Recht auf Vergessen – wie geht es weiter?

Nach dem Google-Urteil des EuGH vom 13.5.2014 (Az. C-131/12) und der anschließenden, in der Öffentlichkeit teilweise kritisierten Umsetzung durch Google, stellte sich für europäische Datenschutzbehörden die Frage, wie man mit der Entscheidung und Beschwerden von Betroffenen umgeht, die dieses Recht ausüben möchten. Doch auch der Rat der Europäischen Union hat sich, vor dem Hintergrund der möglichen Auswirkungen des Urteils auf die andauernden Verhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), mit dem Thema befasst.

Treffen mit den Datenschutzbehörden
Am gestrigen Donnerstag trafen sich Vertreter von verschiedenen europäischen Datenschutzbehörden mit Anbietern von Internetsuchmaschinen in Brüssel. Wie die Artikel 29 Datenschutzgruppe (der Zusammenschluss der europäischen Aufsichtsbehörden) zuvor in einer Pressemitteilung bekannt gab (PDF), war dieses Treffen ein Teil der Initiative der Datenschützer, bis zum Herbst diesen Jahres gemeinsame Richtlinien für Datenschutzbehörden zu entwerfen, wie diese mit Beschwerden umgehen sollen, die im Anschluss an einen abgelehnten Löschantrag bei ihnen eingehen. Eine offizielle Mitteilung zu den Ergebnissen des Treffens liegt noch nicht vor. Jedoch berichtet Reuters, unter Berufung auf einen nicht genannten Teilnehmer, einige Details:

  • So haben die Datenschützer Google insbesondere dazu befragt, warum Einträge in Ergebnislisten nur auf den europäischen Angeboten gelöscht (bzw. gesperrt) werden, jedoch nicht unter der .com-Adresse. Aus Sicht der Datenschützer greife diese Umsetzung des Urteils zu kurz.
  • Bis zum Ende des Monats sollen die Suchmaschinenbetreiber weitere Informationen zur Umsetzung des Urteils bereitstellen. Diese würden in den Prozess der Entwicklung von Richtlinien für Datenschutzbehörden einfließen. Ein erster Entwurf solcher Richtlinien für Aufsichtsbehörden könnte bis Mitte September fertig gestellt sein.

Auch Bloomberg berichtet zu dem Treffen und einigen statistischen Informationen. Danach habe Google bisher mehr als 91.000 Löschanfragen erhalten, die sich auf 328.000 Internetadressen beziehen. Unter Berufung auf einen ebenfalls nicht genannten Teilnehmer des Treffens wird weiter berichtet, dass Google 30% der Anträge zurückweise und in 15% der Fälle zusätzliche Informationen zu dem Sachverhalt anfordere.

Auswirkungen auf die Datenschutz-Grundverordnung
Doch nicht nur die Datenschützer treibt die Umsetzung des Google-Urteils um. Auch in der Arbeitsgruppe Dapix des Rates der Europäischen Union, in der die DS-GVO verhandelt wird, hat man sich die Entscheidung des EuGH näher angesehen. In einem nun veröffentlichten Dokument (PDF) der Präsidentschaft an die Delegationen wird das Urteil näher erläutert und seine möglichen Folgen für die Verhandlungen analysiert. Nachfolgend einige der in dem Papier angesprochenen Themen:

Der EuGH hatte festgestellt, dass der Löschanspruch dann geltend gemacht werden kann, wenn die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht mehr erforderlich ist. Dies insbesondere dann, wenn die verarbeiteten Daten den ursprünglichen Zwecken in Anbetracht der verstrichenen Zeit nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen. Die Präsidentschaft ist sich jedoch nicht sicher, ob der derzeitige Wortlaut (es geht dabei um Art. 17 DS-GVO in der Fassung des Textes im Rat nach der griechischen Ratspräsidentschaft, abrufbar hier, PDF) deutlich genug zum Ausdruck bringt, dass bei der Frage, ob die Daten den ursprünglichen Zwecken nicht mehr entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen, nicht auf den Betreiber der Originalwebseite, sondern auf den Betreiber der Suchmaschine abzustellen ist. Dies betrifft insbesondere auch die Frage des berechtigten Interessen bei einer vorzunehmenden Abwägung im Rahmen der Prüfung eines Erlaubnistatbestandes für die Verarbeitung.

Zudem stelle sich die Frage nach dem Verhältnis von Meinungsfreiheit und dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Der EuGH hatte entschieden, dass sich allein der Betreiber der Originalwebseite auf die (sowohl in der derzeit geltenden Datenschutz-Richtlinie als auch in der DS-GVO vorgesehene) Ausnahme für die Verarbeitung von Daten zu ausschließlich journalistischen Zwecken berufen könne. Die Präsidentschaft stellt hierzu die Frage in den Raum, ob dies nicht auch für die nachfolgenden Datenverarbeiter (wie z.B. den Suchmaschinenbetreiber) gelten solle. Zu beachten ist hierbei, dass Fragen des Rechts auf freie Meinungsäußerung (aus kompetenzrechtlichen Gründen) nicht detailliert innerhalb der DS-GVO geregelt werden können.

Eine weiterer offener Punkt sei, ob es bei der Ausübung des Löschanspruchs eine gesetzlich festgelegte Reihenfolge geben soll, die der Betroffene zu beachten habe. Dass er sich also zunächst immer an den Betreiber der Originalwebseite wenden müsse und nur dann an den nachfolgenden Verarbeiter herantreten könne, wenn der Betreiber der Originalwebseite nicht mehr existiere oder nicht dem EU-Recht unterfalle. Dieser Vorschlag sei in der Vergangenheit von einigen Delegationen im Rat vorgebracht worden. Jedoch gibt die Präsidentschaft zu bedenken, dass ein solches System vom EuGH als nicht ausreichend erachtet wurde, um den Rechten des Betroffenen ausreichend Geltung zu verschaffen.

Recht auf Vergessen – Warum Google nicht überreagiert

Gestern wurde berichtet, dass verschiedene Medienunternehmen (u. a. der Guardian und die BBC) nicht mit der Art und Weise einverstanden sind, wie Google im Zuge der Umsetzung des Urteils des EuGH vom 13. Mai 2014 (Az. C-131/12) begonnen habe, Links aus Suchergebnislisten zu Beiträgen auf ihren Webseiten zu entfernen. Diese Löschungen wurden unter anderem mit der Begründung kritisiert, dass Google hier überreagiere, dass die betroffenen Presseunternehmen nicht die Gründe der Löschung und auch allgemein nicht die Kriterien kennen würden, nach denen Google die Anfragen bearbeite. Zudem könnten sie sich daher auch nicht gegen eine Löschung aus den Ergebnislisten wehren.

Dass sich nun Erstaunen und Verwunderung über diese Praxis breit macht, mag verständlich sein. Wenn man sich jedoch das EuGH-Urteil betrachtet, ist es einfach nur die logische Konsequenz der Vorgaben der europäischen Richter und keine Überraktion oder dergleichen.

Zum einen verlangt weder das EuGH-Urteil noch das geltende Datenschutzrecht, dass Google Dritten, die Urheber der Originalseite sind (in diesem Fall den Presseunternehmen), die Gründe darlegen muss, warum es einen Eintrag aus der Ergebnisliste entfernt. Klar ist vielmehr, dass derartige Löschantrage direkt an den für die Verarbeitung Verantwortlichen gerichtet werden können und von diesem zu prüfen sind. Selbst wenn Google die Kriterien veröffentlichen würde, nach denen es die Anträge beurteilt, so würde dies den Presseunternehmen wohl wenig helfen. Nach dem Urteil des EuGH sind die generell anzulegenden Maßstäbe nämlich vorgegeben: der Ausgleich der sich gegenüberstehenden Interessen kann in „besonders gelagerten Fällen von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information“ abhängen, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann. Damit sind die Prüfkriterien öffentlich vorgegeben.

