen Rechts.“

Möchte man bei der Ausübung dieses Grundrechts eine „unverhältnismäßige“ Schädigung des Betroffenen annehmen, sei ein strenger Maßstab anzulegen.

Vorliegend geht das BVwG nicht von einem Überwiegen der Interessen des Betroffenen aus. Die Datenübermittlung zwischen den Unternehmen war daher zulässig.

Generalanwalt am EuGH: Kopie-Begriff nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO bezieht sich nicht per se auf Dokumente – wann sind Daten „verständlich“?

Heute hat Generalanwalt (GA) Pitruzella seine Schlussanträge in der Rechtssache C‑487/21 veröffentlicht. Die Ausführungen des GA sind sehr praxisrelevant, da es um den Inhalt und Umfang des Anspruchs auf eine Kopie personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO geht.

Vielleicht direkt vorab: der GA vertritt eine eher einschränkende Auslegung des Kopie-Begriffs (allein auf die personenbezogenen Daten), eröffnet jedoch die Möglichkeit einer Herausgabe von (Teilen von) Dokumenten, in denen die personenbezogenen Daten enthalten sind.

Zudem bleibt der GA eher vage bei der entscheidenden Frage: was sind, gerade in Bezug auf Daten in Dokumenten, eigentlich die „personenbezogenen Daten“? Denn der GA ist deutlich: es ist eine Kopie der „personenbezogenen Daten“ herauszugeben. Wenn man nun ein 20 seitiges PDF-Dokument als Ganzes als personenbezogenes Datum ansehen würde, weil auf S. 3 und S. 16 der Name einer Person steht, müsste man das ganze Dokument als „personenbezogenes Datum“ herausgeben. Dieser Streit dürfte in der Praxis vorerst weiter bestehen.

Begutachtete Vorlagefragen

Im Hauptteil der Schlussanträge befasst sich der GA mit der Frage nach der genauen Bedeutung des Begriffs „Kopie“ in Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Zudem soll geklärt werden, welche Tragweite das der betroffenen Person durch diese Bestimmung verliehene Recht hat. Insbesondere, ob diese Bestimmung das Recht auf Erhalt einer Kopie auch der Dokumente – oder von Auszügen aus Datenbanken –, in denen die personenbezogenen Daten verarbeitet werden, verleiht oder ob sie sich darauf beschränkt, das bloße Recht auf Erhalt einer originalgetreuen Reproduktion der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu gewähren.

Begründung des GA

Der GA nimmt eine aus meiner Sicht sehr schöne rechtliche Analyse des Art. 15 Abs. 3 DSGVO anhand von Wortlaut, Kontext und den Zielen, die mit der DSGVO verfolgt werden, vor.

Analyse des Wortlauts

Der GA betrachtet drei verschiedene Begriffe: den Begriff „Kopie“, den Begriff „personenbezogene Daten“ und den Begriff „Gegenstand der Verarbeitung“.

Die DSGVO sieht keine spezifische Definition des Begriffs „Kopie“ vor. Aus rein terminologischer Sicht bezeichne der Ausdruck „Kopie“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch die originalgetreue Reproduktion oder Abschrift. Klar ist, dass die Kopie, die der für die Verarbeitung Verantwortliche der betroffenen Person zur Verfügung stellen muss, die Kopie der „personenbezogenen Daten“ ist, die Gegenstand der Verarbeitung sind.

Für den Begriff „personenbezogene Daten“ verweist der GA auf die Rechtsprechung des EuGH und dortige Beispiele. Die Tragweite des Begriffs „personenbezogene Daten“, ist sehr weit. Mit der Verwendung des Ausdrucks „alle Informationen“ im Zusammenhang mit der Bestimmung dieses Begriffs komme das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen. Es genügt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist.

Nach Ansicht des GA bedeutet dies, dass dieser Begriff und damit das Recht auf Auskunft über diese Daten und auf Erhalt einer Kopie dieser Daten nicht ausschließlich auf Daten beschränkt ist, die von einem Verantwortlichen erhoben, aufbewahrt und verarbeitet werden, sondern auch die weiteren Daten zu umfassen hat, die von diesem Verantwortlichen nach der Verarbeitung möglicherweise erzeugt werden, wenn auch sie Gegenstand der Verarbeitung sind.

Wenn also nach der Verarbeitung einer Reihe personenbezogener Daten neue, aus dieser Verarbeitung resultierende Informationen über eine identifizierte oder identifizierbare Person erzeugt werden, die als personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO eingestuft werden können,

müsste das in Art. 15 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 DSGVO vorgesehene Recht auf Auskunft zu den personenbezogenen Daten und auf Erhalt einer Kopie daher meines Erachtens auch diese erzeugten Daten umfassen, wenn diese Daten selbst Gegenstand der Verarbeitung sind.“

Was drittens den Begriff „Gegenstand der Verarbeitung“ betrifft, verweist der GA auf die Definition der „Verarbeitung“ in Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Aus der weiten Bedeutung des Begriffs ergebe sich, dass Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO der betroffenen Person das Recht verleiht, eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten zu erhalten, die Gegenstand eines Vorgangs sind, der als „Verarbeitung“ eingestuft werden kann.

Aber, und hier kommt zum ersten Mal die engere Auffassung zum Ausdruck: „verleiht diese Bestimmung als solche jedoch kein Recht, andere als die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten spezifischen Informationen über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten selbst zu erhalten“.

Als Ergebnis der Wortlautauslegung stellt der GA fest, dass die „Kopie der personenbezogenen Daten“ eine getreue Wiedergabe dieser Daten sein muss. Dies bedeutet, dass je nach Art der verarbeiteten Daten und der Art der Verarbeitung eine Kopie dieser Daten verschiedene Formate wie Papierform, Audio- oder Videoaufzeichnungen, elektronisches Format oder andere Formate aufweisen kann.

Wichtig ist, dass die Kopie dieser Daten wortgetreu ist und es der betroffenen Person ermöglicht, volle Kenntnis von allen Daten zu erlangen, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Eine etwaige Zusammenstellung der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, muss diese Daten originalgetreu und verständlich wiedergeben und im Übrigen den Inhalt der zu übermittelnden Daten nicht beeinflussen.“

Umfasst sind alle personenbezogenen Daten und damit nicht nur der erhobenen Daten, sondern auch vom Verantwortlichen erzeugte personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind.

