Kundenbeschwerde wegen 1,50 EUR führt zu DSGVO-Bußgeld in Höhe von ca. 172.000 EUR – Ein Problem: Teilzeit-DSB, der seine Aufgaben nicht erfüllen konnte

Die Datenschutzbehörde aus Belgien (APD) verhängte gegen ein Unternehmen ein Bußgeld in Höhe von 172.431 EUR, weil es das Unternehmen unter anderem versäumt hatte, die personenbezogenen Daten einer betroffenen Person im Zusammenhang mit Direktwerbung zu löschen und weil es einen Teilzeit-DSB beschäftigte, der aber überlastet war und seine Aufgaben nicht wirksam wahrnehmen konnte (hier die englische Zusammenfassung der Entscheidung bei noyb).

Hintergrund

Die betroffene Person kaufte ein Produkt von dem Verantwortlichen und entdeckte auf der Rechnung eine unerwartete Gebühr von 1,50 EUR für einen „Energiebeitrag“. Die betroffene Person bat um die Erstattung dieses Zuschlags und verlangte die Löschung aller ihrer personenbezogenen Daten. Der Verantwortliche lehnte die Erstattung der Gebühr ab, bestätigte jedoch den Eingang des Löschungsantrags und bestätigte, dass dieser umgehend bearbeitet werde.

Es kam, wie es kommen musste. Die Daten wurden zunächst nicht gelöscht. Die betroffene Person erhielt weiterhin Werbung von dem Verantwortlichen. Der Betroffene wandte sich dann mit der Bitte um Schlichtung an die belgische Datenschutzbehörde. 

Spätestens jetzt hätten bei dem Verantwortlichen wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen. Aber: der Verantwortliche reagierte nicht auf Anschreiben der APD. Daraufhin legte die betroffene Person Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ein.

Der Verantwortliche räumte im Verfahren Fehler des früheren eigenen Datenschutzbeauftragten (DSB) ein und erklärte außerdem, dass das Ausbleiben einer Antwort an die APD während der Schlichtung auf den früheren DSB zurückzuführen war und dass weder der derzeitige DSB noch die Geschäftsleitung von diesen Problemen wussten und der frühere DSB weder die Korrespondenz mit der APD oder der betroffenen Person bearbeitet noch diese Informationen intern weitergegeben hat.

Im Rahmen des Verfahrens erläuterte der Verantwortliche, dass er Initiativen ergriffen habe, um seine Reaktionsfähigkeit zu verbessern, insbesondere durch die Einstellung eines neuen DSB, der in Vollzeit mit einem Team von zwei Personen arbeitet.

Entscheidung der Datenschutzbehörde 

Die APD geht unter anderem von Verstößen gegen Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 DSGVO aus. Insbesondere kritisiert die Behörde, dass der frühere Teilzeit-DSB nicht die erforderliche Zeit und Ressourcen zur Verfügung hatte, um seinen Tätigkeiten nachzukommen. 

Die APD weist ganz generell darauf hin, dass der Verantwortliche geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen muss, um sicherzustellen, dass er in der Lage ist, nachzuweisen, dass die Verarbeitung im Einklang mit der DSGVO durchgeführt wird. Die Unfähigkeit des Verantwortlichen im vorliegenden Fall, die tatsächliche Löschung der Daten der betroffenen Person zu überprüfen oder schlüssig zu bestätigen, ließen Zweifel an der Wirksamkeit der bestehenden technischen und organisatorischen Maßnahmen aufkommen.

Als Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1und Art. 24 DSGVO sah die Behörde auch die Tatsache, dass der frühere DSB in Teilzeit arbeitete und überlastet war, was ihn daran hinderte, wirksam auf die Anträge zu reagieren. Nach Ansicht der APD verdeutlichte dies das Versäumnis, Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der DSGVO entsprechend Art. 5 und 24 DSGVO zu ergreifen.

Zudem verweist die Behörde auch auf die Anforderungen des Art. 38 Abs. 2 DSGVO hinsichtlich der Aufgaben des internen Datenschutzbeauftragten. Der Verantwortliche muss den DSB unterstützen, indem er ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt und hierbei muss er folgende Faktoren berücksichtigen.

  • der DSB muss gegebenenfalls in alle datenschutzrelevanten Angelegenheiten einbezogen werden
  • der Verantwortliche muss dem DSB ausreichend Zeit für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Verfügung stellen
  • der Verantwortliche muss die Bestellung des DSB allen Mitarbeitern mitteilen, um sicherzustellen, dass seine Rolle innerhalb der Organisation weithin bekannt ist
  • der Verantwortliche muss für laufende Schulungen sorgen, um die Kenntnisse des DSB auf dem neuesten Stand zu halten.

Einen Verstoß gegen diese Vorgaben sah die Behörde unter anderem in der Tatsache, dass der frühere DSB in Teilzeit arbeitete und überlastet war, was ihn daran hinderte, wirksam auf die Anträge zu reagieren.

Bayerische Datenschutzbehörden: keine eigene Verantwortlichkeit des Mitarbeiters beim Missbrauch von beruflichen Daten für private Zwecke (Exzess)?

Der BayLfD hat jüngst eine aus meiner Sicht wirklich gelungene und hilfreiche Orientierungshilfe zur gemeinsamen Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO veröffentlicht. In der Orientierungshilfe befasst sich die Behörde auch mit der Frage der Verantwortlichkeit in Situationen des sog. Mitarbeiterexzesses – Fälle, „bei denen Beschäftigte von Verantwortlichen Daten, auf die sie nur für dienstliche Zwecke zugreifen dürfen, für rein private Zwecke verwenden“.

Die „bayerische Auffassung“ – Arbeitgeber / Dienstherr bleibt Verantwortlicher

In diesem Zug war ich durchaus überrascht, von der sog. „bayerischen Auffassung“ zu lesen (ab S. 42 ff.). Diese Ansicht wird vom BayLfD wie folgt zusammengefasst:

Die beiden bayerischen Aufsichtsbehörden – der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht – vertreten übereinstimmend die Auffassung, dass ein Beschäftigter nicht zum Verantwortlichen im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO wird, wenn er Daten, die ihm für dienstliche Zwecke zur Verfügung stehen, mittels dienstlicher Abfragesysteme für private Zwecke abruft“.

Nach Auffassung des BayLfD und wohl auch des BayLDA stellt diese zweckwidrige Verwendung von Daten aus dem beruflichen Kontext noch keine Handlung dar, die den Beschäftigten zu einem eigenen datenschutzrechtlichen Verantwortlichen machen würde.