Hier wird jedoch bereits eine negative Konsequenz des EuGH-Urteils deutlich: das Interesse der Öffentlichkeit und auch des Dritten, dass Informationen weiterhin in Ergebnislisten angezeigt werden, hat in dem von Google einzurichtenden Verfahren der Prüfung von Löschanträgen, keinen Vertreter. Beteiligt sind grundsätzlich nur der Betroffene und Google. Der Suchmaschinenbetreiber befindet sich jedoch zudem in der unangenehmen Lage, dass bei einer Nichterfüllung des Löschwunsches, der Betroffene immer noch einen Antrag bei der Datenschutzbehörde oder bei einem Gericht stellen kann. Wollte man verlangen, dass Google sich bei der Prüfung auch in die Lage der Webseitenbetreiber und der Öffentlichkeit versetzt, so würde man dem Suchmaschinenbetreiber eine unabhängige Rolle zusprechen wollen, die er aber nicht besitzt.

Nun könnte man argumentieren, dass Google dann eben in Zweifelsfällen den Eintrag nicht löschen darf, sondern es auf ein Verfahren bei der Datenschutzbehörde oder einem Gericht ankommen lassen muss. Hier kommen wir zu der nächsten, sich in der Praxis negativ auswirkenden Vorgabe des EuGH-Urteils. Denn der Gerichtshof hat klargestellt, dass „im Allgemeinen“ die Rechte der Betroffenen auf Privatsphäre und Datenschutz gegenüber dem Interesse der Internetnutzer am Zugang zu den Informationen überwiegen. Nur „in besonders gelagerten Fällen“ könne ein Ausgleich der verschiedenen Interessen etwa von der Art der Informationen oder deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person abhängen. Dies bedeutet freilich nichts anderes, als dass im Zweifel die Löschung der Links in der Ergebnisliste vorgenommen werden muss. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundprinzip des hier in Rede stehenden Löschanspruchs. Diese stützt sich unter anderem auf die Erfüllung der Voraussetzung des Art. 7 f) der Datenschutz-Richtlinie (DS-RL), wonach die Verarbeitung zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, erforderlich ist, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Es ist also im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit stets eine Abwägung der Interessen und Grundrechte vorzunehmen. Das ist der gesetzlich vorgesehene Standardfall. Die vom EuGH angesprochenen „besonders gelagerten Fälle“ können daher nicht die Abwägung und damit verbundene Schwierigkeiten an sich betreffen. Denn ansonsten würde der gesetzlich vorgesehene Standardfall zu dem vom EuGH erwähnten besonders gelagerten Fall. Google muss, wenn es dem Urteil des Gerichtshofs folgen will, also gerade auch bei Zweifelsfällen im Rahmen der Abwägung, die nicht besonders gelagert sind, die Einträge in Ergebnislisten löschen. Über diese vorgegebene Wertung zugunsten der Rechte der Betroffenen, mag man sich, meines Erachtens zu Recht, aufregen. Diese Vorgabe besteht aber nun und Google scheint sie umzusetzen. Was sich nun in der Praxis zeigt, sind die Ergebnisse des Anlegens dieser Pro-Datenschutz-Schablone.

Noch ein Gedanke zu der Forderung, dass dann eben die Datenschutzbehörde über derartige Löschanträge und damit auch die Abwägung von dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf Informationsfreiheit entscheiden solle. Mir ist immer noch nicht klar, wie ein solches Vorgehen und eine damit verbundene Anordnung der Löschung von Links aus Ergebnislisten mit Art. 11 Abs. 1 der Grundrechtecharta der Europäischen Union vereinbar ist. Dort heißt es: „Jede Person hat das Recht…Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben“. Die Löschanordnung durch eine Aufsichtsbehörde würde jedoch genau einen solchen Eingriff in das Recht auf den Empfang von Informationen im Internet darstellen.

Zum Teil wird auch kritisiert, dass Google keine Volljuristen einstelle, um die eingehenden Anträge zu prüfen und die Abwägung vorzunehmen. Eine solche Anforderung ergibt sich weder aus dem EuGH-Urteil, noch aus dem geltenden Datenschutzrecht. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Abwägung von im Presse- oder Datenschutzrecht versierten Juristen vorgenommen wird. Eine Pflicht hierzu, besteht aber nicht.

Die sich nun ausbreitende Diskussion zeigt, dass der EuGH mit seinem Urteil (wie von mir bereits beschrieben), eventuell doch über das Ziel des erforderlichen Ausgleichs der Grundrechte zwischen Privatsphäre und Datenschutz einerseits, wirtschaftlicher Betätigung und Informationszugang anderseits, hinausgeschossen sein könnte. Wenn man sich als Suchmaschinenbetreiber nun strikt an diese Vorgaben hält, dann wird in der Praxis dieses bisher nur erahnte und sich abstrakt abzeichnende Defizit der Anerkennung einer Gleichwertigkeit von Grundrechten und –freiheiten der beteiligten Parteien im Internet deutlich.

Deutsche Datenschutzbehörden veröffentlichen Orientierungshilfe für App-Entwickler und App-Anbieter

Die deutschen Datenschutzbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich (sog. Düsseldorfer Kreis) haben eine „Orientierungshilfe zu den Datenschutzanforderungen an App-Entwickler und App-Anbieter“ (PDF) im Internet veröffentlicht. Damit möchten die Aufsichtsbehörden auf datenschutzrechtliche und technische Anforderungen bei der Entwicklung und dem Einsatz von mobilen Applikationen hinweisen und den Verantwortlichen auch gleichzeitig einen Leitfaden an die Hand geben. Das immerhin 33 Seiten starke Dokument dürfte sich als durchaus nützliches Nachschlagewerk darstellen, vor allem vor dem Hintergrund, dass man so eine ungefähre Vorstellung davon erhält, welche Ansichten die Aufsichtsbehörden in Bezug auf bestimmte rechtliche Probleme vertreten. Nachfolgend möchte ich auf ein paar Einzelheiten des Dokuments eingehen.

Allgemein
Die Orientierungshilfe bezieht sich allein auf (Online-) Apps fu?r Smartphones und Tablets und nicht etwa auf offline nutzbare Apps oder solche, die Teil des Betriebssystems eines Mobiltelefons sind. Die Datenschützer trennen in ihrer Analyse grundsätzlich zwischen zwei Zielgruppen: App-Entwicklern und App-Anbietern. Jedoch können diese Eigenschaften auch zusammenfallen.

Rechtlicher Anwendungsbereich (räumlich und sachlich)
Hinsichtlich der Bestimmung des anwendbaren Datenschutzrechts ist der Sitz der verantwortlichen Stelle bzw. der für die jeweilige Datenverarbeitung „relevanten Niederlassung“ entscheidend. Befindet sich diese in Deutschland, so gilt deutsches Recht. Sitzt ein App-Anbieter außerhalb des EWR und unterhält er auch keine entsprechend Niederlassung innerhalb des EWR, so gilt deutsches Datenschutzrecht, wenn über die App personenbezogene Daten in Deutschland erhoben und verwendet werden.
In Bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich stellen die Aufsichtsbehörden klar, dass sowohl IP-Adressen, als auch Geräte- und Kartenkennungen (z. B. IMEI, IMSI oder MAC-Adresse), Standortdaten und auch Audio- und Fotodaten ihrer Ansicht nach grundsätzlich personenbezogene Daten darstellen und damit den gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz unterfallen.

