LAG Hessen: Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist nicht vermögensrechtlicher Natur – Kopieanspruch nach Abs. 3 aber schon

Das LAG Hessen hatte sich in einer Entscheidung (Beschl. v. 11.11.2022, Az. 12 Ta 417/22) zum Gebührenstreitwert eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens auch mit der Frage zu befassen, ob der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO vermögensrechtlicher Natur ist – ob er also (auch) wirtschaftlichen Zwecken dient. 

Die Entscheidung des LAG ist unter zwei Aspekten für die Praxis relevant: zum einen für eine mögliche Heranziehung der Begründung im Zuge von klar unbegründeten (bzw. missbräuchlichen) Ansprüchen, wenn diese wegen wirtschaftlicher Motive geltend gemacht werden. Zum anderen für gerichtliche Auseinandersetzungen zu Art. 15 DSGVO und die Frage, welcher Streitwert für solche Ansprüche anzusetzen ist.

Zwei Ansprüche oder einer?

Das LAG trennt Art. 15 DSGVO (meines Erachtens diskutabel) in zwei verschiedene Ansprüche auf. 

Der Antrag auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO sei nicht vermögensrechtlicher Natur. Also wenn man so will, der „normale“ Auskunftsanspruch. Dieser Anspruch diene keinen wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen. Das LAG hält (im Grundsatz) einen Gegenstandswert von 500 EUR für angemessen. Jedoch verdoppelt das LAG hier diesen Wert auf 1.000 EUR, da der Auskunftsanspruch auch Informationen über den Gesundheitszustand des Mitarbeiters betreffen könnte, die für den Streit relevant seien. 

Der weitere Antrag auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten, Art. 15 Abs. 3 DSGVO, sei dann aber nach Ansicht des LAG doch als vermögensrechtliche Streitigkeit zu bewerten. Denn die „Zurverfügungstellung der Daten“ sei nicht anders zu bewerten, als ein Herausgabeverlangen bezüglich Arbeitspapieren. 

Andere Ansicht vertretbar

Meines Erachtens ist die Ansicht des LAG zumindest diskutabel und eine andere Auffassung gut vertretbar. Zum einen lässt sich bereits fragen, warum Abs. 1 und Abs. 3 des Art. 15 DSGVO zwei getrennt voneinander existierende Ansprüche sein sollen. Abs. 3 erfasst keine weiteren oder andere Daten und Informationen als jene des Abs. 1. Denn Abs. 3 bezieht sich auch „nur“ auf die personenbezogenen Daten (wie in Abs. 1 bereits genannt). Daher geht etwa auch der EDSA in seinen Leitlinien 01/2022 davon aus, dass Betroffene kein Recht auf Erhalt von Dokumentenkopien haben, in denen personenbezogene Daten enthalten sind (“This, however, does not mean that the data subject always has the right to obtain a copy of the documents containing the personal data, but an unaltered copy of the personal data being processed in these documents”). Zudem würde ich der Ansicht des LAG, dass Abs. 3 ein Anspruch auf Herausgabe von Arbeitspapieren darstellt, nicht folgen. Abs. 3 ist meines Erachtens kein Anspruch auf Dokumenten- oder Kopienherausgabe von Unterlagen, sondern eine besondere Form des Auskunftsanspruchs. Hierfür kann man etwa anführen, dass in der DSGVO an anderer Stelle durchaus auf Dokumente oder Unterlagen an sich abgestellt wird (etwa in Art. 70 Abs. 1 s) „alle erforderlichen Unterlagen, darunter den Schriftwechsel…“ oder ErwG 63 „Daten in ihren Patientenakten“ (man beachte hier auch das „in“)), aber nicht in Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Auch der EDSA geht in seinen Leitlinien davon aus, dass Abs. 3 kein zusätzliches, eigenes Recht darstellt („The obligation to provide a copy is not to be understood as an additional right of the data subject, but as modality of providing access to the data“).

