(Räumlicher) Anwendungsbereich des neuen TTDSG – Rechtsunsicherheit vorprogrammiert

Am 20. Mai hat der Bundestag bekanntlich das neue „Gesetzes zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien“ (TTDSG) in der Fassung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft angenommen. Die Beschlussempfehlung mit dem angenommenen Gesetzestext findet sich hier (PDF).

Das neue TTDSG tritt zum 1. Dezember 2021 in Kraft.

In § 26 TTDSG enthält das Gesetz auch eine Vorschrift zur Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie, also dem Einwilligungserfordernis im Fall des Zugriffs auf Informationen in Endgeräten oder des Speichern von Informationen in Endgeräten. Oder kurz: für das (Online)Tracking.

In diesem Beitrag möchte ich aber nicht hierauf eingehen, sondern möchte auf einen Aspekt hinweisen, der meines Erachtens aus praktischer Sicht noch einige Fragen (oder auch unschöne Situationen) hervorrufen dürfte. Es geht um die Frage, wann denn das TTDSG und damit auch die Regelung des § 26 TTDSG überhaupt anwendbar ist. Im Rahmen der Stellungnahmen zu  Ausschussanhörung sind auf diesen Aspekt auch der BITKOM (PDF) und der Kollege Alexander Golland (PDF) eingegangen.

§ 1 Abs. 3 TTDSG

Die relevante Vorgabe zum Anwendungsbereich (insbesondere auch räumlich) enthält § 1 Abs. 3 TTDSG: „Diesem Gesetz unterliegen alle Unternehmen und Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Niederlassung haben oder Dienstleistungen erbringen oder daran mitwirken oder Waren auf dem Markt bereitstellen. § 3 des Telemediengesetzes bleibt unberührt“.

Zunächst fällt auf, dass die Anwendung des TTDSG nicht von einer Verarbeitung personenbezogener Daten abhängt. Das ist natürlich auch richtig, da die ePrivacy-Richtlinie ebenfalls nicht (erst) beim Umgang mit personenbezogenen Daten gilt, was auch der EuGH in seinem Urteil in der Rs C‑673/17 ebenfalls klargestellt hat (Rz. 70„Dieser Schutz erstreckt sich auf alle in solchen Endgeräten gespeicherten Informationen, unabhängig davon, ob es sich um personenbezogene Daten handelt“).

Die Vorschrift ist in mehrere Alternativen unterteilt. Voraussetzung ist stets, dass Unternehmen oder Personen handeln und diese, entweder

  • 1) im Geltungsbereich des TTDSG eine Niederlassung haben oder
  • 2) Dienstleistungen erbringen oder daran mitwirken oder
  • 3) Waren auf dem Markt bereitstellen.

Kurz ein paar kritische Anmerkungen zu 1) und 2).

Zu 1)

Für die Anwendbarkeit des TTDSG reicht es aus, dass ein Unternehmen eine Niederlassung in Deutschland hat. Es ist nicht erforderlich, dass diese Niederlassung irgendwie aktiv in Tätigkeiten eingebunden ist, die zB ein Tracking beinhalten. Allein das Vorhandensein einer Niederlassung ist ausreichend. Das ist ein sehr weiter Anwendungsbereich und geht sogar noch über Art. 3 Abs. 1 DSGVO hinaus, der ja zumindest verlangt, dass eine Datenverarbeitung „im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung eines Verantwortlichen oder eines Auftragsverarbeiters in der Union erfolgt“ (Hervorhebung durch mich).

Man kann natürlich politisch eine solche weite Ausdehnung verlangen. Nur sollte man sich dann auch mit der praktischen Umsetzung und vor allem Durchsetzung des Rechts auseinandersetzen. Ein Beispiel: ein Unternehmen aus der Schweiz bietet über einen Online-Shop Waren in der Schweiz und Frankreich an. Das Unternehmen hat auch eine Niederlassung in Deutschland, die jedoch nur für den Einkauf von Waren verantwortlich ist.

Nach § 1 Abs. 3 TTDSG unterliegt ein Tracking auf der Webseite des Schweizer Unternehmens dem TTDSG. Ohne dass der Online-Shop überhaupt Waren in Deutschland anbietet oder darauf ausgerichtet ist. Man mag mich dafür schelten, aber ich glaube nicht, dass dies die gesetzgeberische Intention war.

Zu 2)

Doch es geht noch weiter. Auch wenn keine Niederlassung in Deutschland vorhanden ist, soll das TTDSG Anwendung finden. Dies dann, wenn Unternehmen im Geltungsbereich des TTDSG „Dienstleistungen erbringen oder daran mitwirken“. Wenn also Dienstleistungen in Deutschland erbracht werden.

Wen diese Vorschrift an eine andere Regelung erinnert, der liegt richtig, wenn er in Art. 3 Abs. 2 DSGVO sucht. Dort wird das sog. Marktortprinzip festgeschrieben. Die Aufnahme dieses Prinzips im Anwendungsberiech des TTDSG ist auch ausdrücklich vom Gesetzgeber gewollt (S. 34 des Gesetzentwurfs, PDF): „Dabei gilt nach wie vor das Marktortprinzip. Die im Verhältnis zur E-Privacy-Richtlinie subsidiär geltende DSGVO enthält bereits das Marktortprinzip, das damit auch für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Telekommunikationsanbieter gilt“. Und: „§ 1 Absatz 3 TTDSG hat daher Bedeutung für alle Bestimmungen, die sich nicht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten beziehen und die nicht unter § 3 des Telemediengesetzes fallen, so dass das Marktortprinzip bei der Anwendung dieses Gesetzes gilt, soweit nicht § 3 des Telemediengesetzes Anwendung findet„.

Auch ohne Niederlassung in Deutschland, gilt also § 26 TTDSG für ein Unternehmen aus Indien, welches über eine Webseite Dienstleistungen in Deutschland erbringt. Aber, nur weil ein Gesetz gilt, bedeutet dies nicht, dass es auch eingehalten bzw. durchgesetzt wird.

Der Gesetzgeber des TTDSG hat jedoch auf halber Strecke halt gemacht und keine entsprechenden Folgereglungen zur Durchsetzung des TTDSG ggü. Unternehmen in Drittstaaten erlassen. In Art. 27 DSGVO ist etwa für diesen Fall vorgesehen, dass ein Vertreter in der EU zu benennen ist. Eine solche Pflicht enthält das TTDSG nicht.

Und noch zwei Anmerkungen zum Tatbestand selbst.

Erfasst ist dem Wortlaut nach allein das „Erbringen“ von Dienstleistungen. Nicht erwähnt ist das „Anbieten“. Versteht man dies so, dass nur die aktive Ausführung einer Dienstleistung relevant ist, würde zB ein Tracking auf Webseiten nicht in den Anwendungsbereich des TTDSG fallen, soweit etwa ein Online-Shop Waren und Dienstleistungen nur präsentiert; also „anbietet“. Erst, wenn eine Person eine Dienstleistung bestellt und einen Vertrag hierüber schließt („erbringen“), würden die Vorgaben des TTDSG greifen. Ist das gewollt? Ich meine nein. So steht es aber in § 1 Abs. 3 TTDSG.

Zum anderen wird nicht nur das „Erbringen“ erwähnt, sondern sogar ein „Mitwirken“ hieran. Also Unterstützungsleistungen im Hintergrund. Man denke an Auftragsverarbeiter oder andere Dienstleister. Auch diese Unternehmen wären, ohne Niederlassung in Deutschland, von den Vorgaben des TTDSG erfasst, wenn sie bei der Erbringung von Dienstleistungen (in welcher Form auch immer?) mitwirken. Im TTDSG selbst wird der Begriff nicht definiert. Nach § 2 Abs. 1 TTDSG gelten die Begriffsbestimmungen des TKG. Dort kennt man den Begriff des „Mitwirkens“ (zB in § 3 Nr. 6 TKG). Möchte man diese Parallele zwischen TKG und TMG ziehen (was mE zumindest in der Pauschalität auch schon diskutiert werden kann), dann zeigt sich eine weites Verständnis des Begriffs. So etwa die BNetzA: „Das Eröffnen dieser Nutzungsmöglichkeit stellt im Regelfall kein eigenständiges Erbringen, sondern lediglich eine “Mitwirkung an der Erbringung von Telekommunikationsdiensten“ (vgl. § 3 Nr. 6 b TKG) eines Dritten (Netzbetreiber und/oder TK-Diensteanbieter, einschließlich Wiederverkäufer) dar“ (S. 1, PDF).

Fazit Diese Anmerkungen stellen nur eine erste kleine Einschätzung zu möglichen Praxisproblemen bei der Anwendung des neuen TTDSG, insbesondere im Fall von Auslandsbezügen, dar. Ich bin sehr gespannt, ob und wenn ja wie die Datenschutzbehörden mit möglichen Durchsetzungslücken in der Praxis umgehen.

Französische Datenschutzbehörde: Rechtliche Anforderungen beim Einsatz von Chatbots

Die französische Datenschutzbehörde (CNIL) hat auf ihrer Webseite Hinweise zum datenschutzkonformen Einsatz von Chatbots auf Webseiten oder in Apps veröffentlicht (Französisch).

Die Ansichten und Vorgaben der CNIL, finde ich erfreulich pragmatisch und gut umsetzbar. Nachfolgend eine kleine Zusammenfassung auf Grund einer inoffiziellen Übersetzung.