Verantwortlichkeiten

Datenschutzrechtlich verantwortlich ist grundsätzlich der App-Anbieter. Dies gilt gerade auch dann, wenn er die App „nur“ anbietet und nicht selbst entwickelt hat. Der App-Anbieter ist daher auch für Nutzer die erste Anlaufstelle (etwa in Bezug auf Ansprüche zur Löschung von Daten oder der Auskunft. Die Verantwortlichkeit bleibt auch bestehen, wenn der Anbieter die Durchführung der Datenverarbeitung an Dienstleister vergibt. Hier liegt dann eine Auftragsdatenverarbeitung vor. Der Anbieter hat dann auf die Erfüllung der Pflichten aus § 11 BDSG zu achten. Als Beispiel führen die Aufsichtsbehörden etwa an, wenn die Reichweitenmessung und Auswertung durch einen Dienstleister. Wenn sich der Dienstleister in einem Drittstaat (also außerhalb des EWR) befindet, dann bestehen zusätzliche Pflichten, da dann nach dem deutschen Datenschutzrecht eine Übermittlung von Daten vorliegt. Jedoch kann sich die Verantwortlichkeit auch verändern, etwa wenn der App-Entwickler über Weisungen des Anbieters hinausgeht. Dann ist der Entwickler verantwortlich. Als Beispiel führt die Orientierungshilfe die Funktion einer automatisierten Fehlermeldung an, bei der personenbezogene Daten direkt an den Entwickler übersendet werden. Auch der Anbieter eines App-Stores kann datenschutzrechtlich verantwortlich sein, wenn er zusätzliche personenbezogene Daten, z. B. bei der Anmeldung, verarbeitet.

Erlaubnistatbestände
Damit eine Datenverarbeitung rechtmäßig erfolgt, muss sie aufgrund einer Einwilligung oder einer gesetzlichen Vorschrift erlaubt sein. Nach der Orientierungshilfe geht dabei das TMG als bereichsspezifisches Gesetz (vor allem wenn es um Diensteebene geht, also für Bereitstellung des Dienstes) den allgemeinen Bestimmungen des BDSG vor. Im TMG wird zwischen Bestandsdaten (§ 14 TMG) und Nutzungsdaten (§ 15 TMG) unterschieden. § 14 TMG legitimiert eine Verarbeitung, wenn diese zur Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses erforderlich ist. Die Datenschützer stellen klar, dass es für die Frage, welche personenbezogenen Daten konkret für diese Zwecke erforderlich sind, durch den jeweiligen Nutzungsvertrag bestimmt wird, der zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer abgeschlossen wird. Nach § 15 TMG ist eine Datenverarbeitung erlaubt, wenn diese erforderlich ist, um die Inanspruchnahme des Dienstes zu ermöglichen. Hierunter fallen nach der Orientierungshilfe personenbezogene Daten, welche notwendigerweise zur Nutzung der App durch den Diensteanbieter erhoben und verwendet werden müssen, wie z.B. die IP-Adresse oder eindeutige Kennnummern oder der Standort. Die Datenverarbeitung von Inhaltsdaten erfolgt jedoch nach dem BDSG.

Profilbildung
Nutzungsprofile dürfen auch bei dem Betrieb von Apps erstellt werden. Die Regelung des § 15 Abs. 3 TMG berechtigt jedoch nur den Diensteanbieter selbst oder seine Auftragnehmer zur Erstellung pseudonymisierter Nutzerprofile zu Werbezwecken. Die Datenschützer stellen klar, dass Dritte hiervon nicht erfasst werden. Zudem müssen Nutzer auf die Möglichkeit zu widersprechen hingewiesen werden. Dies muss nach Ansicht der Aufsichtsbehörden zumindest im Rahmen der Datenschutzerklärung geschehen. Jedoch weisen die Datenschützer auch daraufhin, dass etwa eindeutige Geräte- und Kartenkennungen wie die IMEI-Nummer oder auch die IP-Adresse kein Pseudonym darstellen. Diese Daten dürfen daher auch nicht in das Nutzungsprofil einfließen. Für die Ausübung des Widerspruchrechts sollte eine direkte Opt-Out Möglichkeit (Link, Möglichkeit des Auskreuzens) für den Nutzer vorgehalten werden, welche nach Ansicht der Datenschützer mit möglichst einem Klick aktiviert werden kann. Hierbei genügt es jedoch nicht, die Möglichkeit bereitzuhalten per E-Mail oder postalisch einer Nutzungsprofilerstellung gem. § 15 Abs. 3 TMG zu widersprechen. Interessant ist die Ansicht der Datenschützer, dass wenn ein Nutzer durch besondere Einstellungen auf seinem Endgerät signalisiert, dass er eine Verarbeitung seiner Nutzungsdaten für Werbezwecke nicht wünscht, auch diese Erklärung als Widerspruch zu werten und durch den Diensteanbieter zu beachten ist.

Einwilligung

Zur Einwilligung führt die Orientierungshilfe aus, dass nach § 4a BDSG neben der Freiwilligkeit und Informiertheit der Einwilligung grundsätzlich auch die Schriftform erforderlich sei. Zwar sehe§ 4a Abs. 1 S. 3 BDSG eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis vor, wenn wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Solche besonderen Umstände liegen nach Ansicht der Aufsichtsbehörden jedoch nicht generell dann vor, wenn eine Einwilligung (außerhalb des TMG, denn hier ist eine elektronische Abgabe möglich) bei der Nutzung einer App eingeholt werden soll. Die Datenschützer verneinen die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 13 Abs. 2, 3 TMG auf Einwilligungen außerhalb des TMG. Es bedürfe daher entweder der Schriftform, der elektronischen Form gem. § 126a BGB oder besonderer Umstände, welche zur Angemessenheit einer anderen Form als der Schriftform fuhren.

Weitere Themen
Die Orientierungshilfe geht noch auf viele weitere wichtige Themen im Bereich des Datenschutzrechts ein. So werden etwa Datenschutzgrundsätze wie die Direkterhebung (hier vor allem in Bezug auf die Verarbeitung von Daten Dritter über ein Adressbuch), die Datenvermeidung, die Möglichkeit der anonymen oder pseudonymen Nutzung nach 13 Abs. 6 TMG, die Zweckbindung oder die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung (so muss sich etwa die Speicherdauer eines jeden personenbezogenen Datums am Grundsatz der Erforderlichkeit messen lassen) angesprochen. Zudem weisen die Datenschützer daraufhin, dass bereits in der Entwicklungsphase einer App den Prinzipien des „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“ Rechnung getragen werden sollte.
Auch das Thema „Impressum“ wird angesprochen, ebenso natürlich wie die Notwendigkeit einer Datenschutzerklärung. Diese muss nach Ansicht der Aufsichtsbehörden App-spezifisch ausgestaltet sein, also genügt eine einfache Verknüpfung mit den Datenschutzhinweisen eines ähnlichen oder alternativen Webangebotes des gleichen Anbieters nicht den Ansprüchen an eine Unterrichtung nach den Vorschriften des TMG.

Auch geht die Orientierungshilfe noch auf die möglichen Konsequenzen aus einer rechtswidrigen Datenverarbeitung ein (Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten).

Zuletzt werden noch ein paar Besonderheiten von speziellen Formen von Apps und mobilen Diensten angesprochen, so etwa bei Zahlungen über Apps, der Nutzung der Applikationen durch Kinder und Jugendliche oder auch Apps von öffentlichen Stellen.

Fazit
Die Orientierungshilfe bietet einen guten ersten Überblick über rechtliche Probleme, die bei der Entwicklung und dem Angebot von Apps zu beachten sind. Der Leitfaden kann freilich nicht eine genau Analyse und Anpassung, insbesondere ist hier an die Datenschutzerklärung zu denken, ersetzen. Es ist zu begrüßen, dass die Aufsichtsbehörden hier proaktiv tätig werden und ihre Ansichten zu verschiedenen rechtlichen Fragen auf dem Gebiet der Apps darlegen.

Spanien: Datenschützer verhängen Bußgeld gegen Google wegen Cookies auf Blogspot

Mit Beschluss vom 14. Mai 2014 hat die spanische Datenschutzbehörde (AEPD) ein Bußgeld in Höhe von 25.000 € gegen Google verhängt (hier der Beschluss im Original (Spanisch), PDF).

In dem Verfahren ging es um die datenschutzrechtliche Prüfung von Cookies, welche über Blogs verbreitet wurden, die auf der Plattform „Blogger“ und unter Adressen wie „Beispiel.blogspot.com“ betrieben wurden. Dabei ging es jedoch nicht um die Verantwortlichkeit des Blogbetreibers, sondern um diejenige der Google Inc.

Untersucht wurden von den Datenschützern vor allem Analyse-Cookies (die im Rahmen von Google-Analytics arbeiteten) und solche für Zwecke der Schaltung von personalisierter Werbeanzeigen.

