„Kunde stresst massiv“ – Zulässigkeit von Vermerken & Blacklists in Kundendatenbanken

In ihrem Datenschutzbericht 2023 berichtet die Datenschutzbehörde Österreich (DSB) über einen praxisrelevanten Fall für Unternehmen, die im Bereich B2C oder auch B2B Angaben zu (ungewünschten) Kunden speichern möchten – insbesondere auch zu dem Zweck, mit diesen Kunden in Zukunft keine Verträge mehr abzuschließen.

Sachverhalt

Ein Unternehmen aus Österreich, welches im Bereich EDV-Handel und entsprechende Dienstleistungen tätig ist, verkaufte an einen Kunden aus Spanien mehrere Produkte. Da die Rechnungen innergemeinschaftlich – also ohne österreichische Mehrwertsteuer – ausgestellt wurden, musste die Käuferin bei der Abholung unterschreiben, dass das Produkt außer Landes gebracht werde und eine entsprechende Vollmacht vorlegen bzw. sich als Geschäftsführer ausweisen. Die Käuferin bzw. dessen Geschäftsführer lehnten dies jedoch ab. Zudem wurde die Ware dann reklamiert.

Die Verantwortliche speicherte in der Folge unter anderem folgende Angaben über die Käuferin in ihrer internen Kundendatenbank:

  • (Kurz-) Bezeichnung, die interne Nummer und die Adresse
  • Folgenden als „Sonderinformationen“ bezeichneten Text:

Kunde stresst massiv am Telefon und droht mit Anwalt. Kunde lässt keine Ausweiskopie zu. Wir werden keine Innergemeinschaftlichen Rechnungen mehr ausstellen.

Update: Habe dem Kunden Info gegeben, dass ein Kaufvertrag beidseitig bestehen muss, und wir das nicht wollen!

Die Käuferin beschwerte sich bei der DSB und sah in der Speicherung der Daten einen Verstoß gegen die DSGVO.

Entscheidung der Aufsichtsbehörde

Die DSB sah in der Speicherung der personenbezogenen Daten keinen Verstoß gegen die DSGVO.

Zunächst stellte die DSB fest, dass die Verantwortliche in ihrer Datenbank den Vermerk erfasst, aus dem hervorgeht, dass aufgrund des Verhaltens der Käuferin künftig keine Verträge mehr mit ihr abgeschlossen werden.

Als Ausdruck des allgemeinen Gedankens der Privatautonomie gelte im Schuldrecht das Prinzip der Vertragsfreiheit, also auch der Entscheidungsfreiheit, ob und mit wem ein Vertrag geschlossen wird.

Der interne Vermerk stelle zunächst keine Verarbeitung von unrichtigen Daten dar.

Sofern dieser lediglich in der Dokumentation von Meinungen bzw. Beurteilungen liegt, sind die Daten aus datenschutzrechtlicher Sicht richtig, wenn diese Meinung oder Beurteilung korrekt wiedergegeben wird“.

Zudem geht die DSB von der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nach Art.  6 Abs. 1 DSGVO aus.

Im Lichte der Privatautonomie stelle es nach Auffassung der Datenschutzbehörde ein berechtigtes Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO der Verantwortlichen dar, in ihrem internen Warenwirtschaftssystem festzuhalten, dass sie mit bestimmten (juristischen) Personen, mit denen es bei früheren Geschäftskontakten zu Konflikten gekommen ist, von zukünftigen Vertragsabschlüssen absehen will.

OLG Dresden: Haftung des Verantwortlichen für seinen Auftragsverarbeiter, wenn dieser Daten nicht löscht – Konkrete Anforderungen an Umfang und Tiefe der Kontrollpflichten

Das OLG Dresden (Urt. v. 15.10.2024 – 4 U 940/24, abrufbar über die Suchfunktion des OLG) hat sich in einem Schadenersatzverfahren nach Art. 82 DSGVO mit der Frage befasst, inwiefern ein Verantwortlicher für Fehler seines Auftragsverarbeiters gegenüber Betroffenen haftet. Das Gericht legt einen strengen Maßstab an die Kontrollpflichten nach Art. 28 Abs. 1 DSGVO an und sprach, dem Grunde nach, einen Schadenersatzanspruch zu.

Sachverhalt

Das beklagte Unternehmen betreibt einen Online-Musikstreamingdienst und bediente sich in der Vergangenheit eines Auftragsverarbeiters nach Art. 28 DSGVO Sitz in Israel. Der Vertrag endete zum 1.12.2019. Am 30.11.2019 teilte der Auftragsverarbeiter per E-Mail mit, die Daten würden am Folgetag gelöscht. Dass dies auch tatsächlich geschehen sei, bestätigte der Auftragsverarbeiter aber erst mit E-Mail vom 22.2.2023 nach dem Bekanntwerden eines Datenhacks der Daten von Kunden der Beklagten. Hiervon umfasst waren auch Daten des klagenden Betroffenen.

Entscheidung

Das OLG Dresden geht davon aus, dass der Verantwortliche dem klagenden Betroffenen dem Grunde nach gemäß Art. 82 DSGVO zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Konkret nimmt das Gericht einen Verstoß gegen die „Pflicht zur sorgfältigen Überwachung des … beauftragten externen Auftragsdatenverarbeiters“ nach Art. 28, 32 DSGVO an. Diese Begründung ist für die Praxis sehr relevant, da die Überwachungspflicht zwar durchaus bekannt ist. Jedoch gibt es zu deren konkreten Inhalt praktisch kaum Entscheidungen und Vorgaben von Gerichten.

Haftung des Auftraggebers für den Auftragsverarbeiter

Zunächst äußert sich das OLG zum Haftungsumfang des Verantwortlichen. Dieses haftet auch, wenn der Auftragsverarbeiter die Weisungen des Verantwortlichen ausführt und dadurch ein Schaden entsteht. Bedeutet nach Ansicht des Gerichts: missachtet der Auftragsverarbeiter eine rechtmäßige Weisung des Verantwortlichen, haftet der Verantwortliche auch hierfür.

Zwar bestehe in diesem Fall auch eine eigene Haftung des Auftragsdatenverarbeiters. Der Verantwortliche könne den Betroffenen aber nicht auf dessen vorrangige Inanspruchnahme verweisen, weil dies einem „wirksamen Schadensersatz“ im Sinne des Art. 82 Abs. 4 DSGVO entgegenstünde.

Nicht nur ordentliche Auswahl, sondern auch Überwachungspflicht

Danach geht das Gericht auf die konkrete Pflicht des Verantwortlichen, die es hier als verletzt ansieht. Nach Art. 28 Abs. 1 DSGVO darf der Verantwortliche nur solche Auftragnehmer als Auftragsverarbeiter beauftragen, die hinreichende Garantie dafür bieten, dass geeignete technische und organisatorische Maßnahmen im Einklang mit der DSGVO durchgeführt werden.

Das Gericht erstreckt diese ausdrückliche Pflicht zur ordentlichen Auswahl jedoch weiter, in das Auftragsverhältnis.

Dies führt aber nicht nur zu einer Pflicht zur sorgfältigen Auswahl, sondern auch zu einer Pflicht zur sorgfältigen Überwachung des Auftragsverarbeiters durch den Verantwortlichen“.