Aber: Art. 15 Abs. 3 DSGVO bezieht sich ausschließlich auf Kopien der personenbezogenen Daten.

Daher, so der GA, „kann sie zum einen kein Recht auf Zugang zu Informationen begründen, die nicht als solche eingestuft werden können, und verleiht zum anderen nicht – zwangsläufig – ein Recht auf Erhalt von Kopien von Dokumenten oder anderen Trägern, die personenbezogene Daten enthalten“.

Diese Feststellung ist meines Erachtens relevant:

  • die Kopie kann sich nur auf personenbezogene Daten beziehen (Hinweis: hier kann man weiter streiten, wann diese vorliegen)
  • der GA scheint davon auszugehen, dass ein Dokument nicht als solches direkt zum personenbezogenen Datum wird, nur weil in dem Dokument ein solches Datum enthalten ist. Ansonsten würde der zweite Halbsatz der Begründung oben keinen Sinn machen („die personenbezogene Daten enthalten“).

Systematische und teleologische Analyse

Sodann geht der GA in die systematische und teleologische Analyse über.

Abs. 1 des Art. 15 DSGVO sehe vor, dass die betroffene Person das Recht hat, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob seine personenbezogenen Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf die in den Buchst. a bis h angeführten Informationen.

Diese Bestimmung konkretisiere somit das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten und damit zusammenhängende Informationen, indem sie den genauen Gegenstand und den Anwendungsbereich des Auskunftsrechts festlegt.

Art. 15 Abs. 3 DSGVO, so der GA, regele die Modalitäten der Ausübung dieses Rechts,

indem er u. a. die Form festlegt, in der der für die Verarbeitung Verantwortliche die personenbezogenen Daten der betroffenen Person zur Verfügung zu stellen hat, nämlich in Form einer Kopie und damit einer getreuen Wiedergabe der Daten.“

Für den GA ist klar, dass Abs. 3 kein eigenständiger Anspruch des Betroffenen ist. Art. 15 Abs. 3 DSGVO definiere nicht den Gegenstand und den Anwendungsbereich des durch Abs. 1 konkretisierten Rechts auf Auskunft. Daher könne Abs. 3 diesen Anspruch auch nicht ändern oder erweitern.

Art. 15 Abs. 3 DSGVO könne daher

kein eigenständiges Recht der betroffenen Person darauf begründen“, „Informationen zu erhalten, die über die in Abs. 1 der Bestimmung genannten hinausgehen“.

Der GA fasst dann in Rz. 52 seine vorläufigen Ergebnisse zusammen:

  • dass Art. 15 Abs. 3 S.1 DSGVO keinen eigenständigen Anspruch auf Erhalt von Kopien von Dokumenten oder anderen Trägern, die personenbezogene Daten enthalten, verleiht.
  • dass diese Bestimmung der betroffenen Person kein Recht verleiht, andere als die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten Informationen über die Verarbeitung personenbezogener Daten, wie z. B. Informationen zu den für die Verarbeitung personenbezogener Daten verwendeten Kriterien, Modellen, internen (berechnungs- oder sonstigen) Regeln oder Verfahren, zu erhalten.

Danach öffnet der GA in der weiteren Begründung jedoch doch die Tür einen Spalt weit dafür, über Abs. 3 eventuell Dokumente oder Teile von Dokumenten, in denen Daten enthalten sind, zu erhalten. Er stützt sich hierbei jedoch nicht allein auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO, sondern auf die Vorgaben zu den Betroffenenrechten in Art. 12 DSGVO.

Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO ist im Licht der anderen Bestimmungen der DSGVO auszulegen. Hier ist u. a. Art. 12 Abs. 1 DSGVO relevant. Danach muss der Verantwortliche geeignete Maßnahmen treffen, um der betroffenen Person alle u. a. in Art. 15 DSGVO genannten Informationen in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln, und dass die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch erfolgt, es sei denn, die betroffene Person verlangt, dass diese mündlich erteilt werden.

Das Ziel: die betroffene Person soll in die Lage versetzt wird, die an sie gerichteten Informationen in vollem Umfang zu verstehen.

Und aus dem Erfordernis der Verständlichkeit der in Art. 15 Abs. 1 lit.. a bis h DSGVO angeführten Daten und Informationen folgert der GA,

dass nicht ausgeschlossen ist, dass es in bestimmten Fällen, um der betroffenen Person die gänzliche Verständlichkeit der an sie übermittelten Informationen zu gewährleisten, erforderlich ist, dieser Passagen von Dokumenten oder vollständige Dokumente oder Auszüge aus Datenbanken zu übermitteln.“

Das bedeutet: im Einzelfall muss der Verantwortliche eventuell dennoch Dokumente oder Teile von Dokumenten herausgeben, damit Betroffene die an sie übermittelten personenbezogenen Daten und deren Verwendung verstehen.

Es geht dem GA hier ersichtlich um den Kontext der Datenverarbeitung und wohl nicht um eine Festlegung, ob die Dokumente an sich personenbezogene Daten sind (dann müsste man sie ja ohnehin herausgeben).

Die Begründung und vorgeschlagene Vorgehensweise des GA, dürfte in der Praxis natürlich erneut zu Diskussionen und Unsicherheiten führen. Der GA verweist darauf, dass die Analyse der Notwendigkeit, Dokumente oder Auszüge zur Verfügung zu stellen, um die Verständlichkeit der übermittelten Informationen zu gewährleisten,

zwangsläufig von Fall zu Fall anhand der Art der Daten, die Gegenstand des Antrags sind, und des Antrags selbst vorgenommen werden“.

Zwar, so der GA, kann es in bestimmten Fällen für ein umfassendes Verständnis der in Rede stehenden personenbezogenen Daten erforderlich sein, den Kontext zu kennen, in dem diese Daten verarbeitet werden.