Nach Ansicht der Datenschützer verletzte der Einsatz der Cookies vorliegend die Vorgaben des spanischen Datenschutzrechts, insbesondere diejenige einer Einwilligung entsprechend Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG (PDF) (ePrivacyRL, in der Fassung durch Richtlinie 2009/136/EG). Art. 5 Abs. 3 ePrivacyRL sieht für die Speicherung von Informationen oder den Zugriff auf Informationen auf Endgeräten des Nutzers (oder Teilnehmers) eine Einwilligung in Kenntnis der Sachlage vor. Diese Vorschrift gilt freilich nicht nur für Cookies, wird in der Praxis aber gerade für diese relevant. Von dem Einwilligungserfordernis gibt es jedoch Ausnahmen, unter anderem dann, wenn der Zugriff oder die Speicherung der Informationen unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann.

Laut den tatsächlichen Feststellungen in dem Beschluss, wurden auf den Rechnern von Nutzern, die einen Blog unter einer „blogspot“-Adresse besuchten, unter anderem Analyse-Cookies und solche für Werbezwecke gesetzt. Der Einsatz der Cookies wurde dabei durch Google selbst festgelegt und konnte durch den Blogbetreiber nicht unterbunden werden.

Die Behörde beanstandet, dass es zwar Informationen zu dem Einsatz von Cookies und auch von Analyse-Cookies im speziellen in der Datenschutzerklärung von Google gebe. Diese seien für die Besucher des jeweiligen Blogs jedoch schwierig aufzufinden. Zudem würden die Besucher nicht darauf hingewiesen, dass Cookies zum Einsatz kämen und wo sie hierzu Informationen finden könnten. Auch würden entsprechende Informationen etwa nicht den Blogbetreibern zur Verfügung gestellt, die diese dann an ihre Besucher weiterleiten könnten.

Google brachte unter anderem vor, dass für den Einsatz der Cookies keine Einwilligung der Nutzer nötig sei, da er für die Zurverfügungstellung des Dienstes unbedingt erforderlich sei. Diese Sichtweise wies die Behörde jedoch zurück. Sie begründet ihren Beschluss damit, dass sowohl die Werbe-Cookies als auch die Analyse-Cookies nicht unbedingt erforderlich seien, damit die Plattform zum einen den Bloggern (für das Erstellen von Blogs) und auch deren Besuchern zur Verfügung gestellt werden könne.

Fazit
Wann Cookies (und damit der Zugriff bzw. die Speicherung von Informationen; Achtung, nicht nur „personenbezogene“ Informationen!) unbedingt erforderlich sind, lässt sich kaum generell sagen, sondern hängt stark von dem jeweiligen Einzelfall ab. Die europäischen Datenschutzbehörden haben in einer Stellungnahme aus dem Jahre 2012 (WP 194, PDF) jedoch zumindest einige Leitlinien aufgestellt, wann nach ihrer Ansicht die Einwilligung beim Einsatz von Cookies entbehrlich sein kann.

Nach weltweiter Prüfung: Auch deutsche Datenschützer stellen rechtliche Mängel bei Apps fest

Im Rahmen des „Privacy Sweep 2014“ haben Datenschutzbehörden auf der ganzen Welt in der Woche vom 12. bis 18. Mai 2014 Apps und deren Anbieter datenschutzrechtlich überprüft.

In Deutschland nahm u. a. der Landesdatenschutzbeauftragte aus Baden-Württemberg an der koordinierten Aktion teil und prüfte Apps die in Baden-Württemberg entwickelt wurden oder deren Anbieter dort ansässig sind.

Laut der offiziellen Pressemitteilung (PDF) des Landesdatenschützers wurde dabei festgestellt, „dass die meisten Apps die notwendige Transparenz im Umgang mit personenbezogenen Daten vermissen ließen“. Kritikpunkt ist vor allem das Fehlen einer Datenschutzerklärung, aus der für die Nutzer hervorgehen muss, welche Daten zur Nutzung des Dienstes erforderlich sind und verarbeitet werden.

App-Anbieter haben in Deutschland vor allem die datenschutzrechtlichen Vorgaben des Telemediengesetzes (TMG) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu beachten. Bereits vor einem Jahr hatte das bayerische Landesamt für Datenschutz eine Prüfung von Apps und deren Betreibern durchgeführt und teils erhebliche rechtliche Mängel festgestellt (hierzu mein Beitrag). Die Pflicht eine Datenschutzerklärung vorzuhalten, ergibt sich für App-Betreiber aus § 13 Abs. 1 TMG. Auch der Zusammenschluss der europäischen Datenschutzbehörden (Art. 29 Gruppe) hatte in einer Stellungnahme aus dem Jahre 2013 (WP 202, PDF) auf die rechtliche Pflicht zur Information der App-Nutzer durch den Betreiber hingewiesen, bevor dieser Informationen auf dem Smartphone des Nutzers speichert oder auf dieses über die App zugreift.

Für Betreiber von Apps dürfte zudem interessant sein, dass der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte angekündigt hat, in Zukunft derartige Kontrollaktionen gerne wiederholen zu wollen. Angesichts der durchgeführten Prüfaktionen der Behörden in Deutschland (und der Gefahr, bei datenschutzrechtlichen Verstößen gemäß § 16 Abs. 2 TMG eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, die nach § 16 Abs. 3 TMG mit einem Bußgeld bis zu 50.000€ geahndet werden kann) sollten App-Betreiber stets die Konformität ihrer Datenschutzerklärung prüfen bzw. eine solche für ihre Dienste erstellen.

Update vom 27.5.2014:

Auch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) hat an der diesjährigen Prüfaktion von Apps teilgenommen. Laut der Pressemitteilung wurden 15 internationale iOS und Android-Apps sowie 15 bayerische iOS und Android-Apss untersucht. Bei der Prüfung wurden „erhebliche Mängel beim Datenschutz“ festgestellt. Thomas Kranig, Präsident des BayLDA, stellt fest, dass „die schlechte datenschutzrechtliche Bewertung insbesondere der bayerischen iOS-Apps zeigt, dass die datenschutzrechtlichen Anforderungen durch bayerische App-Anbieter nicht ausreichend wahrgenommen werden„. Wie auch sein baden-württembergischer Kollege zieht Kranig für die zukünftige Arbeit seiner Behörde hieraus den Schluss, dass „nach dieser eher allgemeinen Prüfung eine noch intensivere Prüfung von Apps nach den Maßstäben deutscher Datenschutzgesetze und eine Ahndung von Verstößen notwendig ist„.

 

 

Datenschutz bei Smart-TVs: Datenschützer legen Voraussetzungen fest

Der Zusammenschluss der deutschen Datenschutzbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis) hat zusammen mit den Datenschutzbeauftragten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine gemeinsame Position zum Datenschutz bei sog. Smart-TVs veröffentlicht (Gemeinsame Position: Smartes Fernsehen nur mit smartem Datenschutz, PDF).

In ihrer Position weisen die Datenschützer darauf hin, dass im Alltag immer mehr internetfähige Fernsehgeräte benutzt werden. Hierbei entsteht, neben dem normalen Fernsehsignal, ein Rückkanal an den Hersteller des Gerätes oder zum Fernsehsender über das Internet. Über diesen Kanal ist es grundsätzlich möglich, das Nutzungsverhalten der Zuschauer zu erfassen. Die Datenschützer sehen in dieser Möglichkeit der Aufzeichnung des Nutzerverhaltens eine Gefahr für das Recht auf freien Informationszugang, welches „empfindlich beeinträchtigt“ werden könnte.

Die Datenschutzbehörden stellen daher folgende Anforderungen an einen datenschutzrechtskonformen Einsatz von Smart-TVs und der Datenverarbeitung:

Eine Profilbildung über das individuelle Fernsehverhalten der Nutzer ist ohne informierte und ausdrückliche Einwilligung der Zuschauer unzulässig.