Einsatz von Cookies

Um einen Chatbot auf einer Webseite zu betreiben, werden häufig Cookies eingesetzt. Sei es, um den Chat seitenübergreifend anzeigen oder den Chatverlauf auch im Nachgang speichern zu können. Wie wir wissen, gelten bei dem Einsatz von Cookies per se die Vorgaben der RL 2002/58/EG, also Art. 5 Abs. 3. Soweit nachgelagert mit personenbezogenen Daten umgegangen wird, dürfte die DSGVO zu beachten sein.

Die CNIL verlangt für den Einsatz von Cookies bei dem Einsatz von Chatbots (meines Erachtens zurecht) nicht immer eine Einwilligung. Wenn Cookies vor Aktivierung durch den Besucher bzw. Nutzer gesetzt werden sollen, ist eine Einwilligung erforderlich.

Wenn aber das Cookie erst abgelegt wird, wenn der Benutzer den Chatbot aktiviert (z. B. durch Anklicken des zuvor angezeigten Konversationsfensters oder durch Anklicken einer Schaltfläche, die explizit das Öffnen des Chatbots auslöst), ist keine Einwilligung erforderlich. Denn dann greift die Ausnahme nach Art. 5 Abs. 3 S. 2 RL 2002/58/EG. Die Speicherung des Cookies ist dann „für die Bereitstellung eines Online-Kommunikationsdienstes auf ausdrücklichen Wunsch des Nutzers unbedingt erforderlich“ und bedarf nicht der Einwilligung.

Wie lange können die über den Chatbot gesammelten Daten aufbewahrt werden?

Im Grundsatz gilt, wie immer: die Daten müssen/dürfen so lange aufbewahrt werden, wie es für die Erreichung des festgelegten Zwecks der Verarbeitung erforderlich ist.

Die CNIL schlägt eine Differenzierung vor:

  • solche Fälle, in denen die Daten gelöscht werden sollten, sobald die Konversation beendet ist (wie im Fall eines Chatbots, der bei dem Abschluss eines Kaufvertrages unterstützt)
  • und Fälle, in denen der für die Datenverarbeitung Verantwortliche die Daten legitimerweise für einen längeren Zeitraum aufbewahren kann (z. B. für eine Reklamation über ein gekauftes Produkt, also z.B. für die Dauer der Gewährleistungsfristen).

Was tun bei der Erfassung sensibler Daten (z.B. Gesundheitsdaten)?

Sehr interessant ist die Ansicht der CNIL zu der Situation, wenn der Verantwortliche über den Chatbot besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) „aufgedrängt“ erhält, obwohl er diese gar nicht angefragt hat. Meines Erachtens kann die Auffassung der CNIL auch abstrahiert auf andere Fälle Anwendung finden (Bsp: Bewerbungsverfahren).

Sollten besondere Kategorien von Daten durch den Nutzer in dem Chatbot eingegeben werden, sind nach Ansicht der CNIL die Ausnahmevorschriften nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO zu beachten. Wenn es um aktiv angefragte Daten geht (z. B. mit dem Chatbot eines Dienstes zur Unterstützung sexueller oder gesundheitsbezogener Minderheiten), kann etwa eine Einwilligung eingeholt werden oder die Verarbeitung darf auf Grundlage der Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO erfolgen, wenn die Verarbeitung aus einem wichtigen Grund des öffentlichen Interesses erforderlich ist.

Sollte der Verantwortliche die sensiblen Daten jedoch nicht angefragt haben, so geht die CNIL davon aus, dass Verantwortliche nicht verpflichtet sind, die vorherige Einwilligung der Benutzer einzuholen. Eine aus meiner Sicht richtige Auffassung. Gleichzeitig verlangt die CNIL dann, dass der Verantwortliche aber intern Maßnahmen umsetzen muss, um die Risiken für die Rechte und Freiheiten des Einzelnen zu minimieren:

  • indem vor jeder Nutzung des Chatbots eine Warnung/Information angezeigt wird, die dazu auffordert, von der Kommunikation sensibler Daten abzusehen;
  • durch Einrichtung eines internen Systems zur sofortigen oder zumindest regelmäßigen Löschung, da die Aufbewahrung solcher sensiblen Daten nicht erforderlich ist.

Beide von der CNIL angedachten Maßnahmen halte ich für nachvollziehbar und praktisch auch gut umsetzbar.

Referentenwurf zum TTDSG – Cookies, Einwilligungsmanagement und Registrierungspflicht im Internet?

Heute das das BMWi einen neuen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien veröffentlicht (pdf). Bis zum 22.1.2021 können Stellungnahmen an das BMWi abgegeben werden.

Ziel des Entwurfs ist es, ein abgeschlossenes Spezialgesetz zum Datenschutz und zum Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation und den Telemedien (also zB Apps und Webseiten) zu schaffen. Man möchte vor allem auch Rechtssicherheit für Unternehmen schaffen, die aktuell mit verschiedensten Datenschutzvorgaben aus mehreren Gesetzen (DSGVO, TMG und TKG) umgehen müssen. Europarechtlich spielen hierbei vor allem die RL 2002/58/EG (inkl. der Änderungen durch die RL 2009/136/EG) sowie die RL 2018/1972/EG eine wichtige Rolle.

Nachfolgend möchte ich keine allgemeine Stellungnahme abgeben, sondern nur auf ein paar interessante Aspekte des Entwurfs eingehen, die zum Teil aber noch gar nicht im Entwurf selbst enthalten sind.

Vorgaben für den Einsatz von Cookies

Mit § 22 TTDSG möchte das BMWi die Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG umsetzen. Dieser verlangt von den Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, nur gestattet ist, wenn der betreffende Endnutzer seine Einwilligung gegeben hat. Diese Regelung begegnet uns in der Praxis immer im Zusammenhang mit dem Einsatz von Cookies und anderen Trackingtechnologien. Kürzlich haben sich zur deutschen Rechtslage auch der EuGH (C-673/17) und der BGH (I ZR 7/16) geäußert.

Der Entwurf sieht vor, dass der aktuell geltende § 15 TMG komplett aufgehoben wird. Hierfür soll der neue § 22 TTDSG geschaffen werden, der sich sehr stark an der europäischen Vorgabe orientiert:

Abs. 1: „Die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, sind nur zulässig, wenn der Endnutzer klar und umfassend unter anderem über die Zwecke der Verarbeitung informiert wurde und er seine Einwilligung erteilt hat“.

Wie auch Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG sieht § 22 in Abs. 2 und 3 Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis vor. Die Begründung hierzu: § 22 TTDSG stellt klar, dass der Endnutzer davor geschützt ist, dass Dritte unbefugt auf seiner Endeinrichtung Informationen speichern oder auslesen und dadurch seine Privatsphäre verletzen (S. 32).

Besonders relevant für den Einsatz von Trackingtechnologien ist § 22 Abs. 3 TTDSG:

Absatz 1 gilt nicht, wenn die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf diese Informationen unbedingt erforderlich ist, um einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen zu können“.

Für uns würde dies bedeuten, dass mit § 22 Abs. 1 TTDSG generell eine Einwilligungspflicht vorgeschrieben wird, die in den in Abs. 2 und 3 benannten Ausnahmefällen nicht greift. Dann dürfen zB Cookies auch ohne Einwilligung gesetzt werden.

In der Praxis wird die Diskussion sich dann vor allem um die Frage drehen, wann ein Zugriff auf Daten in einem Endgerät unbedingt erforderlich ist, um einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen zu können. Bespiele hierfür sind der klassische Warenkorb-Cookie oder auch Authentifzierung-Cookies. Es gibt aber noch einige andere relevante Fallgruppe, die u.a. auch von europäischen Datenschutzbehörden als solche anerkannt sind (kleiner Spoiler: in einem der nächsten Hefte der Zeitschrift ZD wird es hierzu einen Aufsatz von Jasmin Kühner und mir geben).

Einwilligungsmanagement

Neu und daher besonders spannend ist die Idee des BMWi, Vorschriften zum Einsatz sog. Personal Information Management Services – PIMS zu schaffen. Im aktuellen Entwurf ist hierzu noch keine Regelung enthalten. Daher ist die Begründung auf S. 23 des Entwurfs leider nicht korrekt: „Es wird eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung und Tätigkeit von Diensten zur Verwaltung persönlicher Informationen (Personal Information Management Services – PIMS) geschaffen.“

Auf der Webseite des BMWi zu Anhörung findet sich jedoch die Aufforderung, genau zu diesem Thema Stellungnahmen abzugeben.

Das BMWi überlegt, evtl. doch noch eine Regelung zu „Regelungen zu Datenmanagementsystemen und „Personal Information Management-Services“ (PIMS)“ aufzunehmen. Die Idee ist nicht komplett neu, wie sich etwa aus ErwG 21 des Entwurfs der Verordnung über europäische Daten-Governance (Daten-Governance-Gesetz) der EU-Kommission ergibt: „Solche Strukturen können die Dateninhaber beim Einwilligungsmanagement unterstützen, wenn beispielsweise für bestimmte Bereiche der wissenschaftlichen Forschung die Einwilligung unter der Voraussetzung gegeben wird, dass anerkannte Standards der Ethik für die wissenschaftliche Forschung eingehalten werden.“

Meiner Ansicht nach ist die Aufnahme einer Regelung hierzu im TTDSG deswegen aber nicht per se ausgeschlossen. Denn das Daten-Governance-Gesetz zielt vor allem auf Daten im öffentlichen Sektor. Daneben werden zwar auch Regelungen für den C2B Kontext geschaffen (also, wenn Nutzer ihre Daten an Unternehmen weitergeben wollen). Relevant ist hier die Tätigkeit sog. „Vermittlungsdienste“ nach Art. 9 Abs. 1 lit. b und die Bedingungen für die Erbringung solcher Vermittlungsdienste in Art. 11.

