Verhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung: offene Punkte und vorläufige Einigungen

Bis zum Ende des Jahres 2015 möchten die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die sogenannten Trilog-Verhandlungen zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) abschließen. Seitdem der Trilog begonnen hat, wurden nur wenige Schriftstücke aus den Verhandlungen veröffentlicht bzw. geleakt. Nun hat die Plattform statewatch.org zwei neuere Dokumente des Rates (jeweils Stand vom 20. November 2015) veröffentlicht.

Vorläufig erzielte Kompromisse

Ein Dokument (pdf) befasst sich mit den bis zum 20. November 2015 zwischen den drei Verhandlungsparteien erzielten Kompromissen. Zudem enthält das Dokument Vorschläge der Ratspräsidentschaft für einige noch offene Punkte.

Betrachtet man das (immerhin 372 Seiten lange) Dokument, so fällt auf, dass Kompromisse vor allem für Artikel bzw. Themengebiete gefunden wurden, die man umgangssprachlich nicht als die „dicken Bretter“ bezeichnen würde. Dieses freilich nicht verwunderlich, da man sich in den Verhandlungen sicherlich zunächst mit solchen Themenkomplexen befasst hat, bei denen die geringsten Meinungsverschiedenheiten zu erwarten sind.

So hat man sich etwa darauf geeinigt, die sogenannte Haushaltsausnahme, also jene Vorschrift die bestimmt, wann die Datenschutz-Grundverordnung in Zukunft im Rahmen einer Datenverarbeitung für private Zwecke nicht anwendbar sein soll, nur dann eingreifen zu lassen, wenn die in Rede stehende Datenverarbeitung ausschließlich für persönliche Zwecke durchgeführt wird. In Zukunft dürfte es für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung daher nicht ausreichen, dass mit einer Datenverarbeitung auch (!) private Zwecke verfolgt werden. Vor allem im Abschnitt der sich mit Zusammenarbeit der nationalen Datenschutzbehörden untereinander befasst, konnte man ebenfalls vorläufige Einigungen erzielen. Nicht einigen konnte man sich bisher hingegen auf die Höhe bzw. den möglichen Rahmen für zukünftige Bußgelder bei rechtswidrigen Datenverarbeitung.

Offene Punkte

Das zweite veröffentlichte Dokument (pdf) betrifft die wichtigsten noch offenen Punkte. In diesem Dokument schlägt die Ratspräsidentschaft den Mitgliedstaaten zu verschiedenen Themen ein bestimmtes Vorgehen vor und bittet um eine Rückmeldung hinsichtlich der vorgeschlagenen Lösungswege.

Zu den noch offenen Diskussionsfeldern gehört nach dem Dokument unter anderem die Frage, inwieweit die Datenschutz Grundverordnung auch für EU-Institutionen gelten soll. Die Kommission und der Rat möchten die Institutionen vom Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ausnehmen. Das Parlament ist für deren Einbeziehung.

Bekanntlicherweise sollen in der Datenschutz-Grundverordnung Öffnungsklauseln geschaffen werden, die es den Mitgliedstaaten erlauben würden, für bestimmte Bereiche bzw. bestimmte Datenverarbeitungsprozesse spezifische nationale Regelung zu schaffen. Vor allem der Rat möchte eine solche Öffnungsklausel in Art. 1 Abs. 2a DS-GVO vorsehen. In dem Dokument wird nun vorgeschlagen, die Ratsposition beizubehalten, obwohl das Parlament den entsprechenden Artikel anpassen möchte. Dem Parlament ist vor einigen an einer Konkretisierung dahingehend gelegen, dass nationale Vorschriften die Vorgaben der DS-GVO nicht ändern bzw. anpassen sondern nur konkretisieren bzw. spezifizieren können. Die Ratspräsidentschaft schlägt vor, Art. 1 Abs. 2a DS-GVO in einen neuen Art. 6 Abs. 2a DS-GVO zu verschieben. Jedoch keine inhaltlichen Änderungen am Vorschlag des Rates vorzunehmen.

Ein weiterer offener Themenkomplex ist die Frage, inwieweit die den nationalen Datenschutzbehörden zustehenden hoheitlichen Befugnisse und der Umfang der potentiellen Maßnahmen innerhalb der DS-GVO geregelt werden sollen oder ob die Mitgliedstaaten jeweils national den Umfang der Maßnahmen bestimmen können dürfen.

Im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung sollen in Zukunft Verbände die Möglichkeit haben, betroffene Personen gegenüber Datenschutzbehörden bzw. datenverarbeitenden Stellen zu vertreten und auch deren Rechte durchzusetzen. In den Verhandlungen besteht noch Uneinigkeit darüber, inwieweit Verbände oder andere Organisationen im Namen der Betroffenen auch Schadensersatzansprüche geltend machen können. Das Parlament ist für eine solche Möglichkeit. Der Rat möchte dies nur gestatten, soweit nationale Vorschriften die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen für den Betroffenen erlauben.

Ausblick

Nach dem Ratsdokument werden die nächsten Trilog- Verhandlungen am 10. Dezember 2015 stattfinden. Die Ratspräsidentschaft bekräftigt noch einmal ihre Intention, bis zum Ende des Jahres die Verhandlungen abzuschließen.

Wer auch im Dezember nicht auf Informationen zur Datenschutz-Grundverordnung und möglichen künftigen Regelungen verzichten möchte, den lade ich gerne dazu ein, an jedem Tag zwischen dem 1. und 24. Dezember eine Tür des EUDataP- Weihnachtskalenders zu öffnen. Dort werde ich jeden Tag einen kleinen Beitrag zur Datenschutz-Grundverordnung veröffentlichen.

Europäische Kommission veröffentlicht ihre Analyse des Safe Harbor-Urteils

Heute hat die Europäische Kommission in einer Mitteilung (PDF) ihre Analyse des Safe Harbor-Urteils des europäischen Gerichtshofs veröffentlicht.

Neue Erkenntnisse oder Informationen zu den rechtlichen Möglichkeiten für Datentransfers in die USA finden sich in der Position kaum. Zumeist verweist die Kommission auf Stellungnahmen der Art. 29 Datenschutzgruppe. Einige Kernpunkte des Papiers möchte ich nachfolgend dennoch ansprechen:

Standardvertragsklauseln

Mit Blick auf den Einsatz von Standardvertragsklauseln (welche durch die Europäische Kommission auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 4 der Datenschutzrichtlinie erlassen wurden und „ausreichende Garantien“ im Sinne von Art. 26 Abs. 2 der Datenschutzrichtlinie darstellen) stellt die Kommission fest, dass nationale Datenschutzbehörden dem Grunde nach verpflichtet sind, diese als rechtmäßige Möglichkeit eines Datentransfers in einen Drittstaat zu akzeptieren. Der Grund hierfür ist die rechtliche Verbindlichkeit von Kommissionsentscheidungen in den Mitgliedstaaten.

Weiterhin stellt die Kommission fest, dass Datenschutzbehörden Datentransfers auf der Grundlage von Standardvertragsklauseln nicht mit der Begründung untersagen dürfen, dass die Standardvertragsklauseln keine ausreichenden Garantien bieten würden. Denn genau dies hat die Europäische Kommission verbindlich festgestellt. Natürlich ist es den nationalen Datenschutzbehörden unbenommen, Datentransfers auf der Grundlage der Standardvertragsklauseln auf ihre Rechtmäßigkeit (gerade mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs) zu prüfen. Sollten seitens der Datenschutzbehörde Zweifel bestehen, legt die Kommission in ihrer Mitteilung nahe, dass die nationalen Behörden einen solchen Sachverhalt vor ein nationales Gericht zu Prüfung bringen sollten, damit dieses wiederum die Frage der Rechtmäßigkeit des Datentransfers und damit implizit auch der zugrunde liegenden Standardvertragsklauseln zum Europäischen Gerichtshof vorlegen kann.

Daneben weist die Europäische Kommission darauf hin, dass verantwortliche Stellen in der EU natürlich zusätzliche (auch vertragliche) Garantien vorsehen können. Dies gerade in den Fällen, wenn sie Informationen dazu erhalten, dass das Rechtssystem im Drittstaat die datenimportieren Stelle an der Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten aus den Standardvertragsklauseln hindern könnte.