Diese Pflicht zur Überwachung des Auftragsverarbeiters sei in Art. 28 Abs. 1 DSGVO zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich jedoch aus der Formulierung der Norm („arbeitet […] nur mit“). Zudem setze die Pflicht nach Art. 28 Abs. 3 lit h) DSGVO eine solche Kontrollpflicht voraus, was auch die ordnungsgemäße Datenlöschung betrifft. Danach muss der Auftragsverarbeiter dem Verantwortlichen alle erforderlichen Informationen zum Nachweis der Einhaltung der in Art. 28 DSGVO niedergelegten Pflichten zur Verfügung stellen und Überprüfungen ermöglichen. Nach Art. 28 Abs. 3 lit. g) DSGVO hat der Auftragsverarbeiter nach Abschluss der Erbringung der Verarbeitungsleistungen, alle personenbezogenen Daten nach Wahl des Verantwortlichen entweder zu löschen oder zurückzugeben. Dies ergebe sich auch als Ausfluss der allgemeinen Grundsätze der „Rechtmäßigkeit“, (Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO), der „Datenminimierung“ (Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO) sowie der Speicherbegrenzung (Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO).

Die Pflichten des Auftragsverarbeiters korrespondieren mit Pflichten des Verantwortlichen.

Konkrete Umsetzung der Überwachungspflicht

Besonders praxisrelevant ist die Begründung des OLG, wie die vorgenannte Überwachungspflicht durch den Verantwortlichen konkret umgesetzt werden kann – welche Maßnahmen also (zumindest aus Sicht des Gerichts) erforderlich und auch ausreichend sind.

Zunächst gibt das OLG zu bedenken, dass „die Anforderungen an Auswahl und Überwachung dürfen dabei in der Praxis zwar nicht überspannt werden“ dürfen.

Das Gericht vertritt einen risikobasierten Ansatz hinsichtlich des Umfangs und der Tiefe der Überwachung des Auftragsverarbeiters.

  • Wählt ein Unternehmen z.B. einen führenden und am Markt als zuverlässig bekannten IT-Dienstleister aus, so darf es grundsätzlich auf dessen Fachwissen und Zuverlässigkeit vertrauen. Eine „vollkommen praxisfremde“ Vor-Ort-Kontrolle sei dann grundsätzlich nicht erforderlich.
  • Gesteigerte Anforderungen ergeben sich nach Ansicht des OLG, soweit z.B. große Datenmengen oder besonders sensible Daten gehostet werden sollen.
  • Diese gesteigerten Kontrollpflichten gelten auch außerhalb der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 9 DSGVO.

Vorliegend betraf die Verarbeitung nicht unbedeutende Datenmengen, deren Verlust potentiell vielen Millionen Nutzern Schaden zufügen konnte. Infolgedessen war die Beklagte zu einer Überwachung ihres Auftragsverarbeiters dahingehend angehalten, dass

dieser die ihm zur Verfügung gestellten Daten tatsächlich löscht und hierüber eine aussagekräftige Bescheinigung ausstellt“.

Diese Anforderung leitet das OLG direkt aus der Überwachungspflicht nach Art. 28 Abs. 1 DSGVO ab.

Der Verantwortliche ist hierbei verpflichtet,

die Erfüllung der den Auftragsdatenverarbeiter hiernach treffenden Verpflichtungen zu kontrollieren, also die nach dem Vertrag erforderlichen Bestätigungen einzuholen“.

Anforderungen an die Löschbestätigung

Vorliegend wurde eine solche Bestätigung der Löschung jedoch nicht vom Verantwortlichen verlangt.

Den Pflichtenverstoß erkennt das OLG hier vor allem darin, dass die (eigentlich auch vertraglich geregelte Bestätigung der Löschung) nicht eingeholt wurde. Der Verantwortliche habe hier gegen seine Kontrollpflichten aus Art. 28 DSGVO verstoßen, da er nicht nach Ablauf der vertraglich geregelten Frist von dem Auftragsverarbeiter

die ausdrückliche schriftliche Bestätigung einer tatsächlich durchgeführten Löschung aller bei dieser vorhandenen Datensätze angefordert hat, die eine detaillierte Auflistung der gelöschten Daten enthielt“.

Bedeutet: das Gericht verlangt

  1. eine Bestätigung der Löschung durch den Auftragsverarbeiter, die der Verantwortliche zur Not anfordern muss. Die reine Ankündigung des Auftragsverarbeiters, dass Daten gelöscht werden, genügte im konkreten Fall nicht.
  2. dass die Bestätigung Details dazu enthält, in welchem Umfang Daten gelöscht wurden.

Nach Ansicht des OLG wiegt hier vor allem der erste Punkt schwer. Die E-Mail des Auftragsverarbeiters enthielt lediglich die Ankündigung einer bevorstehenden, nicht aber die Bestätigung einer erfolgten Löschung.

Die bloße Ankündigung einer Maßnahme ist jedoch nicht gleichwertig zu einer Bestätigung über deren Ausführung. Es ist allgemein bekannt, dass gleich ob in kleinen oder großen Unternehmen anstehende Vorgänge aufgeschoben und in der Folge auch vergessen werden können“.

Der Verantwortliche hätte sich mit der formal und inhaltlich nicht hinreichenden Ankündigung nicht zufrieden geben dürfen, sondern auf eine vollständige und rechtzeitige Löschungsbestätigung hinwirken müssen.

Grundsätzlich bestünde für den Verantwortlichen die Möglichkeit, die Haftungsprivilegierung nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO in Anspruch zu nehmen. Dies jedoch nur, wenn ihm selbst keinerlei Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre. Dies war hier vorliegend angesichts des eigenen Pflichtenverstoßes aber nicht der Fall.

Im Ergebnis lehnte das OLG hier aber einen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO ab, da der Kläger keinen tatsächlich erlittenen Schaden nachweisen konnte.

Fazit

Das OLG befasst sich recht ausführlich mit den Anforderungen an die Überwachungspflicht des Verantwortlichen für Auftragsverarbeiter. Sicherlich muss man nicht alle Ansichten des Gerichts teilen. Relevant ist aus meiner Sicht aber insbesondere die Auffassung, dass die Kontroll- bzw. Überwachungspflicht durchaus risikobasiert ausgestaltet sein darf. Gleichzeitig sollten Verantwortliche darauf achten, dass „bloße Ankündigungen“ durch Auftragsverarbeiter im Zweifel gerade nicht die tatsachliche Erfüllung bzw. Umsetzung von Pflichten, wie etwa der Löschung von Daten, belegen.

Landgericht Köln: die bloße verspätete Auskunft stellt keinen Schaden im Rahmen des Art. 82 DSGVO dar

In seinem Urteil vom 19.4.2024 (12 S 4/23) hatte sich das LG Köln mit einem sehr praxisrelevanten Problem zu befassen: haben Betroffenen einen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO, wenn eine Auskunft nach Art. 15 DSGVO verspätet erfolgt? Also die Auskunft zwar inhaltlich erteilt wird, jedoch zB erst nach 1,5 Monaten.

Das LG lehnt in diesem Fall einen Schadenersatzanspruch ab, da allein die Verspätung und damit der Verstoß gegen Art. 15, 12 Abs. 3 DSGVO an sich noch keinen ersatzfähigen Schaden darstellt.

Das Gericht verweist für seine Ansicht auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu Art. 82 DSGVO.

So habe der EuGH entschieden, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21). Zwar sei Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat.

Allerdings ist die betroffene Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, nicht vom Nachweis befreit, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden darstellen.

Der EuGH geht davon aus, dass der bloße Verstoß gegen die DSGVO nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023, C-667/21, Rn. 82). Dies ist der Anknüpfungspunkt des LG im vorliegenden Fall. Der Betroffene hatte keinen individuellen Schaden dargelegt. Wenn der Betroffene aber als Folge eines Verstoßes (hier: die Verspätung) einen Schaden annimmt und diese Folge (hier: die Verspätung) quasi stets bei dem betreffenden Verstoß eintritt, reicht dies nach Ansicht des LG nicht aus.