Ob und wie dieser Entwurf am Ende aber verabschiedet wird, ist derzeit aber nicht klar. Da wäre man auch nationaler Ebene sicher schneller. Natürlich käme es am Ende auf die konkreten Vorgaben im TTDSG an. Aber ein Novum wären solche Vorgaben für die Tätigkeit von Diensten zur Verwaltung persönlicher Informationen schon.

Registrierungspflicht im Internet?

Ein „heißes Eisen“ fasst das BMWi auf seiner Webseite ebenfalls an. Nach aktueller Gesetzeslage (§ 13 Abs. 6 TMG) müssen Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonymen ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Diese Regelung würde man im Grundsatz übernehmen.

Nun verweist das BMWi aber auf die Forderungen des BMI und auch der Innenministerkonferenz. Diese sprechen sich für gesetzliche Vorgaben zur Identifizierung zur Verifikation des Nutzers aus (Beschlussniederschrift der Frühjahrskonferenz, Juni 2020, zu Tagesordnungspunkt 24, PDF). Dort wurde beschlossen, dass das BMI sich innerhalb der Bundesregierung für eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel der eindeutigen Identifizierbarkeit strafrechtlich Verantwortlicher im Bereich der (Hass-)Kriminalität im Internet einzusetzen“ soll. Es wird zudem auf eine Initiative der Ländern Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat verwiesen (BR Drs. 70/20, PDF). Dieser Antrag wurde jedoch nicht weiterverfolgt.

Nun stellt das BMWi folgende Möglichkeit auf regulatorischer Ebene in den Raum:

Möglich wäre die Einführung einer entsprechenden Verpflichtung von Anbietern von Telemedien zur Erhebung und Verifizierung von Name, Adresse und Geburtsdatum nach dem Vorbild der bereits für Telekommunikationsdiensteanbieter geregelten entsprechenden Pflicht bei Prepaid-Mobilfunkdiensten (§ 111 Absatz 1 Satz 3, § 171 Absatz 2 TKG-Entwurf). Dabei würde jeder Nutzer weiterhin selbst entscheiden können, ob er unter einem Pseudonym oder unter seinem Namen im Internet auftritt“.

Meines Erachtens muss man den Vorschlag scheibchenweise analysieren.

Zum einen denkt das BMWi an eine Verpflichtung für „Telemedienanbieter“. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass der Zugang zum Internet an sich nicht betroffen wäre, aber natürlich die dortigen Angebote.

Zum anderen ist die hier angedachte Pflicht aber sogar umfassender als damals der Vorschlag im Bundesrat. Dort ging es um „Anbieter sozialer Netzwerke und Anbieter von Spieleplattformen“.

Zuletzt sieht das BMWi aber vor, dass die Kommunikation nach außen, also das Auftreten im virtuellen Raum, weiterhin pseudonym erfolgen könnte. Die Identifizierung soll also „nur“ gegenüber dem Diensteanbieter erfolgen, der diese Daten dann quasi intern vorhält. Ein Nutzerprofil oder einen Account, sollen Nutzer aber weiterhin unter Pseudonym führen können. Eventuell könnte man die angedachte Identifizierungspflicht daher auch als „Identifizierung light“ bezeichnen. So wie ich den Diskussionsvorschlag des BMWi verstehe, geht es um eine Identifizierung durch das Unternehmen (und dann wohl sicher auch um eine mögliche Weitergabe der Daten für Strafverfolgungszwecke).

Datenschutzbehörde Niedersachsen: Hinweise zu Einwilligungen für Cookies und Consent Management Tools

Die Datenschutzbehörde Niedersachsen hat am 25.11.2020 „Hinweise zu datenschutzkonfomen Einwilligungen auf Webseiten und zu Anforderungen an Consent-Layer“ (PDF) auf ihrer Webseite veröffentlicht. Die Hinweise geben einen guten und praktischen Überblick, was aus Unternehmenssicht bei dem Einsatz von Cookies und auch der Auswahl eines Consent Management Tools zu beachten ist. Zum Teil sind die Empfehlungen tatsächlich eher wirtschaftsfreundlich, jedoch finden sich in den Hinweisen auch einige meiner Ansicht nach rechtlich diskutable Punkte.

Die Hinweise starten mit der Feststellung, dass „sowohl für die Verwendung von Cookies als auch generell für die Einbindung von Drittdienst-leistern auf Webseiten (wie Analyse-, Marketing-, Tracking-, Karten-, Wetter-, Chat-, Video-, Bildoptimierungs-, Push-Nachrichten- und Umfrage-Dienste)“ eine datenschutzrechtliche Einwilligung der Seitennutzerinnen und -nutzer erforderlich sei. In dieser Pauschalität ist diese Aussage jedoch nicht richtig. Natürlich gibt es auch Cookies, für deren Einsatz gerade keine Einwilligung eingeholt werden muss. Beispiele hierfür finden sich etwa im Working Paper 194 der ehemaligen Art. 29 Datenschutzgruppe, welches sich allein mit den Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis befasst.

„Werbeversprechen“ von Consent-Tools

Meines Erachtens zurecht weist die Behörde darauf hin, dass sich Unternehmen nicht blind auf Aussagen von Anbietern von Consent Management Tools verlassen dürfen. Also etwa, dass mit deren Einsatz per se DSGVO-konforme Einwilligungen eingeholt werden. Meiner Erfahrung nach können dieses Tools sehrwohl als Werkzeug dienen, um solche Einwilligung einzuholen. Jedoch bedarf es stets einer finalen Prüfung und ggfs. Anpassung durch den Verantwortlichen.

Anforderungen an datenschutzkonforme Einwilligungen

Nachfolgend geht die Behörde dann auf die einzelnen Voraussetzungen einer Einwilligung nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO ein. Sie stellt hierzu folgende Prüfpunkte auf:

  • Zeitpunkt der Einwilligung,
  • Informiertheit der Einwilligung,
  • eindeutige bestätigende Handlung,
  • freiwillige Einwilligung,
  • keine unzulässige Einflussnahme auf die Nutzerentscheidung (sog. Nudging),
  • Widerruf der Einwilligung,
  • Einwilligungen für Datenverarbeitungen von Minderjährigen.

Wichtig ist etwa, dass Cookies (oder generell andere Tracker) erst aktiviert werden, wenn die Einwilligung aktiv erteilt wurde. Ansonsten stellt ein Consent Management Tool nur ein Placebo dar.

Interessant ist zudem die Ansicht zu dem Merkmal der „Informiertheit der Einwilligung“, also welche Informationen im Einwilligungstext zu erteilen sind. Die Behörde trennt hier strikt zwischen der Informiertheit der Einwilligung und den Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO.

Welche Informationen konkret zu erteilen sind, ergibt sich – im Unterschied zu den in Art. 13 DS-GVO normierten Informationspflichten – nicht unmittelbar aus dem Gesetz“. Die Datenschutzbehörde verweist für die „Informiertheit“ auf die Anforderungen des EDSA in den Guidelines 05/2020. Danach müssen folgende Informationen erteilt werden:

  • Identität des Verantwortlichen,
  • Verarbeitungszwecke
  • die verarbeiteten Daten,
  • die Absicht einer ausschließlich automatisierten Entscheidung (Art. 22 Abs. 2 lit. c) und
  • die Absicht einer Datenübermittlung in Drittländer (Art. 49 Abs. 1 S. 1 lit. a).

Erfreulicherweise gibt die Behörde auch Beispiele für Verarbeitungszwecke, die ihrer Ansicht nach nicht ausreichend sind. Etwa: „Webanalyse und Werbemaßnahmen durchzuführen“ und „Marketing, Analytics und Personalisierung“ zu ermöglichen. Und auch bei der Einbindung von Drittdiensten (was in der Praxis zumeist der Fall ist), ist die Behörde recht streng. Es genüge nicht eine Information, dass Daten an „Partner“ weitergegeben werden. Jedoch verlangt die Behörde nicht, dass die einzelnen Dritten direkt auf dem ersten Layer oder der ersten Ebene zu sehen sind. Sie müssen nur ausdrücklich benannt sein. Man könnte als annehmen, dass eine Information über einzelne Dritte auch auf der zweiten Ebene im Consent Management Tool zulässig ist.

Strenger ist die Auffassung hinsichtlich des Hinweises auf das Widerrufsrecht (Art. 7 Abs. 3 S. 3 DSGVO). Dort verlangt die Behörde explizit, dass dieser Hinweis „bereits auf der ersten Ebene des Consent-Fensters erforderlich“ sei. Dass man dies auch anders beurteilen kann, zeigt ein jüngst veröffentlichtes Urteil des LG Rostock (Az. 3 O 762/19). Das Gericht entschied dort: „Soweit der Kläger einwendet, die Information habe im Cookie-Banner selbst erfolgen müssen, so dass ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 lit. c DSGVO vorliege, teilt die Kammer diese Ansicht nicht“.