Diese Erwägung ist jedoch nicht geeignet, der betroffenen Person auf der Grundlage der in Rede stehenden Bestimmung ein allgemeines Recht auf Zugang zu Kopien von Dokumenten oder Auszügen aus Datenbanken zu verleihen“.

Systematisch führt der GA auch noch an, dass eine Auslegung von Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO dahin, dass diese Bestimmung kein allgemeines Recht auf Zugang zu Kopien von Dokumenten oder Auszügen aus Datenbanken gewährt, sofern dies nicht erforderlich ist, um die Verständlichkeit der übermittelten Daten und Informationen zu gewährleisten, auch dadurch bestätigt wird, dass das Recht auf Zugang zu Dokumenten, insbesondere zu Verwaltungsdokumenten, ausdrücklich durch andere Unionsrechtsakte oder nationale Rechtsakte geregelt wird, die andere Ziele haben als diejenigen, die den Schutz personenbezogener Daten sicherstellen.

Fazit

Als Ergebnis fasst der GA daher unter anderem zusammen:
diese Bestimmung der betroffenen Person kein allgemeines Recht verleiht auf teilweise oder vollständige Kopie des Dokuments, das die personenbezogenen Daten der betroffenen Person enthält, oder, wenn die personenbezogenen Daten in einer Datenbank verarbeitet werden, auf einen Auszug aus dieser Datenbank“.

Zum einen wird man nun sehen und warten müssen, ob und inwieweit sich der EuGH den Argumenten anschließt. Sollte die Begründung des GA so übernommen werden, dürften sich in der Praxis dennoch weiter Fragen stellen.

Insbesondere, wann ein Dokument oder zB eine Datenbank als Ganzes als personenbezogene Datum anzusehen ist. Ob es also eine Art „Infektion“ des Datums auf das ganze Dokument gibt.

Zum anderen wird in der Praxis die Frage aufkommen, wann den herauszugebende Daten eventuell nicht „verständlich“ sind und damit die Anforderungen nach Art. 12 Abs. 1 DSGVO noch nicht erfüllt sind.

Wer ist hier nachweispflichtig? Muss der Verantwortliche erahnen, dass Betroffene die Daten nicht verstehen? Sollte dies der Fall sein, bedeutet dies natürlich eine Unsicherheit für den Verantwortlichen und im schlimmsten Fall die Umkehrung der Ausnahme (Herausgabe ganzer Dokumente) zur Regel. Denn will der Verantwortliche auf Nummer sicher gehen, müsste er stets das ganze Dokument herausgeben.

Oder muss der Betroffene nachweisen, dass die Daten nicht „verständlich“ sind? Die mangelnde Fähigkeit des Verständnisses der Daten ist schließlich eine Eigenschaft, die allein in seiner Sphäre als Anspruchsteller liegt.

Finanzgericht: Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch

Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) hatte sich mit der Frage des Umfangs des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO und dessen Geltendmachung zum Zweck der Akteneinsicht zu befassen. Im Ergebnis lehnt das FG mit Urteil vom 26.7.2021 (Az. 10 K 3159/20) einen solchen Anspruch ab.

Sachverhalt

Vor dem FG streitig war, ob dem Kläger aufgrund von Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein Anspruch auf Akteneinsicht in die Handakten im Rahmen einer Betriebsprüfung zusteht. Der Kläger ist selbstständiger Apotheker und der Beklagte führte eine Betriebsprüfung bei diesem durch. In diesem Zuge kam es zu Besprechungen zwischen der Steuerberaterin des Klägers und der Betriebsprüferin wegen angeblicher fehlender Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Der Kläger begehrte Akteneinsicht im laufenden Verfahren, welche jedoch abgelehnt wurde. Am Ende lief es darauf hinaus, dass der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg einreichte. Zur Begründung führt er aus, die Klage richte sich gegen die Ablehnung der Akteneinsicht in die Handakte der Betriebsprüfung. Aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO folge ein gebundener Anspruch auf Übersendung der Akten an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, der nicht zeitlich eingeschränkt sei und damit auch im laufenden Betriebsprüfungsverfahren bestehe.

Entscheidung

Das FG geht davon aus, dass ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht nicht durch das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO begründet wird und lehnte die Klage als unbegründet hab.

Nach Ansicht des FG ist die DSGVO jedenfalls bei einer Betriebsprüfung, die sich neben anderen Steuerarten auch auf die Umsatzsteuer erstreckt, insgesamt anwendbar.

Danach geht das FG etwas ausführlicher als andere Gerichte in Entscheidungen zu Art. 15 DSGVO zunächst auf den Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ein.

Regelungsziel der DSGVO ist der in Art. 8 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) und Art. 16 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährleistete Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Bereits auf der Ebene der Grundrechtecharta ist das Recht jeder Person verankert, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRC).

Die Betroffenenrechte der DSGVO wurzeln in der Erwägung des europäischen Normgebers, dass der Einzelne selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen können muss. Natürliche Personen sollen daher grundsätzlich die Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen (Erwägungsgrund 7 Satz 2 zur DSGVO)

Das FG macht in seiner Begründung also zunächst deutlich, wie wichtig die Betroffenenrechte und gerade das Auskunftsrecht sind.

Das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO und das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 der Vorschrift erweisen sich damit als elementare subjektive Datenschutzrechte, da erst die Kenntnis darüber, ob und in welchem Umfang ein Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet, die betroffene Person in die Lage versetzt, weitere Rechte auszuüben

Weiter geht das FG davon aus, dass die frühere Rechtsprechung des EuGH zur Datenschutz-Richtlinie auf die Auslegung des Art. 15 DSGVO anwendbar ist. Denn der europäische Gesetzgeber wolle mit der DSGVO an die Ziele und Grundsätze der Datenschutzrichtlinie anknüpfen. Daher biete die in der Rechtsprechung vorgenommene Charakterisierung des Auskunftsanspruchs aus Art. 12 Buchst. a Datenschutz-Richtlinie auch Hinweise auf das Verständnis des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO.