Ausnahmeregelungen

Zudem befasst sich die Mitteilung der Europäischen Kommission mit den gesetzlichen Ausnahmeregelungen (Art. 26 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie). Hier weist die Europäische Kommission darauf hin, dass die datenexportierende Stelle gerade nicht dazu verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass die importierende Stelle ausreichende Garantien mit Blick auf den Schutz personenbezogener Daten bietet. Denn die Ausnahmeregelungen gelten ja gerade für den Fall, dass ausreichende Garantien nicht existieren.

Kompetenzen der nationalen Datenschutzbehörden

Auch wenn die Europäische Kommission mehrmals darauf hinweist, dass nationale Datenschutzbehörden in völliger Unabhängigkeit handeln können und auch müssen, so stellt sie in ihrer Mitteilung dennoch ausdrücklich fest, dass die Datenschutzbehörden Datentransfers auf der Grundlage einer Angemessenheitsentscheidung der Kommission oder einer Entscheidung über das Vorhandensein ausreichender Garantien (wie Standardvertragsklauseln), im Rahmen von Beschwerden nur auf ihre Rechtmäßigkeit hin nur überprüfen(!) dürfen. Jedoch, so die Kommission, dürfen die nationalen Datenschutzbehörden in einem solchen Fall keine verbindliche Entscheidung treffen, sondern die Mitgliedstaaten müssen in einem solchen Fall ein Klagerecht für Datenschutzbehörden vorsehen, damit das Verfahren vor ein nationales Gericht gebracht werden kann.

The DPAs remain competent to examine claims within the meaning of Article 28(4) of Directive 95/46/EC that the data transfer complies with the requirements laid down by the Directive (as interpreted by the Court of Justice), but cannot make a definitive finding. (S. 14)

Weitere Auswirkungen des Urteils

Zuletzt kündigt die Kommission an das sie vor dem Hintergrund des Urteils alle bestehenden Angemessenheitsbeschlüsse für Drittstaaten (unter anderem Argentinien, Kanada, Israel und Schweiz) überprüfen werde und insbesondere jene Klauseln in den Angemessenheitsentscheidung anpassen wird, die der europäische Gerichtshof im Rahmen des Safe Harbor-Urteils für ungültig erklärt hat. Hierbei bezieht sich die Kommission auf Vorschriften, die die Ausübung der Kompetenzen der nationalen Datenschutzbehörden unter bestimmte Voraussetzungen stellen.

Auskunftsverlangen nach Safe Harbor: Muss über den Ort der Datenverarbeitung informiert werden?

Nach der Safe Harbor-Entscheidung des EuGH (hierzu mein Blogbeitrag), dürften sich Auskunftsersuchen von Betroffenen häufen, die ihr Recht aus § 34 BDSG geltend machen. Zumindest bei mir lag einen Tag nach dem Urteil bereits die erste Anfrage hierzu auf dem Tisch. Häufig wird in diesem Zusammenhang (und vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH durchaus verständlicherweise) auch danach gefragt, wo (örtlich) die personenbezogenen Daten des Betroffenen verarbeitet werden. So sieht etwa auch der Musterbrief der Verbraucherzentrale NRW (PDF) eine solche Frage vor. Doch muss eine verantwortliche Stelle hierüber tatsächlich Auskunft geben?

Europäische Vorgaben

Nach Art. 8 Abs. 2 S. 2 der Charta der Europäischen Union hat jede Person das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten. Die Grundrechte der EU binden zwar nicht direkt private Unternehmen. Dennoch soll diese Vorgabe als Ausgangspunkt der Betrachtung dienen.

Nach Art. 12 der europäischen Datenschutz-Richtlinie (DS-RL) garantieren die Mitgliedstaaten jeder betroffenen Person das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen folgendes zu erhalten:

  • zumindest Informationen über die Zweckbestimmungen dieser Verarbeitungen, die Kategorien der Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, und die Empfänger oder Kategorien der Empfänger, an die die Daten übermittelt werden;
  • eine Mitteilung in verständlicher Form über die Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, sowie die verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

Der Ort der Datenverarbeitung wird hier nicht genannt. Jedoch stellen diese Vorgaben auch nur Mindestanforderungen an die nationalen Datenschutzgesetze dar („zumindest“). Die Mitgliedstaaten können also in ihren nationalen Rechtsordnungen weitere Informationen vorsehen.

§ 34 BDSG

Nach § 34 Abs. 1 BDSG hat die verantwortliche Stelle dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft zu erteilen über

  • die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen,
  • den Empfänger oder die Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und
  • den Zweck der Speicherung.

Auch in den deutschen Vorgaben des Auskunftsanspruchs wird der Ort der Datenverarbeitung also nicht als verpflichtende Information genannt. Ausreichend ist zudem die Auskunft über die „Kategorien“ von Empfängern der Daten. Die Datenempfänger (z.B. dritte Unternehmen) müssen also nicht notwendigerweise genau benannt werden.

Kommentarliteratur

Die datenschutzrechtliche Kommentarliteratur ist zu dieser Frage gespalten. Schmidt-Wudy (Beck’scher Online-Kommentar Datenschutzrecht, § 34 BDSG, Rn. 47) verweist nur darauf, dass eine Auffassung existiert, die auch den Standort der Datenverarbeitung vom Auskunftsanspruch umfasst ansieht. Dix (Simitis, § 34 BDSG, Rn. 23) vertritt die Ansicht, dass Ort der Datenverarbeitung gerade im Fall des Cloud Computing besonders bedeutsam ist und aus diesem Grund vom Auskunftsanspruch umfasst sein muss. Dix verweist zur Begründung seiner Ansicht zudem darauf, dass der Ort der Datenverarbeitung entscheidend für die Frage des anwendbaren Datenschutzrechts sei und der Betroffene daher hierzu Informationen erhalten muss.

Dass es für die Frage des anwendbaren Datenschutzrechts jedoch gerade nicht auf den Ort der technischen Datenverarbeitung ankommt (wo also die Server/Computer stehen), hat bereits im Jahre 2002 die Art. 29 Datenschutzgruppe festgestellt (Stellungnahme WP 56, S. 9,  pdf). Auch der EuGH hat in der kürzlich ergangenen (und leider bisher kaum öffentlich wahrgenommenen) Entscheidung „Weltimmo“ der Tatsache, in welchem Land die Server eines Unternehmens stehen, um eine Website zu betreiben über die personenbezogene Daten verarbeitet werden, ausdrücklich keine Bedeutung für die zu beurteilende Frage des anwendbaren Datenschutzrechts beigemessen (vgl. EuGH, Rechtssache C-230/14, Rz. 18; mein Blogbeitrag hierzu). Aus diesem Grund halte ich es daher nicht für erforderlich bzw. gesetzlich geboten, den Ort der Datenverarbeitung in den Auskunftsanspruch aufzunehmen.

Neben dem Wortlaut der deutschen und europäischen Vorschriften spricht meines Erachtens auch der hinter dem Auskunftsanspruch liegende Zweck gegen eine Pflicht, den Ort der Datenverarbeitung im Rahmen des Auskunftsanspruchs nennen zu müssen. Der BGH hat bereits 1983 entschieden, dass der Auskunftsanspruch das notwendige Korrelat zu den Ansprüchen auf Berichtigung, Sperrung und Löschung darstellt (Urteil vom 15.12.1983 – III ZR 187/82). So sieht dies auch der EuGH. Seiner Auffassung nach dient der Auskunftsanspruch vor allem dem Zweck, es der betroffenen Person zu ermöglich, von über ihre Person gespeicherten Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und der gesetzlichen Vorgaben gemäß verarbeitet werden, so dass diese Person gegebenenfalls die ihr zustehenden Rechte auf Berichtigung und Löschung ausüben kann (vgl. EuGH, Rechtssachen C?141/12 und C?372/12, Rz. 57). Um jedoch den Berichtigungs- oder Löschungsanspruch ausüben zu können, muss eine Person nicht wissen, wo die Daten physisch liegen (im Übrigen weiß dies in der heutigen Zeit oft nicht einmal die verantwortliche Stelle selbst, da Daten oft dupliziert auf verschiedenen Servern in mehreren Ländern abgespeichert werden). Völlig ausreichend ist, dass sie Kenntnis davon hat, welche Daten vorhanden sind und wozu sie genutzt werden. Ob die Daten nun in Deutschland, England oder Amerika gespeichert sind ändert nichts daran, dass bei einer datenschutzrechtswidrigen Verarbeitung diese Daten zu löschen oder zu berichtigen sind.