Spannend finde ich zudem noch die Ansicht der Behörde zur „Freiwilligkeit“. Zwar vertritt sie die Ansicht, dass sog. Cookie Walls unzulässig seien. „Es wird allerdings nicht gegen die Freiwilligkeit verstoßen, wenn dem Nutzer neben der Einwilligung die Alternative angeboten wird, die Sichtbarkeit der Inhalte durch eine angemessene Bezahlung herbeizuführen“. Die Datenschutzbehörde aus Niedersachsen bezieht sich hierbei auf einen beispielhaften Screenshot, in dem Nutzern ein Abo für 3 EUR im Monat angeboten wird, welches ohne ein Tracking auskommt. Die Behörde gestattet also das Modell der Alternative zwischen „Kostenlos, dafür Tracking“ und „Kostenpflichtig, dafür ohne Tracking“. Ob die in dem Beispiel genannten 3 EUR pro Monat als Maximalwert anzusetzen sind, würde ich jedoch eher ablehnen.

Folgen des BGH-Urteils zu Cookies – welche Aufsichtsbehörde ist zuständig und dürfen Datenschutzbehörden Bußgelder verhängen?

Über das Urteil des BGH in der Sache „Cookie-Einwilligung II“ (zuvor am EuGH als „Planet49“) aus der letzten Woche (Urteil vom 28.5.2020, Az. I ZR 7/16) wurde bereits viel geschrieben, auch wenn bisher nur die Pressemitteilung veröffentlicht ist. Wir warten noch gespannt auf die Urteilsgründe und insbesondere die Unterfütterung der Ansicht, dass die fehlende Einwilligung nach Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie in § 15 Abs. 3 TMG als per default existierender Widerspruch angesehen wird. Also „Schweigen = Nein“.

A. Vorrang des § 15 Abs. 3 S. 1 TMG gegenüber der DSGVO

In diesem Beitrag möchte ich mich mit einer praxisrelevanten Folgefrage auseinandersetzen, die sich aus der Begründung des BGH ergibt. Das Gericht geht davon aus, dass in § 15 Abs. 3 S. 1 TMG die Vorgaben des Art. 5 Abs. 3. S. 1 ePrivacy-Richtlinie umgesetzt sind („§ 15 Abs. 3 Satz 1 TMG als den Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG umsetzende nationale Regelung“). Dies bedeutet im Verhältnis zur DSGVO, dass nach Art. 95 DSGVO der § 15 Abs. 3 S. 1 TMG als nationale Umsetzung der ePrivacy-Richtlinie in der Form einer lex specialis der DSGVO vorgeht (ausführlich zu dem Verhältnis von DSGVO und der ePrivacy-Richtlinie, EDSA Stellungnahme 5/2019 zum Zusammenspiel zwischen der e-Datenschutz-Richtlinie und der DSGVO; zum Vorrang der ePrivacy-Richtlinie insbesondere ab Rz. 38, pdf). Dies gilt zumindest soweit, wie der Anwendungsbereich Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie und seiner Umsetzung reicht; also die Speicherung von Informationen und der Zugriff auf bereits gespeicherte Informationen im Endgerät eines Nutzers. Bespiele: das Setzen eines Cookies (= Speicherung von Informationen) oder Auslesen aus einem Cookie oder dem Storage (= Zugriff auf gespeicherte Informationen).

B. Aufsichtsbehördliche Zuständigkeit

Und nun zu der besonderen Praxisrelevanz: möchte eine Datenschutzbehörde diese Tätigkeiten (also die Speicherung von Informationen oder den Zugriff auf gespeicherte Informationen) prüfen, untersagen oder gar ein Bußgeld verhängen, ist sie hierzu überhaupt befugt?

Die Antwort auf diese Frage muss man grundsätzlich je nach Mitgliedstaat und nationaler Umsetzung der ePrivacy-Richtlinie beantworten. Und ich möchte gleich vorwegschicken, dass die Beantwortung nicht einfach ist.

Per se gilt: die ePrivacy-Richtlinie gewährt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine oder mehrere Stellen mit der Durchsetzung zu beauftragen. Und dies müssen gerade nicht die Datenschutzbehörden nach der DSGVO sein. Der EDSA in der oben genannten Stellungnahme hierzu (Rz. 64):

Die e-Datenschutz-Richtlinie belässt den Mitgliedstaaten die Flexibilität, darüber zu entscheiden, welcher Behörde oder Stelle sie ihre Durchsetzung anvertrauen wollen.

Das bedeutet, dass die Datenschutzbehörden für die Überwachung der Einhaltung der Vorgaben der ePrivacy-Richtlinie und im Speziellen auch die Ahndung von Verstößen durch Bußgelder nur zuständig sind, wenn dies national gesetzlich so vorgesehen und ihnen diese Aufgabe übertragen ist. Gerade für die Verhängung von Bußgeldern spielen die nationalen Regelungen eine wichtige Rolle. Für eine dem Zugriff auf Informationen oder der Speicherung von Informationen nachfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten sind die Datenschutzbehörden dann aber zuständig, da die DSGVO unmittelbar greift.

Und nun kommen wir zu der Situation in Deutschland. Vorab eine Übersicht meiner aktuellen Einschätzung (allein bezogen auf den Datenschutz im Bereich des deutschen TMG, also konkret § 15 Abs. 3 S. 1 TMG).

Aufsichtsbehördliche Maßnahmen Verhängung Bußgelder
DSGVO Datenschutzbehörden (Art. 58 Abs. 1 und 2 DSGVO) Datenschutzbehörden (Art. 58 Abs. 2 lit. i), Art. 83 DSGVO)
ePrivacy-Richtlinie / TMG Datenschutzbehörden (§ 59 Abs. 1 S. 1 RStV) Es ist kompliziert…

C. Datenschutzaufsicht

Nach § 59 Abs. 1 S. 1 des noch geltenden Rundfunkstaatsvertrages (RStV, pdf) überwachen die nach den allgemeinen Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder zuständigen Aufsichtsbehörden für ihren Bereich die Einhaltung der allgemeinen Datenschutzbestimmungen und des § 57 RStV. (Hinweis: in Zukunft wird der RStV durch den Medienstaatsvertrag (MStV, pdf) ersetzt).

Nach § 1 Abs. 1 Hs. 2 RStV gelten für Telemedien der IV. bis VI. Abschnitt sowie § 20 Abs. 2 RStV; jedoch ganz allgemein, unabhängig davon, ob es sich um Rundfunk handelt. Daneben gelten die Vorgaben des TMG.

Dies bedeutet wohl, dass den Datenschutzbehörden die „Aufsicht“ in der Form der Überwachung der Einhaltung der Datenschutzbestimmungen für Telemedien zugewiesen ist. Jedoch enthält § 59 RStV keine Regelung zur Zuständigkeit für die Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen gegen das TMG (dies könnte daran liegen, dass das TMG Bundesrecht ist und die Länder hier keine Regelungskompetenz für Bußgeldtatbestände haben).

Diese Ansicht wird auch durch die oben zitierte Stellungnahme des EDSA gestützt, welche klarstellt, dass sich die Datenschutzbehörde nicht automatisch auf die in der DSGVO vorgesehenen Aufgaben und Befugnisse stützen kann, um die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der ePrivacy-Richtlinie durchzusetzen, da diese Aufgaben und Befugnisse aus der DSGVO an deren Durchsetzung gebunden sind (EDSA, Stellungnahme 5/2019, Rz. 65 ff.).

D. Vollzugszuständigkeit (Bußgelder)

I. Bußgeldregelung im TMG

Zunächst eine simple Feststellung: Verstöße gegen § 15 Abs. 3 S. 1 TMG sind nach § 16 TMG nicht ausdrücklich bußgeldbewehrt. Nur Verstöße gegen § 15 Abs. 1 S. 1 TMG und gegen § 15 Abs. 3 S. 3 TMG (bei Zusammenführung der Daten des Betroffenen mit dem Pseudonym) sind in dem Katalog des § 16 Abs. 2 TMG aufgeführt. Es wird in der Literatur aber diskutiert, ob nicht die Erstellung eines Nutzungsprofils gegen den Widerspruch (also nach BGH: ohne Einwilligung) des Nutzers eine unzulässige Datenerhebung bzw. -verwendung iSd § 15 Abs. 1 S. 1 darstellt, die dann vom Bußgeldtatbestand des § 16 Abs. 2 Nr. 4 TMG erfasst wird (so Bornemann, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 27. Edition, § 16 TMG, Rn. 16). Ob ein solcher Rückschluss mit dem im Rahmen der Verhängung von Bußgeldern zu beachtenden Bestimmtheitsgebot von Normen vereinbar ist, kann man aber meines Erachtens diskutieren. Nach dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Bestimmtheitsgebot muss staatliches Handeln (insbesondere in der Form von Sanktionen) für die Rechtsunterworfenen berechenbar sein.

II. Ergänzende Bußgeldregelungen im RStV

Selbst, wenn man von dem Verweis in § 59 Abs. 1 S. 1 RStV auch die Zuständigkeit zur Verhängung von Bußgeldern umfasst sehen möchte (was meines Erachtens nicht möglich ist), so müsste eine entsprechende landesrechtliche Zuständigkeitsregelung in den Bundesländern den Datenschutzbehörden diese auch konkret zuordnen (Stichwort: Bestimmtheitsgebot).

Denn: § 16 TMG enthält zwar Bußgeldtatbestände für Verstöße gegen bestimmte Normen des TMG. Das TMG selbst enthält aber keine Regelungen über die für die Verhängung der Bußgelder zuständige Verwaltungsbehörde. Das bedeutet, es gelten die allgemeinen Vorschriften des OWiG (umfassend hierzu schon im Jahr 2011 der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, pdf). Nach § 36 Abs. 1 OWiG ist für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Behörde sachlich zuständig, die durch Gesetz bestimmt wird bzw., wenn eine solche Bestimmung nicht vorliegt, die fachlich zuständige oberste Landesbehörde oder das fachlich zuständige Bundesministerium, soweit das Gesetz von Bundesbehörden ausgeführt wird.

