Am heutigen Freitag soll im Bundestag über einen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Intelligente Mobilität fördern – Die Chancen der Digitalisierung für den Verkehrssektor nutzen“ (BT-Drs. 18/7362, pdf) abgestimmt werden.
In diesem Antrag befasst sich die Bundesregierung unter anderem auch mit dem Thema Datenschutz (ab S. 5) und wie mit personenbezogenen Daten, die beim Einsatz verletzter Fahrzeuge entstehen, in Zukunft umgegangen und wie diese geschützt werden sollen. Die in dem Antrag zum Ausdruck gebrachten Forderungen bzw. Wünsche werfen jedoch einige Fragen mit Blick auf die geltende Rechtslage im Datenschutzrecht auf.
Nach dem Antrag sollen personenbezogene Daten, die vom Fahrzeug erzeugt werden, nur
mit Zustimmung des Betroffenen und bestehend auf einer gesetzlichen Grundlage pseudonymisiert erhoben werden dürfen, so dass u.a. die Erstellung von Bewegungsprofilen mit einem direkten Personenbezug nicht möglich ist.
Vor dem Hintergrund des geltenden Rechts, dass personenbezogene Daten, auf die sich die Bundesregierung hier ausdrücklich bezieht, dann verarbeitet werden dürfen, soweit dies ein Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift erlaubt oder aber der Betroffene selbst eingewilligt hat (§ 4 Abs. 1 BDSG), irritiert die Formulierung, dass personenbezogene Daten mit Zustimmung des Betroffenen und (!) auf einer gesetzlichen Grundlage erhoben werden dürfen. Den gesetzlichen Vorgaben hätte es jedoch entsprochen, wenn das Wort „und“ durch ein oder ersetzt worden wäre. Die Bundesregierung scheint hier den Wunsch zu äußern, dass sowohl eine Einwilligung vorliegen als auch eine gesetzliche Grundlage einschlägig sein muss, damit personenbezogene Daten überhaupt erst erhoben werden dürfen.
Hierbei kann es sich freilich auch um ein Versehen oder eine zu strenge Auslegung am Wortlaut meinerseits handeln. Sollte die Bundesregierung jedoch tatsächlich kumulativ eine Einwilligung als eine gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung erforderlich halten, so dürfte dies gegen europäisches Recht verstoßen.
Der europäische Gerichtshof hat bereits im Jahre 2011 (C-468/10 und C-469/10) zu Art. 7 der Datenschutzrichtlinie (RL 95/46 EG), der die möglichen Grundlagen einer Datenverarbeitung festlegt, entschieden, dass die Mitgliedstaaten weder neue Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten neben Art. 7 der Richtlinie 95/46 einführen, noch zusätzliche Bedingungen stellen dürfen, die die Tragweite eines der sechs in diesem Artikel vorgesehenen Grundsätze verändern würden. Möchte die Bundesregierung jedoch kumulativ sowohl die Einwilligung als auch eine gesetzliche Erlaubnis für die Zulässigkeit des Umgangs mit personenbezogenen Daten im vernetzten Fahrzeug vorsehen, dürfte dies eine zusätzliche Bedingungen im Sinne des Urteils des europäischen Gerichtshofs darstellen. Die Erfüllung von zwei möglichen Zulässigkeitsalternativen würden verpflichtend zusammengefasst.
Unklar ist zudem, wie sich die Vorgabe der Bundesregierung, dass per se bereits nur pseudonymisierte Daten erhoben werden dürfen, mit der geplanten Vorgabe verhält, dass hierfür sowohl eine Einwilligung als auch eine gesetzliche Erlaubnis erforderlich ist. Zwar wird heute bereits vielfach davon ausgegangen, dass es sich auch bei pseudonymisierten Daten weiterhin um personenbezogene Daten handelt. Jedoch wird gerade der Umgang mit Daten unter einem Pseudonym, insbesondere auch wenn es sich um Fälle handelt die von der Bundesregierung im Antrag angesprochen werden, nämlich wenn Nutzungsprofile erstellt werden, gesetzlich privilegiert. So erlaubt § 15 Abs. 3 TMG die Erstellung von Nutzungsprofilen unter Verwendung eines Pseudonyms für Zwecke der Werbung, Marktforschung oder auch zur bedarfsgerechten Gestaltung von Telemedien ohne vorherige Einwilligung. Dem Nutzer muss nur die Gelegenheit gegeben werden, der Datenverarbeitung im Nachhinein zu widersprechen. Gerade wenn man sich das vernetzte Fahrzeug anschaut, welches sich immer mehr zu einem rollenden Telemediendienst wandelt, stellt sich daher die Frage, ob die Bundesregierung eine Verschärfung der geltenden Vorgaben auch bezüglich des Erstellens von Nutzungsprofilen unter einem Pseudonym plant.