Aber das Auskunftsrecht diene nach der Rechtsprechung des EuGH nicht der Schaffung eines Zugangs zu Verwaltungsdokumenten, weil dies nicht die Zielrichtung des europäischen Datenschutzrechts ist (EuGH-Urteil vom 17. Juli 2014, C-141/12, Rn. 46).

Zudem stellt das FG fest, dass die Erfüllung des Anspruchs („Ob“ der Auskunftserteilung) nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht im Ermessen der Finanzbehörde stehe. Das „Wie“ der Auskunftserteilung werde durch Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO jedoch nicht geregelt, so dass hieraus allein kein Akteneinsichtsrecht abgeleitet werden könne.

Das FG arbeitet dann nach und nach Argumente dafür heraus, was den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO von einem Akteneinsichtsrecht unterscheidet.

Einem vollumfassenden Akteneinsichtsanspruch bei der Finanzbehörde sei etwa schon aus sprachlichen Gründen zu widersprechen,

da sich Art. 15 DSGVO dem Wortlaut nach nur auf bestimmte personenbezogene Daten bezieht und nicht auf eine allgemeine Einsicht in die Akten

Zudem sei das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO auch nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch. Das Akteneinsichtsrecht beruhe vornehmlich auf dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) und soll den Anspruchsteller in die Lage versetzen, die Grundlagen einer Verwaltungsentscheidung nachzuvollziehen.

Und weiter: „Ein Akteneinsichtsrecht geht stets über ein bloßes Auskunftsrecht hinsichtlich der verarbeiteten personenbezogenen Daten hinaus; so ergeben sich aus einer Akteneinsicht regelmäßig auch rechtliche Stellungnahmen, Entscheidungsentwürfe und Berechnungen der Amtsträger, Dienstanweisungen oder Ermittlungsergebnisse, die schon dem Grunde nach nicht unter den Schutzbereich der DSGVO und des § 32c AO fallen.“

Das FG stellt hier meines Erachtens zurecht die verschiedenen Zielrichtungen und Zweck der beiden Ansprüche bzw. Rechte gegenüber. Ein datenschutzrechtlicher Anspruch kann auch ohne Akteneinsicht erfüllt werden, indem dem Betroffenen im Fall der Verarbeitung personenbezogener Daten die konkreten Daten sowie die Einzelangaben i.S. von Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO mitgeteilt werden. Diese Aussage des FG ist für die geführte Diskussion um die Reichweite des Art. 15 (sowohl Abs. 1 als auch Abs. 3) relevant.

Nach Ansicht des FG enthält die DSGVO keine Regelung über die Gewährung von Akteneinsicht, sondern lediglich über punktuelle datenschutzrechtliche Auskunftsrechte wie z.B. über die Zwecke der Verarbeitung, die Empfänger, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere Empfänger in Drittländern oder internationale Organisationen sowie falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer.

Zuletzt hält das FG die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Form der Auskunftserteilung i.S. des Art. 15 Abs. 1 DSGVO für nicht geboten.

Fazit

Die Entscheidung des FG ist meiner Ansicht nach deswegen interessant, weil das Gericht sehr wohl die Bedeutung der Betroffenenrechte und des Auskunftsrechts erkennt und herausarbeitet. Dann jedoch diesen Anspruch in seiner Zielrichtung und seinem Umfang klar von einem Akteneinsichtsrecht abgrenzt und es damit ablehnt, auf Grundlage von Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO komplette Akteninhalte (in denen sich auch personenbezogene Daten des Betroffenen befinden) herauszugeben.

Länderübergreifende Kontrolle der deutschen Aufsichtsbehörden zur Umsetzung der SchremsII-Entscheidung

Wie heute bekannt wurde (Pressemitteilung der Berliner Behörde, PDF), führen die deutschen Aufsichtsbehörden gemeinsam abgestimmte Kontrollen zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben zu internationalen Datenübermittlungen mithilfe von fünf verschiedenen Fragebögen in fünf Themenkomplexen durch. Jede Behörde entscheidet individuell, in welchen dieser Themenfelder sie durch Versenden der Fragebögen tätig wird und an welche Unternehmen sie herantritt. Daher kann es sein, dass manche Behörden nur einen oder wenige Fragebögen wirklich nutzen und andere wiederrum alle Fragebögen versenden. Die wie im Folgenden aufgeführt bezeichneten Fragebögen sind unter folgenden Links abrufbar:

Innerhalb dieses Blogbeitrags möchte ich auf einige Themen näher eingehen, die bei einer ersten groben Durchsicht der Fragebögen aufgefallen sind.

Selbstbezichtigungsfreiheit vs. Pflicht zur Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden

Anders als bei manch anderen Fragebögen, die in der Vergangenheit versendet wurden (siehe bspw. zum Fragebogen der Thüringer Behörde zu Webseiten hier), enthalten die öffentlich verfügbaren Versionen keinen Hinweis darauf, ob die Beantwortung der Fragen freiwillig oder verpflichtend ist. Wahrscheinlich wird dies in den Begleitschrieben der Behörden näher erläutert.

Eine sehr allgemein gehaltene Pflicht von Unternehmen zur Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden ist in Art. 31 DSGVO geregelt. Wie weit diese Pflicht reicht, ist derzeit noch vollkommen unklar. Sie wird nicht so ausgelegt werden können, dass Unternehmen sich selbst bezichtigen müssen. Dagegen sind Unternehmen nach dem nemo tenetur Grundsatz aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der EuGH in mehreren Fällen geurteilt hat, dass die Beantwortung von Tatsachenfragen dem nemo tenetur Prinzip nicht entgegensteht (siehe bspw. EuGH, Rs. T-112/98, Rn. 78 zur Beantwortung von Tatsachenfragen ggü. der Kommission) und Unternehmen auch dann zur Beantwortung solcher Fragen verpflichtet sind, wenn die Antworten für sie selbstbelastend wirken. Dies wird man auch auf die Fragen der deutschen Behörden übertragen müssen, soweit sie sich ausschließlich auf Tatsachen beziehen.