Das bedeutet, dass wir nach entsprechenden landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen suchen müssen, die die Ahndung von Verstößen im Sinne der § 16 TMG einer Behörde zuweisen.

In jedem Fall gilt: Bußgelder auf Grundlage des § 16 TMG können maximal 50.000 EUR betragen (§ 16 Abs. 3 TMG). Damit also auch Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 S. 1 TMG (wie gesagt, wenn man dies überhaupt als möglich erachtet).

III. Zuständigkeitsregelungen für die Verhängung von Bußgeldern nach dem TMG

Spannend ist nun die Frage, welche Behörde für die Verhängung eines solchen Bußgeldes zuständig ist. Zumeist erfolgt diese Zuweisung, so sie ausdrücklich getroffen wurde, für Verstöße gegen § 16 Abs. 2 Nr. 2 – 5 TMG. Nachfolgend haben mein Kollege Johannes Zwerschke und ich uns an einer Übersicht versucht.

Eins noch vorab. Einige Länder haben in ihren Datenschutzgesetzen nur sehr allgemein die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde auch für andere Datenschutzgesetze geregelt. Z. B. heißt es in § 6 Abs. 1 S. 2 ThürDSG: „Dabei kontrolliert er die Einhaltung der Verordnung (EU) 2016/679, dieses Gesetzes sowie anderer datenschutzrechtlicher Bestimmungen.“. Da es sich auch nach Ansicht des BGH bei § 15 Abs. 3 S. 1 TMG um eine datenschutzrechtliche Bestimmung handelt, ist es denkbar, dass der Datenschutzaufsichtsbehörde (z. B. im Fall von Thüringen) daher auch die Zuständigkeit zur Verhängung von Bußgeldern hinsichtlich des TMG obliegt. Allerdings könnte man insoweit ganz auf der Linie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags die fehlende Bestimmtheit der jeweiligen Regelung und daher die Unzuständigkeit der betreffenden Behörde für die Verhängung von Bußgeldern nach dem TMG monieren.

Die betreffenden Fälle wurden mit „*)“ markiert.

Bundesland

Behörde

Norm / Begründung

Nordrhein-Westfalen Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI). § 2 Nr. 2 Telemedienzuständigkeitsgesetz (TMZ-Gesetz).
Bayern Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA – für den privaten Bereich). § 96 Zuständigkeitsverordnung(ZustV).
Sachsen Sächsische Datenschutzbeauftragte. § 15 Nr. 2 Ordnungswidrigkeiten-Zuständigkeitsverordnung.
Baden-Württemberg Regierungspräsidium Karlsruhe. § 4 Abs. 2 Nr. 4 Verordnung der Landesregierung überZuständigkeiten nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

(OWiZuVO).

Niedersachsen Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen. *) §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 NDSG (wenn man von dem Verweis auf „andere datenschutzrechtliche Bestimmungen“ auch § 15 Abs. 3 S. 1 TMG bzw. die Bußgeldnorm des § 16 Abs. 2 TMG umfasst sieht); evtl. auch § 1 Abs. 4 ZustVO-OWi (als Behörde, die die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen hat (danke an Dr. Tobias Born für den Hinweis); (§ 2 Nr. 1 lit. d) ZustVO-OWi ist nicht einschlägig, da sich diese nicht auf § 16 Abs. 2 Nr. 4 und 5 TMG erstreckt).
Schleswig-Holstein Für Schleswig-Holstein haben wir keine einschlägige, landesrechtliche Regelung gefunden. Mangels einer gesetzlichen Regelung ist daher die fachlich zuständige oberste Landesbehörde für das Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständig. § 36 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) OWiG (§ 38 Abs. 6 Gesetz zum Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein ist nicht einschlägig, da sich diese nicht auf § 16 Abs. 2 Nr. 4 und 5 TMG erstreckt).
Hamburg Hamburgischer Beauftragterfür Datenschutz und Informationsfreiheit. IV Nr. 3 der Anordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Rundfunkwesens und der Telemedien vom 25. März 1997.
Bremen Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Bremen. § 63 Nr. 3 BremLMG.
Mecklenburg-Vorpommern Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern (MMV) (nach vorheriger Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit). § 67 Abs. 3 S. 1 und 6 RundfunkG M-V.
Brandenburg Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg. *) § 18 Abs. 4, Abs. 1 S. 2 BbgDSG (vgl. Gesetzesbegründung zu § 18 Abs. 4 BbgDSG: „Absatz 4 bestimmt … gemäß § 36 Absatz 1 Ziffer 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten als zuständige Verwaltungs-behörde für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten“ (Drs. 6/7365).
Berlin Jeweiliges Bezirksamt. § 1 Nr. 1 d) ZustVO-OWiG (entsprechend § 1 ZustVO-OWiG wird davon ausgegangen, dass für die Verhängung von Bußgeldern keine gesetzliche Zuständigkeitszuweisung an die Berliner Datenschutzbehörde besteht).
Sachsen-Anhalt Für Sachsen-Anhalt haben wir keine einschlägige, landesrechtliche Regelung gefunden. Mangels einer gesetzlichen Regelung ist daher die fachlich zuständige oberste Landesbehörde für das Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständig. § 36 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) OWiG.
Thüringen Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. *) §§ 6 Abs. 1 S. 2, 61 Abs. 1 und 6 ThürDSG iVm § 8 Abs. 1 InMinZustV TH („Zuständige Verwaltungsbehörde für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, diejenige Behörde, der der Vollzug derjenigen Rechtsvorschriften obliegt, gegen die sich der Verstoß richtet“).
Hessen Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. *) § 13 Abs. 1 HDSIG.
Rheinland-Pfalz Für Rheinland-Pfalz haben wir keine einschlägige, landesrechtliche Regelung gefunden. Mangels einer gesetzlichen Regelung ist daher die fachlich zuständige oberste Landesbehörde für das Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständig. § 36 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) OWiG.
Saarland Hier ist die Lage unklar. Es sind zwei mögliche Zuständigkeiten denkbar:1. Unabhängiges Datenschutzzentrum Saarland *)

oder

2. Ministerium für Inneres, Bauen und Sport.

Zu 1. §§ 20 Abs. 5 S. 1; 16 Abs. 2; 3 Abs. 1 SarlDSG.(Problem: nebenstehende Regelung könnte aber möglicherweise unionsrechtswidrig sein, da sie Art. 95 DSGVO umgeht, der besagt, dass die ePrivacy-Richtlinie lex specialis ist)

Zu 2. § 36 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) OWiG iVm § 3 LOG und 4.13 Geschäftsverteilungsplan der Regierung.

(wenn jemand noch Hinweise zu konkreten Zuständigkeitsregelungen hat, freue ich mich über eine E-Mail)

E. Fazit

Man sieht, dass die Frage der Zuständigkeit für die Ahndung von Verstößen gegen § 15 Abs. 3 S. 1 TMG nicht einfach zu beantworten ist. Und sicher wird auch das hier gefundene Ergebnis zur Diskussion einladen. Aktuell würde ich aber davon ausgehen, dass in Deutschland je nach Bundesland zu prüfen und zu unterscheiden ist, ob tatsächlich die jeweilige Landesdatenschutzbehörde befugt ist, Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 S. 1 TMG zu verhängen. In einigen Bundesländern ist sie dies meines Erachtens nicht.

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ePrivacy: neuer Vorschlag im Rat zur Aufnahme „berechtigter Interessen“ als Grundlage des Trackings

Mit Datum vom 21.02.2020 hat die aktuelle Ratspräsidentschaft neue Vorschläge zur Anpassung der Art. 6 und 8 des Entwurfs der ePrivacy-Verordnung vorgelegt (PDF). Hiervon erfasst ist auch eine Anpassung von Art. 8 („Schutz von Informationen im Zusammenhang mit Endeinrichtungen“), also die Regelungen zum Einsatz von Tracking-Technologien.

In Art. 8(1)(g) des Vorschlags hat die Präsidentschaft eine neue Grundlage für die Verarbeitung von Informationen auf der Grundlage von „berechtigten Interessen“ eingeführt. Dies ist deshalb relevant, da die ePrivacy-Verordnung bislang ihren Fokus sehr stark auf die Einwilligung von betroffenen Personen gelenkt hatte. Hiermit zusammenhängende Änderungen sind auch in den begleitenden Erwägungsgründen 20, 21, 21b und 21c enthalten.

Nach Art. 8 (1)(g) des Entwurfs ist jede Nutzung der Verarbeitungs- und Speicherfunktionen von Endeinrichtungen und jede Erhebung von Informationen aus Endeinrichtungen der Endnutzer grundsätzlich untersagt. Dies gilt nicht, wenn es für die von einem Diensteanbieter verfolgten berechtigten Interessen erforderlich ist, die Verarbeitungs- und Speichermöglichkeiten von Endgeräten zu nutzen oder Informationen von den Endgeräten eines Endnutzers zu sammeln, es sei denn, dieses Interesse wird von den Interessen oder den Grundrechten und -freiheiten des Endnutzers überlagert.

Der Vorschlag zieht hier also die aus der DSGVO bekannt Interessenabwägung in die ePrivacy-Verordnung. Dies auch nicht nur bezogen auf spezifische Zwecke, wie etwa statistische Analysen, sondern ganz generell.