Web- oder HbbTV-Dienste unterliegen als Telemedien dem TMG und dessen datenschutzrechtlichen Anforderungen. Die Mindestvorgaben an Hersteller, Sendeanstalten oder andere Dritte lauten hierbei: auch personenbeziehbare Daten der Nutzer dürfen nur verwendet werden, wenn dies zur Erbringung des jeweiligen Dienstes erforderlich ist. Zudem müssen Betroffene zu Beginn der Nutzung über die Datenerhebung informiert werden.

Grundsätzlich dürfen Nutzungsprofile nur mit Pseudonymen erstellt werden und die Nutzer dürfen der Profilerstellung nicht widersprochen haben. Zu beachten ist, dass nach Ansicht der Datenschützer IP-Adressen und Gerätekennungen keine Pseudonyme i. S. d. TMG darstellen.

Zudem haben nach Ansicht der Datenschützer die Gerätehersteller und Diensteanbieter das Prinzip des „Privacy by Default“ zu beachten. Es solle eine anonyme Nutzung der Dienste ermöglicht werden. Eine Nutzung der Webdienste dürfe erst nach einer umfassenden Information der Nutzer erfolgen. Zudem müssten die Nutzer die Kontrolle über die auf den Geräten gespeicherten Daten besitzen (z. B. Verwaltung von Cookies).

Zuletzt weisen die Datenschutzbehörden darauf hin, dass nach ihrer Auffassung die Gerätehersteller, Fernsehsender oder sonstige Web-Dienste über sicherheitstechnische Mechanismen verfügen müssten, die die Geräte und den Datenverkehr vor dem Zugriff unbefugter Dritter schützen.

EU-Datenschützer: ICANN-Verträge verstoßen gegen Datenschutzrecht

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) sieht sich weiterhin Kritik der europäischen Datenschutzbehörden ausgesetzt. Sowohl der Zusammenschluss der nationalen Behörden, die Art. 29 Datenschutzgruppe, als auch der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB), Peter Hustinx, haben in Briefen (Brief der Art. 29 Gruppe, (PDF) / Brief des EDSB, (PDF) ) an die Organisation zum Ausdruck gebracht, dass die derzeit bestehenden vertraglichen Pflichten zum Umgang mit personenbezogenen Daten gegen europäisches Datenschutzrecht verstoßen.

Die europäischen Datenschützer kritisieren Klauseln in Verträgen, welche sog. Domain Name Registrare auf der ganzen Welt mit der ICANN abschließen müssen. Die Registrare akkreditieren sich bei der ICANN und dürfen dann für ein bestimmtes Gebiet die Registrierung von Domain Namen durchführen (typische Beispiele für Deutschland sind etwa die Deutsche Telekom, 1&1 Internet oder united-domains AG). In den hierfür erforderlichen Akkreditierungsverträgen (RAA, Stand vom 27. Juni 2013) sind auch Bestimmungen enthalten, welche sich auf das Speichern personenbezogener Daten der Kunden der Registrare beziehen (siehe Nr. 3.4 des Vertrages sowie die Data Retention Specification (DRS), in denen die Datenarten genauer benannt werden). Diese Regelungen greifen die europäischen Datenschützer an.

Laut den Vorgaben der RAA besteht eine generelle Speicherpflicht von zwei Jahren für personenbezogene Daten der Kunden der Reistrare, welche einen Domain Namen registrieren (Nr. 3.4.3). Innerhalb dieses Zeitraums muss der Registrar diese Daten der ICANN nach einem begründeten Hinweis auch zugänglich machen.

Diese lange Speicherfrist hat bereits in der Vergangenheit Kritik hervorgerufen. Denn in Europa niedergelassene Registrare sind an europäisches Datenschutzrecht gebunden. Sie müssen sich daher beim Umgang mit personenbezogenen Daten an die Vorgaben der Datenschutz-Richtlinie (RL 95/46/EG, DS-RL) bzw. die jeweiligen nationalen Gesetze, und damit auch den Grundsatz der Zweckbindung (Art. 6 Abs. 1 b) DS-RL) und den Grundsatz der Datensparsamkeit/-minimierung (Art. 6 Abs. 1 f) DS-RL) halten.

Aus diesem Grund sieht die DRS (unter Nr. 2) die Möglichkeit vor, dass Registrare mit der ICANN abweichende Vereinbarungen in Bezug auf die Datenspeicherung vertraglich festlegen können, wenn eine Anwaltskanzlei oder eine anerkannte staatliche Stelle die Datenspeicherung für rechtswidrig erachtet. Für die Vereinbarung solcher Änderungen ist bei der ICANN zudem ein bestimmtes Verfahren vorgesehen. Das tatsächliche Probleme war jedoch, dass es verschiedene abweichende Vereinbarungen zwischen der ICAAN und europäischen Registraren gab, die sich inhaltlich nicht unbedingt decken müssen.

Hier wollte die Art. 29 Datenschutzgruppe ansetzen und die ICANN davon überzeugen, dass der bisherige Schriftverkehr zwischen beiden Institutionen als Leitlinie für europäische Anbieter angesehen werden sollte, wenn Abweichungen bei der Speicherpflicht von Daten vereinbart werden. Damit könnte für alle europäischen Registrare, die ja alle den Vorgaben der DS-RL unterliegen, ein einheitliches Verfahren mit denselben rechtlichen Vorgaben etabliert werden. Dies erkannte die ICANN jedoch bisher nicht an.

In letzter Zeit bemühte sich die ICAAN, auf die Kritik an der langen und aus Sicht der europäischen Datenschützer unverhältnismäßigen Speicherpflicht einzugehen. Denn das Problem für europäische Registrare ist offensichtlich. Sie sind vertraglich zu einer Speicherung gegenüber der ICANN verpflichtet, die jedoch durch die nationalen Datenschutzbehörden als rechtswidrig angesehen werden könnte. Die ICANN veröffentlichte daher im März 2014 einen Entwurf zur Spezifizierung der verschiedenen Datenarten, welche der Speicherfrist unterliegen, und welche Zwecke die Speicherung verfolgt (Data Retention Specification Data Elements and Legitimate Purposes, PDF). Dieser Entwurf sollte als Diskussionsgrundlage dienen. Der Brief des EDSB bezieht sich direkt auf diesen Entwurf.

Zwar erkennt der EDSB die Bemühungen der ICANN um Klarstellung und genauere Spezifizierung der Datenarten und Verarbeitungszwecke an. Dennoch sind aus seiner Sicht sowohl die Vorgaben der RAA als auch DRS mit europäischem Datenschutzrecht derzeit nicht vereinbar. Personenbezogene Daten sollten nur für die Zwecke der Vertragsdurchführung des Registrars mit seinen Kunden gespeichert werden und nicht etwa für andere Zwecke, wie z. B. um Betrug bei der Registrierung der Domain Namen vorzubeugen. Zudem sollten die Daten auch nur solange gespeichert werden, wie dies zur Durchführung des Vertrages absolut notwendig ist. Eine Speicherung für Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung oder zur Durchsetzung von Urheberrechten sei damit nicht vereinbar.

Interessanterweise geht der EDSB in seinem Brief auch direkt auf die kürzlich ergangene Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung ein. Er weist darauf hin, dass eine Speicherung geschäftlicher Verkehrsdaten für Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität erforderlich sein kann, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung jedoch die Vorgaben der Verhältnismäßigkeit nicht beachtete. Hieraus schließt Hustinx, dass die Voraussetzungen für eine Speicherung von Daten auf Vorrat in der EU in Zukunft besonderer Prüfung und rechtlichen Herausforderungen unterliegen werden.