Die Konsequenzen dieser Auffassung sind praxisrelevant:

  • „Die öffentliche Stelle bleibt damit im Fall des bloß zweckwidrigen Datenabrufs Einzelverantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO, auch für den Datenschutzverstoß durch ihren Beschäftigten“
  • „Der rechtswidrige Abruf dienstlich zugänglicher Daten zu rein privaten Zwecken stellt einen Datenschutzverstoß dar, aufgrund dessen gegen den Verantwortlichen gemäß Art. 83 DSGVO grundsätzlich eine Geldbuße verhängt werden kann“

Gründe für die Ansicht des BayLfD und BayLDA

Der BayLfD begründet seine Auffassung unter anderem damit, dass Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO nur ist, wer über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Ausschlaggebend sei dabei die Entscheidung über die grundsätzlichen Zwecke und Mittel der Abfragesysteme.

Über diese entscheidet ein Beschäftigter jedoch auch dann nicht, wenn er dienstliche Daten für private Zwecke missbraucht“.

Er verwende vielmehr lediglich die ihm zur Verfügung gestellten Abfragesysteme und diese für außerdienstliche, private Zwecke. Der BayLfD verweist in den Fußnoten auch auf die Ansicht des BayLDA in drei Tätigkeitsberichten.

So geht das BayLDA im Tätigkeitsbericht 2020 (ab S. 78 f.) unter anderem davon aus, dass ein Mitarbeitender beim bloßen Datenabruf aus Datenbanken des Unternehmens, bei dem er beschäftigt ist bzw. der bloßen Einsichtnahme in personenbezogene Daten in entsprechende Unterlagen zu privaten Zwecken, nicht zum eigenständigen Verantwortlichen wird, da die beiden dort genannten Kriterien – Zweck- und Mittelbestimmung – nach dem Wortlaut („und“) kumulativ vorliegen müssen. Der Mitarbeitende bestimme nicht über den Mitteleinsatz.

Als zweites Argument verweist der BayLfD auf die vorhandene Vorgabe in Art. 28 Abs. 10 DSGVO für Auftragsverarbeiter. Für den Fall, dass ein Auftragsverarbeiter in rechtswidriger Weise seine Befugnisse überschreitet, wird er insoweit eigener Verantwortlicher. Eine solche Regelung fehle aber in Art. 29 DSGVO in Bezug auf Beschäftigte.

Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Beschäftigte die abgerufenen Daten mittels arbeitgeberfremder Ressourcen weiterverarbeitet. Also etwa über seinen privaten Laptop oder sein Smartphone. Ab diesem Zeitpunkt greife Art. 4 Nr. 7 DSGVO für den Beschäftigten.

Andere Ansichten

Nun gesteht der BayLfD in seiner Orientierungshilfe aber auch ein, dass diese bayerische Ansicht nicht der einzige derzeit vorgeschlagene Weg ist und von einigen anderen Aufsichtsbehörden nicht geteilt wird. So sehen etwa die Landesdatenschutzbeauftragten in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen den Beschäftigten, der dienstliche Daten für private Zwecke verwendet, als Verantwortlichen an.

Zudem verweist der BayLfD auf eine Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (Erkenntnis vom 21. Dezember 2021, W258 2238615-1/16E) und auch die andere Auffassung des Europäischen Datenschutzausschusses (Leitlinien 07/2020), der allein an die Zwecke der Verarbeitung knüpft und hieraus bereits die eigene Verantwortlichkeit des Mitarbeiters ableitet.

Der BayLfD geht in Fn. 140 davon aus, dass die Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts – soweit ersichtlich – die erste Entscheidung eines Gerichts im deutschsprachigen Raum zu dieser Frage sei. Ergänzen lässt sich insoweit noch eine ältere Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Mainz (Urteil vom 17.12.2020 – 1 K 778/19.MZ), das ebenfalls nicht die Ansichten von BayLfD und BayLDA vertritt.

Nach dem VG ist von einem den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden „Exzess“ jedenfalls dann auszugehen, wenn Beschäftigte Daten unbefugt für eigene Zwecke verarbeiten – wie z.B. bei der Einsichtnahme in behördliche Datenbanken für private Zwecke oder Entwendung von Kundendaten. Das VG lässt also, entgegen der bayerischen Auflassung, die eigene Zweckbestimmung durch den Mitarbeiter durchaus für eine eigene Verantwortlichkeit ausreichen. Der jeweilige Beschäftigte schwinge sich dann insoweit selbst zum Verantwortlichen auf, indem er anfängt, selbst darüber zu entscheiden, wie und warum mit Daten umgegangen wird.

Einschätzung

Ich war von der Ansicht beim ersten Lesen der Orientierungshilfe tatsächlich überrascht, da ich bisher auch immer die eigenständige Zweckänderung durch den Mitarbeiter als ausreichend für die Einstufung als Verantwortlicher gesehen habe.

Die Argumentation der Behörden, dass der Mitarbeiter deshalb nicht verantwortlich ist, da er ja nicht über die Mittel der Verarbeitung entscheide, ist aus meiner Sicht zudem diskutabel. Denn wenn der Mitarbeiter etwa eine CRM-Software verwendet, um dort für private Zwecke nach Kundendaten zu suchen, bestimmt er meines Erachtens natürlich auch in diesem Moment über den Einsatz des Mittels „CRM-Software“ – eben allein für seine privaten Zwecke. Zudem könnte man hierfür ergänzend die Ansicht des Generalanwalts in der Rs. C-579/21 anführen (hierzu mein Blogbeitrag), in der er davon ausgeht, dass der unredlich handelnde Beschäftigte als „Empfänger“ angesehen werden kann, da er die personenbezogenen Daten der betroffenen Person unrechtmäßig gegenüber sich selbst (im übertragenen Sinne) „offengelegt“ hat, oder als (eigenständig) Verantwortlicher.

Fazit

Überspitzt formuliert kann man konstatieren: solange Mitarbeiter in Bayern (im privaten oder öffentlichen Bereich) allein über Systeme ihres Arbeitgebers missbräuchlich mit Daten umgehen, droht ihnen von Seiten der Datenschutzaufsicht kein Ungemach. Der Arbeitgeber müsste befürchten, wegen eines Verstoßes gegen Art. 32 DSGVO geprüft oder ggfs. sanktioniert zu werden.

Kurioses (und falsches) Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – 5.000 EUR für verspätete Auskunft an einen Bewerber

Klagen auf Zahlung von Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO sind vor allem im arbeitsgerichtlichen Bereich im Vergleich zu anderen Gerichtsbarkeiten eher erfolgreich (zumindest in den unteren Instanzen). Wenn aber die Gerichte die zum Teil gefestigte Rechtsprechung des EuGH nicht beachten, ist dies mehr als ärgerlich. Ein solcher Fall ereignete sich am Arbeitsgericht (ArbG) Mainz (Urteil vom 08.04.2024 – 8 Ca 1474/23. Derzeit nur bei BeckOnline abrufbar).