Das bloße längere Zuwarten auf die Erteilung der Auskunft bzw. die „verspätete Auskunft“ (…) kann einen solchen nach der o.g. Entscheidung des EuGH keinesfalls darstellen, da dies bei einem Verstoß gegen die DSGVO immanent ist und nicht über den bloßen Verstoß hinausgeht“.

Im Ergebnis geht das LG mithin davon aus, dass die „Standardfolge“ aus einem Verstoß gerade keinen Schaden darstellen kann, denn dies würde bedeuten, dass ein Verstoß für die Annahme eines Schadens ausreichend ist.

Wann sind DSGVO-Betroffenenanfragen „exzessiv“? Generalanwalt entwickelt praktische Checkliste

Wann sind Betroffenenanfragen „exzessiv“ und können von Verantwortlichen entweder zurückgewiesen oder für ihre Bearbeitung ein angemessenes Entgelt verlangt werden? Diese Frage spielt in der Praxis insbesondere für Unternehmen oder auch öffentliche Stellen eine Rolle, die etwa in kurzer Zeit mit vielen Anfragen, z. B. auf Auskunft oder Löschung, von ein und derselben Person konfrontiert werden.

Generalanwalt de la Tour (GA) hat sich mit der Frage der „Exzessivität“ von Anträgen an Aufsichtsbehörden in seinen Schlussanträgen vom 5.9.2024 (Rechtssache C‑416/23) befasst. Die österreichische Aufsichtsbehörde weigerte sich gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO, aufgrund einer Beschwerde tätig zu werden, da sie sie als „exzessiv“ erachtete. Der Beschwerdeführer hatte innerhalb eines Zeitraums von ca. 20 Monaten 77 Beschwerden an sie gerichtet, mit denen er beanstandet hatte, dass jeweils verschiedene Verantwortliche nicht innerhalb eines Monats auf seine Anträge auf Auskunft bzw. Löschung geantwortet hätten.

Für Verantwortliche sind die Schlussanträge für Betroffenenanfragen interessant, weil der GA im Rahmen seiner Erläuterungen explizit davon ausgeht, dass seine Begründung auch für Art. 12 Abs. 5 DSGVO gilt.

Begründung übertragbar auf Art. 12 Abs. 5 DSGVO
Kurz zum Hintergrund. Nach Art 57 Abs. 4 DSGVO kann die Aufsichtsbehörde, bei offenkundig unbegründeten oder — insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung — exzessiven Anfragen eine angemessene Gebühr verlangen oder sich weigern, aufgrund der Anfrage tätig zu werden. Ähnlich findet sich eine solche Regelungen für Betroffenenanfragen nach Art. 15-22 DSGVO in Art. 12 Abs. 5 DSGVO. Danach kann der Verantwortliche, bei offenkundig unbegründeten oder — insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung — exzessiven Anträgen einer betroffenen Person entweder ein angemessenes Entgelt verlangen oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden.

Anzahl der Anfragen als Kriterium?
Im konkreten Fall wollte das vorlegende Gericht aus Österreich im Wesentlichen wissen, ob Anfragen allein aufgrund ihrer Anzahl innerhalb eines bestimmten Zeitraums als „exzessiv“ eingestuft werden können oder ob zudem nachgewiesen werden muss, dass die Person, die diese Anfragen bei einer Aufsichtsbehörde stellt, mit missbräuchlicher Absicht handelt.

Der GA lehnt eine solche Sichtweise ab.

die Anzahl der von einer betroffenen Person bei einer Aufsichtsbehörde gestellten Anfragen, so groß sie auch sein mag

könne, für sich genommen kein ausreichendes Kriterium sein, um festzustellen, dass „exzessive Anfragen“ im Sinne der Bestimmung vorliegen.

Eine andere Entscheidung, bei der etwa ein Schwellenwert festgelegt würde, ab dem eine Aufsichtsbehörde diese Beschwerden allein aufgrund ihrer Anzahl als „exzessiv“ einstufen könnte, würde die von der DSGVO gewährleisteten Rechte, die ich zuvor aufgezählt habe, beeinträchtigen.

Begründung zu Art. 57 Abs. 4 DSGVO auf Art 12 Abs. 5 DSGVO übertragbar
Nach Ansicht des GA sind Art. 12 Abs. 5 und Art. 57 Abs. 4 DSGVO ähnlich formuliert und beruhen auf derselben Logik. Diese Ansicht ist durchaus für die Auslegung und Anwendung der Vorschriften relevant, denn es geht hierbei um den Zweck der Vorschriften.
Nach Ansicht der GA besteht dieser darin

zu vermeiden, dass dem Verantwortlichen bzw. der Aufsichtsbehörde eine unverhältnismäßige Belastung auferlegt wird, die geeignet ist, ihr ordnungsgemäßes Funktionieren zu beeinträchtigen“.

Rechtsmissbrauch im EU-Recht
Art. 12 Abs. 5 DSGVO und Art. 57 Abs. 4 DSGVO spiegelt nach Ansicht des GA die ständige Rechtsprechung des EuGH wider,

nach der es im Unionsrecht einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach sich die Bürger nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf unionsrechtliche Normen berufen dürfen“.

Insbesondere kann im Zusammenhang mit Art. 57 Abs. 4 DSGVO ein missbräuchliches Vorgehen festgestellt werden, wenn eine Person Beschwerden einreicht, ohne dass dies objektiv erforderlich ist, um ihre Rechte aus der Verordnung zu schützen.

Große Anzahl von Anfragen? Verantwortlicher muss im Zweifel Kapazitäten schaffen
Dass allein die Anzahl an Betroffenenanfragen noch kein taugliches Kriterium ist, begründet der GA auch mit dem Stellenwert der Betroffenenrechte. Zu Art. 57 Abs. 4 DSGVO führt er aus:

Folglich könnte es meines Erachtens die Verwirklichung dieses Ziels beeinträchtigen, wenn es den Aufsichtsbehörden gestattet würde, allein deshalb festzustellen, dass die Beschwerden exzessiv sind, weil ihre Anzahl groß ist.“

Konkret am Beispiel der Aufsichtsbehörden begründet der GA zudem, dass eine prozessuale Überforderung mit Anträgen nicht zu lasen der Betroffenen gehen darf – dies kann man durchaus als Begründung auch auf die interne Organisation und Struktur von Verantwortlichen übertragen.

Mit Blick auf Aufsichtsbehörden haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass jede Aufsichtsbehörde mit den personellen, technischen und finanziellen Ressourcen, Räumlichkeiten und Infrastrukturen ausgestattet wird, die sie benötigt, um ihre Aufgaben und Befugnisse effektiv wahrnehmen zu können.

Folglich sind diese Ressourcen an den Gebrauch anzupassen, den die betroffenen Personen von ihrem Recht machen, Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden einzureichen“.

Enge Auslegung von Ausnahmevorschriften
Aufgrund der Wichtigkeit der Betroffenenrechte und des Ausnahmecharakters der beiden hier relevanten Vorschriften weist der GA darauf hin, dass Betroffene etwa ihr Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO mehrfach bei demselben Verantwortlichen ausüben können, ohne dass die Wiederholung einer Anfrage als solche als „exzessiv“ eingestuft werden kann. Auch dies ist eine wichtige Aussage für die Praxis.

In Bezug auf Art. 57 Abs. 4 DSGVO stellt der GA klar, dass die Vorschrift als Ausnahme eng auszulegen ist. Die Anwendung ist auf das zu beschränken ist, was unbedingt erforderlich ist, um zu verhindern, dass das mit ihm verfolgte Ziel, dass die Aufsichtsbehörden ordnungsgemäß funktionieren, beeinträchtigt wird.

Prüfung im Einzelfall – welche Kriterien sind relevant?

Die Prüfung von exzessiven Anfragen muss auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls erfolgen.