Anderes gilt ggf. für Fragen, bei denen die Behörden nicht nach Tatsachen fragen. So z.B. in Frage 9 des Fragebogens zum E-Mail-Versand / Frage 12 zum Hosting / Frage 11 zum Webtracking / Frage 9 zu Bewerberportalen, in welcher um eine Beschreibung der Gründe für die Rechtmäßigkeit der Verwendung von Standardvertragsklauseln und nach Nachweisen gefragt wird. Innerhalb des Fragebogens zum konzerninternen Datenverkehr wird für den Fall, dass Unternehmen zum Schluss gelangt sind, dass der Empfänger im Drittland die Pflichten aus Standardvertragsklauseln erfüllen kann, nach Gründen für die Schlussfolgerung und Nachweisen gefragt (Frage 8).

Fragen zum Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten

Die Fragen der verschiedenen Bögen überschneiden sich zum Teil. So wird in jedem Fall nach den Rollen von Dienstleistern (Auftragsverarbeiter oder gemeinsam Verantwortlicher) und nach einem Auszug aus dem Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten gefragt. Zu Letzterem sind Unternehmen nach Art. 30 Abs. 4 DSGVO verpflichtet. Hierbei sollten Unternehmen beachten, dass von der Frage nach dem Verzeichnis nicht nur die Zusammenarbeit mit Dienstleistern betroffen ist, sondern bspw. nach den „die den Einsatz des Internetangebots betreffenden Teilen“ oder nach „den Betrieb der WWW-Seiten betreffenden Teilen“ gefragt wird. Nach meinem Verständnis meint dies in den beiden zitierten Fällen alle Einträge im Verzeichnis, die eine auf der Website erfolgende Datenverarbeitung betreffen. Man könnte mutmaßen, dass die Behörden sich durch diese weiteren Informationen aus dem Verzeichnis eine noch weiterreichende Prüfung von Websites ermöglichen wollen. Unternehmen sollten ihr Verzeichnis definitiv noch einmal prüfen, bevor sie es als Bestandteil einer Antwort an die Behörde herausgeben.

Frage nach einer möglichen Kenntnisnahme von Daten im Drittland

Innerhalb aller Fragebögen möchten die Behörden von Unternehmen eine Antwort auf die folgende Frage erhalten:

Sofern die (mögliche) Kenntnisnahme der personenbezogenen Daten in den USA erfolgt, unterfallen Sie oder ein Empfänger der Section 702 des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) der USA, der US-Behörden Zugang zu den Daten bei Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste ermöglicht?

Im Fragebogen zum konzerninternen Datenverkehr heißt es außerdem wie folgt:

Bitte beachten Sie, dass es sich auch schon dann um eine Übermittlung im Sinne des Kapitel V DSGVO handelt, wenn Daten, die z.B. in Deutschland gespeichert sind, von einer in einem Drittland befindlichen Person per Fernzugriff aufgerufen werden können.

Hierbei fällt auf, dass die Aufsichtsbehörden wiederholt auf eine „mögliche“ Kenntnisnahme und auf einen möglichen Fernzugriff für eine „Übermittlung“ abstellen. In der DSGVO gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bereits eine rein mögliche, aber nicht tatsächlich erfolgende Kenntnisnahme oder ein solch theoretisch möglicher Fernzugriff eine Datenübermittlung ist. Folglich ist es fragwürdig, was die Behörden aus der Antwort auf Ihre Frage machen möchten. Es ist zumindest denkbar, dass Unternehmen auf die Frage mit „ja“ antworten, für sie aber mangels einer tatsächlich erfolgten Übermittlung die Vorgaben der DSGVO zu Datenübermittlungen jedoch überhaupt nicht gelten und daher für den Dienstleister die Pflichten aus den SCC in Bezug auf die rein theoretische Übermittlung nicht gelten.

Frage zur Änderung der Rechtslage

Grundsätzlich gibt es bei den Fragebögen vielfach Überschneidungen. Innerhalb des Fragebogens zu Bewerberportalen und jenem zum konzerninternen Datenverkehr ist interessanterweise eine Frage zu Datenübermittlungen enthalten, die nicht in den anderen Bögen aufgeführt ist und wie folgt lautet:

Da sich die Rechtslage im Drittland ändern kann: Wie stellen Sie eine schnelle Reaktion und datenschutzkonforme Anpassung an neue Gegebenheiten sicher? Beschreiben Sie insbesondere den Melde- und den Reaktionsprozess zwischen Ihrem Unternehmen und dem Empfänger im Drittland.“

Die Frage wird für Unternehmen (zumindest auf dem Papier) einfach zu beantworten sein. Innerhalb der SCC gibt es eine Pflicht des im Drittland ansässigen Datenverarbeitenden, das in der EU ansässige Unternehmen über Änderungen in der Rechtslage zu informieren. Daher könnte es ausreichend sein, dass in einem in der Frage beschriebenen Fall die Kommunikation per E-Mail erfolgt und die Parteien in so einem Fall zusammenkommen und die Notwendigkeit prüfen, zusätzliche Maßnahmen für Datenübermittlungen zu vereinbaren oder eine zuständige Aufsichtsbehörde zu kontaktieren.

Frage nach geplanten Maßnahmen und deren Umsetzungsplan

Innerhalb der Fragebögen wird für den Fall, dass die Umstellung auf andere Systeme geplant ist, um Auskunft dazu gebeten, auf welche Lösungen Umstellungen geplant sind, und um Mitteilung zum Stand der Umsetzung nebst Zeitplan für den Abschluss gebeten. Unternehmen sollten aus meiner Sicht bei der Beantwortung dieser Frage vorsichtig sein. Einerseits spricht die Frage an sich dafür, dass sich die Behörden auch derzeit noch mit einem Umsetzungsplan zufrieden geben könnten und nicht die abrupte Umstellung auf solche Anbieter fordern, die Daten ausschließlich in der EU oder dem EWR verarbeiten. Andererseits ist gut denkbar, dass die Behörden in einem zweiten „Schwung“ in Zukunft Unternehmen dazu befragen werden, wie weit die Umsetzung vorangeschritten ist.

Verwaltungsakt oder kein Verwaltungsakt?