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Auskunfts- und Entschädigungsansprüche auf der Grundlage von Art. 15 DSGVO. Der Kläger bewarb sich auf eine Stelle bei der Beklagten und forderte, nachdem er eine Absage erhalten hatte, dass man ihm eine „umfassende Auskunft sowie eine vollständige Datenkopie auf Grundlage von Art. 15 DSGVO“ erteilen soll.

Die Beklagte antwortete hierauf nur mit einer Mail und fügte die Datenschutzhinweise bei. Weitere Anfragen sollten an die dort genannte E-Mail-Adresse gerichtet werden. Danach erhob der Bewerber Klage – irgendwie auch nicht überraschend, denn die Übersendung der Datenschutzhinweise stellt natürlich keine Auskunft dar.

Der Kläger forderte unter anderem, an ihn eine Geldentschädigung, die einen Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro aber nicht unterschreiten sollte, zu zahlen.

Entscheidung

Nach Ansicht des ArbG hat der Kläger einen Anspruch auf den begehrten Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Und zwar tatsächlich in Höhe der 5.000 EUR.

Richtig geht das ArbG noch davon aus, dass das Auskunftsrecht des Betroffenen nicht erfüllt wurde.

Die Nennung einer E-Mail-Adresse, über welche man die fraglichen Auskünfte erhalten könne, ersetzt nicht die Erteilung derselben“.

Bei der Begründung des Schadenersatzes ist die Begründung dann meines Erachtens aber nicht mehr haltbar bzw. angreifbar.

Kritik 1

Das ArbG begründet, dass nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO „ein Verstoß gegen die Verordnung einen Schadensersatzanspruch im Falle eines materiellen oder immateriellen Schadens, wobei die maßgebende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes den Schadensbegriff derart weit auslegt, dass er auch im vorliegenden Falle zu bejahen ist.“

Das Gericht lässt hier meines Erachtens unbeachtet, dass der EuGH gerade nicht allein von einem verstoß gegen die DSGVO direkt auf das Vorliegen eines Schadens schließt.

  • C-300/21, Rz. 33: „Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder „Verstoß“ gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich genommen den Schadenersatzanspruch der betroffenen Person im Sinne von Art. 4 Nr. 1 dieser Verordnung eröffnet.“
  • C-456/22, Rz. 21: „Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung reicht nämlich nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.“

Kritik 2

Das Gericht begründet nicht bzw. fehlerhaft (siehe Kritik 3), wie es zu einem Schaden in Höhe von 5.000 EUR gelangt und vor allem nicht, ob und wie der Kläger diesen Schaden nachgewiesen hat

Der dem Kläger entstandene „Schaden“ ist zwar schwindend gering, gleichwohl hält die Kammer die begehrten 5.000,00 € für einen angemessenen Betrag“. Auch dies entspricht nicht der Rechtsprechung des EuGH und die (fehlende) Begründung des ArbG verstößt gegen diese Rechtsprechung.  

  • C-300/21, Rz. 32: „Zum einen geht aus dem Wortlaut dieser Bestimmung klar hervor, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt,…“
  • C-687/21, Rz. 60: „Der Gerichtshof hat hinzugefügt, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie nachteilige Folgen hatte, jedoch den Nachweis erbringen muss, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen,…“

Kritik 3

Nach Ansicht des ArbG sind 5.000 EUR Schadenersatz hier gerechtfertigt, „weil Verfahren der vorliegenden Art auch eine präventive Funktion haben sollen“.

Zudem komme es „weniger darauf an, wie sehr der Kläger „gelitten“ hat, als vielmehr darauf, bei welchem Betrag ein entsprechender Leidensdruck bei der Beklagten entsteht“. Das Gericht stellt sich auch hier konträr zur Rechtsprechung des EuGH und nimmt eine Straffunktion des Schadenersatzes nach Art. 82 DSGVO an.

  • C-667/21, Rz. 85: „Insoweit ist zu betonen, dass Art. 82 DSGVO – anders als andere, ebenfalls in Kapitel VIII dieser Verordnung enthaltene Bestimmungen, nämlich die Art. 83 und 84, die im Wesentlichen einen Strafzweck haben, da sie die Verhängung von Geldbußen bzw. anderen Sanktionen erlauben – keine Straf‑, sondern eine Ausgleichsfunktion hat.“
  • C-687/21, Rz. 48: „Der Gerichtshof hat hinzugefügt, dass sich, da der in Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorgesehene Schadensersatzanspruch keine abschreckende oder gar Straffunktion erfüllt, sondern eine Ausgleichsfunktion hat,…“
  • C-687/21, Rz. 50: „… da eine auf sie gestützte Entschädigung in Geld es ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen die DSGVO erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und keine Straffunktion erfüllt.“

Das ArbG gesteht hier also 5.000 EUR Schadenersatz für eine verspätete und ungenügende Auskunft zu, ohne die Tatbestandsvoraussetzung von Art. 82 DSGVO entsprechend den Vorgaben des EuGH zu beachten. Wenn man dann auch noch im Blick hat, dass der EuGH selbst in einem jüngeren Urteil „nur“ 2.000 EUR Schadenersatz auf Grundlage von Art. 50 der sog. Europol-Verordnung (VO 2016/794) zugesprochen hatte (hierzu der Beitrag von Philipp Quiel), obwohl es dort um sensibelste Daten aus dem Intimbereich ging, scheint das vorliegende Urteil noch diskutabler.

Geschäftsmodell der personalisierten Werbung ist kein „Schaden“ im Sinne der DSGVO

Das Landgericht (LG) Magdeburg (Urt. v. 29.2.2024, Az. 10 O 530/23; derzeit leider noch nicht frei verfügbar; GRUR-RS 2024, 8057) hatte sich im Rahmen einer Klage auf Schadenersatz nach Art, 82 DSGVO u.a. mit der Frage zu befassen, ob die Betroffenheit eines Nutzers von personalisierter Onlinewerbung einen ersatzfähigen Schaden nach der DSGVO darstellt.

Sachverhalt
Der Kläger ist Nutzer u.a. von Facebook und Instagram. Dort hatte er sich mit seinen personenbezogenen Daten registriert. Nachdem Meta ab dem 3.11.2023 das sog. Einwilligungsmodell in Europa einführte, willigte der Kläger am 8.11.2023 ein, dass die Beklagte weiterhin Informationen des Klägers zu Werbezwecken verwenden darf.

Zuletzt beantragte der Kläger u.a., Auskunft über ihn betreffende personenbezogene Daten zu erteilen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der individualisierten Werbung verarbeitet. Zudem verlangte er als Ausgleich für Datenschutzverstöße einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe den Betrag von 1.500 EUR nicht unterschreiten sollte. Er begründet den Anspruch damit, dass er mit dem Geschäftsmodell der Beklagten personalisiert zu werben, nicht einverstanden sei.