Die Aufsichtsbehörde / der Verantwortliche muss nachweisen,

dass diese Anzahl nicht durch den Wunsch der betroffenen Person zu erklären ist, ihre Rechte aus der DSGVO zu schützen, sondern durch einen anderen Zweck, der in keinem Zusammenhang mit diesem Schutz steht.

Und der GA gibt hierzu noch einen Hinweis. Ein solcher Nachweis kann etwa dann gegeben sein, wenn

sich aus den Umständen ergibt, dass die große Anzahl von Beschwerden darauf abzielt, das ordnungsgemäße Funktionieren der Behörde zu beeinträchtigen, indem ihre Ressourcen ohne berechtigten Grund in Anspruch genommen werden“.

Für uns in der Praxis kann dies also Fälle betreffen, in denen Betroffene offenkundig und vorsätzlich Anträge stellen, um etwa das Unternehmen oder den (ex) Arbeitgeber in seinem normalen Arbeitsalltag zu beeinträchtigen. Wenn es also klar überhaupt nicht um den Datenschutz geht.

Die Häufung von Beschwerden / Anträgen kann nach Ansicht des GA durchaus ein Indiz für exzessive Anfragen einer betroffenen Person sein,

wenn sich herausstellt, dass die Beschwerden nicht objektiv durch Erwägungen gerechtfertigt sind, die sich auf den Schutz der Rechte beziehen, die die DSGVO dieser Person verleiht“.

Und der GA wird hierzu noch etwas konkreter und gibt eine Art Checkliste an, die man bei der Prüfung gut verwenden könnte. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn Beschwerden / Anträge

  • denselben Verantwortlichen betreffen,
  • denselben Inhalt haben,
  • sich auf dieselben Verpflichtungen aus der DSGVO beziehen und
  • in übertrieben kurzen Zeitabständen eingereicht werden, ohne dass eine Änderung der tatsächlichen Umstände dies rechtfertigt, und
  • damit die Absicht der betroffenen Person erkennen lassen, das ordnungsgemäße Funktionieren der Aufsichtsbehörde / Funktionieren des Verantwortlichen zu beeinträchtigen, anstatt den Schutz der ihr durch diese Verordnung verliehenen Rechte zu erreichen.

Ausforschung des Prozessgegners per Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO? Bundesverwaltungsgericht Österreich sagt „nein“. 

In einer Entscheidung vom 8.7.24 (Geschäftszahl W137 2278780-1) hat sich das österreichische Bundesverwaltungsgericht (BVwG) u.a. mit der Frage befasst, ob und wie weit der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO reicht, wenn dieser gegenüber einer Partei geltend gemacht wird, mit der der Betroffene aktuell in rechtlichen (gerichtlichen) Auseinandersetzungen steht. Insbesondere ging es um die Anwendung der Ausnahmevorschrift nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO in diesem Fall.

Sachverhalt

Die betroffene Person beschwerte sich bei der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB), da sie ihr Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO verletzt sah. Sie verlangte Auskunft von einer Bildungsbehörde. Diese erteilte auch Auskunft, jedoch nicht von vollem Umfang. Zum Teil wurde die Auskunft verweigert, weil gegen die betroffene Person zwei arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren anhängig waren, wobei etwaige E-Mailverläufe sowie Stellungnahmen Teil dieser Verfahren seien und daher nicht herausgegeben wurden.

Die DSB wies die Beschwerde u.a. mit dem Argument zurück, dass die Verweigerung der Zurverfügungstellung einer Datenkopie dann gerechtfertigt sei, wenn die Geheimhaltungsinteressen des Verantwortlichen bzw. Dritter gegenüber dem Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers überwiegen würden. Da derzeit ein Zivilverfahren anhängig war, sei dem Verantwortlichen ein diesbezügliches Interesse an der Geheimhaltung von Beweismitteln zuzubilligen, zumal dadurch eine Verschlechterung der Prozessposition zu befürchten wäre.

Entscheidung des BVwG

Das BVwG folgt der Begründung der DSB und sieht keinen Verstoß gegen Art. 15 DSGVO. Die Ansicht des BVwG ist vor allem deshalb praxisrelevant, da Art. 15 DSGVO oft (ziemlich klar) dafür verwendet wird, um an Dokumente und Informationen bei dem Verantwortlichen zu gelangen, die im Rahmen eines Rechtsstreits verwendet werden sollen. 

Nun mag man entgegenhalten: aber der EuGH hat doch entschieden, dass der Auskunftsanspruch auch für „datenschutzfremde“ Zweck ausgeübt werden kann (z.B. EuGH, C-307/22 Rz. 43). Ja, das stimmt. Der EuGH hatte aber noch nicht die (im hier vorliegenden Fall relevante) Frage zu entscheiden, inwiefern sich der Verantwortliche oder auch Dritte in einer solchen Situation auf die Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO berufen dürfen, wenn es um die Geheimhaltung von Dokumenten u.a. für die eigene Verfahrens-/Prozessposition geht.  

Das BVwG weist darauf hin, dass nach ErwG 63 DSGVO die Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO Geschäftsgeheimnisse und Rechte des geistigen Eigentums, insbesondere das Urheberrecht an Software schützen soll. 

Es ist aber davon auszugehen, dass grundsätzlich alle Rechte und Freiheiten, die von dem Recht der Union oder der MS anerkannt sind, relevant sein werden“.

Daher geht das Gericht davon aus, dass Unterlagen nicht vom Auskunftsrecht umfasst sind (man müsste wohl eher sagen: zwar umfasst, aber im Wege der Ausnahme ausgenommen sind), wenn der Verantwortliche eine E-Mail beauskunften muss, in dem auch andere Personen genannt werden, deren Interessen höher einzustufen sind als jene des Betroffenen. 

Nach der auf Grundlage der Öffnungsklausel des Art. 23 DSGVO erlassenen Bestimmung des § 4 Abs. 6 DSG in Österreich besteht das Auskunftsrecht gegenüber einem Verantwortlichen unbeschadet anderer gesetzlicher Beschränkungen „in der Regel“ dann nicht, wenn durch die Erteilung der Auskunft ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis des Verantwortlichen oder eines Dritten gefährdet würde. 

Aus dem Einschub „in der Regel“ schließt das BVwG, dass hier kein absolutes Ablehnungsrecht geschaffen wurde, sondern sorgfältig abzuwägen sein wird, inwieweit die Auskunftserteilung dieses Recht tatsächlich beeinträchtigt.

Vorliegend stützte der Verantwortliche die Verweigerung der Auskunft im Wesentlichen auf überwiegende Geheimhaltungsinteressen, welche das Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers überwiegen würden. Der Verantwortliche brachte vor, dass gegen den Beschwerdeführer zwei arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren anhängig seien, 

wobei etwaige E-Mailverläufe und Stellungnahmen Teile dieser Verfahren seien (unstrittig ist, dass zumindest ein Verfahren noch anhängig ist). Da gerade dies eine strittige Frage in anhängigen Zivilverfahren darstelle, würde die Beauskunftung eine Verschlechterung der Prozessposition der mitbeteiligten Partei bedeuten.“ 

Damit führt der Verantwortliche nach Ansicht des BVwG ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ins Treffen, wobei den Ausführungen des Betroffenen nicht entnommen werden konnte, inwiefern sein Interesse an der Beauskunftung den Geheimhaltungsinteressen überwiegt. 

Daher kommt das BVwG hier zu dem Schluss, 

dass die Beschaffung von prozessstärkender Information des Beschwerdeführers über den Schutzzweck der Norm hinausgeht und im gegenständlichen Fall das Interesse der mitbeteiligten Partei an der Geheimhaltung der genannten E-Mailverläufe und Stellungnahmen das Interesse des Beschwerdeführers überwiegt.“

Zudem wurde hervorgehoben, dass der Betroffene ja durchaus Auskunft erhalten hat – nur eben ein gewisser Teil nicht beauskunftet wurde. 