Auch bei dieser Aktion stellt sich aus meiner Sicht wieder einmal die Frage, ob die Fragebögen und etwaige Begleitschreiben der Behörde ein Verwaltungsakt sind oder nicht. Oft versuchen Datenschutzbehörden noch einen Verwaltungsaktcharakter abzulehnen, etwa unter Hinweis auf eine fehlende Rechtsbehelfsbelehrung. Dies spielt aber für die Qualifikation als Verwaltungsakt keine entscheidende Rolle. Meines Erachtens sprechen gute Gründe dafür, dass entsprechende behördliche Anschreiben mit diesen Fragebögen als Verwaltungsakt zu qualifizieren sind. Auch das Verwaltungsgericht Mainz ging etwa in einem Urteil davon aus (Urt. v. 09.05.2019, 1 K 760/18.MZ), dass den Behörden eine entsprechende Verwaltungsaktbefugnis beim Versand eines Fragenkatalogs zusteht. Natürlich muss man dennoch das jeweilige Anschreiben und die dortigen Belehrungen sichten, um dann entscheiden zu können, ob die Merkmale eines Verwaltungsakts vorliegen.

Drittstaatentransfers: Deutsche Behörden planen Begutachtung der Rechtslage in den USA und Stichprobenprüfung bei Unternehmen

Kürzlich wurde das Protokoll der 100. Sitzung der DSK im Internet veröffentlicht (pdf).

Neben anderen praxisrelevanten Themen haben sich die deutschen Datenschutzbehörden in ihrer Sitzung Ende November 2020 auch mit Umsetzung der Vorgaben des EuGH aus dem Schrems —Urteil befasst (siehe Top 22).

So hat die Behörde aus Berlin vorgeschlagen, „hinsichtlich der Rechtssituation in den USA ein Gutachten zu beauftragen“. Wichtig ist der Behörde ein gemeinsames Vorgehen der Aufsichtsbehörden zur Umsetzung des Urteils. Laut dem Protokoll soll nun der DSK-Vorsitz ein Umlaufverfahren hinsichtlich der Beauftragung eines Gutachtens sowie dessen Finanzierung einzuleiten.

Die Initiative aus Berlin ist meines Erachtens durchaus praxisrelevant. Zum Teil wird ja sowohl dem EuGH als auch den Aufsichtsbehörden vorgehalten, sich nicht genauer mit der Rechtslage in den USA befasst zu haben. Dieses Argument kann auch bei der rechtlichen Beurteilung von Schutzmaßnahmen, die man ergänzend zu EU-Standarddatenschutzklauseln vereinbart, Bedeutung haben. Denn der Exporteur in der EU soll ja nach dem Urteil des EuGH (mit Unterstützung des Importeurs) beurteilen, wie sich die Rechtslage in dem jeweiligen Drittland in Bezug auf den Importeur und durch diesen verarbeitete Daten auswirkt.

Eventuell ist nun von Behördenseite angedacht, diese „Lücke“ zu schließen und, zumindest auf Behördenseite, eine Begutachtung der Rechtslage in den USA stets verfügbar zu haben. Für Unternehmen, die sich z.B. in einem Prüfverfahren mit der Behörde befinden, kann dies etwa auch dazu führen, dass sie sich gegen Aussagen aus dem Gutachten verteidigen bzw. diese entkräften müssen, wenn die Aufsichtsbehörde das Gutachten zur Grundlage ihrer Argumentation macht.

Wie beschrieben, soll aber nun erst einmal innerhalb der DSK abgefragt werden, ob die Behörden ein solches Gutachten in Auftrag geben möchten.  

In diesem Zusammenhang enthält das Protokoll einen weiteren wichtigen Hinweis: die Datenschutzbehörde aus Hamburg ergänzt in der Sitzung, „dass Stichproben mit Hilfe eines abgestimmten Fragebogens hinsichtlich der Umsetzung des Schrems II-Urteil bei Verantwortlichen durchgeführt werden sollen“. Die Aufsichtsbehörden solle einzeln über eine Teilnahme an dieser Abfrage entscheiden.

Nach meiner Kenntnis, liegt ein innerhalb der DSK abgestimmter Fragebogen zur Prüfung von Drittstaatentransfers aktuell noch nicht vor. Dies schließt freilich nicht aus, dass etwa die Behörde aus Hamburg, wie im Protokoll angekündigt, auch selbstständig entsprechende Prüfungen startet. Letzte Anmerkung dazu: die Prüfung soll bei „Verantwortlichen“ durchgeführt werden. Also wohl nicht bei Dienstleistern mit Sitz in der EU, die Daten in Drittländer übermitteln.  

Datenschutzbeauftragter als Unternehmensvertreter im Verwaltungsverfahren?

Die Stellung und Aufgaben des Datenschutzbeauftragten (DSB) sind ja bekanntlich in Artt. 38, 39 DSGVO festgelegt. Hierbei fokussiert sich das Gesetz natürlich auf datenschutzspezifische Themen, wie etwa die Aufgabe, den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter zu beraten oder auch als Anlaufstelle für die Datenschutzbehörde zu agieren.

Eine Rolle als Vertreter des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters nach außen, insbesondere prozessual, ist dem DSB in der DSGVO eigentlich nicht angedacht. Zumindest wird hierauf nicht eingegangen und eigentlich mag man sogar davon ausgehen, dass der DSB eine solche Vertretung gegenüber Aufsichtsbehörden wegen seiner unabhängigen Stellung (Art. 38 Abs. 3 DSGVO) nicht einnimmt.

In diesem Zusammenhang bin ich bei der Analyse der aktuellen Entscheidung des EDSA in dem Verfahren der irischen Aufsichtsbehörde gegen Twitter auf einen sehr interessanten und meines Erachtens hoch praxisrelevanten Aspekt gestoßen.  Die Entscheidung des EDSA ist hier abrufbar und auch ansonsten lesenswert, handelt es sich doch auch um die erste bindende Entscheidung des EDSA in einem Streitbeilegungsverfahren nach Art. 65 DSGVO.