Entscheidung
Einen Anspruch auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO lehnt das LG als unbegründet ab.

Der Vortrag des Klägers zum behaupteten Schaden wurde als unsubstantiiert angesehen.

Hierbei verweist das LG auf die Rechtsprechung des EuGH zur Frage, wer die Beweislast für das Vorliegen eines Schadens trägt.

Die Beweislast für das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens trägt die Klagepartei.

Der Kläger müsse den Nachweis führen, dass die geltend gemachten Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne der DSGVO darstellen.

Zudem weist das LG die Begründung des Klägers für einen angeblichen Schaden, personalisierte Werbung zu verwenden, zurück.

Dies allein führt zu keinem Schaden.

Aus Sicht des LG ist ein derartiges Geschäftsmodell nicht ungewöhnlich. Die Plattformen der Beklagten würden Nutzern kostenlos bereitgestellt. Die Fähigkeit, Nutzern ihre derzeitigen Dienste kostenlos bereitzustellen, hänge aber von Werbeeinnahmen ab. Nach Ansicht des L ist dieses Geschäftsmodell aber üblich.

Das Gericht nennt hierfür etwa Beispiele von kostenfreien Zeitungen und frei empfangbare, private Fernsehsender, die ein ähnliches Geschäftsmodell verwenden: Sie versuchen, über Inhalte Leser oder Zuschauer zu gewinnen, denen dann auf Grundlage demografischer Merkmale/ Interessen der Zielgruppe relevante Werbung präsentiert wird. Hierzu das LG:

Schon dem gesunden Menschenverstand nach ist es offensichtlich, dass die Beklagte ihr Angebot nur deswegen kostenlos zur Verfügung stellen kann, weil sie Werbung verkauft. Dies ist weder ehrenrührig, noch verboten. Wenn die Klagepartei sich hierdurch unwohl fühlt, steht es ihr völlig frei die Angebote der Beklagten nicht zu nutzen oder für ein Angebot ohne Werbung zu bezahlen.

Verzicht auf den Auskunftsanspruch im arbeitsgerichtlichen Vergleich? Zur Abdingbarkeit von Betroffenenrechten

Bekanntlich gehört die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO in arbeitsgerichtlichen Verfahren mittlerweile „zum guten Ton“ – ob nun wirklich immer mit einer Intention des Datenschutzes oder doch eher, um Aufwände zu kreieren, sei hier dahingestellt.

In ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht 2023 (ab S. 119) befasst sich die Datenschutzbehörde des Saarlandes (LfDI) mit der relevanten Frage, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung (etwa in Form eines Vergleichs) mit dem Inhalt treffen können, dass der Betroffene auf die Ausübung seines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO verzichtet? Ob das Betroffenenrecht also zur Disposition der Parteien steht?

Datenschutz als Grundrecht – Selbstbestimmtheit der Betroffenen

Die LfDI verweist darauf, dass das europäische Datenschutzrecht Ausfluss des Grundrechts aus Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ist. Dieses Grundrecht sei wichtig – jedoch kein Grundrecht unabdingbarer Natur, wie etwa die Menschenwürde aus Art. 1 GRCh.

Die Behörde geht davon aus, dass das Prinzip der Selbstbestimmtheit des Betroffenen im Datenschutzrecht besondere Bedeutung hat. Was etwa durch das Institut der Einwilligung aus Art. 6 Abs. 1 lit. a, Art. 7 DSGVO unmissverständlich zum Ausdruck komme.

Die LfDI leitet hieraus in einem Erst-Recht-Schluss ab:

Kann der Betroffene durch eine Einwilligung zur Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten seine Zustimmung erteilen und dieser Verarbeitung dadurch eine rechtliche Grundlage verleihen, so muss er auch eine Entscheidungsbefugnis dahingehend haben, ob und in wieweit er seine hierzu im Annex stehenden Betroffenenrechte ausübt bzw. auf diese verzichtet.“

Dies gelte auch in Situationen, in denen es evtl. ein Machtgefälle bzw. Ungleichgewicht zwischen den Parteien gibt – wie im Beschäftigtenverhältnis. Die LfDI macht hier aber eine relevante Einschränkung ihrer Ansicht. Sie sieht insbesondere dort die Möglichkeit der Selbstbestimmtheit, wo es um zurückliegende Verarbeitungen in der Vergangenheit geht.

Formulierung des Vergleiches / Verzichts

Zudem befasst sich die LfDI auch mit der erforderlichen Formulierung einer solchen Vereinbarung. Grundsätzlich müssen die Formulierungen in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich natürlich hinreichend klar und bestimmt sein,

um ein datenschutzrechtliches Betroffenenrecht einvernehmlich auszuschließen“.

Auch eine sog. Salvatorische Abgeltungsklausel, mit der jegliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten sein sollen, genügt nach Auffassung der LfDI dem Bestimmtheitserfordernis.

Auch wenn sich die Vereinbarung dem Wortlaut nach „nur“ auf Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ bezieht, ist dies nach Auffassung der Behörde unschädlich, da das Arbeitsverhältnis gerade Grundlage der Datenverarbeitung ist. Der Bezug zum „Arbeitsverhältnis“ umfasst danach nicht nur arbeitsrechtliche Ansprüche im engeren Sinne,

sondern auch solche datenschutzrechtlicher Art, welche mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen und für welche das Arbeitsverhältnis Verarbeitungsgrundlage war“.

Jedoch macht die LfDI noch eine Einschränkung.

Der Verzicht auf das Betroffenenrecht könne sich nicht auf solche Verarbeitungen beziehen, die der Betroffene noch nicht absehen kann. Hier müsse er weiterhin einen Auskunftsanspruch haben.

Mit Blick auf die Begründung zuvor, dass es sich um Ansprüche aus dem „Arbeitsverhältnis“ handeln muss, scheint die LfDI also eine Grenze zu solchen Verarbeitungen zu ziehen, die erst in Zukunft stattfinden würden.

Insgesamt stellt die Aufsichtsbehörde aber am Ende ihrer Ausführungen noch einmal fest:

Auskunftsansprüche über Datenverarbeitungen der Vergangenheit, genauer über solche Verarbeitungen, welche aus zeitlich vor dem hierauf gerichteten Vertragsschluss (Vergleichsschluss) resultierenden Datenerhebungen stammen, stehen indes grundsätzlich zur Disposition der Vertragsparteien“.

Fazit

Die LfDI vertritt eine, aus meiner Sicht, durchaus pragmatische und eher verantwortlichenfreundliche Position zur Frage, ob Betroffenenrechte abdingbar sind. Wichtig ist der Behörde zurecht eine klar verständliche und transparente Regelung hierzu. Zudem will die LfDI den Verzicht auf das Betroffenenrecht „nur“ für vergangene Verarbeitungen gelten lassen. Wichtig: ob der Betroffene von den vergangenen Verarbeitungen auch tatsächlich Kenntnis hat, scheint keine Voraussetzung aus Sicht der Behörde zu sein.