Informationspflichten nach TMG

Wenn im Rahmen des Auskunftsanspruchs zwar nicht über den Ort der Datenverarbeitung zu informieren ist, so besteht für eine verantwortliche Stelle im Anwendungsbereich des TMG jedoch nach § 13 Abs. 1 TMG die Pflicht,

den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten.

Hier muss der Diensteanbieter (etwa im Internet oder in einer App) zumindest allgemein darüber informieren, dass personenbezogene Daten in sog. Drittstaaten verarbeitet werden. Nicht aufklären muss die verantwortliche Stelle über den konkreten Ort in einem Drittstaat. Ebenso wenig muss darüber informiert werden, ob personenbezogene Daten in anderen Ländern innerhalb des EWR verarbeitet werden. Zumindest im Anwendungsbereich es TMG besteht also eine Art eingeschränkter Informationspflicht über den Ort der Datenverarbeitung.

Safe Harbor-Urteil des EuGH: Die Kommission hat ihre Kompetenzen unter- und überschritten

Heute hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Az. C-362/14), dass die Safe Harbor-Entscheidung der Europäischen Kommission, die eine von mehreren möglichen Grundlagen der Übermittlung von personenbezogenen Daten aus dem EWR in die USA darstellt, ungültig ist.

Der zuständige Generalanwalt Bot hatte seine Schlussanträge erst vor zwei Wochen präsentiert (hierzu mein Blogbeitrag und ein Beitrag bei Legal Tribune Online). Mit seinem heutigen Urteil folgt der EuGH dem Generalanwalt in einigen, jedoch nicht in allen Punkten.

Was hat der EuGH nun konkret entschieden? Was sind die Gründe des Urteils? Nachfolgend möchte ich zu diesen Fragen einige erste Einschätzungen geben. Die Erwägungen des EuGH sind teilweise doch etwas überraschend. Folgende Informationen bereits vorab, da es in der Berichterstattung zu dem Urteil bereits (leider) oft anders dargestellt wird:

  • Der EuGH verhält sich in keinster Weise zum konkreten Schutzniveau für personenbezogene Daten in den USA.
  • Der EuGH stützt sein Urteil nicht ausdrücklich (wie noch der Generalanwalt) auf die Zugriffsmöglichkeiten von speziellen Geheimdiensten, insbesondere der NSA, sondern begründet seine Entscheidung allgemeiner. Auch stützt er seine Entscheidung nicht auf die Berichterstattung und Enthüllungen von Edward Snowden.
  • Entscheidungsgegenstand ist ein Rechtsakt der EU-Kommission, der nach Auffassung des EuGH nicht den Anforderungen des EU-Rechts (insbesondere Verhältnismäßigkeit) an europäische Rechtsakte und durch diese ermöglichte Eingriffe in Grundrechte genügt.

Befugnisse nationaler Datenschutzbehörden und Angemessenheitsbeschlüsse

Zunächst befasst sich der EuGH mit den Befugnissen der nationalen Datenschutzbehörden und wie diese bei Vorliegen eines Angemessenheitsbeschlusses der Kommission (wie Safe Harbor) ihre Befugnisse ausüben dürfen. Nach Art. 28 Abs. 1 der geltenden Datenschutz-Richtlinie (DS-RL, RL 95/46/EG) dürfen die Aufsichtsbehörden die ihnen gesetzlich übertragenen Befugnisses allein im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaates ausüben (Rz. 44). Also etwa nicht in einem Drittstaat, wie den USA oder auch in einem anderen Mitgliedstaat innerhalb der EU.

Eine Datenübermittlung aus einem Mitgliedstaat in einen Drittstaat stellt aber selbstverständlich eine Datenverarbeitung innerhalb des Mitgliedstaates dar, die durch die Aufsichtsbehörde geprüft werden kann (Rz. 45). Die Feststellung, dass ein Drittstaat über ein „angemessenes“ Niveau für den Schutz personenbezogener Daten verfügt und damit eine Übermittlung in diesen Drittstaat überhaupt erst möglich ist, kann sowohl von der Kommission als auch von einem Mitgliedstaat getroffen werden (Rz. 50). Fällt die Kommission eine solche Entscheidung auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 6 DS-RL, so sind hieran die Mitgliedstaaten und all ihre Organe gebunden (Rz. 51). Dies betrifft auch die nationalen Aufsichtsbehörden. Ab hier scheint sich der EuGH nun etwas von der Auffassung des Generalanwalts in dessen Schlussanträgen zu entfernen.

Der EuGH urteilt weitert, dass allein der EuGH selbst eine solche Entscheidung der Kommission aufheben darf. Bis zur Aufhebung oder auch Anpassung durch die Kommission selbst, dürfen jedoch die Mitgliedstaaten und damit auch die Aufsichtsbehörden keine abweichenden Entscheidungen treffen (Rz. 52). Freileich muss es für Betroffene, auch bei einer Bindungswirkung der Kommissionsentscheidung, möglich sein, Beschwerden hinsichtlich eines Datentransfers in den Drittstaat vorzubringen. Ebenso stehen den Aufsichtsbehörden auch weiterhin ihre gesetzlichen Aufsichts-, Untersuchungs- und Sanktionsmaßnahmen zu (Rz. 53). Aufsichtsbehörden müssen also, nach Beschwerden, auch bei bestehendem Angemessenheitsbeschluss, Untersuchungen durchführen (Rz. 57). Wenn jedoch eine Beschwerde die Frage der Rechtmäßigkeit von Datentransfers betrifft, für die schon ein entsprechender Beschluss der Kommission existiert (so wie hier), dann ist eine solche als insgesamt gegen die Gültigkeit des Angemessenheitsbeschlusses anzusehen (Rz. 59). Wie jeder andere europäische Rechtsakte (Verordnungen, Richtlinien), so muss sich auch ein Angemessenheitsbeschluss der Kommission an den rechtsstaatlichen Vorgaben des EU-Rechts messen lassen (Rz. 60). Nur der EuGH jedoch kann eine entsprechende Entscheidung der Kommission für ungültig erklären (Rz. 61). Nationale Aufsichtsbehörden können, wie bereits erwähnt, keine inhaltlich abweichenden Entscheidungen treffen oder gar einen Angemessenheitsbeschluss als unwirksam ansehen (Rz. 62). Wenn ein Betroffener mit seiner Beschwerde, die sich auf den Datentransfer in einen Drittstaat bezieht, von der zuständigen Aufsichtsbehörde abgewiesen wird, so muss er die Möglichkeit haben, hiergegen gerichtlich vorzugehen. Ebenso muss es den nationalen Aufsichtsbehörden möglich sein, eine Angemessenheitsentscheidung gerichtlich prüfen lassen zu können. Am Ende beider verfahren muss die Vorlage an den EuGH durch das nationale Gericht stehen (Rz. 64 ff.).

Was ist „angemessen“?

Danach geht der EuGH auf Safe Harbor und dessen Wirksamkeit ein.

Zunächst beleuchtet das Gericht die Frage, was unter dem Begriff „angemessen“ i.S.d. Art. 25 Abs. 1 DS-RL zu verstehen ist. Denn nur wenn ein angemessenes Schutzniveau in einem Drittstaat festgellt wurde (entweder durch die Kommission oder durch einen Mitgliedstaat), kann ein Angemessenheitsbeschluss erfolgen. Der Begriff selbst wird in der DS-RL jedoch nicht näher umschrieben oder etwa definiert (Rz. 70). Für den EuGH ist klar, dass der grundrechtlich garantierte Schutz personenbezogener Daten des Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dem Grunde nach auch für solche Daten gelten muss, die in Drittstaaten übermittelt werden (Rz. 72). „Angemessen“ bedeutet jedoch nach dem EuGH nicht, dass in dem Drittstaat etwa dasselbe Schutzniveau existieren muss, wie es in der EU vorhanden ist. Im Kern muss der Schutz jedoch gleichwertig sein. Dieser Schutz von personenbezogenen Daten kann durch die nationalen Gesetze oder auch internationale Abkommen erreicht werden, denen der Drittstaat beigetreten ist (Rz. 73). Überspitzt formuliert postuliert der EuGH damit den Export des europäischen Datenschutzrechts und seiner grundlegenden Prinzipien in jeden Drittstaat. Das grundlegende Schutzniveau „wandert“ mit den Daten also mit.