Europäische Datenschützer: Vorschläge zur Verbesserung von Safe Harbor

Die Vertreter der europäischen Datenschutzbehörden (Art. 29 Gruppe) haben Justizkommissarin Viviane Reding in einem Brief ihre Verbesserungsvorschläge (PDF) zur Überarbeitung der Safe Harbor Entscheidung der Europäischen Kommission übersendet. Derzeit wird diese Entscheidung, welche bestimmte Prinzipien zur Übermittlung von personenbezogenen Daten von Europa in die USA für teilnehmende amerikanische Unternehmen aufstellt, vor dem Hintergrund der Snowden-Enthüllungen überarbeitet. Die Kommission hatte dem amerikanischen Handelsministerium hierfür im November 2013 bereits 13 konkrete Vorgaben gemacht (Mitteilung der Kommission, COM(2013) 847, PDF), welche bis zum Sommer 2014 umgesetzt werden sollen. Im nachfolgenden möchte ich einige der Vorschläge der Art. 29 Gruppe ansprechen.

Zur Not: Aussetzen

Die Art. 29 Gruppe stellt zunächst klar, dass die Gewährleistung eines angemessenen Schutzniveaus unter Safe Harbor für die Daten europäischer Bürger derzeit fraglich erscheint. Sie begrüßt die Entscheidung der Kommission, Safe Harbor neu zu verhandeln und auch die 13 bereits identifizierten Änderungsvorgaben. Sollte der Überarbeitungsprozess jedoch zu keinem positiven Ergebnis gelangen, dann sprechen sich die Datenschützer für eine Aussetzung von Safe Harbor aus. Zudem verweisen sie auf die stets bestehende Möglichkeit für nationale Datenschutzbehörden, einzelne Datentransfers in die USA zu unterbinden.

Anwendbares Recht
Die Art. 29 Gruppe schlägt vor, in Safe Harbor klarzustellen, dass amerikanische Unternehmen, die keine Niederlassung in der EU besitzen, sich auch dann an europäisches (nationales) Datenschutzrecht halten müssen, wenn sie personenbezogene Daten in einem Mitgliedstaat erheben und hierzu auf Mittel zurückgreifen, welche in dem Mitgliedstaat belegen sind.

Anmerkung: Die Datenschutzbehörden verstehen unter diesen „Mitteln“ etwa PCs auf denen Cookies platziert werden. Die vorgeschlagene Änderung dient wohl vor allem der Information der amerikanischen Unternehmen, die eventuell davon ausgehen, dass sie europäische Vorgaben nicht zu beachten haben.

Transparenz
Wirtschaftszweige, welche nicht der Zuständigkeit der amerikanischen FTC und damit der Überwachung der Einhaltung der Safe Harbor Prinzipien unterliegen, sollten deutlicher hervorgehoben werden. Die online auf der Webseite des amerikanischen Handelsministeriums abrufbaren Zertifikate der teilnehmenden Unternehmen sollten genauer Auskunft darüber geben, welche Datenarten vom Zertifikat erfasst werden und welche Einheiten eines Konzerns umfasst sind.
Teilnehmende Unternehmen sollten Informationen zum Datenschutz und zur Einhaltung der Safe Harbor Prinzipien im Internet deutlicher und verständlicher präsentieren. Zudem sollten Betroffene deutlich auf ihr Auskunftsrecht und wie sie dieses ausüben können, hingewiesen werden. Auch die Aufgaben der verschiedenen beteiligten staatlichen Institutionen und ihre Befugnisse sollten in der Safe Harbor Entscheidung klarer festgelegt werden.

Rechtsschutz
Betroffenen sollte das Recht eingeräumt werden, vor einem zuständigen nationalen Gericht in der EU Klage gegen ein amerikanisches Unternehmen auf Schadenersatz erheben zu können, wenn eine rechtwidrige Datenverarbeitung vorliegt. Zudem sollten die amerikanischen Unternehmen dazu angehalten werden, europäische Anbieter zur außergerichtlichen Streitbeilegung zu wählen. Derzeit müssten viele Betroffene sich mit amerikanischen Anbietern einer solchen Streitbeilegung auseinandersetzen, was jedoch Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung mit sich bringe.
Unabhängig davon sollte für Betroffene das Recht vorgesehen werden sich stets an die für sie zuständige nationale Datenschutzbehörde wenden und ihre Beschwerde dort einbringen zu können. Zudem sollten die Regeln zu Verantwortlichkeit der teilnehmenden amerikanischen Unternehmen deutlicher ausgestaltet werden.

Gebühren
Derzeit verlangen einige der Anbieter einer außergerichtlichen Streitbeilegung noch Gebühren, wenn sich europäische Nutzer an sie wenden. Die Art. 29 Gruppe fordert, dass diese Gebühren abgeschafft werden müssen.

Zugang durch US-Behörden
Ausnahmen von der Einhaltung der in Safe Harbor aufgestellten Prinzipien sollten eingeschränkt werden. Zudem ist es der Art. 29 Gruppe wichtig, dass das aus dem europäischen Recht bekannte Notwendigkeits- und Verhältnismäßigkeitsprinzip für Ausnahmen Anwendung findet. Die Möglichkeit zur Aussetzung von Datentransfers sollte deutlicher umschrieben werden.
Zudem schlagen die Datenschützer vor, dass der Begriff der „Verarbeitung personenbezogener Daten“ in Safe Harbor definiert wird und zwar in Form der europäischen Idee. Denn in den USA zählt die Erhebung von Daten noch nicht zur „Verarbeitung“, in Europa jedoch schon. Daher greifen in den USA Schutzmechanismen für eine Verarbeitung personenbezogener Daten erst nach der Stufe der Erhebung dieser Daten ein.

Weitergabe der Daten
Nach den bestehenden Prinzipien darf ein Unternehmen die ihm übermittelten Daten nur an Dritte weitergeben, wenn es Grundsätze der Informationspflicht und der Wahlmöglichkeit anwendet. Wenn Daten an einen Dritten weitergeben werden sollen, der im Auftrag und auf Anweisung tätig ist, kann dies etwa dann geschehen, sofern der Dritte selbst Safe Harbor angehört. Die Art. 29 Gruppe möchte diese Voraussetzung grundsätzlich auf jeden Dritten erstrecken, also auch auf solche Stellen, die selbst Verantwortliche sind und nicht im Auftrag handeln. Zudem sollten Dritte, die im Auftrag handeln, verpflichtend einen Vertrag mit der übermittelnden Stelle abschließen müssen.

Fazit
Es wurden hier nur einige Vorschläge der Art. 29 Gruppe angesprochen. Viele dieser Vorschläge decken sich bereits mit denjenigen der Kommission, einige gehen darüber hinaus. Die Verhandlungen mit den USA scheinen derzeit konstruktiv zu verlaufen, wie Paul Nemitz, Direktor der Direktion C der Generaldirektion Justiz, kürzlich in einer Anhörung (PDF) durch das britische Oberhaus (House of Lords) zum Thema Safe Harbor berichtete.

Hat der EuGH die Cloud für tot erklärt?

In seinem gestrigen Urteil (Az. C?293/12 und C?594/12) zur Vereinbarkeit der Vorgaben der Richtlinie 2006/24 (VDS-RL, PDF) zur Vorratsdatenspeicherung, hat sich der EuGH naturgemäß mit den einzelnen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie in nationalstaatliches Recht befasst. Die Richtlinie wurde, in ihrer jetzigen Ausformung, für nichtig erklärt (siehe hierzu die Urteilsbesprechung bei Hans Peter Lehofer), da die derzeit geltenden Vorgaben unverhältnismäßige Eingriffe in die europäischen Grundrechte auf Privatsphäre (Art. 7 Charta der Grundrechte der EU, Charta) und auf den Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 Charta) zur Folge hätten. Bisher kaum Beachtung scheinen jedoch einige, meines Erachtens für das allgegenwärtige Cloud Computing wichtige, Ausführungen des Gerichts gefunden zu haben.

In seinem Urteil prüft der EuGH ab Rz. 56 die Verhältnismäßigkeit der Vorgaben der VDS-RL im engeren Sinne. Die dort erlaubten Eingriffe in Grundrechte müssen auf das absolut notwendige Maß beschränkt sein. In Rz. 65 kommt das Gericht zu dem Schluss:

Somit ist festzustellen, dass die Richtlinie einen Eingriff in diese Grundrechte beinhaltet, der in der Rechtsordnung der Union von großem Ausmaß und von besonderer Schwere ist, ohne dass sie Bestimmungen enthielte, die zu gewährleisten vermögen, dass sich der Eingriff tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkt.