Spannend wäre jetzt natürlich die Diskussion, ob die Argumentation der LfDI auf andere Betroffenenrechte übertragbar ist (zB das Recht auf Löschung oder Berichtigung) – aus meiner Sicht schon. Zum einen beschränkt die LfDI ihre Ansicht nicht nur auf das Auskunftsrecht. Zum anderen sind die vorgebrachten Argumente durchaus auch für andere Betroffenenrechte anwendbar.  

Bundesverwaltungsgericht Österreich wendet EDSA-Leitlinien zur Berechnung von Geldbußen an

Datenschutzbehörden verwenden zur Berechnung von Geldbußen bekanntlich die EDSA-Leitlinien 04/2022 vom 24.5.2023. Gleichzeitig wissen wir, dass Leitlinien des EDSA keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung für Verantwortliche, Auftragsverarbeiter oder auch nationale Gerichte haben. Der EDSA selbst stellte dazu bereits 2021 fest: „In dieser Hinsicht spiegeln die Leitlinien und Empfehlungen des EDPB, obwohl sie an sich nicht verbindlich sind, den gemeinsamen Standpunkt und das gemeinsame Verständnis wider, das die Behörden einheitlich anwenden wollen“. (Stellungnahme des EDSA).

Dennoch stellen die Leitlinien des EDSA in der Praxis, aber auch in gerichtlichen Verfahren, eine wichtige Ansicht dar, die auch von Generalanwälten am EuGH zur Auslegung der DSGVO verwendet werden (vgl. etwa Rz. 28 in der Rs. C-307/22, zu den Leitlinien 01/2022).

Für die Wirkung und auch rechtliche Bedeutung von Leitlinien relevant ist daher eine neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) aus Österreich vom 26.3.2024 (Gz. W137 2241630-1).

In dem Verfahren ging es um eine Geldbuße der österreichischen Behörde auf Grundlage von Art. 83 DSGVO. Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Verfahren dann zunächst aus, bis der EuGH in der Rechtssache Deutsche Wohnen (C-807/21) entschieden hatte. Danach wurde das Verfahren inhaltlich fortgesetzt.

Das BVwG teilte den Parteien nach der Fortsetzung der Verhandlung mit, dass das Gericht bei der Frage der Bemessung der Geldbuße die Leitlinien 04/2022 zumindest mit heranziehen wird.

Dabei wurde den Verfahrensparteien bekannt gegeben, dass sich der Senat bei der allfälligen Strafbemessung an den Leitlinien 04/2022 für die Berechnung von Geldbußen im Sinne der DSGVO des Europäischen Datenschutzausschusses, Version 2.1; angenommen am 24. Mai 2023 (auch „Guidelines“ des EDPB) orientieren werde.“

Hiergegen scheint keine der Verfahrensparteien Einwände gehabt zu haben oder rechtliche Argumente gegen die Anwendung der Kriterien des EDSA vorgebracht zu haben.

Bei der konkreten Berechnung der Geldbuße hat das BVwG die Leitlinien des EDSA auch verwendet – wohl aber nicht allein die Leitlinien, da das Gericht davon spricht, dass es diese „ergänzend…herangezogen“ hat.

Das Bundesverwaltungsgericht hat ergänzend die Leitlinien 04/2022 des Europäischen Datenschutzausschusses  als Berechnungsgrundlage herangezogen, die bei – hier gegebenem geringem Schweregrad („low level of seriousness“) – und der oben festgehaltenen Umsatzgröße einen statischen Strafrahmen von bis zu EUR 500.000 annehmen, wobei der konkrete Umsatz im unteren Drittel der Bandbreite (100 Millionen bis 250 Millionen Euro) liegt“.

Was lässt sich aus dieser Entscheidung des BVwG ableiten?

Das Gericht scheint zum einen keinerlei rechtliche Bedenken hinsichtlich der Anwendung der Leitlinien zur Berechnung von Geldbußen zu haben. Zum anderen wird die dort vorgeschlagene Berechnungsmethode vom BVwG verwendet (was für das betroffene Unternehmen im Übrigen auch nicht immer „schlecht“ sein muss). Daher scheint das Gericht also auch die vorgeschlagene Berechnung des EDSA auf Basis des Art. 83 DSGVO als schlüssig anzusehen. Zumindest ergeben sich aus der Entscheidung des BVwG keine Hinweise darauf, dass das Gericht die Vorschläge des EDSA inhaltlich als unzulässig oder mit der DSGVO nicht vereinbar ansieht. Im Ergebnis wird man die Entscheidung des BVwG daher auch als eine Art „Bestätigung“ der vom EDSA vorgeschlagenen Berechnungsmethode ansehen können.

Schwedische Datenschutzbehörde: Umsetzung eines Widerspruchs gegen Werbe-E-Mails innerhalb von 2 Tagen

In einer Entscheidung vom 17.10.2023 hatte sich die schwedische Datenschutzbehörde (IMY) mit mehreren Beschwerden gegen das Unternehmen H&M wegen unzulässiger Marketing-E-Mails und Newsletter befasst. Unter anderem ging es um die Frage, wie schnell ein Verantwortlicher einen Werbewiderspruch nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO umsetzen muss.

Sachverhalt

Ein Betroffener beschwerte sich, dass er am 5. April 2019 einen Widerspruch nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO gegenüber H&M ausgeübt hatte, in der Folgezeit aber weiterhin werbliche E-Mails, in der Form von Newslettern, erhielt.

Der Widerspruch erfolgt wohl einmal in den Kontoeinstellungen und auch durch direkte Kontaktaufnahme mit dem Kundenservice in Polen und England. Am 8. April 2019 antwortete H&M, dass der Betroffene keine weiteren Newsletter erhalten würde.

Intern wurde der Betroffene wohl auch vom allgemeinen Newsletter genommen. Aber nicht von einem speziellen Kundenclub-Newsletter. Der Betroffene erhielt weiter bis zum 1. August 2019 diese Newsletter zugesendet – also ca. 4 Monate. Am 2. August 2019 wurde der Widerspruch dann auch für den Kundenclub-Newsletter umgesetzt.

Entscheidung der IMY

In ihrer Begründung stellt die IMY zunächst die gesetzlichen Anforderungen für diesen Fall dar.

Nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten zum Zwecke von Werbung einzulegen. Es bedarf hierzu keiner weiteren Abwägung durch den Verantwortlichen oder Begründung durch den Betroffenen. Erfolgt der Widerspruch, so gibt Art. 21 Abs. 3 DSGVO vor, dass die personenbezogenen Daten nicht mehr für diese Zwecke verarbeitet werden dürfen.