Zudem weist der EuGH darauf hin, dass ein einmal existierender Angemessenheitsbeschluss nicht bedeutet, dass die Frage der „Angemessenheit“ des Schutzniveaus damit grundsätzlich beantwortet wäre. Vielmehr muss die Kommission eine solche Entscheidung grundsätzlich über die Zeit hinweg prüfen und vor allem aktuelle Entwicklungen berücksichtigen, die sich auf das Schutzniveau auswirken können (Rz. 76). Wenn die Kommission im Rahmen der Prüfung des Schutzniveaus in einem Drittstaat die dortigen Gesetze und Vorgaben zum Schutz personenbezogener Daten untersucht, so steht ihr nach Auffassung des EuGH nur ein eingeschränkter Beurteilungsspielraum zu und sie hat besonders strenge Maßstäbe anzulegen (Rz. 78).

Gültigkeit der Safe Harbor-Entscheidung

Im Folgenden setzt sich der EuGH mit der Safe Harbor-Entscheidung selbst auseinander…und nimmt sie auseinander.

Zunächst stellt der EuGH jedoch fest, dass das Prinzip der Selbstzertifizierung durch Unternehmen in einem Drittstaat grundsätzlich nicht gegen die Wirksamkeit eines Angemessenheitsbeschluss oder das Vorliegen eines angemessenen Schutzniveaus spricht (Rz. 81). Jedoch erfordert ein solcher Mechanismus dann auch ein wirksames System der Überwachung der Einhaltung der Vorgaben und effiziente Sanktionen bei Verstößen.

Nachfolgend kritisiert der EuGH, dass die Safe Harbor-Prinzipien, an die sich amerikanische Unternehmen halten müssen, gerade nur privatwirtschaftliche Akteure adressieren und staatlichen Einheiten in den USA keine Pflichten auferlegen und diese daher nicht an die Prinzipien gebunden sind, wenn sie Zugriff auf Daten nehmen die bei amerikanischen Unternehmen gespeichert sind (Rz. 82).

Desweiteren kritisiert der EuGH, dass die Angemessenheitsentscheidung der Kommission, entgegen den Vorgaben der DS-RL, sich überhaupt nicht mit den einschlägigen Gesetzen in den USA befasst oder deren möglichen Schutzumfang näher untersucht (Rz. 83). Die Kommission habe es versäumt, ausreichend zu prüfen, inwiefern in den USA personenbezogene Daten (nicht) geschützt sind, um auf dieser Grundlage ihre Entscheidung zu treffen. Die in Safe Harbor vorgesehen Ausnahmen, wann von den Schutzprinzipien der Entscheidung abgewichen werden darf, sind nach Ansicht des EuGH (wie auch nach Ansicht des Generalanwalts) zu weit gefasst. Zudem erlauben sie für Zwecke der nationalen Sicherheit und Strafverfolgung ein Abweichen durch staatliche Behörden. Nationale Vorschriften in den USA können den Schutzprinzipien vorgehen und diese im Endeffekt außer Kraft setzen. Amerikanische Unternehmen können von den Vorgaben von Safe Harbor zugunsten dieser nationalen Regelungen abweichen, sogar wenn diese den Schutzprinzipien von Safe Harbor entgegenstehen (Rz. 86). Aus diesem Grund ermöglicht die Safe Harbor-Entscheidung (mit ihren Ausnahmen) den Eingriff in europäische Grundrechte (Rz. 87).

Der EuGH kritisiert weiter, dass die Safe Harbor-Entscheidung keine Untersuchungsergebnisse enthält, inwiefern ein Eingriff in Grundrechte der Betroffenen (durch einen Zugriff auf Daten durch staatliche Stellen) auf ein absolut erforderliches Maß begrenzt wird (Rz. 88). Auch hier bemängelt der EuGH erneut die fehlende Prüfung und Feststellung durch die Kommission.

Desweiteren findet sich in der Safe Harbor-Entscheidung der Kommission kein Verweis auf eventuell existierende Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene, wenn durch stattliche Behörden auf die übermittelten Daten zugegriffen wird (Rz. 89). Zwar existiere eine Aufsicht durch die amerikanische Federal Trade Commission. Diese bezieht sich jedoch allein auf den privatwirtschaftlichen Sektor und kann nicht den Umgang mit Daten durch staatliche Behörden überwachen.

Nun kommt der EuGH zu der Grundlage seiner faktischen Feststellungen. Die Kommission selbst habe die Mangelhaftigkeit der Safe Harbor-Entscheidung, gerade mit Blick auf die weiten Ausnahmen für Zugriffe durch staatliche Behörden und den fehlenden Rechtsschutz, im Jahre 2013 in zwei Mitteilungen analysiert und festgestellt (Rz. 90; Mitteilung COM(2013) 846 final und Mitteilung COM(2013) 847 final). Insbesondere habe die Kommission erkannt, dass US-Behörden in einer mit den Safe Harbor-Prinzipien unvereinbaren Weise auf Daten zugreifen können. Der Zugriff kann gerade über das erforderliche und absolut notwendige Maß zur Verfolgung der legitimen Zwecke der nationalen Sicherheit oder der Strafverfolgung hinausgehen. Auch habe die Kommission selbst festgestellt, dass Betroffene keine administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelfe haben, um Zugang zu Daten zu erhalten oder eine Berichtigung oder Löschung zu beantragen.

Danach geht der EuGH auf die (hier nicht eingehaltenen) Vorgaben ein, die ein EU-Rechtsakt wie die Safe Harbor-Entscheidung erfüllen muss, wenn durch die Unionsregelung in Grundrechte eingegriffen wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss ein solcher Rechtsakt klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung einer Maßnahme vorsehen und Mindestanforderungen aufstellen, so dass die Betroffenen, deren personenbezogene Daten verarbeitet werden, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer Daten vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang zu diesen Daten und jeder unberechtigten Nutzung ermöglichen (Rz. 91).

Abweichungen oder Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten müssen auf das absolut notwendige Maß beschränkt werden (Rz. 92). Nach Auffassung des EuGH genügt diesen Anforderungen die Safe Harbor-Entscheidung nicht. Nicht auf das absolut Notwendige beschränkt ist nämlich eine Regelung, die generell die Speicherung aller personenbezogenen Daten sämtlicher Personen, deren Daten aus der Union in die Vereinigten Staaten übermittelt wurden, gestattet, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des verfolgten Ziels vorzunehmen (Rz. 93). Die in Safe Harbor vorgesehenen Ausnahmen (in der Form von Unionsregelungen) erlauben eine generelle und unverhältnismäßige Zugriffsmöglichkeit durch Behörden in den USA auf den Inhalt elektronischer Kommunikation und die Regelung in Safe Harbor verletzt daher den Wesensgehalt des grundrechts aus Art. 7 der Charta. Zudem verletzt eine solche Unionsregelung, die keine Möglichkeit für die Betroffenen vorsieht, mittels eines Rechtsbehelfs Zugang zu den ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu erlangen oder ihre Berichtigung oder Löschung zu erwirken, den Wesensgehalt des in Art. 47 der Charta verankerten Grundrechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz (Rz. 95).

Der Hauptkritik des EuGH ist damit folgender:

Die Kommission hat jedoch in der Entscheidung 2000/520 nicht festgestellt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika aufgrund ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen tatsächlich ein angemessenes Schutzniveau „gewährleisten“. (Rz. 97)

Aus diesem Grund kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass Art. 1 der Safe Harbor-Entscheidung gegen die in Art. 25 Abs. 6 DS-RL im Licht der Charta festgelegten Anforderungen verstößt und aus diesem Grund ungültig ist (Rz. 98).

Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass der EuGH im Ergebnis eine Grundrechtsverletzung durch einen mangelhaften Unionsrechtsakt annimmt. Die EU-Kommission habe nicht die Anforderungen des EU-Rechts beachtet, als sie die Safe Harbor-Entscheidung getroffen hat. Bereits die Struktur von Safe Harbor und die unterbliebene Untersuchung und Feststellung des Schutzniveaus durch die Kommission stellt damit eine Grundrechtsverletzung dar.

Ausdrücklich urteilt der EuGH nicht über die generelle Frage der Angemessenheit des Schutzniveaus für personenbezogene Daten in den USA oder auch, ob die Safe Harbor-Prinzipien inhaltlich ein entsprechendes Schutzniveau herstellen.

ohne dass es einer Prüfung des Inhalts der Grundsätze des „sicheren Hafens“ bedarf. (Rz. 98)

Allein die fehlerhafte Struktur und mangelnde Einhaltung der Vorgaben der DS-RL durch die Kommission bei Safe Harbor stellen die Grundrechtsverletzung dar.