Maßnahmen zur Datensicherheit
„Gut“, möchte man denken. Damit ist die Prüfung abgeschlossen. Doch das Gericht fügt seiner Begründung noch drei weitere Randziffern (66-68) an. In diesen befasst es sich, freilich zunächst auch mit Blick auf die VDS-RL, mit der Sicherheit und dem Schutz von gespeicherten Daten. Der EuGH stellt fest, die VDS-RL keine ausreichenden Bestimmungen enthalte, dass die auf Vorrat gespeicherten Daten wirksam vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang zu ihnen und jeder unberechtigten Nutzung geschützt sind (Rz. 66).

Solche Vorgaben zum Schutz personenbezogener Daten und gerade auch in Bezug auf Maßnahmen zur Gewährung der Datensicherheit kennen wir aus der Datenschutz-Richtlinie, 95/46/EG (DS-RL, PDF). Dort bestimmt Art. 17 DS-RL entsprechende Pflichten für die verantwortliche Stelle. Im Falle einer Auftragsdatenverarbeitung, wenn also die tatsächlichen Verarbeitungsprozesse von einem Dritten wahrgenommen werden, bestimmt Art. 17 Abs. 2 DS-RL, dass die verantwortliche Stelle nur solche Auftragnehmer auswählen darf, die technische Sicherheitsmaßnahmen bereithalten. Zudem muss sich der Verantwortliche hiervon auch selbst überzeugen. Art. 17 Abs. 3 DS-RL bestimmt zudem, dass auch den Auftragsdatenverarbeiter selbst Pflichten zur Datensicherheit nach dem für ihn geltenden nationalen Datenschutzrecht treffen.

Cloud Computing
Diese Konstellation, die Datenverarbeitung durch einen Auftragnehmer, ist das typische Beispiel, welches den meisten Cloud Computing-Lösungen zugrunde liegt. Man nehme etwa den Anbieter eines Internet-Speicherdienstes: Der Anbieter der Cloud ist der Auftragsdatenverarbeiter (er selbst sitzt z. B. in den USA, seine Server stehen auf der ganzen Welt), der Kunde ist die verantwortliche Stelle (ob diese rechtliche Einschätzung in der heutigen Zeit noch angemessen erscheint, soll hier nicht diskutiert werden; sie ist nicht unumstritten, wird so aber etwa von der Art. 29 Datenschutzgruppe vertreten, siehe Stellungnahme WP 196, PDF).

Zurück zum Urteil des EuGH. Auch das Gericht verweist für erforderliche Sicherheitsmaßnahmen auf die Vorgaben des Art. 17 DS-RL (Rz. 67), deren Einhaltung, wir erinnern uns an das Beispiel, der Kunde des Speicherdienstes zu prüfen hätte und der Speicherdienst als Auftragnehmer auch selbst einsetzen müsste. Doch nun wird es interessant und relevant.

Datenspeicherung in Drittstaaten
Der EuGH kritisiert in Rz. 68, dass die VDS-RL im Rahmen der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen keine Vorgaben dazu macht, dass die Daten nur innerhalb des Unionsgebietes gespeichert werden dürfen. Hieraus folgert das Gericht, dass

es nicht als vollumfänglich gewährleistet angesehen werden kann, dass die Einhaltung der in den beiden vorstehenden Randnummern angesprochenen Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit, wie in Art. 8 Abs. 3 der Charta ausdrücklich gefordert, durch eine unabhängige Stelle überwacht wird.

Der in dem Zitat angesprochene Art. 8 Abs. 3 Charta bestimmt, dass die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten durch eine unabhängige Stelle überwacht werden müssen. In der Praxis sind dies in Europa die Datenschutzbehörden.

Was bedeutet diese Aussage nun? Der EuGH scheint der Auffassung zu sein, dass Daten, welche auf Servern in Drittstaaten gespeichert werden, nicht dem Schutzniveau des Art. 8 Charta entsprechend geschützt werden können. Dies deshalb, weil in dem jeweiligen Drittstaat möglicherweise keine unabhängige Stelle existiert, welche die Einhaltung der Vorgaben zum Datenschutz und zur Datensicherheit überwacht. Nun mag man einwenden, dass es ja gerade für Fälle der Übermittlung von Daten in Drittstaaten etwa Standardvertragsklauseln gibt oder auch Angemessenheitsbeschlüsse der Kommission, die einem Drittstaat (oder einem gewissen Wirtschaftsbereich) ein angemessenes Schutzniveau bescheinigen. Auf diese Instrumente scheint das Gericht aber überhaupt nicht abzustellen. Sein Verweis bezieht sich vielmehr auf das Vorhandensein einer unabhängigen Stelle im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Charta. Diese Überwachung durch unabhängige Datenschutzbehörden ist für den EuGH entscheidend.

Hiergegen mag man ins Feld führen, dass es ja auch in Drittstaaten unabhängige Behörden gibt, welche die Einhaltung des dortigen Datenschutzrechts überwachen. Doch auch diesbezüglich scheint der EuGH den Grundrechtsschutz des Art. 8 Charta äußerst streng zu nehmen, denn er führt aus:

Eine solche Überwachung auf der Grundlage des Unionsrechts ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Wahrung des Schutzes der Betroffenen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Das Gericht knüpft das Erfordernis der Überwachung durch eine unabhängige Stelle an die „Grundlage des Unionsrechts“. Es mag also durchaus unabhängige Datenschutzbehörden in Drittstaaten geben. Diese überwachen die Einhaltung von Vorgaben zur Datensicherheit und zum Datenschutz jedoch grundsätzlich nicht auf Grundlage des Unionsrechts. Vielmehr gilt für diese Behörden ihr jeweils nationales Recht. Ebenso muss für europäische Datenschutzbehörden festgestellt werden, dass diese ihre Überwachungsmaßnahmen nicht in Drittstaaten ausdehnen können. Sie sind hinsichtlich ihrer öffentlich-rechtlichen Befugnisse vielmehr territorial beschränkt. Man könnte sich nun fragen, wann denn überhaupt eine Behörde auf der Grundlage des Unionsrechts die Einhaltung von Datenschutz- und Datensicherheitsstandards in einem Drittstaat wirksam überwachen kann?

Lösungen und Konsequenzen
Als einziger Ansatzpunkt würde mir einfallen, dass man z. B. Angemessenheitsbeschlüsse (wie etwa Safe Harbor) oder auch Standardvertragsklauseln als eine solche Grundlage des Unionsrechts ansieht, nach deren Vorgaben der Verarbeiter im Drittstaat handeln muss. Freilich wird hierdurch nicht das Problem gelöst, dass eine europäische Datenschutzbehörde nicht im Drittstaat hoheitlich tätig werden kann, also dort nicht direkt auf „Grundlage des Unionrechts“ überwachen kann.

Denn die Safe Harbor-Entscheidung, ebenso wie die Standardvertragsklauseln der EU sehen für Kontrollstellen die Möglichkeit vor, Datenübermittlungen in ein Drittland auszusetzen. Also gegen den Verantwortlichen in der EU vorzugehen. Dies jedoch nicht etwa dann, wenn die Behörde den Auftragnehmer in dem Drittstaat selbst kontrolliert und etwa Mängel bei der Datensicherheit festgestellt hat. Die Befugnisse der europäischen Behörden greifen dann, wenn feststeht, dass der Verarbeiter in dem Drittstaat die an ihn gestellten Vorgaben (sei es aus Vertragsklauseln oder Angemessenheitsbeschlüssen) nicht einhalten kann. Für Informationen hierzu ist die jeweilige europäische Behörde aber freilich auf Angaben Dritter angewiesen, also etwa von Behörden in dem Drittstaat oder des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen selbst. Gut möglich, dass diese „mittelbare“ Überwachung ausreicht, um den Vorgaben des EuGH gerecht zu werden. Hierfür spricht meines Erachtens auch, dass der europäische Gesetzgeber die Datenschutz-Richtlinie mit entsprechenden Mechanismen zur Übermittlung und Speicherung von Daten in Drittstaaten ausgestaltet hat. Wohl wissend, dass nationale Behörden dann nur begrenzte Prüfmöglichkeiten besitzen. Und auch der EuGH selbst hat etwa in seinem Lindqvist-Urteil (Az. C-101/01) darauf hingewiesen, dass für die Mitgliedstaaten und die Kommission gewisse Pflichten zur Kontrolle solcher Datenübermittlungen bestehen (Rz. 63 ff.). Jedoch hat er diese Übermittlung nicht kategorisch ausgeschlossen oder von einer direkten Einflussnahmemöglichkeit europäischer Behörden abhängig gemacht (auch wenn die Frage der Voraussetzungen der Datenübermittlung dort nicht direkt Gegenstand der gerichtlichen Prüfung war und daher nicht vertieft wurde). Dennoch verbleibt ein gewisses Unwohlsein, welches sich vor allem aus der Deutlichkeit der Aussage des EuGH ergibt.