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde folgt hieraus, dass eine weitere Verwendung der Daten für werbliche Zwecke einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO darstellt, da hierfür keine Rechtsgrundlage vorliegt.

Die Umsetzung des Werbewiderspruchs stellt aus Sicht der IMY eine Routineaufgabe für Verantwortliche dar, da gerade keine weiteren Voraussetzungen zur Umsetzung des Widerspruchs zu erfüllen sind.

Zudem verlangt Art. 12 Abs. 3 DSGVO, dass der Verantwortliche der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung stellt. Die IMY versteht diese Vorgabe so, dass der Verantwortliche unverzüglich den Werbewiderspruch zu bearbeiten und umzusetzen hat.

Die IMY legt hier einen strengen Maßstab an die zeitliche Umsetzung des Widerspruchs in den Systemen von H&M an. Die Aufsichtsbehörde verweist darauf, dass H&M ein automatisiertes Verfahren zur Umsetzung von Widersprüchen implementiert hatte.

Es sei aber stets eine Frage des Einzelfalls und der konkreten Umstände, wie schnell der Verantwortliche den Widerspruch umsetzen muss – wie also die Vorgabe „unverzüglich“ zu verstehen ist.

Im konkreten Fall nahm die Aufsichtsbehörde an:

In Anbetracht der Umstände des Falles ist IMY der Ansicht, dass zwei Tage eine angemessene Frist für die Bearbeitung des Widerspruchs durch das Unternehmen waren

Die IMY begründet ihre Ansicht unter anderem damit, dass hier gerade ein automatisiertes Verfahren eingerichtet wurde. Die Frist könnte etwa im Fall von manuellen Umsetzungen eine andere sein. Zwei Tage sind also nicht als starre Vorgabe zu verstehen. Zudem dürfte hier auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass es sich um ein großes Unternehmen handelt, welches viele Kunden weltweit hat und daher Widersprüche an sich nichts Besonderes darstellen.

Generell fordert die Aufsichtsbehörde, dass Widersprüche nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO schnell umzusetzen sind, da entsprechend Abs. 3 gerade verhindert werden soll, dass die Daten für werbliche Zwecke weiter verarbeitet werden.

Insgesamt ging die Aufsichtsbehörde hier von Verstößen gegen Art. 12 Abs. 3, Art. 21 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 DSGVO aus.

Bußgeld in Höhe von 310.000 EUR: Einkauf und Verwendung von Datensätzen (Leads) für Werbezwecke ohne rechtmäßige Einwilligung

Die französische Aufsichtsbehörde (CNIL) hat ein Bußgeld in Höhe von 310.000 EUR gegen das Unternehmen FORIOU erlassen, weil das Unternehmen personenbezogene Datensätze ohne Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO für Marketingzwecke verwendet hat (Pressemitteilung der CNIL). Der konkrete Fall an sich mag „wenig spannend“ klingen, jedoch sind die der Entscheidung zugrunde liegenden Ansichten der CNIL generell praxisrelevant für den Umgang mit Daten von Kunden oder potentiellen Neukunden.

Entscheidung der CNIL

FORIOU führt telefonische Akquisitionskampagnen durch, um die von ihm vermarkteten Treueprogramme und -karten zu bewerben. Die Daten der potentiellen Interessenten kauft das Unternehmen von Datenmaklern und Betreibern von Websites für Gewinnspiele und Produkttests. Im Grunde also ein recht alltäglicher Vorgang in der heutigen digitalen Wirtschaft – der Einkauf von Leads / Datensätzen für Werbezwecke.

Die CNIL stellte im Rahmen einer Untersuchung jedoch fest, dass FORIOU keine Rechtsgrundlage, in Form einer wirksamen Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO, für die Verwendung der Daten nachweisen konnte. Hierbei lag der Fehler nicht nur bei dem werbenden Unternehmen selbst – die Datensätze / Leads waren quasi schon ohne ausreichende Rechtsgrundlage erhoben und mit diesem Makel der „Rechtswidrigkeit“ an FORIOU verkauft worden. Folgende Verstöße legte die CNIL dem Unternehmen zur Last:

  • Irreführende Darstellung der Formulare zur Datenerhebung und Einholung einer (unwirksamen) Einwilligung bei den Datenlieferanten.
  • Die Zustimmungs-Schaltflächen, mit denen die Betroffenen die Einwilligung in die Weitergabe und werbliche Nutzung ihrer Daten erteilen sollten, wurden (durch ihre Größe, Farbe, Überschrift und Position) viel größer und deutlicher hervorgehoben, als die Ablehnungsmöglichkeit.
  • Zudem ist FORIOU, als Käufer der Daten, nach der DSGVO verpflichtet, sich zu vergewissern, dass die betroffenen Personen eine gültige Einwilligung erteilt haben.
  • Zwar habe FORIOU seinen Datenlieferanten im Vorfeld bestimmte vertragliche Anforderungen auferlegt – diese jedoch im weiteren Verlauf nicht wirksam kontrolliert.
  • Zudem wurde FORIOU nicht in jedem Formular als Partner / Unternehmen erwähnt, welches die Daten für werbliche Nutzungszwecke erhält.

Fazit

Die Entscheidung der CNIL knüpft inhaltlich an die festgestellten Verstöße im vergangenen Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen CRITEO an. Für die Praxis bedeutet dies, dass Unternehmen, wenn sie personenbezogene Daten von Datenlieferanten, Partnern oder auch Konzerngesellschaften erhalten, stets selbst dafür Sorge tragen müssen, dass eine Rechtsgrundlage für den intendierten Nutzungszweck vorhanden ist.

Datenschutzbehörde Baden-Württemberg: neue Handreichung zu „Drittstaatentransfers“ – wann liegt eine „Übermittlung“ vor und wie muss darüber informiert werden?

Der LfDI Baden-Württemberg hat mit Stand Januar 2024 „Handreichung zu Kapitel V der DS-GVO“ veröffentlicht. Darin erläutert die Datenschutzbehörde ihre Position zu einigen praxisrelevanten Themen rund um Datentransfers in Drittländer außerhalb der EU. Nachfolgend betrachte ich beispielhaft zwei Aspekte der Handreichung.

Wann liegt eine „Übermittlung“ personenbezogener Daten vor?

Die Antwort auf diese Frage ist schon länger umstritten – u.a. auch, weil die DSGVO nicht definiert, was unter einer „Übermittlung“ im Sinne von Kap. V DSGVO zu verstehen ist.