Fazit

Die Begründung des BVwG (und vorgelagert auch schon der DSB) kann in der Praxis für Verantwortliche wertvolle Argumente zur Verteidigung gegen Auskunftsansprüche bieten, die klar auf eine („pre-trial“) Ausforschung abzielen. Im Rahmen der Anwendung des BDSG könnten sich Anwälte etwa zusätzlich auf § 29 Abs. 1 BDSG berufen. Jedoch sind in der Vergangenheit schon Fälle diskutiert worden, in denen diese Ausnahme durch Betroffene umgangen wird, indem die Auskunft nicht gegenüber den Anwälten, sondern gegenüber der vertretenen Partei direkt geltend gemacht wird – gerade für diese Situation kann die Entscheidung des BVwG hilfreich sein. 

Generalanwalt am EuGH: Wichtige Ausführungen zur Erforderlichkeit für Art. 6 (1) b DSGVO und der Information über „berechtigte Interessen“ für Art. 6 (1) f DSGVO

Am 11. Juli 2024 wurden die Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache C-394/23veröffentlicht. 

In dem anhängigen Rechtsstreit zwischen einem Verband auf einer Seite und der französischen Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL sowie Transportunternehmen SNCF Connect auf der anderen Seite geht es um die Frage der Verarbeitung der Anrededaten von Kunden des SNCF Connect, das über seine Website und Apps Zugtickets, Abos und Ermäßigungskarten vertreibt. Nach Angaben des Unternehmens werden die Daten in der geschäftlichen Kommunikation mit den Kunden verwendet und seien hierfür auch erforderlich. Es handelt sich hierbei um Pflichtfelder im Bestellformular – die Kunden müssen also bei der Bestellung ihre Anrede als „Herr“ oder „Frau“ angeben. 

Position des Verbands und bisheriges Verfahren 

Der Verband beschwerte sich gegen SNCF Connect bei der Aufsichtsbehörde. Zur Begründung machte er geltend, die Erhebung der Anrededaten sei mangels Rechtsgrundlage nicht mit dem in Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO verankerten Grundsatz der Rechtmäßigkeit vereinbar. Zudem verstoße eine solche Erhebung gegen den Grundsatz der Datenminimierung und den Grundsatz der Richtigkeit, die in Art. 5 Abs. 1 lit. c bzw. d DSGVO festgelegt seien, sowie gegen die Transparenz- und Informationspflichten gem. Art. 13 DSGVO. Der Verband argumentierte insoweit, dass SNCF Connect die Anrededaten nicht erheben dürfe oder zumindest seinen Kunden alternative Möglichkeiten anbieten müsse, wie z. B. die Option „neutral“ oder „sonstige“. Die Datenschutzbehörde stellte keinen Verstoß gegen die DSGVO fest und der Verband reichte gegen diese Entscheidung eine Klage ein, im Rahmen welcher die Fragen dem EuGH vorgelegt wurden.

Ist die Angabe der Anrede erforderlich?

Die Erforderlichkeit wurde von dem Generalanwalt unter zwei Gesichtspunkten untersucht:

  1. Ist die Anrede der Kunden für die Erfüllung des Vertrags erforderlich? (Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO)
  2. Ist die Angabe der Anrede zur Wahrung berechtigter Interessen im Hinblick auf die allgemeine Verkehrssitte in der personalisierten geschäftlichen Kommunikation erforderlich? (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO)

Vertragserfüllung

In seinen Ausführungen stellt der Generalanwalt fest, dass der Hauptgegenstand des Vertrags vorliegend die Bereitstellung eines Fahrscheins ist. Es war daher zu prüfen, ob erstens die Anrededaten des Kunden verarbeitet werden, um einen Zweck zu erreichen, der notwendiger Bestandteil der Beförderungsdienstleistung ist, und ob zweitens diese Verarbeitung hierfür objektiv unerlässlich ist.

Nach Ansicht des Generalanwalts sei die Kommunikation mit dem Kunden als notwendiger Bestandteil des Beförderungsvertrags anzusehen. Denn die Bereitstellung des Fahrscheins setze die Kontaktaufnahme mit dem Kunden voraus, um diesem den Fahrschein zu übermitteln. Diese Notwendigkeit bestehe auch während der Beförderung fort, um den Kunden z.B. über die möglichen Störungen bei der Reise zu informieren. 

Das Argument von SNCF, dass dieser Zweck in Übereinstimmung mit der Verkehrssitte in der geschäftlichen Kommunikation auch die Angabe der Anrede erfordert, wurde von dem Generalanwalt aber zurückgewiesen. Auch ohne geschlechtsspezifischer Anrede könne die Kommunikation durchgeführt werden. Dies werde unter anderem dadurch indiziert, dass die Anrede nicht bei jeder Kommunikation verwendet wird. So werden teilweise neutrale Formulierungen wie „Danke, gute Reise“ oder „Guten Tag“ benutzt.

Darüber hinaus sei die Verarbeitung der Anrededaten für die Erreichung des geltend gemachten Zwecks nicht unerlässlich und alternativlos. Sie gehe über das hinaus, was notwendig ist, um die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags zu ermöglichen. Denn die ordnungsgemäße Erfüllung des Beförderungsvertrags könne nicht von der Verwendung der Anrede in der Kommunikation abhängen, selbst wenn der für die Verarbeitung Verantwortliche mit seinen Kunden in personalisierter Weise kommunizieren möchte. 

Interessenabwägung

Im Zusammenhang mit der Prüfung der berechtigten Interessen verweist der Generalanwalt auf das Urteil „Meta Platforms“ (C-252/21), wo der EuGH entschieden hat, dass die Verarbeitung nur dann erforderlich sei, wenn der Verantwortliche den Nutzern, bei denen die Daten erhoben wurden, ein mit der Datenverarbeitung verfolgtes berechtigtes Interesse mitgeteilt hat. 

Hier vertritt der Generalanwalt daher eine strenge Ansicht (Rz. 56):

Mit anderen Worten: Die aus der Nichteinhaltung der Informationspflicht nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DSGVO resultierende Sanktion ist die Rechtswidrigkeit der Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten.

Aus der Nichteinhaltung der Informationspflicht nach Art. 13 Abs. 1 lit. d DSGVO resultiere also nach Ansicht des EuGH die Rechtswidrigkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten. Da SNCF in der Datenschutzerklärung keine Angaben zu den konkreten Interessen hinsichtlich der Verarbeitung von Anrededaten gemacht hat, führe dies dazu, dass die Verarbeitung auf diese Rechtsgrundlage nicht gestützt werden könne.

Und nach Ansicht des Generalanwalts reichen auch nicht floskelhafte Verweise auf berechtigte Interessen aus (Rz. 58):

Zum einen wird durch den bloßen Verweis auf ein berechtigtes Interesse ohne Angabe, worin genau dieses berechtigte Interesse besteht, die Informationspflicht nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DSGVO nicht erfüllt, die den Verantwortlichen verpflichtet, das verfolgte berechtigte Interesse mitzuteilen.

In der weiteren Prüfung befasst sich der Generalanwalt mit den einzelnen Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO und stellt fest, dass obwohl die Kommunikation mit dem Kunden grds. als berechtigtes Interesse des Unternehmens anzusehen sei, die Verarbeitung von Anrededaten im konkreten Fall über das hinausgehe, was zur Erreichung des Zwecks der Kommunikation mit dem Kunden notwendig sei. Die Kommunikation könne – wie oben dargelegt – auch ohne Verwendung der Anrede erfolgen.

