Europäische Datenschutzbehörden veröffentlichen Leitlinien zum Beschäftigtendatenschutz

Mit ihrer Stellungnahme 2/2017 vom 8. Juni 2017 (PDF) haben sich die europäischen Datenschutzbehörden, die in der Art. 29 Datenschutzgruppe versammelt sind, zu verschiedenen Fragen der Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses geäußert. Interessant und für die Praxis besonders relevant ist, dass sich die Datenschutzbehörden in ihrer Stellungnahme nicht nur zur aktuellen Rechtslage (also zur europäischen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG) äußern, sondern auch ein Ausblick auf die Auslegung der EU Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Kontext der Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten geben.

Die nun veröffentlichte Stellungnahme ist nicht die erste, die sich mit dem Beschäftigtendatenschutz befasst. Bereits im Jahre 2001 und 2002 hat die Art. 29 Datenschutzgruppe Stellungnahmen hierzu veröffentlicht. Die nun vorliegende Stellungnahme ist jedoch nach Ansicht der Datenschützer insbesondere deshalb erforderlich, da sich seit Veröffentlichung der vorherigen Stellungnahmen die technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten zur Verarbeitung personenbezogener Daten gerade auch im Beschäftigungsverhältnis geändert haben. Aus diesem Grund möchten die Datenschützer auch hier neue Leitlinien veröffentlichen.

Die vorliegende Stellungnahme befasst sich daher insbesondere auch mit neuen Verarbeitungsmöglichkeiten, etwa im Rahmen von Social Media Plattformen. Insgesamt behandelt Stellungnahme hierzu neun beispielhafte Szenarien und die Datenschützer stellen dar, inwiefern Datenverarbeitung in diesen Szenarien ihrer Auffassung nach zulässig sind. Hier bereits der Hinweis: die Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe ist kein Gesetz und nicht bindend, für die Praxis aber natürlich durchaus von Relevanz.

Wer ist Beschäftigter?

Ganz zu Beginn ihrer Stellungnahme weisen die Datenschützer darauf hin, dass der Begriff des „Beschäftigten“ im Rahmen ihrer Stellungnahme nicht zu eng zu verstehen ist und insbesondere nicht unbedingt den klassischen festen Anstellungsvertrag voraussetzt. Die Datenschützer erwähnen etwa auch freie Mitarbeiter, die ihrer Ansicht nach unter den Begriff des Beschäftigten im Rahmen dieser Stellungnahme fallen. Den Datenschützern geht es gerade nicht darum, nur solche Szenarien abzudecken, in denen tatsächlich ein Arbeitsvertrag besteht.

Möglichkeiten der Verarbeitung im Beschäftigungsverhältnis

Zunächst befasst sich die Stellungnahme mit den Verarbeitungsmöglichkeiten auf der Grundlage der noch geltenden EU Datenschutzrichtlinie. Zudem weisen die europäischen Datenschutzbehörden darauf hin, dass sie sich wünschen würden, dass in dem derzeit diskutierten Vorschlag für eine ePrivacy-Verordnung eine spezifische Ausnahme für den Zugriffs auf Endgeräte von Arbeitnehmern aufgenommen wird. Diese Möglichkeit wurde kürzlich im Entwurf eines Berichts des LIBE-Ausschusses im Europäischen Parlament vorgesehen. Meines Erachtens nach ergeben sich mit Einführung einer solchen Spezifizierung hinsichtlich des Zugriffs auf Endgeräte im Arbeitsverhältnis jedoch schwierige Fragen der Abgrenzung zur DSGVO und auch dem neuen BDSG. Hierzu mein Blogbeitrag.

Einwilligung

Nach Auffassung der Datenschutzbehörden stellt die Einwilligung der Beschäftigten für die überwiegende Mehrheit von Datenverarbeitungsvorgängen zumeist nicht die passende Grundlage dar. Diese Auffassung der Datenschutzbehörden (gerade auch in Deutschland) ist nicht unbedingt neu. Gerne wird auch pauschal die Möglichkeit verneint, dass Beschäftigte eine datenschutzrechtliche Einwilligung gegenüber ihrem Arbeitgeber abgeben könnten. In Deutschland hat das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13) völlig zu Recht entschieden, dass natürlich auch im Beschäftigungsverhältnis die Möglichkeit einer datenschutzrechtlichen Einwilligung per se erst einmal gegeben ist. Es kommt dann freilich immer stets auf die Umstände an, ob die Anforderungen der Einwilligung tatsächlich auch erfüllt sind, wie etwa die Freiwilligkeit der Abgabe der Einwilligungserklärung. Die Datenschutzbehörden gehen davon aus, dass eine Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis insbesondere dann nicht wirksam ist, wenn sich an die Weigerung der Abgabe einer Willenserklärung durch den Beschäftigten eine negative Folge für diesen knüpfen würde. In diesem Fall fehlt es an der Freiwilligkeit der Abgabe der Einwilligungserklärung.