In der Beschreibung des Sachverhalts wird dort auch auf die Frage eingegangen, ob denn Twitter im Rahmen des durch die irische Datenschutzbehörde durchgeführten Verwaltungsverfahrens und der darauf folgenden Einleitung des Verfahrens nach Art. 65 DSGVO beim EDSA zuvor ordentlich angehört und beteiligt wurde. Achtung, es geht hier nicht um die Involvierung des DSB von Twitter an sich, sondern des Unternehmens in dem Verwaltungsverfahren selbst. Das Sekretariat des EDSA fragte hierzu bei der irischen Behörde an:


On 4 September 2020, the Secretariat contacted the IE SA with additional questions in order to confirm whether TIC has been given the opportunity to exercise its‘ right to be heard regarding all the documents that were submitted to the Board for making its decision. On 8 September 2020, the IE SA confirmed that it was the case and provided the documents to prove it”.

Die “IE SA” ist die irische Behörde. „TIC“ ist die Abkürzung für Twitter.

Das EDSA Sekretariat verweist zuvor als Begründung auf Art. 41 Abs. 2 lit. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Danach hat jede Person das Recht, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird. In der Rechtsprechung des EuGH wird stets die Bedeutung des Rechts auf Anhörung und seinen sehr weiten Geltungsumfang in der Unionsrechtsordnung bekräftigt. Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen (EuGH, Urt. v. 22.11.2012 – C-277/11).

Die irische Datenschutzbehörde hat nach den obigen Ausführungen in der Entscheidung Dokumente an den EDSA geleitet, aus denen sich ergibt, dass das Unternehmen in dem Verwaltungsverfahren ordentlich angehört wurde. Hierzu verweist der Beschluss des EDSA in Fußnote 13 auf folgende Information:
Amongst the documents sent by IE SA, there were emails from the Global DPO acknowledging receipt of the relevant documents”.

Der DSB von Twitter hat in dem Verfahren relevante Dokumente von der Behörde erhalten und deren Erhalt auch per E-Mail bestätigt.

Das bedeutet, dass der EDSA anscheinend für eine Anhörung in einem Verwaltungsverfahren auch die Kommunikation mit bzw. Adressierung des DSB, quasi als Vertreter des Unternehmens im Verwaltungsverfahren, als ausreichend ansieht.

In Deutschland kennen wir dieses Recht aus § 28 VwVfG. Danach sind es „Verfahrensbeteiligte“ iSv § 13 Abs. 1 und Abs. 2 bzw. deren Vertreter oder Bevollmächtigte (§ 14 VwVfG), denen das Recht auf Anhörung zusteht. Den DSB an sich würde man bei uns wohl nicht als Verfahrensbeteiligten oder Bevollmächtigten ansehen. Zumindest nicht ohne entsprechende Bevollmächtigung und von Sonderkonstellationen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht abgesehen. Würde sich die Ansicht des EDSA (basierend auf der Auslegung europäischen Rechts) durchsetzen, würde dies in der Praxis für Unternehmen bedeuten, dass eine Kommunikation mit der Aufsichtsbehörde intern auf jeden Fall klar strukturiert erfolgen muss. Denn im schlimmsten Fall haben interne Abteilungen wie Legal oder Compliance keine Kenntnis von der Kommunikation mit der Behörde, diese würde aber von einer ordentlichen Anhördung des Unternehmens ausgehen. Klingt für mich insgesamt auch nach einer spannenden Frage zum Verhältnis zwischen DSGVO (bzw. der Charta) und nationalem Verfahrensrecht.

Europäischer Datenschutzbeauftragter: Strategie für EU-Institutionen zur Einhaltung des „Schrems II“-Urteils

Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS), also die Aufsichtsbehörde für die Institutionen der EU, hat gestern ein interessantes Papier für eine Stratege zur Einhaltung der Vorgaben des Schrems II Urteils des EuGH veröffentlicht (pdf). Dort wird dargelegt, wie nach Ansicht der Aufsichtsbehörde die EU-Institutionen nun kurz- und mittelfristig mit Datentransfers in Drittländer (insbesondere die USA) umgehen sollten.

Die Vorgaben und Empfehlungen des EDPS sind meines Erachtens auch eine gute Arbeitshilfe für Unternehmen im privatwirtschaftlichen Bereich, die ja vor derselben Herausforderung stehen.

Ziel der Strategie

Nach Aussage des EDPS zielen die Strategie und darin enthaltende Empfehlungen darauf ab, die Einhaltung des Urteils durch die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Europäischen Union zu gewährleisten und zu überwachen. Das Dokument befasst sich sowohl mit kurz- als auch mit mittelfristigen Maßnahmen für die EU-Institutionen und den EDPS.

Inhalt der Strategie

Die Vorgaben unterscheiden zwischen kurzfristigen und mittelfristigen Einhaltungsmaßnahmen wurde. Als kurzfristige Maßnahme erließ der EDPS am 5. Oktober 2020 eine Anweisung an die EU-Institutionen, eine Bestandsaufnahme durchzuführen, um festzustellen, bei welchen laufenden Verträgen, Beschaffungsverfahren und anderen Arten der Zusammenarbeit Daten übertragen werden. Als mittelfristige Maßnahme wird der EDPS Leitlinien bereitstellen und von Fall zu Fall Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Datenschutzvorschriften bei Übermittlungen in die Vereinigten Staaten oder andere Drittländer verfolgen. Zudem sollen die EU-Institutionen aufgefordert werden, von Fall zu Fall Transfer Impact Assessments (TIAs) durchzuführen, um für den jeweiligen Transfer zu ermitteln, ob im Bestimmungsdrittland ein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau, wie es in der EU/EWR vorgesehen ist, gewährleistet ist.

Nachfolgend eine Übersicht zu den Vorgaben mit einer eigenen Übersetzung. Ich denke, dass man aus Sicht eines Unternehmens nicht alle Vorgaben direkt übernehmen kann. Jedoch ist dieser Umsetzungsplan des EDPS ein guter Anhaltspunkt, wie man im Unternehmen sein eigenes „Schrems II-Projekt“ aufsetzen könnte.