Diese Anpassung würde für die Wirtschaft sicherlich eine begrüßenswerte und pragmatische Öffnung der strengen und engen Vorgaben des Art. 8 des Entwurfs bedeuten. Aufgrund der fehlenden Beschränkung auf bestimmte Zwecke des Zugriffs auf Informationen in Endgeräten oder des Auslesens, würde dies also wohl auch den Einsatz von Cookies oder Pixeln zum Zweck der Werbeausspielung umfassen.

Man mag nun direkt in kritische Würdigungen verfallen, da diese Anpassung ad hoc natürlich sehr weit und unbestimmt klingt. Jedoch scheint sich die Ratspräsidentschaft hierzu einige Gedanken gemacht zu haben und verengt die Möglichkeit der Nutzung der Interessenabwägung dadurch, dass sie gesetzliche Vermutungen aufstellt, wann die Interessen der Endnutzer überwiegen sollen.

Es wird davon ausgegangen, dass die Interessen des Endnutzers die Interessen des Diensteanbieters überwiegen, wenn

  • der Endnutzer ein Kind ist oder
  • wenn der Diensteanbieter die Informationen verarbeitet, speichert oder sammelt, um das Wesen und die Eigenschaften des Endnutzers zu bestimmen oder
  • um ein individuelles Profil des Endnutzers zu erstellen, oder
  • wenn die Verarbeitung, Speicherung oder Sammlung der Informationen durch den Diensteanbieter besondere Kategorien personenbezogener Daten gemäß Art. 9 Abs.1 DSGVO enthält.

Insbesondere die Ausschlussgründe der Bestimmung des „Wesens oder der Eigenschaften eines Endnutzers“ sowie der Erstellung eines „individuellen Profils“ dürften für den Einsatz von Tracking-Technologien für Werbezwecke von Relevanz sein. Interessant ist übrigens auch die entsprechende Änderung hierzu in Erwägungsgrund 21b. Denn dort werden “Wesen” und “Merkmale” alternativ genannt (“oder”), wohingegen in dem Vorschlag zu Art. 8 beide Merkmale kumulativ (verbunden mit „und“) aufgezählt werden.

Nach dem neuen Erwägungsgrund 21b sind bei der Abwägung die berechtigten Erwartungen der Endnutzer zu berücksichtigen. Beispielhaft nennt der Vorschlag den Zugriff auf Informationen in Endgeräten zum Zweck der Behebung von Sicherheitslücken als vom berechtigten Interesse umfasst. Zusätzlich verweist der Vorschlag auch darauf, dass Diensteanbieter sich auf berechtigte Interessen stützen könnten, wenn der Dienst (etwa eine Webseite) und seine Inhalte ohne zusätzliche Zahlung zugänglich ist und teilweise oder gänzlich durch Werbung finanziert wird.

Zusätzlich verengt der Vorschlag in Erwägungsgrund 21b die Möglichkeit des Einsatzes von Trackingtechnologien aber weiter, indem hinsichtlich der angesprochenen Dienste ganz konkrete Arten benannt werden, die sich auf berechtigte Interessen stützen könnten. Hierbei handelt es sich um Dienste zur Wahrung der Meinungs- und Informationsfreiheit, einschließlich zu journalistischen Zwecken, wie Online-Zeitungen oder anderen Presseveröffentlichungen.

Zum anderen sieht der Vorschlag weitere Schutzmechanismen für Endnutzer in dem neuen Abs. 1a vor, wenn ein Diensteanbieter die Interessenabwägung als Erlaubnis nutzen möchte. Weitere Erläuterungen ergeben sich aus Erwägungsgrund 21c. Danach dürfen Diensteanbieter die aus Endgeräten gewonnen Informationen nicht mit Dritten teilen, es sei denn, die Informationen wurden zuvor anonymisiert. Dies gilt jedoch nicht in Bezug auf Auftragsverarbeiter, die in diesem Zusammenhang eingesetzt werden und auf der Grundlage von Art. 28 DSGVO eingeschaltet werden.

Interessant an diesem Vorschlag ist, dass anscheinend davon ausgegangen wird, dass bei dem in Art. 8 (1)(g) ePrivacy-Verordnung als potentiell zulässig anerkannten Zugriff auf Informationen und deren Nutzung stets personenbezogene Daten (iSd DSGVO) vorliegen. Denn ansonsten würde der Verweis auf eine vorzunehmende Anonymisierung der Daten keinen Sinn ergeben. Ebenfalls dafür spricht der Hinweis auf die Vorgaben des Art. 28 DSGVO (also zur Auftragsverarbeitung), die eingehalten werden sollen.

Zusätzlich sieht der Vorschlag vor, dass Endnutzern eine Widerspruchsmöglichkeit (Opt-out) angeboten werden muss.

Die Europäisierung des Datenschutzrechts – ein alternativer Kommentar zu dem Planet49-Urteil des EuGH

Nach dem EuGH-Urteil in der Sache Planet49 (C?673/17), haben viele Kolleginnen und Kollegen lesenswerte Besprechungen der Entscheidung veröffentlicht. Z.B. Simon Assion, Stephan Hansen-Oest, Thomas Schwenke oder Nina Diercks.

In diesem Beitrag möchte ich mich mit ein paar „Randthemen“ des Urteils befassen, die jedoch meiner Ansicht nach nicht minder relevant sind. Es soll hier also nicht um die konkreten Anforderungen einer Einwilligung gehen, sondern um Aussagen des EuGH, die das Gericht daneben getroffen hat, die für die Praxis im Datenschutzrecht aber meines Erachtens über den Themenkomplex „Cookies und Einwilligung“ Relevanz haben.

Findet bei dem Einsatz von Cookies immer auch eine Verarbeitung personenbezogener Daten statt?

Der EuGH geht in seiner Prüfung, aufgrund der durch den BGH vorgegebenen und auch durch Planet49 bestätigten Sachverhaltsangaben davon aus, dass in dem zu beurteilenden Fall personenbezogene Daten verarbeitet wurden (Rz. 45 und 67). Dieser Personenbezug wird über eine Zuordnung von Registrierungsdaten der Nutzer (Name und Adresse im Teilnahmeformular) zu der Nummer des Cookies hergestellt (Rz. 45).

Für die Frage der Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58 ist die Unterscheidung, ob personenbezogene Daten verarbeitet werden oder nicht, irrelevant (vgl. Rz. 70).

Aus der reinen „Datenschutz-Brille“ betrachtet, sind die Erwägungen des EuGH aber durchaus interessant. Denn insbesondere die Begründung in Rz. 45, warum in den Cookies auch personenbezogene Daten verarbeitet werden, lässt argumentativen Spielraum für Konstellationen, in denen durch Cookies keine personenbezogenen Daten verarbeitet bzw. den Cookies keine personenbezogenen Daten zugeordnet werden. Man stelle sich eine Situation vor, in der „nur“ ein Cookie gesetzt wird und in diesem Cookie statistische Daten gespeichert werden (z.B. Browserversion, Herkunftsland, Bildschirmauflösung o.ä.). Ob auch in diesem Fall per se ein Personenbezug vorliegen würde, hat der EuGH nicht entschieden (da er es auch nicht entscheiden musste). Oder anders ausgedrückt: nicht jeder Einsatz von Cookies ist gleichbedeutend mit der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Die Erwägungen des EuGH lassen sich meines Erachtens durchaus so verstehen, dass im Fall des Setzens eines Cookie auf dem Gerät eines Nutzers, dies noch nicht zwangsläufig bedeutet, dass damit auch personenbezogene Daten im Spiel sind und die DSGVO Anwendung findet.

Warum ist dies relevant? Meines Erachtens insbesondere mit Blick auf die vielen Folgepflichten, die sich aus der DSGVO ergeben würden. Man denke etwa an die Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO oder die Pflicht, Verarbeitungen in ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten aufzunehmen oder auch die Betroffenenrechte. Ist die DSGVO nicht anwendbar, würde auch kein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO bestehen. Dies ist am Ende natürlich nur folgerichtig, denn wenn keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden, kann ein Unternehmen auch keine Person identifizieren und dieser Person Auskunft zu ihren Daten erteilen.

Zur Auslegung und Anwendung europäischen (Datenschutz)Rechts

Bevor der EuGH in seinem Urteil in die Prüfung der einzelnen Merkmale einer Einwilligung einsteigt, legt er den Rahmen und die Methoden dar, innerhalb dessen und wie die europäischen Vorgaben auszulegen sind. Die Ausführungen des EuGH in den Rz. 47 und 48 haben daher ganz generelle Bedeutung für die Anwendung der RL 2002/58 und auch der DSGVO. Gerade in der deutschen Literatur und Diskussion findet man häufig sehr national geprägte Interpretation des europäischen Rechts.

Der EuGH macht zunächst deutlich, dass „Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen“. Das Gericht begründet dies mit den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes.

Dies bedeutet für die Datenschutzpraxis, dass Begriffe der DSGVO gerade nicht aus einem rein nationalen Blickwinkel betrachtet und ausgelegt werden dürfen. Diese müssen, nach dem EuGH, vielmehr in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten.

Plastische Bespiele für solche Begriffe finden sich in der DSGVO an vielen Stellen. Hier ein paar Beispiele:

Art. 12 Abs. 1 DSGVO: „Die Übermittlung der Informationen erfolgt schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch“. Was „schriftlich“ oder „elektronisch“ bedeutet, kann daher nicht allein mit Blick auf nationales Recht beantwortet werden. Ein Verweis, etwa auf Vorgaben des BGB, wäre mithin verfehlt.