Auch die vernünftigen Erwartungen der Person reichen nach seiner Ansicht nicht für die Feststellung aus, dass das berechtigte Interesse des Verantwortlichen die Interessen der betroffenen Person überwiegt. Ein solcher Aspekt sei zwar im Rahmen der Abwägung erheblich, könne jedoch nicht automatisch dazu führen, dass das berechtigte Interesse des Verantwortlichen überwiegt.

Weitere Fragen

Grundsatz der Datenminimierung

Nach dem Grundsatz der Datenminimierung sei nach Ansicht des Generalanwalts zu prüfen, ob der Zweck der Verarbeitung nicht in zumutbarer Weise mit anderen Mitteln erreicht werden kann. Die Prüfung umfasse dabei nicht nur quantitative Aspekte, sondern auch die inhaltlichen.

Der Grundsatz der Datenminimierung gelte auch dann, wenn die Person in die Verarbeitung eingewilligt hat. Denn nur so kann ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogener Daten gewährleistet werden. 

Widerspruchsrecht

Die letzte relevante Frage betrifft das Widerspruchsrecht der betroffenen Person nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO und seine Bedeutung i.R.d. Beurteilung der Erforderlichkeit gem. Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO.

Es ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Art. 21 Abs. 1 DSGVO, dass das Bestehen eines Widerspruchsrechts für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO in keiner Weise relevant sei, da die Geltendmachung des Rechts aus Art. 21 Abs. 1 DSGVO voraussetze, dass die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage bereits erfüllt seien.

Praktische Auswirkungen

Zwar bleibt noch die finale Entscheidung des EuGH abzuwarten. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass der Gerichtshof den Ausführungen des Generalanwalts weitgehend folgen wird.

Für die Praxis ist im Hinblick auf die Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung festzuhalten, dass die Korrespondenz mit dem Kunden als Bestandteil des Vertrages anzusehen ist. Das ist insbesondre für E-Commerce-Unternehmen relevant, die ihre Kunden über diverse Updates zum Bestellstatus informieren wollen (z.B. Versandbestätigung, Änderung des Lieferdatums usw.). Dabei ist aber zu beachten, dass die erhobenen Daten auch tatsächlich für die Kommunikation (oder sonstige vertragliche Zwecke) benutzt werden. Sollten bei manchen Kunden diese Daten verwendet werden, bei anderen aber nicht, dürfte dies gerade gegen eine generelle Erforderlichkeit im Rahmen der Vertragsdurchführung sprechen. Es reicht nicht, wenn die Verwendung des Datums inkonsistent bzw. nur gelegentlich erfolgt. Anders ausgedrückt: ganz oder gar nicht.

Für die Verarbeitung von Daten auf Grundlage berechtigter Interessen gilt, dass die mangelhafte Erfüllung der spezifischen Informationspflichten zu den berechtigten Interessen dazu führen kann, dass diese Interessen (über die nicht informiert wurde) nicht als Verarbeitungsgrundlage genutzt werden dürfen. Eine falsche bzw. inhaltlich mangelhafte Information kann hier im Ergebnis zur Rechtswidrigkeit der Verarbeitung führen – selbst wenn berechtigte Interessen vorliegen, über die nur eben nicht informiert wurde.

Unternehmen müssen darauf achten, konkrete Interessen für Verarbeitungsvorgänge bei der Erhebung der Daten zu benennen. Allein die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person führen nicht dazu, dass die Interessenabwägung zugunsten des Verantwortlichen ausfällt, obwohl sie bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.

Kundenbeschwerde wegen 1,50 EUR führt zu DSGVO-Bußgeld in Höhe von ca. 172.000 EUR – Ein Problem: Teilzeit-DSB, der seine Aufgaben nicht erfüllen konnte

Die Datenschutzbehörde aus Belgien (APD) verhängte gegen ein Unternehmen ein Bußgeld in Höhe von 172.431 EUR, weil es das Unternehmen unter anderem versäumt hatte, die personenbezogenen Daten einer betroffenen Person im Zusammenhang mit Direktwerbung zu löschen und weil es einen Teilzeit-DSB beschäftigte, der aber überlastet war und seine Aufgaben nicht wirksam wahrnehmen konnte (hier die englische Zusammenfassung der Entscheidung bei noyb).

Hintergrund

Die betroffene Person kaufte ein Produkt von dem Verantwortlichen und entdeckte auf der Rechnung eine unerwartete Gebühr von 1,50 EUR für einen „Energiebeitrag“. Die betroffene Person bat um die Erstattung dieses Zuschlags und verlangte die Löschung aller ihrer personenbezogenen Daten. Der Verantwortliche lehnte die Erstattung der Gebühr ab, bestätigte jedoch den Eingang des Löschungsantrags und bestätigte, dass dieser umgehend bearbeitet werde.

Es kam, wie es kommen musste. Die Daten wurden zunächst nicht gelöscht. Die betroffene Person erhielt weiterhin Werbung von dem Verantwortlichen. Der Betroffene wandte sich dann mit der Bitte um Schlichtung an die belgische Datenschutzbehörde. 

Spätestens jetzt hätten bei dem Verantwortlichen wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen. Aber: der Verantwortliche reagierte nicht auf Anschreiben der APD. Daraufhin legte die betroffene Person Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ein.

Der Verantwortliche räumte im Verfahren Fehler des früheren eigenen Datenschutzbeauftragten (DSB) ein und erklärte außerdem, dass das Ausbleiben einer Antwort an die APD während der Schlichtung auf den früheren DSB zurückzuführen war und dass weder der derzeitige DSB noch die Geschäftsleitung von diesen Problemen wussten und der frühere DSB weder die Korrespondenz mit der APD oder der betroffenen Person bearbeitet noch diese Informationen intern weitergegeben hat.

Im Rahmen des Verfahrens erläuterte der Verantwortliche, dass er Initiativen ergriffen habe, um seine Reaktionsfähigkeit zu verbessern, insbesondere durch die Einstellung eines neuen DSB, der in Vollzeit mit einem Team von zwei Personen arbeitet.

Entscheidung der Datenschutzbehörde 

Die APD geht unter anderem von Verstößen gegen Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 DSGVO aus. Insbesondere kritisiert die Behörde, dass der frühere Teilzeit-DSB nicht die erforderliche Zeit und Ressourcen zur Verfügung hatte, um seinen Tätigkeiten nachzukommen. 

Die APD weist ganz generell darauf hin, dass der Verantwortliche geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen muss, um sicherzustellen, dass er in der Lage ist, nachzuweisen, dass die Verarbeitung im Einklang mit der DSGVO durchgeführt wird. Die Unfähigkeit des Verantwortlichen im vorliegenden Fall, die tatsächliche Löschung der Daten der betroffenen Person zu überprüfen oder schlüssig zu bestätigen, ließen Zweifel an der Wirksamkeit der bestehenden technischen und organisatorischen Maßnahmen aufkommen.

Als Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1und Art. 24 DSGVO sah die Behörde auch die Tatsache, dass der frühere DSB in Teilzeit arbeitete und überlastet war, was ihn daran hinderte, wirksam auf die Anträge zu reagieren. Nach Ansicht der APD verdeutlichte dies das Versäumnis, Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der DSGVO entsprechend Art. 5 und 24 DSGVO zu ergreifen.

Zudem verweist die Behörde auch auf die Anforderungen des Art. 38 Abs. 2 DSGVO hinsichtlich der Aufgaben des internen Datenschutzbeauftragten. Der Verantwortliche muss den DSB unterstützen, indem er ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt und hierbei muss er folgende Faktoren berücksichtigen.