Der EDPS hält einen zweigleisigen Ansatz für den geeignetsten:

(1) Ermittlung dringender Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Vorschriften durch einen risikobasierten Ansatz für Übermittlungen in die USA, die für die betroffenen Personen mit hohen Risiken verbunden sind, und parallel dazu

(2) Bereitstellung von Leitlinien und Verfolgung mittelfristiger fallweiser Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Vorschriften des EDPS für alle Übermittlungen in die USA oder in andere Drittländer.

Die Strategie des EDPS zur Gewährleistung und Überwachung der Einhaltung des Urteils ist im Wesentlichen in zwei Phasen mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen unterteilt.

1. Kurzfristig – Bestandsaufnahme (mapping) und unmittelbare Einhaltungsprioritäten

Bestandsaufnahme

Der EDPS erteile EU-Institutionen die Anweisung, eine Bestandsaufnahme aller laufenden Verarbeitungsvorgänge und Verträge durchzuführen, die Übermittlungen in Drittländer beinhalten. Die Institutionen werden aufgefordert, bis Ende Oktober eine Bestandsaufnahme durchzuführen, um Datenübermittlungen für laufende Verträge, Beschaffungsverfahren und andere Arten der Zusammenarbeit zu ermitteln. Die Bestandsaufnahme der EU-Institutionen sollte folgend Daten enthalten:

  • die Verarbeitungsvorgänge,
  • die Bestimmungsorte,
  • die Empfänger,
  • die verwendeten Übertragungsinstrumente,
  • die Arten der übertragenen personenbezogenen Daten,
  • die Kategorien der betroffenen Personen sowie
  • Informationen über Weiterleitungen beschreiben.

Rückmeldung an den EDPS

Bis spätestens 15. November 2020 sollen die EU-Institutionen dem EDPS über spezifische Risiken und Lücken berichten, die sie bei dieser Bestandsaufnahme ermittelt haben. Darüber hinaus müssen sie dem EDPS spezifische und transparente Informationen über drei Hauptkategorien von Datenübermittlungen vorlegen, die wahrscheinlich höhere Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen bergen und vom EDPS vor Ende 2020 als Aufsichtsprioritäten ermittelt wurden:

  • illegale Übermittlungen, die nicht auf einem Übermittlungsinstrument beruhen;
  • Übermittlungen, die auf einer Ausnahmeregelung nach Artikel 50 der Verordnung beruhen; und
  • „risikoreiche Übermittlungen“ in die USA an Stellen, die eindeutig unter Abschnitt 702 FISA oder E.O. 1233319 fallen und bei denen es sich entweder um groß angelegte Verarbeitungsvorgänge oder komplexe Verarbeitungsvorgänge oder um die Verarbeitung sensibler Daten oder Daten sehr persönlicher Art handelt.

Auf der Grundlage dieser ersten Berichterstattung kann der EDPS Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, um diese Übermittlungen mit der Verordnung in Einklang zu bringen oder diese Übermittlungen gegebenenfalls auszusetzen.

2. Mittelfristig – Leitlinie des EDSA und Transfer Impact Assessments

Transfer Impact Assessments (TIAs)

Die EU-Institutionen werden aufgefordert, von Fall zu Fall Transfer Impact Assessments (TIAs) durchzuführen, um festzustellen, ob im Bestimmungsdrittland ein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau wie in der EU/EWR gewährleistet ist.

Im Anschluss an die erwartete Leitlinie des Europäischen Datenschutzausschusses zu geeigneten ergänzenden Maßnahmen wird der EDPS eine Liste von Vorfragen für Verantwortliche zur Verfügung stellen, damit diese TIAs mit Datenimporteuren einleiten können.

Auf der Grundlage dieser Bewertungen, die mit Hilfe von Datenimporteuren durchgeführt werden, sollten die EU-Institutionen eine Entscheidung darüber treffen, ob es möglich ist, die in der Bestandsaufnahme ermittelten Transfers fortzusetzen.

Rückmeldung an den EDPS

Abhängig vom Ergebnis der TIAs sollen die EU-Institutionen dem EDPS im Laufe des Frühjahrs 2021 über die folgenden drei Kategorien von Datentransfers Bericht zu erstatten:

  • Übermittlungen in ein Drittland, die kein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau gewährleisten;
  • Übermittlungen, die ausgesetzt oder beendet werden, sind gemäß Art. 47 Abs. 2 der Verordnung 2018/1725 zu melden, wenn die EU-Institution der Auffassung ist, dass das Drittland kein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau gewährleistet;
  • Bei Übertragungen, die auf Ausnahmeregelungen beruhen, sind Kategorien von Fällen, in denen Art. 50 der Verordnung 2018/1725 angewandt wurde, gemäß Art. 50 Abs. 6 der Verordnung zu melden.

Die Rolle von „Übereinkommen Nr. 108+“ im Rahmen der Prüfung des Datenschutzniveaus in Drittländern nach der DSGVO

Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schrems II (C-311/18) wird vermehrt deutlich, dass der Inhalt dieses Urteils bei weitem nicht nur Auswirkungen auf Datenübermittlungen in die USA hat. Wenn kein Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission existiert, fordert der EuGH von datenexportierenden Verantwortlichen, dass sie vor der Übermittlung prüfen, ob in dem jeweiligen Drittland ein gleichwertiges Schutzniveau für personenbezogene Daten existiert.

Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung das Übereinkommen Nr. 108+ (man spricht von „Nr. 108+“, da das alte Übereinkommen im Jahre 2018 angepasst wurde) des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (Übereinkommen Nr. 108) bei der Prüfung des Schutzniveaus in Drittländer spielt, die Vertragspartei dieses völkerrechtlichen Übereinkommens sind. Mein Kollege Philipp Quiel und ich haben uns hierzu ein paar tiefergehende Gedanken gemacht und die Vorgaben der DSGVO für ein „gleichwertiges Schutzniveau“ den Regelungen des Übereinkommen Nr. 108+ gegenübergestellt. Den Beitrag kann man hier herunterladen (PDF).

Ergänzung vom 31.8.2020: aufgrund des Feedbacks auf Twitter haben wir die gegenüberstellende Analyse um die Regelungen des Übereinkommens 108 und Informationen zum Gültigkeitsstatus ergänzt. Danke.