Ein weiterer Grund, warum Safe Harbor ungültig ist, ist für den EuGH, dass die Kommission mit der Entscheidung die Befugnisse der nationalen Datenschutzbehörden beschränkt, obwohl sie dazu rechtliche nicht befugt ist (Rz. 99 ff.). Nach Art. 3 von Safe Harbor dürfen Aufsichtsbehörden nur in besonderen Fällen Datentransfers unterbinden. Die Kopplung der Befugnisse der Behörden an bestimmte Voraussetzungen durch die Kommission stellt jedoch eine Überschreitung ihrer Befugnisse dar, so der EuGH. Mit dem Erlass von Art. 3 der Safe Harbor-Entscheidung habe die Kommission daher die ihr durch Art. 25 Abs. 6 DS-RL im Licht der Charta übertragene Zuständigkeit überschritten hat, so dass dieser Artikel ungültig ist.

Da nach Auffassung des EuGH Art. 1 und Art. 3 der Safe Harbor-Entscheidung ungültig sind und diese Artikel untrennbar mit den übrigen Vorgaben der Entscheidung im Zusammenhang stehen, berührt die Ungültigkeit der beiden Artikel die gesamte Entscheidung (Rz. 105).

Fazit

Das Urteil des EuGH befasst sich nicht mit der Frage, ob ein angemessenes Schutzniveau für Daten in den USA existiert. Die Ungültigkeit der Entscheidung rührt vielmehr bereits aus dem Umstand, dass die Kommission zum einen ihre Kompetenzen und auch ihre Pflichten auf Grundlage der DS-RL in Bezug auf Art. 1 der Safe Harbor-Entscheidung nicht korrekt ausgeübt und unterschritten hat. IN Bezug auf Art. 3 der Safe Harbor-Entscheidung stellt der EuGH dann eine Überschreitung der Kompetenzen fest. Die in Rede stehende Unionsregelung (Safe Harbor) verstößt aufgrund ihrer Struktur und ihrer Unvereinbarkeit mit den EU-rechtlichen Vorgaben an solche Unionsregelungen gegen mehrere Grundrechte.

 

 

 

Datenschutzreform: Österreichs Bundesrat fordert Augenmaß und Ausnahmen

Die Verhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung befinden in ihrer entscheidenden Phase, den Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat. Österreich war in den Ratsverhandlungen eine der kritischsten Stimmen und hat auch gegen den Kompromissvariante des Rates zur Datenschutz-Grundverordnung gestimmt. Der österreichische Bundesrat nimmt den Trilog zum Anlass genommen, um gewisse, aus seiner Sicht unter anderem für die österreichische Wirtschaft und das geltende österreichische Datenschutzrecht, wichtige Forderungen an die beteiligten Akteure zu richten.

Das Schreiben des EU-Ausschusses des österreichischen Bundesrates findet sich hier (PDF).

Gefordert bzw. angemerkt wird dort unter anderem:

Der Schutz von juristischen Personen, wie er derzeit im österreichischen Datenschutzrecht gilt, soll beibehalten werden.

Dieser Schutz stellt in Europa durchaus eine Besonderheit dar. Denn die geltende Datenschutz-Richtlinie bezieht sich dem Wortlaut nach auch nur auf „natürliche Personen“ und verweist explizit in Erwägungsgrund 24 darauf, dass sie nicht andere Rechtsvorschriften zum Schutz juristischer Personen berührt. In Deutschland etwa unterfallen juristische Personen nicht dem Schutzbereich des Bundesdatenschutzgesetzes.

 

Bisher rechtmäßig durchgeführte Datenverarbeitungen dürften nicht ihre Rechtsgrundlage verlieren.

Was also derzeit legitim ist, darf in Zukunft nicht als rechtswidrig angesehen werden. Eventuell auch dann, wenn bestehende Erlaubnistatbestände im Datenschutzrecht angepasst werden.

 

Die Einführung eines Datenschutzbeauftragten für jedes Unternehmen würde vor allem für KMU und EPU zu einer unüberwindlichen Hürde führen.

Hier erkennt man, wie unterschiedlich die Wünsche und Vorstellungen der Mitgliedstaaten sind. Deutschland spricht sich seit langem für Vorgaben in der Datenschutz-Grundverordnung für die Bestellung von Datenschutzbeauftragten aus. Andere Mitgliedstaaten erkennen hierin eine Belastung für die Wirtschaft und wünschen sich praktikable Lösungen.

Datenschutzbehörde: Wann Online-Händler Kundenaccounts löschen müssen

Gestern hat der Sächsische Datenschutzbeauftragte seinen 7. Tätigkeitsbericht (PDF) für den nicht-öffentlichen Bereich vorgestellt. Wie generell in anderen, so finden sich auch in diesem Tätigkeitsbericht der Aufsichtsbehörde einige interessante und für die Praxis relevante Problemaufrisse und teilweise auch Lösungsvorschläge aus dem Datenschutzrecht.

Für den Bereich des eCommerce nicht uninteressant dürfte die in dem Tätigkeitsbericht (S. 47 f.) angesprochene Thematik der Löschung von Kundenaccounts sein.

Nach § 35 Abs. 2 BDSG sind personenbezogene Daten verpflichtend von der verantwortlichen Stelle, also etwa dem Betreiber eines Online-Shops, zu löschen, wenn “ihre Speicherung unzulässig ist, es sich um Daten über die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit, Sexualleben, strafbare Handlungen oder Ordnungswidrigkeiten handelt und ihre Richtigkeit von der verantwortlichen Stelle nicht bewiesen werden kann, sie für eigene Zwecke verarbeitet werden, sobald ihre Kenntnis für die Erfüllung des Zwecks der Speicherung nicht mehr erforderlich ist, oder sie geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung verarbeitet werden und eine Prüfung jeweils am Ende des vierten, soweit es sich um Daten über erledigte Sachverhalte handelt und der Betroffene der Löschung nicht widerspricht, am Ende des dritten Kalenderjahres beginnend mit dem Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung folgt, ergibt, dass eine längerwährende Speicherung nicht erforderlich ist“.

Der Datenschutzbeauftragte berichtet von Beschwerden, z. B. unzufriedener Kunden, die nichts mehr mit einem Online-Händler zu tun haben möchten, in denen eine mangelnde Löschung von Kundendaten beanstandet wird. Er weist jedoch auch gleichzeitig darauf hin, dass eine Löschung

regelmäßig nicht vollumfänglich gelingt bzw. auch nicht gelingen kann.

Man könnte noch ergänzen, „aus rechtlichen Gründen“. Insbesondere wegen der Vorgabe des § 35 Abs. 3 Nr. 1 BDSG. Danach tritt an die Stelle einer Löschung nämlich eine Sperrung der personenbezogenen Daten, soweit im Fall des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 3 einer Löschung gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen. Daten müssen dann also nicht gelöscht, aber gesperrt werden. Das bedeutet, dass nur für eng begrenzte Zwecke auf sie Zugriff genommen werden darf.

Zu diesen Gründen kommt der Datenschutzbeauftragte dann auch direkt. Nach steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 257 HGB und § 147 AO, sind nämlich Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, bestimmte Unterlagen, etwa Belege zu Buchungen, aufzubewahren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle zu einem Kundenaccount im Laufe gewisser Zeit hinzu gespeicherte Daten aufbewahrt und damit natürlich auch gespeichert werden dürfen.

Nach Auffassung des Datenschutzbeauftragten ist es

allein geboten, neben den Daten bisheriger Rechtsgeschäfte nur solche Daten zur Person des Kunden (in gesperrter Form) zu speichern, die seine (eindeutige) Identifizierung (mit dem Rechtsgeschäft) ermöglichen. Alle anderen Daten zur Person des Kunden sind nach Ende der Geschäftsbeziehung zu löschen, § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 BDSG.

Grundsätzlich haben also Kunden einen Anspruch darauf, dass die sich auf ihre Person beziehenden Daten gelöscht werden. Dies gilt jedoch nicht für alle Daten, weil der Online-Händler bestimmte gesetzliche Aufbewahrungspflichten erfüllen muss. Auch der Datenschutzbeauftragte stellt fest, dass nach den steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften die verantwortliche Stellen zwar verpflichtet ist, die Daten von Rechtsgeschäften weiter (in der Buchhaltung) zu speichern.