Art. 32 Abs. 1 DSGVO: „Unter Berücksichtigung des Stands der Technik, …“. Man ist sicherlich geneigt, den „Stand der Technik“ in Deutschland im Sinne der Interpretation dieses Begriffs z.B. durch die deutsche Rechtsprechung zu verstehen. Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten. Der „Stand der Technik“ im Sinne der DSGVO muss nicht gleichbedeutend mit dem Verständnis des BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 08.08.1978 – 2 BvL 8/77, Kalkar I) sein. Nach den Vorgaben des EuGH in dem aktuellen Urteil, wäre dieser nationale Blick in jedem Fall zu eng.

Art. 33 Abs. 2 DSGVO: „Wenn dem Auftragsverarbeiter eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten bekannt wird, meldet er diese dem Verantwortlichen unverzüglich“. Die Frage, was „unverzüglich“ bedeutet (vgl. auch Art. 34 Abs. 1 DSGVO), kann daher ebenfalls nicht allein aus Sicht des deutschen Zivilrechts und der zu diesem Begriff ergangenen Rechtsprechung beantwortet werden.

Zudem verweist der EuGH in Rz. 48 darauf, welche verschiedenen Auslegungsmethoden bei der Anwendung europäischen Rechts zu berücksichtigen sind.

Bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts sind:

  • der Wortlaut,
  • die mit ihr verfolgten Ziele,
  • ihr Kontext und
  • das gesamte Unionsrecht zu berücksichtigen.

Daneben kann auch die Entstehungsgeschichte einer Vorschrift relevante Anhaltspunkte für ihre Auslegung liefern. Oder um es anders zu formulieren: die Vorschriften der DSGVO und ihr Verständnis sind aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten.

Keine Entscheidung zur Zulässigkeit der Kopplung einer Einwilligung

Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass der EuGH in seinem Urteil alle Tatbestandsmerkmale der datenschutzrechtlichen Einwilligung auslegt. Bis auf eines: die Freiwilligkeit.

Art. 4 Nr. 11 DSGVO definiert die Einwilligung u.a. als „jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung“. Der EuGH musste hierzu auch nichts sagen, da der BGH ihn nicht danach gefragt hatte. In Rz. 64 des Urteils stellt der EuGH ausdrücklich heraus, dass er sich nicht mit der Frage befasst hat, ob es mit dem Erfordernis einer „freiwillig“ (Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 Abs. 4 DSGVO) erteilten Einwilligung vereinbar ist, „wenn ein Nutzer – wie es hier nach den Angaben in der Vorlageentscheidung zumindest für das erste Ankreuzkästchen der Fall zu sein scheint – nur dann an einem Gewinnspiel teilnehmen kann, wenn er in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu Werbezwecken einwilligt“.

Die angesprochene Situation ist jene, die das sog. „Kopplungsverbot“ nach Art. 7 Abs. 4 DSGVO avisiert. Auf die entsprechende Vorschrift verweist der EuGH sogar. Ob oder wann es jedoch europarechtlich unter der DSGVO (un)zulässig ist, die Teilnahme an einem Gewinnspiel davon abhängig zu machen, dass man in die werbliche Nutzung seiner Daten einwilligt, hat der EuGH nicht entschieden. Die Antwort auf diese Frage (nicht nur speziell in Bezug auf Gewinnspiele), dürfte also zunächst weiter national umstritten bleiben.

ePrivacy Verordnung: Bundesregierung sieht weiteren Beratungsbedarf

Die Verhandlungen zur ePrivacy Verordnung dauern weiter an. Da Ende Mai 2019 in ganz Europa die Wahlen für ein neues Europäisches Parlament anstehen, wird man damit rechnen müssen, dass vor diesen Wahlen eine finale Verabschiedung der ePrivacy Verordnung (inkl. eines Trilogs zwischen Kommission, Parlament und Rat) schwierig wird.

Auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag („Verhandlungen über den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation (ePrivacy-Reform)“) hat die Bundesregierung am 21.12.2018 einige Informationen zum aktuellen Stand der Verhandlungen zur ePrivacy Verordnung und dem möglichen weiteren Ablauf gegeben (BT Drs. 19/6709, 21.12.2018, pdf).

Zum Zeithorizont äußert die Bundesregierung, dass sie grundsätzlich einen zeitnahen Abschluss der Verhandlungen anstrebt. Jedoch teilt sie auch mit, dass sie sich im Minterrat dafür ausgesprochen hat,

dass bestimmte Anliegen zunächst weiter beraten werden sollen, bevor über Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament entschieden wird“.

Die Bundesregierung sieht folglich allgemein noch Beratungsbedarf. Wann die Verhandlungen im Rat aus ihrer Sicht abgeschlossen sein (oder werden) können, teilt sie nicht mit. Jedoch weißt die Bundesregierung noch darauf hin, dass derzeit eine Übergangsfrist von zwei Jahren für die ePrivacy Verordnung vorgesehen ist, die die Bundesregierung auch gefordert habe. Wenn es also tatsächlich im Laufe des Jahres 2019 zu einer Einigung zwischen Kommission, Parlament und Rat kommen sollte, dürfte die Anwendbarkeit der ePrivacy Verordnung wohl nicht vor 2021 zu erwarten sein.

Drei noch umstrittene Regelungsbereiche liegen nach Aussage der Bundesregierung in der Frage der zulässigen Verarbeitung von Metadaten ohne Einwilligung des betroffenen Endnutzers zu wirtschaftlichen Zwecken des Anbieters sowie in den Regelungen zum Schutz der Endgeräte. Also die Vorgaben zum Einsatz von Cookies auf Endgeräten oder dem Zugriff auf im Endgerät vorhandene Informationen. Einen weiteren wesentlichen Konfliktpunkt stellt wohl auch der Anwendungsbereich der ePrivacy Verordnung und das Verhältnis als Spezialgesetzgebung zur DSGVO dar.

Die Bundesregierung benennt zudem noch folgende Themen mit Diskussionsbedarf:

  • Bekämpfung der Kinderpornografie und des Missbrauchs von Kindern in den Netzen
  • Bestimmungen zum Schutz der Endeinrichtungen
  • Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre in Browsersoftware
  • Aufsicht

Konkret zu dem Thema „Tracking Walls“ befragt, bekräftigt die Bundesregierung ihre bereits in der Vergangenheit geäußerte Ansicht,

dass werbefinanzierte Onlinedienste die Möglichkeit haben sollten, die Nutzung solcher Dienste von der Einwilligung in Cookies für Werbezwecke abhängig zu machen“.

Insgesamt deuten die Antworten der Bundesregierung darauf hin, dass es zum einen in wesentlichen Punkten noch Diskussionsbedarf zwischen den Mitgliedstaaten gibt und zum anderen ein rascher Abschluss der Verhandlungen (also etwa im ersten Halbjahr 2019) insgesamt wohl nicht zu erwarten ist.

Aktueller Stand der ePrivacy Verordnung – Orientierungsaussprache der Minister am 4.12.2018

In einem aktuellen Dokument aus dem Rat der Europäischen Union vom 23.11.2018 geht hervor, wie sich derzeit die Verhandlungen zum Entwurf der ePrivacy Verordnung darstellen und welche Themen zwischen den Mitgliedstaaten noch Diskussionspunkte darstellen (Ratsdokument 14491/18, pdf).

Am 4.12.2018 soll zur ePrivacy Verordnung (ePrivacyVO) eine Orientierungsaussprache im Rat stattfinden. Das oben angegebene Dokument soll dabei als Grundlage dienen.

Zu dem aktuellen Stand der Beratungen informiert die Ratspräsidentschaft auf der Grundlage besonders wichtiger Themengebiete bzw. Artikel der ePrivacyVO.

Hinsichtlich der erlaubten Verarbeitung elektronischer Kommunikationsdaten (Art. 6) wird darauf hingewiesen, dass der Vorsitz die Möglichkeit einer weitergehenden konformen Verarbeitung elektronischer Kommunikationsmetadaten eingeführt hat und zudem als neuen Grund für die Verarbeitung elektronischer Kommunikationsdaten den Schutz von Endeinrichtungen aufgenommen hat. Es bestünden jedoch weiterhin Bedenken bezüglich ausreichender Anreize für Innovation und bezüglich der Notwendigkeit einer engeren Angleichung an die DSGVO.

Mit Blick auf Art. 8 (Schutz von in Endeinrichtungen gespeicherten Informationen; also die Regelung zu Cookies) verweist der Ratsvorsitz darauf, dass bislang überwiegend über die Frage des von Bedingungen abhängigen Zugangs zu Website-Inhalten diskutiert wurde und darüber, dass Geschäftsmodelle nicht beeinträchtigt werden dürfen, wie z. B. durch Werbung finanzierte Online-Dienste, insbesondere Medien-Websites, wobei die entsprechenden Bedingungen gemäß der DSGVO zu achten sind. Zwar wurden in der Vergangenheit mehrere Vorschläge zur Anpassung des Art. 8 und der korrespondierenden Erwägungsgründe unterbreitet, jedoch, so der Ratsvorsitz, scheint es, dass einige Mitgliedstaaten noch weitere Arbeiten an diesem Teil des Textes für erforderlich halten. Auch hinsichtlich Art. 8 ist also die Meinungsfindung im Rat noch nicht abgeschlossen und es wird noch über konkrete inhaltliche Fragen diskutiert.