  • der DSB muss gegebenenfalls in alle datenschutzrelevanten Angelegenheiten einbezogen werden
  • der Verantwortliche muss dem DSB ausreichend Zeit für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Verfügung stellen
  • der Verantwortliche muss die Bestellung des DSB allen Mitarbeitern mitteilen, um sicherzustellen, dass seine Rolle innerhalb der Organisation weithin bekannt ist
  • der Verantwortliche muss für laufende Schulungen sorgen, um die Kenntnisse des DSB auf dem neuesten Stand zu halten.

Einen Verstoß gegen diese Vorgaben sah die Behörde unter anderem in der Tatsache, dass der frühere DSB in Teilzeit arbeitete und überlastet war, was ihn daran hinderte, wirksam auf die Anträge zu reagieren.

Kurioses (und falsches) Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – 5.000 EUR für verspätete Auskunft an einen Bewerber

Klagen auf Zahlung von Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO sind vor allem im arbeitsgerichtlichen Bereich im Vergleich zu anderen Gerichtsbarkeiten eher erfolgreich (zumindest in den unteren Instanzen). Wenn aber die Gerichte die zum Teil gefestigte Rechtsprechung des EuGH nicht beachten, ist dies mehr als ärgerlich. Ein solcher Fall ereignete sich am Arbeitsgericht (ArbG) Mainz (Urteil vom 08.04.2024 – 8 Ca 1474/23. Derzeit nur bei BeckOnline abrufbar).

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Auskunfts- und Entschädigungsansprüche auf der Grundlage von Art. 15 DSGVO. Der Kläger bewarb sich auf eine Stelle bei der Beklagten und forderte, nachdem er eine Absage erhalten hatte, dass man ihm eine „umfassende Auskunft sowie eine vollständige Datenkopie auf Grundlage von Art. 15 DSGVO“ erteilen soll.

Die Beklagte antwortete hierauf nur mit einer Mail und fügte die Datenschutzhinweise bei. Weitere Anfragen sollten an die dort genannte E-Mail-Adresse gerichtet werden. Danach erhob der Bewerber Klage – irgendwie auch nicht überraschend, denn die Übersendung der Datenschutzhinweise stellt natürlich keine Auskunft dar.

Der Kläger forderte unter anderem, an ihn eine Geldentschädigung, die einen Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro aber nicht unterschreiten sollte, zu zahlen.

Entscheidung

Nach Ansicht des ArbG hat der Kläger einen Anspruch auf den begehrten Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Und zwar tatsächlich in Höhe der 5.000 EUR.

Richtig geht das ArbG noch davon aus, dass das Auskunftsrecht des Betroffenen nicht erfüllt wurde.

Die Nennung einer E-Mail-Adresse, über welche man die fraglichen Auskünfte erhalten könne, ersetzt nicht die Erteilung derselben“.

Bei der Begründung des Schadenersatzes ist die Begründung dann meines Erachtens aber nicht mehr haltbar bzw. angreifbar.

Kritik 1

Das ArbG begründet, dass nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO „ein Verstoß gegen die Verordnung einen Schadensersatzanspruch im Falle eines materiellen oder immateriellen Schadens, wobei die maßgebende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes den Schadensbegriff derart weit auslegt, dass er auch im vorliegenden Falle zu bejahen ist.“

Das Gericht lässt hier meines Erachtens unbeachtet, dass der EuGH gerade nicht allein von einem verstoß gegen die DSGVO direkt auf das Vorliegen eines Schadens schließt.

  • C-300/21, Rz. 33: „Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder „Verstoß“ gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich genommen den Schadenersatzanspruch der betroffenen Person im Sinne von Art. 4 Nr. 1 dieser Verordnung eröffnet.“
  • C-456/22, Rz. 21: „Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung reicht nämlich nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.“

Kritik 2

Das Gericht begründet nicht bzw. fehlerhaft (siehe Kritik 3), wie es zu einem Schaden in Höhe von 5.000 EUR gelangt und vor allem nicht, ob und wie der Kläger diesen Schaden nachgewiesen hat

Der dem Kläger entstandene „Schaden“ ist zwar schwindend gering, gleichwohl hält die Kammer die begehrten 5.000,00 € für einen angemessenen Betrag“. Auch dies entspricht nicht der Rechtsprechung des EuGH und die (fehlende) Begründung des ArbG verstößt gegen diese Rechtsprechung.  

  • C-300/21, Rz. 32: „Zum einen geht aus dem Wortlaut dieser Bestimmung klar hervor, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt,…“
  • C-687/21, Rz. 60: „Der Gerichtshof hat hinzugefügt, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie nachteilige Folgen hatte, jedoch den Nachweis erbringen muss, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen,…“

Kritik 3

Nach Ansicht des ArbG sind 5.000 EUR Schadenersatz hier gerechtfertigt, „weil Verfahren der vorliegenden Art auch eine präventive Funktion haben sollen“.

Zudem komme es „weniger darauf an, wie sehr der Kläger „gelitten“ hat, als vielmehr darauf, bei welchem Betrag ein entsprechender Leidensdruck bei der Beklagten entsteht“. Das Gericht stellt sich auch hier konträr zur Rechtsprechung des EuGH und nimmt eine Straffunktion des Schadenersatzes nach Art. 82 DSGVO an.

  • C-667/21, Rz. 85: „Insoweit ist zu betonen, dass Art. 82 DSGVO – anders als andere, ebenfalls in Kapitel VIII dieser Verordnung enthaltene Bestimmungen, nämlich die Art. 83 und 84, die im Wesentlichen einen Strafzweck haben, da sie die Verhängung von Geldbußen bzw. anderen Sanktionen erlauben – keine Straf‑, sondern eine Ausgleichsfunktion hat.“
  • C-687/21, Rz. 48: „Der Gerichtshof hat hinzugefügt, dass sich, da der in Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorgesehene Schadensersatzanspruch keine abschreckende oder gar Straffunktion erfüllt, sondern eine Ausgleichsfunktion hat,…“
  • C-687/21, Rz. 50: „… da eine auf sie gestützte Entschädigung in Geld es ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen die DSGVO erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und keine Straffunktion erfüllt.“

Das ArbG gesteht hier also 5.000 EUR Schadenersatz für eine verspätete und ungenügende Auskunft zu, ohne die Tatbestandsvoraussetzung von Art. 82 DSGVO entsprechend den Vorgaben des EuGH zu beachten. Wenn man dann auch noch im Blick hat, dass der EuGH selbst in einem jüngeren Urteil „nur“ 2.000 EUR Schadenersatz auf Grundlage von Art. 50 der sog. Europol-Verordnung (VO 2016/794) zugesprochen hatte (hierzu der Beitrag von Philipp Quiel), obwohl es dort um sensibelste Daten aus dem Intimbereich ging, scheint das vorliegende Urteil noch diskutabler.

Geschäftsmodell der personalisierten Werbung ist kein „Schaden“ im Sinne der DSGVO

Das Landgericht (LG) Magdeburg (Urt. v. 29.2.2024, Az. 10 O 530/23; derzeit leider noch nicht frei verfügbar; GRUR-RS 2024, 8057) hatte sich im Rahmen einer Klage auf Schadenersatz nach Art, 82 DSGVO u.a. mit der Frage zu befassen, ob die Betroffenheit eines Nutzers von personalisierter Onlinewerbung einen ersatzfähigen Schaden nach der DSGVO darstellt.

Sachverhalt
Der Kläger ist Nutzer u.a. von Facebook und Instagram. Dort hatte er sich mit seinen personenbezogenen Daten registriert. Nachdem Meta ab dem 3.11.2023 das sog. Einwilligungsmodell in Europa einführte, willigte der Kläger am 8.11.2023 ein, dass die Beklagte weiterhin Informationen des Klägers zu Werbezwecken verwenden darf.