Wichtig ist der Hinweis des Datenschutzbeauftragten, dass diese Pflicht zur Aufbewahrung gewisser Daten seiner Ansicht nach nicht keine dauerhafte Unterhaltung eines Kundenkontos und

schon gar nicht die dauerhafte Bereitstellung einer darauf bezogenen Zugriffsmöglichkeit über das Internet. Wenn also ein Kunde keine dauerhafte Einrichtung eines Kundenkontos wünscht bzw. die Löschung eines eingerichteten Kundenkontos fordert, so ist diesem Wunsch zu entsprechen, d. h. die Zugangsdaten des Kunden sind zu löschen.

Aufzubewahrende und vorhandene Buchungsdaten sollten aus diesem Grund auch nur in der Buchhaltung bis zum Ablauf der steuer- und handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen weiter in gesperrter Form gespeichert werden.

Generalanwalt: Safe Harbor-Entscheidung verletzt europäische Grundrechte. Nicht Facebook.

Heute hat der Generalanwalt am EuGH seine Schlussanträge im Verfahren von Max Schrems gegen die irische Datenschutzbehörde (C-362/14) präsentiert. In der Presse (z.B. Golem und FAZ) und in Blogs (etwa bei Thomas Stadler) wurde bereits darüber berichtet und erste Schlussfolgerungen gezogen.

Ich möchte nachfolgend, nachdem ich die Schlussanträge einmal grob überfliegen konnte, auf einige Besonderheiten und besonders relevante Aussagen des Generalanwalts hinweisen, die vielleicht bisher noch nicht beleuchtet wurden.

Starke Stellung der Datenschutzbehörden

Wenig überraschend vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass nationale Datenschutzbehörden durch einen Angemessenheitsbeschluss der Kommission (um den es sich bei Safe Harbor handelt) nicht absolut gebunden sind und weiterhin die ihnen durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Datenschutz-Richtlinie (RL 95/46/EG) übertragenen Befugnisse ausüben dürfen. Wenn es um den Schutz von Grundrechten (im vorliegenden Fall von Art. 7 und 8 der Charta) geht, dürfen nationale Behörden eigene Untersuchungen vornehmen und erforderlichenfalls auch Datentransfers in Drittstaaten untersagen, selbst wenn ein Angemessenheitsbeschluss der Kommission existiert. Rechtlich gesprochen nimmt eine Angemessenheitsentscheidung nach Art. 25 Abs. 6 RL 95/46/EG den Aufsichtsbehörden nicht ihre Befugnisse nach Art. 28 RL 95/46/EG (vgl. Rz. 120 der Schlussanträge).

Grundvoraussetzung: gleicher Schutz

Wenn personenbezogene Daten aus der Europäischen Union heraus, auf der Grundlage einer Angemessenheitsentscheidung, in Drittstaaten übertragen werden können sollen, dann muss in diesem Drittstaat dem Grunde nach dasselbe Schutzniveau gelten, wie es durch die Vorgaben der Grundrechtecharta und der RL 95/46/EG auch innerhalb der EU existiert (Rz. 144). Ein wichtiger Baustein hierfür ist die Existenz einer unabhängigen Kontrollinstanz, die die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben überwacht und durchsetzt (Rz. 145).

Unklare Ausnahmeregelungen für Zwecke der nationalen Sicherheit

Der Generalanwalt kritisiert die in der Safe Harbor-Entscheidung vorgesehenen Möglichkeiten, für Zwecke der nationalen Sicherheit von den vorgegebenen Prinzipien zum Schutz personenbezogener Daten abweichen zu können (Anhang I Absatz 4). Der Wortlaut der Vorschriften sei viel zu allgemein gehalten und werde von Sicherheitsbehörden in den USA weit ausgelegt und genutzt, um auf personenbezogene Daten zugreifen zu können (Rz. 164).

Keine Möglichkeit des Rechtsschutzes in den USA

Ebenfalls kritisiert der Generalanwalt, dass EU-Bürger keine Möglichkeit hätten, Rechtsschutz gegen Datenverarbeitungen zu suchen, die über jene Zwecke hinausgehen, für die die Daten ursprünglich in die USA übermittelt wurden (Rz. 165).

Facebook verletzt nicht die Vorgaben von Safe Harbor

Der Generalanwalt stellt zudem klar, dass Facebook nicht gegen die Vorgaben von Safe Harbor verstößt (Rz. 168). Denn ein Zugriff von Sicherheitsbehörden auf Daten oder eine Weiterleitung der Daten auf der Grundlage nationaler Gesetze in den USA ist in der Safe Harbor-Entscheidung gerade vorgesehen. Die Frage ist daher vielmehr, ob die Safe Harbor-Entscheidung selbst (und in ihr aufgestellte Prinzipien und auch die Ausnahmen) gegen europäisches Recht verstößt. Die in der Safe Harbor-Entscheidung ausdrücklich zugelassene Weitergabe von Daten für Zwecke der nationalen Sicherheit stellt einen Eingriff in die Grundrechte der EU-Bürger dar (nicht jedoch durch die privaten Unternehmen) und muss gerechtfertigt sein (Rz. 174).

Ausnahmeregelungen in Safe Harbor verstoßen gegen Grundrechte

Die in der Safe Harbor-Entscheidung vorgesehenen Ausnahmen sind nach Auffassung des Generalanwalts viel zu offen und ungenau formuliert, um einen Eingriff in die Grundrechte aus Art. 7 und 8 der Charta zu rechtfertigen. Es existieren keine ausreichenden und genau definierten Schutzmechanismen, um eine Massenüberwachung durch ausländische Sicherheitsbehörden zu unterbinden (Rz. 202).

Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Ein Eingriff in Grundrechte kann gerechtfertigt sein. Muss dafür jedoch geeignet, erforderlich und angemessen sein. Der Generalanwalt stellt klar, dass die EU-Kommission, mit Annahme der Safe Harbor-Entscheidung und ihrer Aufrechterhaltung, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen hat und eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 7 und 8 der Charta sowie Art. 52 Abs. 1 der Charta vorliegt. Aus diesem Grund ist die Entscheidung der Kommission für ungültig zu erklären (Rz. 215 f.). Hinzu kommt nach Ansicht des Generalanwalts, dass die EU-Kommission Safe Harbor auch noch während der Verhandlungen über eine neue Version weiterhin in Kraft belassen hat (Rz. 233 und 236).

Ausblick

Abschließend möchte ich anmerken, dass man nun abwarten muss, wie der EuGH entscheiden wird. Ich denke, die Tendenz ist aber klar. Doch was bedeutet es, wenn von einem auf den anderen Tag Safe Harbor ungültig wäre? Natürlich dürften personenbezogene Daten aus Europa auch weiterhin in die USA übermittelt werden. Hierfür wäre dann jedoch eine andere Grundlage (Einwilligung, Standardvertragsklauseln, etc.) erforderlich. Ich denke zudem, dass man nicht unbedingt einen großen Gewinn für den transatlantischen Datenschutz einfährt, wenn Safe Harbor, ohne Nachfolgeregelungen, für ungültig erklärt wird. Denn dass die Datenstrome einfach aufhören zu fließen, daran kann niemand wirklich glauben. Man wird dann einfach eine Situation mit tausendfacher Rechtsverletzung kreieren. Die Unternehmen stehen natürlich zwischen zwei Stühlen. Verschiedenen, auf sie anwendbare Rechtsordnung. Auch wenn Safe Harbor fällt, werden Sicherheitsbehörden (im Übrigen nicht nur in Drittsaaten) auf Daten bei Unternehmen zugreifen. In diesem Zusammenhang sollte man sich auch einmal die Frage stellen, wie denn der Rechtsschutz und die Aufsicht über den Zugriff von Geheimdiensten bei uns in der EU ausgestaltet sind.

Justizministerium zweifelt an einheitlichem Datenschutzstandard in Europa

Die Europäische Kommission hat in einer Stellungnahme (abrufbar bei netzpolitik.org) den Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz  (BMJV) zur „Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ (PDF) inhaltlich bemängelt.

Die Kommission stört sich insbesondere an der in § 113b des Entwurfs vorgesehenen Pflicht, Vorratsdaten allein im Inland zu speichern:

dass der betreffende Entwurf einer Verordnung eine Verletzung von Artikel 56 AEUV sowie Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 95/46/EG darstellen würde.