Der LfDI geht für Fallkonstellationen des Zugriffs aus Drittländern auf Daten innerhalb der EU davon aus,  

„dass es sich auch beim Einräumen einer faktischen Zugriffsmöglichkeit aus dem Drittstaat (beispielsweise für administrative oder Supportzwecke) um einen Transfer gemäß Kapitel V DS-GVO handeln kann, zumindest dann, wenn der Zugriff später auch tatsächlich erfolgt.“

Wichtig sind bei dieser Ansicht zwei Aspekte:

  • Es „kann“ sich um eine Übermittlung handeln. Es liegt daher damit nicht per se bei Zugriffsmöglichkeit eine Übermittlung vor.
  • Und: dies ist nur der Fall, wenn der Zugriff auf Daten auch tatsächlich erfolgt.

Gerade die zweite Anforderung des LfDI ist aus meiner Sicht zu begrüßen. Denn hiermit positioniert sich die Behörde klar gegen Auslegungen, die bereits allein eine Zugriffsmöglichkeit als „Übermittlung“ ansehen wollen. Die Datenschutzbehörde verlangt aber klar, dass faktisch ein Zugriff erfolgen muss – die Möglichkeit allein genügt nicht.

Wie muss in Datenschutzhinweisen über Drittlandstransfers informiert werden?

Nach Art. 13 Abs. 1 f) DSGVO muss der Verantwortliche „gegebenenfalls“ über die Absicht informieren, die personenbezogenen Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation zu übermitteln, sowie das Vorhandensein oder das Fehlen eines Angemessenheitsbeschlusses der Kommission oder im Falle von Übermittlungen gemäß Art. 46 oder Art. 47 oder Art. 49 Abs. 1 Unterabsatz 2 DSGVO einen Verweis auf die geeigneten oder angemessenen Garantien und die Möglichkeit, wie eine Kopie von ihnen zu erhalten ist, oder wo sie verfügbar sind.

In dieser gesetzlichen Anforderung stecken mehrere (alternative) Informationspflichten. Information über

  • die Absicht, personenbezogene Daten zu übermitteln
  • das Vorhandensein oder das Fehlen eines Angemessenheitsbeschlusses
  • die geeigneten oder angemessenen Garantien nach Art. 46 oder Art. 47 oder Art. 49 Abs. 1 Unterabsatz 2 DSGVO und die Möglichkeit, wie eine Kopie von ihnen zu erhalten ist, oder wo sie verfügbar.

Zum zweiten Punkt vertritt etwa die irische Aufsichtsbehörde die Ansicht, dass die Information auf jeden Fall erteilt werden muss, auch wenn sie nur negativ ausfällt weil es keinen Angemessenheitsbeschluss gibt (z. B.: „Für das Land XYZ liegt kein Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission vor“) (vgl. hier meinen Blogbeitrag).

Der LfDI Baden-Württemberg setzt in seiner Handreichung voraus, dass 1) eine namentliche Nennung des Empfängerlandes und 2) des eingesetzten Transferinstruments erfolgen muss. Dies bedeutet für Datenschutzhinweise, dass diese sowohl das oder die konkreten Drittländer benennen müssen. Daneben muss auch konkret für das jeweilige Drittland angegeben werden, ob und welcher  Angemessenheitsbeschluss vorliegt oder aber z.B. die EU-Standarddatenschutzklauseln verwendet werden.

Wichtig: die irische Aufsichtsbehörde legt die Anforderungen des Art. 13 DSGVO in der Weise aus, dass es nicht ausreicht, einfach einen Link zu einer allgemeinen Webseite der Europäischen Kommission zu setzen. Die betroffene Person sollte vielmehr in der Lage sein, auf das jeweilige Dokument, auf das man sich beruft, zuzugreifen. Also etwa per Link auf den konkreten Angemessenheitsbeschluss.

Neuer Referentenentwurf: Recht (Pflicht) auf Verschlüsselung bei Telemedien? Unklare Vorschläge und Risiko der Europarechtswidrigkeit

Das Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) hat mit Stand 07.02.24 einen Referentenentwurf für ein erstes Gesetz zur Änderung des Telekommunikation- Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) erarbeitet (netzpolitik.org hat den Entwurf veröffentlicht). Ziel der vorgeschlagenen Regelungen (zumindest laut der Begründung): sog. nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste (also etwa E-Mail- Dienste, Messengerdienste und Chat-Dienste) sollen dazu verpflichtet werden, als Standard eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anzubieten. Also eine Pflicht zur Verschlüsselung.

Für die breitere Praxis relevant, weil Telemedien (also insbesondere Online-Angebote) erfasst sind: „das Gleiche“ soll für die Speicherung von Informationen im Rahmen der Nutzung von Cloud-Diensten gelten. Das betrifft aber (anders als man meinen mag) nicht nur die „Großen“ wie AWS, Azure oder Apple.

Nachfolgend möchte ich kritisch auf einige Aspekte des Entwurfs konkret bezogen auf Cloud-Dienste eingehen.

Geplante Vorgabe, § 19 Abs. 6 TTDSG
Es soll ein neuer § 19 Abs. 6 TTDSG eingefügt werden:

(6) „Anbieter von Telemedien, deren Dienstleistung darin besteht, vom Nutzer von Te- lemedien bereitgestellte Informationen für diesen auf einem Datenspeicher zum Abruf bereitzuhalten, informieren den Nutzer über die Möglichkeit einer durchgehenden und sicheren Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen, die gewährleistet, dass die Informationen nur vom bereitstellenden Nutzer gelesen werden können.“

Adressiert werden hier gerade nicht nur die (kleinere) Gruppe von nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdiensten, sondern allgemein Anbieter von Telemedien (etwa Webseiten und Apps), die aber zusätzlich noch als Leistung das Speichern von Informationen anbieten müssen. Diese Fallgruppe kann aber ziemlich umfassend sein, wenn man etwa Angebote (B2B und auch B2C) in den Blick nimmt, die für ihre Nutzer z.B. Rechnungen und Belege zum Abruf bereithalten, das Hochladen von Fotos und Videos ermöglichen oder Kundenkonten und dort enthaltene Angaben speichern etc.

Pflicht zur Verschlüsselung?
Unklar ist aber bereits, ob für diese Anbieter

  • eine Pflicht zur Verschlüsselung,
  • eine Pflicht zum Vorhalten der Möglichkeit der Verschlüsselung oder
  • nur eine Pflicht zur Information über eine mögliche Verschlüsselung
    geschaffen werden soll.

§ 19 Abs. 6 TTDSG spricht eher für eine reine Informationspflicht. „informieren den Nutzer über die Möglichkeit einer durchgehenden und sicheren Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen, …“ Dies würde dann aber auch kein „Recht auf Verschlüsseung“ für Betroffene schaffen.

So wird auch in der Begründung zu § 19 Abs. 6 TTDSG (S. 12 des Entwurfs) ausgeführt: „In § 19 Absatz 6 wird eine Informationspflicht hinsichtlich der Möglichkeiten einer sicheren und durchgehenden Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen bei der Nutzung von Cloud-Speichern eingeführt“.