Zuletzt beantragte der Kläger u.a., Auskunft über ihn betreffende personenbezogene Daten zu erteilen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der individualisierten Werbung verarbeitet. Zudem verlangte er als Ausgleich für Datenschutzverstöße einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe den Betrag von 1.500 EUR nicht unterschreiten sollte. Er begründet den Anspruch damit, dass er mit dem Geschäftsmodell der Beklagten personalisiert zu werben, nicht einverstanden sei.

Entscheidung
Einen Anspruch auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO lehnt das LG als unbegründet ab.

Der Vortrag des Klägers zum behaupteten Schaden wurde als unsubstantiiert angesehen.

Hierbei verweist das LG auf die Rechtsprechung des EuGH zur Frage, wer die Beweislast für das Vorliegen eines Schadens trägt.

Die Beweislast für das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens trägt die Klagepartei.

Der Kläger müsse den Nachweis führen, dass die geltend gemachten Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne der DSGVO darstellen.

Zudem weist das LG die Begründung des Klägers für einen angeblichen Schaden, personalisierte Werbung zu verwenden, zurück.

Dies allein führt zu keinem Schaden.

Aus Sicht des LG ist ein derartiges Geschäftsmodell nicht ungewöhnlich. Die Plattformen der Beklagten würden Nutzern kostenlos bereitgestellt. Die Fähigkeit, Nutzern ihre derzeitigen Dienste kostenlos bereitzustellen, hänge aber von Werbeeinnahmen ab. Nach Ansicht des L ist dieses Geschäftsmodell aber üblich.

Das Gericht nennt hierfür etwa Beispiele von kostenfreien Zeitungen und frei empfangbare, private Fernsehsender, die ein ähnliches Geschäftsmodell verwenden: Sie versuchen, über Inhalte Leser oder Zuschauer zu gewinnen, denen dann auf Grundlage demografischer Merkmale/ Interessen der Zielgruppe relevante Werbung präsentiert wird. Hierzu das LG:

Schon dem gesunden Menschenverstand nach ist es offensichtlich, dass die Beklagte ihr Angebot nur deswegen kostenlos zur Verfügung stellen kann, weil sie Werbung verkauft. Dies ist weder ehrenrührig, noch verboten. Wenn die Klagepartei sich hierdurch unwohl fühlt, steht es ihr völlig frei die Angebote der Beklagten nicht zu nutzen oder für ein Angebot ohne Werbung zu bezahlen.

Verzicht auf den Auskunftsanspruch im arbeitsgerichtlichen Vergleich? Zur Abdingbarkeit von Betroffenenrechten

Bekanntlich gehört die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO in arbeitsgerichtlichen Verfahren mittlerweile „zum guten Ton“ – ob nun wirklich immer mit einer Intention des Datenschutzes oder doch eher, um Aufwände zu kreieren, sei hier dahingestellt.

In ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht 2023 (ab S. 119) befasst sich die Datenschutzbehörde des Saarlandes (LfDI) mit der relevanten Frage, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung (etwa in Form eines Vergleichs) mit dem Inhalt treffen können, dass der Betroffene auf die Ausübung seines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO verzichtet? Ob das Betroffenenrecht also zur Disposition der Parteien steht?

Datenschutz als Grundrecht – Selbstbestimmtheit der Betroffenen

Die LfDI verweist darauf, dass das europäische Datenschutzrecht Ausfluss des Grundrechts aus Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ist. Dieses Grundrecht sei wichtig – jedoch kein Grundrecht unabdingbarer Natur, wie etwa die Menschenwürde aus Art. 1 GRCh.

Die Behörde geht davon aus, dass das Prinzip der Selbstbestimmtheit des Betroffenen im Datenschutzrecht besondere Bedeutung hat. Was etwa durch das Institut der Einwilligung aus Art. 6 Abs. 1 lit. a, Art. 7 DSGVO unmissverständlich zum Ausdruck komme.

Die LfDI leitet hieraus in einem Erst-Recht-Schluss ab:

Kann der Betroffene durch eine Einwilligung zur Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten seine Zustimmung erteilen und dieser Verarbeitung dadurch eine rechtliche Grundlage verleihen, so muss er auch eine Entscheidungsbefugnis dahingehend haben, ob und in wieweit er seine hierzu im Annex stehenden Betroffenenrechte ausübt bzw. auf diese verzichtet.“

Dies gelte auch in Situationen, in denen es evtl. ein Machtgefälle bzw. Ungleichgewicht zwischen den Parteien gibt – wie im Beschäftigtenverhältnis. Die LfDI macht hier aber eine relevante Einschränkung ihrer Ansicht. Sie sieht insbesondere dort die Möglichkeit der Selbstbestimmtheit, wo es um zurückliegende Verarbeitungen in der Vergangenheit geht.

Formulierung des Vergleiches / Verzichts

Zudem befasst sich die LfDI auch mit der erforderlichen Formulierung einer solchen Vereinbarung. Grundsätzlich müssen die Formulierungen in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich natürlich hinreichend klar und bestimmt sein,

um ein datenschutzrechtliches Betroffenenrecht einvernehmlich auszuschließen“.

Auch eine sog. Salvatorische Abgeltungsklausel, mit der jegliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten sein sollen, genügt nach Auffassung der LfDI dem Bestimmtheitserfordernis.

Auch wenn sich die Vereinbarung dem Wortlaut nach „nur“ auf Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ bezieht, ist dies nach Auffassung der Behörde unschädlich, da das Arbeitsverhältnis gerade Grundlage der Datenverarbeitung ist. Der Bezug zum „Arbeitsverhältnis“ umfasst danach nicht nur arbeitsrechtliche Ansprüche im engeren Sinne,

sondern auch solche datenschutzrechtlicher Art, welche mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen und für welche das Arbeitsverhältnis Verarbeitungsgrundlage war“.

Jedoch macht die LfDI noch eine Einschränkung.

Der Verzicht auf das Betroffenenrecht könne sich nicht auf solche Verarbeitungen beziehen, die der Betroffene noch nicht absehen kann. Hier müsse er weiterhin einen Auskunftsanspruch haben.

Mit Blick auf die Begründung zuvor, dass es sich um Ansprüche aus dem „Arbeitsverhältnis“ handeln muss, scheint die LfDI also eine Grenze zu solchen Verarbeitungen zu ziehen, die erst in Zukunft stattfinden würden.

Insgesamt stellt die Aufsichtsbehörde aber am Ende ihrer Ausführungen noch einmal fest:

Auskunftsansprüche über Datenverarbeitungen der Vergangenheit, genauer über solche Verarbeitungen, welche aus zeitlich vor dem hierauf gerichteten Vertragsschluss (Vergleichsschluss) resultierenden Datenerhebungen stammen, stehen indes grundsätzlich zur Disposition der Vertragsparteien“.

Fazit

Die LfDI vertritt eine, aus meiner Sicht, durchaus pragmatische und eher verantwortlichenfreundliche Position zur Frage, ob Betroffenenrechte abdingbar sind. Wichtig ist der Behörde zurecht eine klar verständliche und transparente Regelung hierzu. Zudem will die LfDI den Verzicht auf das Betroffenenrecht „nur“ für vergangene Verarbeitungen gelten lassen. Wichtig: ob der Betroffene von den vergangenen Verarbeitungen auch tatsächlich Kenntnis hat, scheint keine Voraussetzung aus Sicht der Behörde zu sein.

Spannend wäre jetzt natürlich die Diskussion, ob die Argumentation der LfDI auf andere Betroffenenrechte übertragbar ist (zB das Recht auf Löschung oder Berichtigung) – aus meiner Sicht schon. Zum einen beschränkt die LfDI ihre Ansicht nicht nur auf das Auskunftsrecht. Zum anderen sind die vorgebrachten Argumente durchaus auch für andere Betroffenenrechte anwendbar.