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 95/46/EG (die geltende Datenschutzrichtlinie) gibt vor, dass Mitgliedstaaten nicht den freien Verkehr personenbezogener Daten zwischen Mitgliedstaaten aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten beschränken oder untersagen dürfen. Noch deutlicher ist die Vorgabe in Erwägungsgrund 9 der Datenschutzrichtlinie. Danach dürfen die Mitgliedstaaten aufgrund des gleichwertigen Schutzes, der sich aus der Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ergibt, den freien Verkehr personenbezogener Daten zwischen ihnen nicht mehr aus Gründen behindern, die den Schutz der Rechte und Freiheiten natürlicher Personen und insbesondere das Recht auf die Privatsphäre betreffen.

Die Pflicht zur Inlandsspeicherung in § 113b des Entwurfs würde aber den freien Verkehr personenbezogener Daten nicht nur behindern, sondern in Bezug auf die Speicherung Vorratsdaten schlicht untersagen.

Zweck der Datenschutzrichtlinie ist es zum einen, die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen und insbesondere das Recht auf die Privatsphäre bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu schützen und zum anderen den freien Verkehr von personenbezogenen Daten innerhalb der EU nicht zu behindern.

Gleichwertiger Schutz innerhalb der EU?

Die Datenschutzrichtlinie gibt also auf europäischer Ebene für die Mitgliedstaaten verbindlich vor, dass in ihrem Anwendungsbereich ein gleichwertiges Schutzniveau für personenbezogene Daten existiert. Personenbezogene Daten dürfen innerhalb der EU übermittelt werden, wenn für die Datenverarbeitung (hier die Übermittlung) selbst eine Einwilligung oder gesetzliche Grundlage (z.B. ein Vertrag) existiert.

Das BMJV sieht dies jedoch anders. Die Gesetzesbegründung verweist zur Beschränkung der ebenfalls beeinträchtigten Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) auf die Notwendigkeit,

um  die  grundrechtlichen  Erfordernisse  des  Datenschutzes  und der  Datensicherheit zu gewährleisten.

Also nutzt die Begründung genau jene Argumente, auf die man ausweislich des Wortlauts der Datenschutzrichtlinie eine Beschränkung des freien Flusses personenbezogener Daten eben gerade nicht stützen darf. Das BMJV zweifelt damit freilich auch ein einheitliches Schutzniveau für personenbezogene Daten innerhalb der EU insgesamt an.

Kein Vertrauen in die Arbeit von Aufsichtsbehörden in anderen Mitgliedstaaten

Die Gesetzesbegründung sägt jedoch sogar noch weiter an den eigentlich existierenden europäischen Standards:

Zudem hätten die mit der Überprüfung der Einhaltung der Sicherheitsstandards und des Datenschutzes befassten deutschen öffentlichen Stellen in anderen Mitgliedstaaten der EU  keine unmittelbaren und gleich wirksamen Möglichkeiten zur Prüfung.

Das stimmt. Deutsche Datenschutzbehörden könnten nicht in anderen EU-Ländern tätig werden und die Einhaltung des Datenschutzrechts prüfen. Zuständig wäre vielmehr die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde. Doch scheint das BMJV auch kein Vertrauen in die Kompetenz und Prüfungen durch andere europäische Aufsichtsbehörden zu besitzen:

Angesichts des Umfangs der Prüfpflichten und der Tatsache, dass es sich nicht um eine einmalige Überprüfung eines Anbieters sondern um die Wahrnehmung dauerhafter Aufgaben (zum Beispiel bei der Anpassung der Sicherheitskonzepte an den jeweiligen Stand der Technik) handelt, erscheint dies aber zu wenig wirksam.

Mit „dies“ bezieht sich die Gesetzesbegründung auf die in der Datenschutzrichtlinie ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, dass eine Aufsichtsbehörde (etwa in Deutschland) eine andere Behörde in einem EU-Mitgliedstaat um Amtshilfe ersuchen kann, um hoheitliche Maßnahmen vorzunehmen oder die Einhaltung des Datenschutzrechts zu prüfen. Auch mit dieser Begründung verkehrt das BMJV die geltenden Prinzipien der Datenschutzrichtlinie in ihr Gegenteil. Das Instrument der Amtshilfe wird dort ja gerade vorgesehen, weil es eben möglich ist, dass eine nationale Aufsichtsbehörde nicht zuständig ist. Ein gleichwertiges Schutzniveau für personenbezogene Daten existiert aber dennoch (bzw. gerade auch deshalb) innerhalb der EU.

Zudem fragt man sich, welcher „Umfang“ hier für die besondere Notwendigkeit einer Inlandsspeicherung und alleinigen Kontrolle durch deutsche Behörden spricht? Denn der in dem Gesetzesentwurf beschriebene Umfang an Pflichten in Bezug auf den Umgangt mit Daten und einzusetzende Datensicherheitsmaßnahmen ist kein anderer als jener, der für jedes normale Unternehmen gilt, wenn es personenbezogene Daten im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit verarbeitet.

Mögliche Folgen?

Denkt man die Argumentation im Gesetzesentwurf zu Ende, so würde dies bedeuten, dass kein einheitliches Schutzniveau für personenbezogene Daten innerhalb der EU besteht. Personenbezogene Daten dürften dann auch grundsätzlich nicht in andere Mitgliedstaaten übermittelt werden bzw. nur dann, wenn besondere Anforderungen erfüllt sind. Im Prinzip würde man, überspitzt formuliert, jeden Staat außerhalb Deutschlands zum „unsicheren Drittstaat“ deklarieren.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung zur Richtlinie zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung (C-293/12) bemängelt, dass die fraglichen Daten nicht „im Unionsgebiet auf Vorrat gespeichert werden“. Eine Pflicht zur Speicherung allein in einem Mitgliedstaat, hat der EuGH jedoch nicht aufgestellt.

Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren – Neuerungen im Datenschutzrecht?

Heute hat das Bundeskabinett die durch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt erarbeitete „Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren“ beschlossen (PDF). Das mit der Strategie verfolgte Ziel des Bundesverkehrsministers:

Wir wollen unsere Erfolgsgeschichte beim Automobil digital fortschreiben und die Wachstums- und Wohlstandschancen der Mobilität 4.0 nutzen.

In der zu der Veröffentlichung der Strategie herausgegebenen Pressemeldung wurde zum Thema „Datenschutz“ konstatiert:

Neue Vorgaben im Datenschutzrecht?

Die Fahrer automatisierter und vernetzter Fahrzeuge müssen über die Erhebung und Verwertung von Daten informiert werden – und ihre Einwilligung geben. Die Daten gehören dem Nutzer.

Eine solche Ankündigung lies zunächst doch ein wenig aufhorchen. Nicht jene Feststellung, dass die Fahrer in vernetzten Fahrzeugen über stattfindende Datenverarbeitungen aufzuklären sind. Dies ist bereits jetzt gesetzlich vorgeschrieben (§ 4 Abs. 3 BDSG, § 13 Abs. 1 TMG). Doch das formulierte Postulat, dass Fahrer „ihre Einwilligung“ in eine Datenverarbeitung erteilen „müssen“ und die Aussage, „Daten gehören dem Nutzer“, würden in dieser Pauschalität die datenschutzrechtlichen Gegebenheiten und den geltenden Gesetzesrahmen nicht korrekt darstellen bzw. neue Anforderungen an die Datenverarbeitungen schaffen. Die Einwilligung ist derzeit nur eine von mehreren Möglichkeiten, um personenbezogene Daten verarbeiten zu können und „muss“ daher nicht zwingend vorliegen. Die Frage, wem Daten „gehören“, wird seit einiger Zeit im Datenschutzrecht kontrovers diskutiert – ohne, dass es bisher eine befriedigende Antwort darauf gegeben hätte. Dies mag daran liegen, dass ein Besitz oder gar an Eigentum an Daten im Datenschutzrecht nicht vorgesehen ist und daher andere Rechtsgebiete (Zivilrecht, Urheberrecht, etc.) bemüht werden müssen.

Das Datenschutzrecht muss beachtet werden

Betrachtet man nun die beschlossene Strategie selbst, so kann man aus Sicht des Datenschutzrechts feststellen, dass die geltenden Vorgaben erhalten bleiben und es etwa keine (in der Pressemitteilung anklingende) Pflicht zur Einholung der Einwilligung geben soll. Überhaupt nicht eingegangen wird auf das Postulat „Daten gehören dem Nutzer“.

Die Grundsätze des allgemeinen Datenschutzrechts sind zu beachten.