Ausblick
Die Ausführungen des EuGH zur Datenspeicherung in Drittstaaten sind durchaus bemerkenswert. Dies gerade vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussion um ein „Schengen-Routing“ und dem sog. Datenprotektionismus in Folge der Enthüllungen um die Überwachungstätigkeiten von Geheimdiensten. Wie dargestellt liegt die Konstellation der Speicherung von Daten in Drittstaaten vor allem auch dem Cloud Computing zugrunde. Ist die Cloud deshalb tot? Ich denke nicht. Denn die Ausführungen des EuGH sind dafür wohl von zu allgemeiner Natur. Dennoch stellen sich Fragen: Sollte eine Speicherung von personenbezogenen Daten in Ländern außerhalb der EU nun (unabhängig von der rechtlichen Grundlage der Übermittlung) nicht mehr möglich sein? Oder etwa nur wenn sich der Datenverarbeiter behördlichen Maßnahmen europäischer Stellen freiwillig unterwirft? Reicht die beschriebene „mittelbare“ Überwachungsmöglichkeit und dem folgend etwa Maßnahmen gegen den Verantwortlichen in der EU aus? Sollte dem nicht so sein, dann wäre dies ein Schritt zurück, hinter die Intention der geltenden DS-RL und würde der digitalen Wirtschaft und damit auch unserem täglichen Umgang mit Internetdiensten einen Bärendienst erweisen.

Europäische Datenschutzbehörden zur Benachrichtigungspflicht bei Datenschutzverletzungen

Wer ist zu benachrichtigen, wenn unberechtigterweise auf personenbezogene Daten zugegriffen wird? Wann sind nicht nur die jeweils zuständige Datenschutzbehörde, sondern auch die Betroffenen selbst zu informieren?

Die Art. 29 Datenschutzgruppe (der Zusammenschluss der europäischen Datenschutzbehörden) hat sich in ihrer neuesten Stellungnahme (WP 213, PDF) einer Erläuterung der Pflichten von datenverarbeitenden Stellen angenommen, die jeweiligen Datenschutzbehörden und eventuell auch die Betroffenen zu informieren, wenn der Schutz personenbezogener Daten verletzt wird („data breach notification“).

Europarechtliche Grundlage der Benachrichtigungspflicht ist Art. 4 Abs. 3 (RL 2002/58/EG, in ihrer Fassung durch RL 2009/136/EG, Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation). Danach hat der Betreiber von öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten, im Fall einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten, die zuständige nationale Behörde von der Verletzung unverzüglich zu benachrichtigen. Art. 2 lit. i) RL 2002/58/EG definiert die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten als

eine Verletzung der Sicherheit, die auf unbeabsichtigte oder unrechtmäßige Weise zur
Vernichtung, zum Verlust, zur Veränderung und zur unbefugten Weitergabe von bzw. zum unbefugten Zugang zu personenbezogenen Daten führt, die übertragen, gespeichert oder auf andere Weise im Zusammenhang mit der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft verarbeitet werden.

Für Unternehmen von besonderer Bedeutung ist zudem, welche Informationen der Behörde mitgeteilt werden müssen. Die Anforderungen hieran finden sich in der Verordnung 2013/611/EG (PDF).

Die Art. 29 Datenschutzgruppe geht in ihrer Stellungnahme auf die verschiedenen Problembereiche rund um eine Benachrichtigungspflicht ein.

Für Betreiber öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste besteht bei einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten eine Mitteilungspflicht an die Datenschutzbehörde. Eine Ausnahme ist nicht vorgesehen. Sie hat grundsätzlich innerhalb von 24 Stunden zu erfolgen, Art. 2 Abs. 2 Verordnung 2013/611/EG. Diese 24 Stunden Frist verlängert sich auf eine 72 Stunden Frist, wenn der Betreiber innerhalb der 24 Stunden nicht alle für die Meldung erforderlichen Informationen bereitstellen kann. Dann ist innerhalb der ersten 24 Stunden eine „Erstbenachrichtigung“ an die Behörde ausreichend, Art. 2 Abs. 3 Verordnung 611/2013/EG. Nach dieser Erstbenachrichtigung beginnen die weiteren 72 Stunden, in denen der Betreiber die restlichen Informationen sammeln kann.

Etwas anders stellt sich die Situation in Bezug auf die Benachrichtigung der Betroffenen dar. Diese ist nach Art. 4 Abs. 1 RL 2002/58/EG nur vorzunehmen, wenn „durch die Verletzung personenbezogener Daten die personenbezogenen Daten, oder Teilnehmer oder Personen in ihrer Privatsphäre, beeinträchtigt werden“. Die Art. 29 Datenschutzgruppe geht in ihrer Stellungnahme auf einige Beispiele ein, wann der Fall einer solchen „Beeinträchtigung“ vorliegt.

Von dieser Benachrichtigungspflicht der Betroffenen besteht jedoch erneut eine Rückausnahme für die Betreiber, wenn er nämlich nach Art. 4 Abs. 3 RL 2002/58/EG

zur Zufriedenheit der zuständigen Behörde nachgewiesen hat, dass er geeignete technische Schutzmaßnahmen getroffen hat und dass diese Maßnahmen auf die von der Sicherheitsverletzung betroffenen Daten angewendet wurden.

Insbesondere erwähnt die Richtlinie eine Verschlüsselung der Daten. Die Art. 29 Datenschutzgruppe weist darauf hin, dass freilich auch bei einer ausreichenden Verschlüsselung der Daten die Behörde zu benachrichtigen ist. Wenn jedoch die Vertraulichkeit des Schlüssels gewährleistet ist, dann gehen die Datenschützer davon aus, dass eine „Beeinträchtigung“ der Betroffenen nicht vorliegt und diese daher nicht benachrichtigt werden müssen. Selbst jedoch bei tauglicher Verschlüsselung kann eine Benachrichtigungspflicht an die Betroffenen entstehen. Dann nämlich, wenn etwa ein Verlust von Daten negative Auswirkungen haben kann (z. B. wenn der Betreiber keine Sicherheitskopien bereithält).

Die Art. 29 Datenschutzgruppe ist daher der Auffassung, dass es für die Verantwortlichen von entscheidender Bedeutung ist, vorausschauend zu planen und zu handeln. Sie weist zudem auf die Pflicht für Betreiber zur Ergreifung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen hin, Art. 4 Abs. 1 RL 2002/58/EG (siehe auch Art. 17 der RL 95/46/EG, PDF). Eine Erfüllung dieser Sicherheitspflichten wird auch dazu führen, dass die Gefahr der Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten verringert wird, wie auch eine mögliche negative Folge für die Betroffenen, sollte dieser Fall dennoch eintreten.

Insgesamt dürfte die neue Stellungnahme der europäischen Datenschützer eine willkommene Handreichung für Datenschutzpraktiker darstellen, da sie sowohl abstrakt als auch konkret einzelne (evtl. unklare) Problembereiche in Bezug auf die Benachrichtigungspflichten anspricht und die Sichtweise der Behörden erläutert.