Durchführung des Arbeitsvertrages

Viele Datenverarbeitungen im Beschäftigungsverhältnis können in der Praxis auf der Grundlage des Arbeitsvertrages und zu dessen Durchführung vorgenommen werden. Dieser Auffassung sind auch die Datenschützer und verweisen beispielhaft etwa auf Datenverarbeitung im Rahmen von Gehaltszahlungen.

Interessenabwägung

Die in der Praxis jedoch wohl wichtigste Grundlage für eine Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten stellt die Möglichkeit einer Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers und den schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers dar (Art. 7 f) EU Datenschutzrichtlinie). Nach Auffassung der Datenschutzbehörden muss die Datenverarbeitung in diesem Fall in jedem Fall angemessen und verhältnismäßig sein. Zudem sollten Datenverarbeitungen im Arbeitsverhältnis stets die am wenigsten einschneidende Maßnahme in Bezug auf die Rechte des Arbeitnehmers darstellen. In jedem Fall, so die Datenschutzbehörden, ist es erforderlich, das durch den Arbeitgeber bestimmte Maßnahmen umgesetzt sind, um die Risiken für die Arbeitnehmer zu minimieren und die schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer gebührend zu berücksichtigen. Am Beispiel der Überwachung von Arbeitnehmern stellen die Datenschützer dar, dass solche Maßnahmen etwa eine geographische Begrenzung der Überwachung darstellen können, die Begrenzung kann sich aber auch auf bestimmte Datenkategorien beziehen oder aber auch auf bestimmte Zeitintervalle erstreckt werden. Dies wären nach Auffassung der Datenschutzbehörden solche angemessenen Maßnahmen, um die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

DSGVO

Des Weiteren befassen sich die Datenschutzbehörden auch mit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis unter den Vorgaben der DSGVO. Zumindest wird in der Stellungnahme kurz auf einige Besonderheiten der DSGVO hingewiesen. Zum einen auf die Anforderungen des Art. 25 DSGVO, dem Prinzip des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch Voreinstellungen. Nach Auffassung der Datenschutzbehörden bedeutet dies für die Arbeitgeber, dass, wenn sie Endgeräte an ihre Arbeitnehmer herausgeben, diese Endgeräte mit datenschutzfreundlichen Voreinstellungen bestückt sein müssen und das Prinzip der Datenminimierung auf der technischen Ebene beachtet werden muss.

Zu dem für den Beschäftigtendatenschutz relevanten Art. 88 DSGVO (umgesetzt im neuen § 26 BDSG) verhalten sich die Datenschutzbehörden nicht besonders ausführlich. Sie geben allein den Inhalt des Artikels wieder. Jedoch weisen die Datenschutzbehörden darauf hin, dass die Anforderungen des Art. 88 Abs. 2 DSGVO, dass Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person umzusetzen sind, im Rahmen der in der vorliegenden Stellungnahme dargestellten Szenarien beachtet wurden. Die in der Stellungnahme entwickelten Leitlinien erläutern den zulässigen Einsatz von neuen Technologien und stellen dabei die erforderlichen Anforderungen dar, die nach Art. 88 Abs. 2 DSGVO bei der Datenverarbeitung zu erfüllen sind. Dies bedeutet in der Praxis, dass die in der Stellungnahme der Datenschutzbehörden dargestellten Sachverhalte und vorgeschlagenen Lösungsvarianten aus Sicht der Datenschutzbehörden die Anforderungen der DSGVO erfüllen.

Datenverarbeitung aus sozialen Netzwerken

In einem dargestellten Sachverhalt befassen sich die Datenschutzbehörden mit der Situation, das ein potenzieller Arbeitgeber sich vor oder nach einem Vorstellungsgespräch im Rahmen einer Suche im Internet und in Profilen von sozialen Netzwerken ein eigenes Bild über den Kandidaten machen will. Die Datenschutzbehörden weisen jedoch darauf hin, dass nur weil Informationen in einem Profil in einem sozialen Netzwerk öffentlich abrufbar sind, die Arbeitgeber diese Information nicht auch unbedingt für eigene Zwecke nutzen können. Stets ist für jede Datenverarbeitung ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand zu erfüllen. Sie weisen jedoch darauf hin, dass, bevor ein Arbeitgeber ein Profil eines Sozialen Netzwerkes genauer untersucht, zunächst zu prüfen ist, um was für eine Art von sozialem Netzwerk es sich handelt. Um ein berufliches Netzwerk oder ein Netzwerk mit privatem Hintergrund. Insbesondere im Rahmen der Interessenabwägung als Erlaubnistatbestand kann dieser Umstand eine Rolle spielen. Zudem, so die Datenschutzbehörden, dürfen potentielle Arbeitgeber Daten nur in dem Umfang erheben und verarbeiten, wie dies für den Bewerbungsprozess tatsächlich absolut notwendig ist. Nach Auffassung der Datenschutzbehörden müssen zudem alle im Rahmen des Bewerbungsprozesses erhobenen und gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht werden, sobald deutlich wird, dass den Kandidaten kein Job angeboten wird. Hier lässt sich zumindest kritisch anmerken, dass insbesondere auch in Deutschland die Datenschutzbehörden nicht direkt nach Ende des Auswahlverfahrens die Löschung der Daten verlangen. Insbesondere aufgrund der Möglichkeit des abgelehnten Kandidaten, noch gegen den ablehnenden Arbeitgeber rechtlich vorzugehen (AGG), gestehen auch in Deutschland die Datenschutzbehörden den Unternehmen eine Frist zur Speicherung der Daten zur abgelehnten Bewerbern von einigen Monaten zu.