Mit diesem Hinweis beginnt der Abschnitt zum Datenschutz in der Strategie (S. 24 f.). Alles andere hätte auch verwundert.

Verpflichtende Anonymisierung und Pseudonymisierung?

Eine weitere Vorgabe der Strategie unterscheidet sich dann doch in einem bestimmten Punkt von den geltenden gesetzlichen Bestimmungen:

Bei der Erhebung, Verarbeitung und Verknüpfung von Daten müssen verstärkt Techniken zur Anonymisierung und Pseudonymisierung eingesetzt werden.

Die Strategie statuiert ihrem Wortlaut nach eine Pflicht („müssen“) zur Implementierung von Technologien zur Datenvermeidung und zur Verwirklichung des Grundsatzes der Datensparsamkeit. Vergleicht man damit die geltenden gesetzlichen Vorgaben, fällt auf, dass nach § 3a S. 2 BDSG keine generelle Pflicht zur Anonymisierung und Pseudonymisierung besteht. In § 3a S. 2 BDSG heißt es:

Insbesondere sind personenbezogene Daten zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren, soweit dies nach dem Verwendungszweck möglich ist.

Anonymisierung und Pseudonymisierung werden also derzeit als eine Art Zielvorgaben ausgegeben und mit dem Aufwand in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Nichtbeachtung dieser Zielvorgabe hat auch keinen direkten Einfluss auf die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung. Nach der Formulierung in der Strategie („müssen“), könnte sich dies eventuell ändern. Dies wird man, gerade mit Blick auf die anstehenden Änderungen durch die Datenschutz-Grundverordnung, jedoch abwarten müssen.

Generelle Einwilligungs-Pflicht?

Die Einwilligung muss dabei selektiv möglich und zudem widerruflich sein, soweit es um Funktionen geht, die nicht für das Funktionieren des Fahrzeugs bzw. für die Verkehrssicherheit erforderlich sind.

Die Strategie befasst sich mit den Anforderungen an die datenschutzrechtliche Einwilligung. Diese muss „selektiv“, also für einzelne Datenverarbeitungen getrennt möglich sein. Zudem soll ein Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung möglich sein. Auch diese Vorgabe ist keine Neuerung im Vergleich zur geltenden Rechtslage (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Nr. 4 TMG), zumindest soweit man das TMG betrachtet. Mit Blick auf das BDSG hat das Bundesarbeitsgericht im Jahre 2014 (Urteil vom 11.12.2014 – Az. 8 AZR 1010/13) entschieden, dass die Erteilung einer zeitlich nicht beschränkten Einwilligung zwar im Grundsatz nicht bedeutet, dass sie unwiderruflich erteilt worden wäre. Allerdings, so das BAG, deute ein Umkehrschluss aus § 28 Abs. 3a S. 1 BDSG darauf hin, dass eine einmal erteilte Einwilligung nicht generell „jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann„. Eventuell denkt man im BMVI also darüber nach, ein generelles Widerrufsrecht im Datenschutzrecht, zumindest mit Blick auf das vernetzte Auto, einzuführen? Auch dies wird man abwarten müssen.

Festhalten kann man jedoch, dass die Ausführungen der Strategie zur Einwilligung sich einschränkend nur auf Funktionen des „SmartCar“ beziehen, die nicht für das Funktionieren des Fahrzeugs bzw. für die Verkehrssicherheit erforderlich sind. Oder anders: die Einwilligung ist eben nur dann notwendig, wenn nicht bereits ein Kauf-, Leasing- oder auch reiner Nutzungsvertrag über Dienste im Fahrzeug als Grundlage der Datenverarbeitung dient und diese Datenverarbeitung erforderlich ist, um den Vertrag durchzuführen oder Dienstfunktionen zu erbringen. Auch dies entspricht der geltenden Gesetzeslage (vgl. etwa § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG, § 14 Abs. 1 TMG oder § 15 Abs. 1 TMG).

Festzuhalten bleibt also aus Sicht des Datenschutzrechts, dass weit weniger Änderungen in der Strategie angedacht sind, als dies eventuell zunächst den Anschein hatte. Man baut die Einhaltung geltender Prinzipien, die eventuell punktuell angepasst werden könnten. Dabei muss freilich beachtet werden, dass jede Änderung des geltenden Datenschutzrechts nach In Kraft treten der Datenschutz-Grundverordnung auf ihre Daseinsberechtigung (also Vereinbarkeit mit den zukünftigen europäischen Vorgaben) geprüft werden muss.

Hessischer Datenschutzbeauftragter: Dynamische IP-Adresse ist nicht per se ein personenbezogenes Datum

Heute hat der Hessische Landesdatenschutzbeauftragte, Prof. Ronellenfitsch, seinen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2014 vorgestellt.

Unter anderem behandelt der Tätigkeitsbericht ein Prüfverfahren hinsichtlich der „Fraport App“, die von der Fraport AG als eine Hilfe für Flugreisende und andere Besucher des Flughafens in Frankfurt am Main angeboten wird. Mit der App ist es u.a. möglich, sich den eigenen Standort auf dem Flughafen anzeigen zu lassen. Beabsichtigt war zunächst, mobile Geräte durch auf dem Gelände verteilte WLAN-Hotspots mit MAC- und IP-Adressen zu erfassen, sofern ihre WLAN-Schnittstelle aktiv war.

Der Datenschutzbeauftragte stellt in seinem Bericht drei Szenarien dar, wie die MAC- und IP-Adresse von Besuchern des Flughafens über WLAN-Hotspots erhoben werden können. Hierzu gehört gerade auch die Situation, dass die Fraport App nicht auf einem Gerät installiert ist und genutzt wird, sondern Besucher sich direkt mit einem WLAN-Hotspot verbinden. Dann bekommt der Nutzer eine dynamische IP-Adresse zugeteilt. Die Erfassung der dynamischen IP-Adresse stellt nach Auffassung des hessischen Datenschutzbeauftragten

kein datenschutzrechtliches Problem dar.

Diese Ansicht dürfte einige Beobachter zumindest überraschen. Denn eigentlich gehen die deutschen Datenschutzbehörden schon lange und beständig davon aus, dass IP-Adressen grundsätzlich einen Personenbezug aufweisen (vgl. etwa die Orientierungshilfe des Düsseldorfer Kreises zu Apps, PDF) und bei ihrem Umgang daher die Vorgaben des Datenschutzrechts zu beachten sind (z.B. Informationen zum Datenumgang bereitstellen oder eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der IP-Adresse vorweisen zu können). Erst kürzlich hat etwa die bayerische Aufsichtsbehörde klargestellt, dass jeder Webseiten- oder App-Betreiber aufgrund des Personenbezugs von IP-Adressen eine Datenschutzerklärung vorhalten muss, um über den Umgang mit der IP-Adresse aufzuklären (hierzu mein Beitrag).

Die Auffassung des hessischen Landesdatenschützers scheint (erfreulicherweise) nun zumindest aber von einer pauschalen „Vorverurteilung“ einer IP-Adresse als personenbezogenes oder personenbeziehbares Datum abzurücken.

In seinem Tätigkeitsbericht führt der Landesdatenschützer aus, dass WLAN-Netzwerkbetreiber eine unmittelbare Identifikation anhand der IP-Adresse grundsätzlich nur bei statischen IP-Adressen vornehmen können. Die am Flughafen Frankfurt bereitgestellten WLAN-Hotspots werden aber über die Vergabe von dynamischen IP-Adressen betrieben.

Der Landesdatenschutzbeauftragte:

Eine Identifikation ist nur möglich, wenn die Nutzer während einer Sitzung selbst personenbezogene oder personenbeziehbare Daten hinterlassen. Dies ist nach den vorliegenden Dokumenten nicht der Fall. Deshalb sind dynamische IP-Adressen in diesem Szenario keine personenbeziehbaren Daten.

Die Auffassung des Landesdatenschützers verdient Zustimmung. Zum einen, weil sie von einer pauschalen Einordnung von IP-Adressen als personenbezogenes oder –beziehbares Daten abrückt. Zum anderen, weil sie eben gerade auf den Kontext und die konkrete Situation abstellt. Natürlich kann sich eine IP-Adresse zu einem personenbezogenen Datum „verwandeln“, wenn zu ihr personenbezogene Daten hinzugespeichert werden (z. B. wenn der Nutzer weitere Informationen eingibt). Dann muss selbstverständlich auch das Datenschutzrecht für den Umgang mit der IP-Adresse gelten.