Nach Informationen des Ratsvorsitzes haben die Bestimmungen über Voreinstellungen zur Privatsphäre (in Art. 10) während der gesamten Beratungen erhebliche Bedenken verursacht, unter anderem aus Gründen einer möglichen Belastung für Browser und Apps und auch des Wettbewerbsaspekts. Daher ergaben sich Zweifel am Mehrwert dieser Bestimmung. Unter Berücksichtigung dieser Elemente hat der Vorsitz beschlossen, Art. 10 zu streichen. Jedoch wurde auch diese Streichung unter den Mitgliedstaaten unterschiedlich aufgenommen.

In einer Anlage II zu dem Dokument formuliert der Ratsvorsitz Fragen für die Orientierungsaussprache auf der Tagung des Rates am 4. Dezember 2018. So sollen die Minister darüber beraten, ob die jüngsten Arbeiten im Rat den Text der ePrivacyVO in eine gute Richtung bewegt haben? Zudem schlägt der Ratsvorsitz vor, dass die Minister beraten sollen, welches diesbezüglich die wichtigsten offenen Fragen sind, die noch behandelt werden müssen, bevor die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament beginnen können?

Im Ergebnis möchte der Ratsvorsitz hier also eine Orientierungsdebatte auf einer politisch höheren Ebene (als auf Ratsarbeitsgruppe) anstrengen. Es soll auf Ministerebene (hier weitere Informationen und die Agenda) eine grobe Richtung für die weiteren Arbeiten und möglichen Trilogverhandlungen zur ePrivacyVO vorgegeben werden. Ob es noch vor den Neuwahlen des Europäischen Parlaments im nächsten Jahr tatsächlich zu Trilogverhandlungen kommt, könnte von den Ergebnissen dieser nun anstehenden Orientierungsaussprache abhängen.

Verordnung über den freien Verkehr nicht personenbezogener Daten in der Europäischen Union kurz vor Verabschiedung – Abgrenzungsfragen zur DSGVO

Durch die Arbeiten an der DSGVO und vor allem auch der Umsetzung ihrer Vorgaben in der Praxis, wurde in den letzten Monaten recht wenig über ein anderes, für das Datenschutzrecht aber durchaus relevantes, Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene berichtet. Die im September 2017 von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht personenbezogener Daten in der Europäischen Union (COM(2017) 495, pdf).

Der Gesetzesentwurf wurde im letzten halben Jahr im Rat der Europäischen Union und auch im Europäischen Parlament geprüft und bearbeitet. Am 6. Juni 2018 hat der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament seinen Bericht vorgelegt (pdf). Mit Datum vom 25. Juni 2018 hat die Ratspräsidentschaft einen Kompromisstext der Verordnung an die ständigen Vertreter im Rat übersendet (pdf). Dieser Text ist das Ergebnis der Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat, auf den sich die Parteien am 19. Juni 2018 geeinigt haben.

Ziel des Vorschlags ist es, durch Maßnahmen zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität nicht personenbezogener Daten im Binnenmarkt und zur Erleichterung des Anbieterwechsels und der Übertragung von Daten für die beruflichen Nutzer von Datenspeicherungs- und sonstigen Datenverarbeitungsdiensten einen stärker vom Wettbewerb geprägten und integrierten Binnenmarkt für Datenspeicherungs- und sonstige Datenverarbeitungsdienste und -tätigkeiten aufzubauen. Es sollen Datenverarbeitung in unterschiedlichen Intensitätsstufen erfasst werden, von der Datenspeicherung (Infrastructure-as-a-Service – IaaS) bis zur Verarbeitung von Daten auf Plattformen (Platform-as-a-Service – PaaS) oder in Anwendungen (Software-as-a-Service – SaaS).

Die Verordnung soll sich, in Abgrenzung zur DSGVO und auch der noch geltenden ePrivacy Richtlinie, nur auf elektronischen Daten beziehen, die keine personenbezogenen Daten sind. Aus Sicht der Praxis kann der so umrissene Anwendungsbereich bereits kritisch hinterfragt werden, denn inwiefern Unternehmen heutzutage noch (umfangreich) mit nicht personenbezogenen Daten umgehen, ist fraglich. Gerade aufgrund der extensiven Auslegung des Begriffs, sei es durch die DSGVO selbst oder auch die Rechtsprechung des EuGH und die Ansichten der Datenschutzaufsichtsbehörden.

Gerade diese Abgrenzungsfrage stellt dann aber gleichzeitig auch aus datenschutzrechtlicher Sicht, also dem Blickwinkel der personenbezogenen Daten, einen relevanten Aspekt dar. Denn für die Praxis wird es von Relevanz sein, wie sich die Anwendungsbereiche der beiden Verordnungen, DSVGO auf der einen, Verordnung zum freien Verkehr nicht personenbezogener Daten auf der anderen Seite, abgrenzen und ob es trennscharfe Grenzlinien gibt. Die Frage der Abgrenzung der Anwendungsbereich soll daher nachfolgend kurz beleuchtet werden (ich beziehe mich hierbei auf die aktuelle Fassung der „free flow“ Verordnung aus dem Trilog).

Nach ErwG 9 werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Schutz personenbezogener Daten nach der DSGVO als auch hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten im Rahmen der elektronischen Kommunikation (ePrivacy Richtlinie) von dieser Verordnung nicht berührt. Nach ErwG 10 sollen die DSGVO und diese Verordnung quasi als gemeinsames Regelwerk zum freien Verkehr von Daten (personenbezogene und solche ohne Personenbezug) nebeneinander wirken. Die Anwendungsbereiche unterscheiden sich mithin anhand der Datenarten.

Doch was sieht der EU Gesetzgeber überhaupt als Datenarten an, die von der free flow Verordnung umfasst sind. In ErwG 10a gibt er hierzu ein paar Hinweise in der Form von Beispielen. Danach sei eine große Quelle nicht personenbezogener Daten das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und Maschinenlernen, etwa wenn diese im Rahmen industrieller Fertigungsprozesse eingesetzt werden. Dort erwähnte Beispiele: anonymisierte Datensätze für Big Data Analysen, Daten für die Präzisierungslandwirtschaft, um etwa den Einsatz von Pestiziden oder Wasser zu optimieren oder Daten zur Instandhaltung von Industriemaschinen.

Und dann kommt bereits eine der wichtigen Aussagen des Gesetzgebers: Sofern es technologische Entwicklungen ermöglichen sollte, anonymisierte Datensätze in personenbezogene Daten umzuwandeln, sollten diese Daten (der Gesetzgeber bezieht sich hierbei auf die zuvor erwähnten anonymisierten Daten) als personenbezogene Daten angesehen werden und die DSGVO gilt. Diese Aussage ist insofern bedeutend, da bereits die Möglichkeit der Re-Identifizierung ausreicht, um anonymisierte Daten als personenbezogene Daten anzusehen. Einziger Faktor, von dem diese Re-Identifizierung abhängig gemacht wird, sind die technologischen Entwicklungen. Leider definiert der Gesetzgeber weder, was mit „technologischen Entwicklungen“ gemeint ist, noch, wann den konkret „anonymisierte Daten“ vorliegen. Die Klarstellung in ErwG 10a zeigt jedoch, dass bereits die Möglichkeit der Re-Identifizierung genügt, um den Anwendungsbereich der free flow Verordnung zu verlassen und die DSGVO für anwendbar zu erklären.

Diese Klarstellung ist meines Erachtens auch im Rahmen der Anwendung der DSGVO zu beachten. Auch dort wird ja (leider) nicht definiert, was genau „anonymisierte Daten“ sind. Der Gesetzgeber geht aber davon aus, dass diese nicht vorliegen, wenn allein aufgrund technologischer Entwicklungen die Möglichkeit (!) der Re-Identifizierung gegeben ist. Auch dies fügt sich in die oben erwähnte weite Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten ein, schmälert aber zugleich den Anwendungsbereich der free flow Verordnung.

In Art. 1a der Verordnung wird dann die ebenso wichtige Frage der gemischten Datensätze angesprochen, also Datensätze, die sowohl personenbezogene als auch nicht personenbezogene Daten enthalten. Eigentlich würden wohl die Meinungen im Datenschutzrecht in einer solchen Situation ohne viel Diskussion vom Vorliegen personenbezogener Daten in Gänze ausgehen (Stichwort: Infektion nicht personengezogener Daten). Nicht so aber der EU Gesetzgeber. In Art. 1a gibt er vor, dass im Fall des Vorliegens gemischter Datensätze die free flow Verordnung auf jene Daten im Datensatz Anwendung findet, die nicht personenbezogen sind. Der Gesetzgeber splittet also die gesetzlichen Regularien innerhalb eines gemischten Datensatzes. Dies gilt jedoch nach Art. 1a nicht für den Fall, wenn die personenbezogenen und nicht personenbezogenen Daten untrennbar miteinander verbunden sind. In diesem Fall soll die Anwendung der DSGVO nicht beeinträchtigt werden. Dies soll wohl bedeuten, dass dann nur die DSGVO eingreift. Interessant an Art. 1a ist in jedem Fall die gesetzgeberisch vorgesehen Zersplitterung regulatorischer Bedingungen innerhalb eines Datensatzes, zumindest wenn die Daten nicht untrennbar verbunden sind. Unklar bleibt, wann von einer „untrennbaren“ Verbundenheit auszugehen ist. Dies dürfte, wenn der Text so beschlossen wird, in der Praxis für Unsicherheiten bei der Anwendung der Gesetze sorgen.