Des Weiteren weist die Bundesregierung in ihrem Antrag darauf hin, dass den Betroffenen die wichtigsten Informationen zum Umgang mit personenbezogenen Daten einfach formuliert bereitgestellt werden müssen. Diese Vorgabe ist nicht unbedingt neu, denn bereits derzeit müssen Informationen zur Datenverarbeitung etwa nach § 13 Abs. 1 TMG oder § 4 Abs. 3 BDSG.
Zudem sieht der Antrag der Bundesregierung vor, dass der Fahrer und/oder Fahrzeughalter selbst entscheiden dürfen sollte,
wer Zugriff auf seine personenbezogenen Daten hat. Deshalb bedarf das Auslesen bzw. Übermitteln dieser Daten aus dem Fahrzeug einer Erlaubnis. Die „Aktivierung/Deaktivierung“ der Datenu?bermittlung muss jederzeit möglich und einfach auszuführen sein.
Auch diese Forderung ist dem Grunde nach erst einmal keine Änderung zu geltenden Rechtslage. Denn wie bereits beschrieben, bedarf eine Datenverarbeitung (damit auch eine Erhebung im Wege des Zugriffs) entweder der Einwilligung oder eines gesetzlichen Erlaubnistatbestandes. Eine Verschärfung würde sich jedoch dann ergeben, wenn die Aussagen der Bundesregierung dahin zu verstehen sind, dass mit dem „selbst entscheiden dürfen“ stets eine Einwilligung des Betroffenen gemeint ist. Man könnte jedoch eventuell auch davon ausgehen, dass diese Erlaubnis bereits bei Vertragsabschluss, etwa beim Kauf des Fahrzeugs, erteilt wird. Zudem spricht die Bundesregierung in ihrem Antrag von „einer“ Erlaubnis und nicht „seiner“. Unter „einer Erlaubnis“ kann man auch gesetzliche Grundlagen verstehen.
Der nachfolgende Zusatz jedoch, dass die Aktivierung bzw. Deaktivierung einer Datenübermittlung jederzeit möglich sein muss, spricht erneut für das zwingende Erfordernis einer Einwilligung des Betroffenen die durch die zuvor beschriebene Aktivierung bzw. Deaktivierung ausgeübt wird. Da diese „jederzeit“ ausgeübt können werden soll, kann es sich auch nicht um eine zuvor erteilte Einwilligung, etwa beim Kauf des Autos handeln.
Insgesamt stellen sich nach kurzer Analyse dieses Antrags der Bundesregierung doch einige Fragen und man wird abwarten müssen, in welcher Form die Bundesregierung eine Umsetzung dieses Antrags plant. Sollte es ja noch zu den oben besprochenen Verschärfungen kommen, habe ich Zweifel, ob diese einer Prüfung aus europarechtlicher Sicht standhalten würden. Dies gilt auch, wenn in ca. zwei Jahren die neue Datenschutz Grundverordnung wirksam wird.
Das Thema Datenschutz und vernetzte Fahrzeuge ist derzeit nicht nur im Parlament von Interesse. Diese Woche haben sich die Landesdatenschutzbeauftragten in Deutschland und der Verband der Automobilindustrie auf eine gemeinsame Leitlinie (pdf) bei der Anwendung und Auslegung des geltenden Datenschutzrechts mit Blick auf die Nutzung vernetzter Fahrzeuge geeinigt (hierzu mein englischer Blogbeitrag).