Ganz anders lautet dagegen die Begründung in Teil A des Entwurfs (S. 7): „Das Recht auf Verschlüsselung wird hier für solche Clouddienste geregelt, die als Speicherdienste fungieren, die von den meisten Unternehmen, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern zunehmend genutzt werden…“ und „Anbieter von Clouddiensten sollten zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Cybersicherheit im Rahmen ihrer technischen und organisatorischen Vorkehrungen gewährleisten, dass die Nutzer solcher Dienste die gespeicherten Informationen mit einer sicheren und durchgängigen Verschlüsselung schützen können“.

Hier wird vorgegeben, dass Anbieter zumindest die Verschlüsselung „gewährleisten“ müssen.

Danach wird aber wieder einschränkend erläutert: „Das Recht auf Verschlüsselung ist hier eine Informationspflicht des Anbieters, da die Verschlüsslung in den Händen des jeweiligen Nutzers liegt.“

Mir ist daher aktuell nicht klar, welche konkreten Pflichten für die betroffenen Anbieter von Telemedien mit dem Entwurf vorgesehen werden sollen.

Welche Art der Verschlüsselung?
Doch die Unklarheiten des Vorschlags gehen weiter.

§ 19 Abs. 6 TTDSG spricht von einer „durchgehenden und sicheren Verschlüsselung“. Das ist etwas anderes, als die in dem vorgeschlagenen § 2 Abs. 2 Nr. 7 TTDSG eingefügte Legaldefinition der „sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“.

Hätte der Entwurfsverfasser auch in § 19 Abs. 6 TTDSG eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gemeint, hätte man dies dort erwähnen können (bzw. müssen). Denn an anderer Stelle des Entwurfs wird der Begriff ja sogar gesetzlich definiert. Da in Abs. 6 aber gerade diese Art der Verschlüsselung nicht erwähnt wird, muss es sich um eine andere Form der Verschlüsslung handeln. Eventuell „nur“ eine Transportverschlüsselung? Der Entwurf lässt potentielle Adressaten hierüber im Unklaren.

Widersprüchlich ist leider auch erneut die Begründung des Entwurfs. Auf S. 1 heißt es: „sollen nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste dazu verpflichtet werden, ihre Telekommunikationsdienste als Standard mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüs- selung anzubieten. Das Gleiche gilt für die Speicherung von Informationen im Rahmen der Nutzung von Cloud-Diensten,…

Hier wird also auf eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung abgestellt – die im vorgeschlagenen Normtext aber gerade fehlt.

Fehlende Regelungskompetenz – Verstoß gegen die DSGVO
Neben diesen inhaltlichen Mängeln des Vorschlags, schwebt über der angedachten Regelung in § 19 Abs. 6 TTDSG aber meines Erachtens ohnehin das Damoklesschwert der Europarechtswidrigkeit (wie im Übrigen über dem ganzen § 19 TTDSG).

Nach der Begründung des Entwurfs und auch des Textes zu § 19 Abs. 6 TTDSG sollen „bereitgestellt Informationen“ verschlüsselt werden.

Personenbezogene Daten erfasst? DSGVO anwendbar
Aufgrund der weite dieses Begriffs, dürften hiervon natürlich auch personenbezogene Daten (z.B. Bilder, Videos, Rechnungen in Kundenkonten etc.) erfasst sein. Oder anders ausgedrückt: wenn der Vorschlag aus dem BMDV überhaupt nicht personenbezogene Daten beim „Recht auf Verschlüsselung“ umfassen würde, könnte man die Initiative im Bereich Cloud-Dienste wohl gleich wieder beerdigen, da es nur wenige Anwendungsbereiche gäbe.

Wenn aber § 19 Abs. 6 TTDSG auch personenbezogene Daten umfasst, wird sich hinsichtlich der Stoßrichtung des Vorschlags eine ganz entscheidende Frage stellen:

  • ist mit der Regelung eine Pflicht zur Verschlüsselung oder
  • mindestens eine Pflicht zum Vorhalten von Verschlüsselungsmöglichkeiten vorgesehen?

Kollision mit Vorgaben des Art. 32 DSGVO
Sollte eine dieser Fragen mit „ja“ beantwortet werden, kollidiert die Regelungen mit den unmittelbar geltenden Vorgaben der DSGVO, insbesondere Art. 32 DSGVO, der gerade keine Pflicht zur Verschlüsselung vorsieht. Nach Art. 32 Abs. 1 DSGVO treffen der Verantwortliche und Auftragsverarbeiter unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Art. 32 Abs. 1 a) DSGVO sieht beispielhaft die Verschlüsselung vor – aber nicht verpflichtend.

§ 19 Abs. 6 TTDSG würde also, wenn man hier eine Pflicht schaffen will, von den Vorgaben des Art. 32 DSGVO abweichen. Wohl im Sinne einer „strengeren“ Regelung.

Abweichung möglich? Keine Öffnungsklausel
Die DSGVO gilt als EU-Verordnung unmittelbar in Deutschland. Soweit ihr Anwendungsbereich betroffen ist, also personenbezogene Daten verarbeitet werden, soll die DSGVO nach Ansicht des EuGH (vgl. etwa C-319/20, Rz. 57) eine grundsätzlich vollständige Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sicherstellen. Verordnungen nach Art. 288 AEUV haben sowie aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären (Rz. 58).

Von dieser Regel gibt es in der DSGVO aber Ausnahmen. Der EuGH hat hierzu geurteilt, dass einzelne Bestimmungen der DSGVO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, zusätzliche, strengere oder einschränkende, nationale Vorschriften vorzusehen, die ihnen einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung dieser Bestimmungen lassen („Öffnungsklauseln“). Mitgliedstaaten dürfen nur unter den Voraussetzungen und innerhalb der Grenzen eben dieser Bestimmungen von den Vorgaben der DSGVO abweichen (Generalanwalt, C-319/20, Rz. 52).

Das Problem: für das Thema der zwingenden Verschlüsselung personenbezogener Daten bei Telemedien sieht die DSGVO gar keine Öffnungsklausel vor.

  • Art. 32 DSGVO enthält eine solche Ausnahme bzw. Öffnungsklausel für Mitgliedstaaten gerade nicht.
  • Die Einschränkungsmöglichkeiten des Art. 23 DSGVO sind auf Art. 32 DSGVO nicht anwendbar.
  • Öffnungsklauseln aus Kapitel IX dürften hier auch nicht einschlägig sein.

Fazit
Ich bin gespannt, wie sich der nun vorliegende Referentenentwurf inhaltlich entwickelt. Derzeit sehe ich aber sowohl konkret inhaltliche Probleme bzgl. der einzelnen Vorgaben, als auch abstrakt strukturelle Risiken hinsichtlich des Verhältnisses zur DSGVO.