Überwachung des Datenverkehrs

Ein weiteres Szenario was von den Datenschutzbehörden angesprochen wird, ist die Überwachung und Analyse des Datenverkehrs in das Netzwerk eines Unternehmens und hinaus. Insbesondere aus Sicherheitsgesichtspunkten und zum Schutz der Systeme gestehen die Datenschutzbehörden den Arbeitgebern eine solche Analyse und damit zusammenhängende Datenverarbeitung auch von Arbeitnehmern bis zu einem gewissen Grad zu. Sie weisen jedoch darauf hin, dass eine Überwachung in der Form der Aufzeichnung jeglicher Onlineaktivität von Arbeitnehmern ihrer Auffassung nach eine unverhältnismäßige Maßnahme darstellen würde, insbesondere mit Blick auf das Fernmeldegeheimnis. Interessant ist hierbei, dass die Datenschutzbehörden davon auszugehen scheinen, dass für den Arbeitgeber die Vorgabe der Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses per se zu beachten ist. In Deutschland ist diese Frage jedoch umstritten, insbesondere im Rahmen der gestatteten oder nicht gestatteten privaten Nutzung das Onlinezugangs am Arbeitsplatz.

Weitere Szenarien

Auch zum Thema Bring Your Own Device äußern sich die Datenschutzbehörden in ihrer Stellungnahme. Neben weiteren Szenarien erläutern die Datenschutzbehörden auch, was es im Rahmen des Transfers personenbezogener Daten in das Ausland zu beachten gilt. Hier bleiben die Hinweise der Datenschutzbehörden jedoch recht allgemein. Sie weisen allein darauf hin, dass die Anforderungen des Art. 25 der geltenden EU Datenschutzrichtlinie einzuhalten sind. Nach Auffassung der Datenschutzbehörden sollten sich Arbeitgeber in Fällen der Übermittlung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer in Drittstaaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes insbesondere auf die Mechanismen des Angemessenheitsbeschlusses durch die Europäische Kommission (Bsp: EU US Privacy Shield) verlassen. Daneben können auch die EU Standardvertragsklauseln eine Möglichkeit zum Datentransfer in Drittstaaten sein. Weniger geeignet halten die europäischen Datenschutzbehörden die Ausnahmen für besondere Übermittlungssituationen, wie etwa die ausdrückliche Einwilligung des Arbeitnehmers.

Fazit

Insgesamt ist die doch recht umfangreiche Stellungnahme der Datenschutzbehörden durchaus lesenswert und insbesondere, da sie auch schon die DSGVO im Blick hat, besonders praxisrelevant. Wie immer gilt natürlich, dass man auch hier nicht jegliche Meinung teilen muss. Die Stellungnahme gibt jedoch einen guten Überblick dazu, wie die europäischen Datenschutzbehörden insbesondere in Grenzfällen das Gesetz auslegen bzw. aus ihrer Sicht anwenden.

BYOD – was gilt es für Unternehmen zu beachten?

Ende März 2013 stellte der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit seinen Bericht für das Jahr 2012 vor. Unter anderem wird darin auch das Phänomen des „Bring-Your-Own-Device“ (BYOD) näher betrachtet.

Mit zunehmender Tendenz verwenden Arbeitnehmer und Angestellte an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr (nur) dienstlich gestellte Computer, Laptops und Handys, sondern greifen auf ihrer eigenen Geräte zurück. Dies kann mehrere Gründe haben, wie etwa dass die Geräte des Arbeitgebers bereits technisch veraltet und damit zu langsam sind oder dass die (im privaten Bereich bekannte) Nutzerfreundlichkeit nicht gegeben ist. Auch der Berliner Datenschutzbeauftragte stellt fest, dass der Einsatz privater Geräte am Arbeitsplatz und ihre Verwendung für die Arbeit, Vorteile bieten. Dennoch weist er auch auf erhebliche Risiken hin, welche jedoch durch eine Mischung aus rechtlichen und technischen Maßnahmen gelöst werden können.
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