Zum anderen kann man sicherlich auch eine andere Auffassung zu der Frage vertreten, ob Abs. 3 vermögensrechtlicher Natur ist. Hiergegen spricht meines Erachtens allein schon ErwG 63 DSGVO, der vorgibt, dass der Zweck des Recht ist, „um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können“.

Norwegische Datenschutzbehörde: DSGVO-Auskunftsersuchen an den CEO musste nicht beantwortet werden

Mit Entscheidung (PDF) vom 10. Mai 2022 hat die norwegische Datenschutzbehörde („Datatilsynet“) entschieden, dass ein für die Verarbeitung Verantwortlicher (in diesem Fall die Zalaris ASA) nicht gegen Art. 12 Abs. 5 und 15 DSGVO verstoßen hat, weil ein per E-Mail an den Geschäftsführer gerichtetes Auskunftsersuchen unbeantwortet blieb.

Der Beschwerdeführer (eine betroffene Person mit Wohnsitz in Deutschland, die früher bei der deutschen Tochtergesellschaft des für die Verarbeitung Verantwortlichen beschäftigt war) schrieb an den Geschäftsführer des Unternehmens, um sein Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO geltend zu machen. Er erhielt keine Antwort, reichte bei Datatilsynet eine Beschwerde gegen Zalaris ein und versuchte es bei einer anderen „DSGVO“-Adresse. Aber auch diese Anfrage blieb unbeantwortet.

Ich möchte mich auf die Argumentation von Datatilsynet in Bezug auf die erste, an den CEO gerichtete E-Mail konzentrieren.

Der für die Verarbeitung Verantwortliche räumte ein, dass er auf die Auskunftsersuchen des Beschwerdeführers nicht reagiert hat. Zalaris machte jedoch geltend, dass dies darauf zurückzuführen sei, dass die erste Anfrage direkt an den CEO des Unternehmens gerichtet war (die zweite landete im Spam-Ordner des E-Mail-Posteingangs des Unternehmens).

Datatilsynet argumentiert, dass der erste Antrag auf Zugang nicht beantwortet werden musste.

… unserer Ansicht nach kann Zalaris nicht viel vorgeworfen werden. Wie der Europäische Datenschutzausschuss (EDPB) festgestellt hat: Der für die Verarbeitung Verantwortliche ist […] nicht verpflichtet, einer Anfrage nachzukommen, die an die E-Mail-Adresse eines Mitarbeiters des für die Verarbeitung Verantwortlichen gerichtet ist, der nicht mit der Bearbeitung von Anfragen zu den Rechten der betroffenen Personen befasst sein darf […]. Solche Anträge gelten nicht als wirksam, wenn der für die Verarbeitung Verantwortliche der betroffenen Person eindeutig einen geeigneten Kommunikationskanal zur Verfügung gestellt hat.

Darüber hinaus enthielt die auf der Website von Zalaris verfügbare Datenschutzerklärung eine spezielle E-Mail-Adresse, die für Datenschutzanfragen zu verwenden war. In diesem Fall war es legitim, von den betroffenen Personen (einschließlich dem Beschwerdeführer) zu erwarten, dass sie Auskunftsersuchen über einen solchen Kommunikationskanal und nicht direkt an den CEO richten.

Vom CEO eines Unternehmens von der Größe von Zalaris kann nicht erwartet werden, dass er direkt an der Bearbeitung von Anfragen zu den Rechten der betroffenen Personen beteiligt ist. Daher hat Zalaris unseres Erachtens nicht gegen Artikel 12 Absatz 2 und Artikel 15 DSGVO verstoßen, indem es nicht auf die E-Mail geantwortet hat, die der Beschwerdeführer direkt geschickt hatte…„.

Die Behörde fügt noch eine weitere Ansicht hinzu: Es sei darauf hingewiesen, dass – im Gegensatz zu den Argumenten des Beschwerdeführers – in Fällen, in denen personenbezogene Daten von einem Unternehmen verarbeitet werden (das über die Mittel und Zwecke der Verarbeitung entscheidet), das Unternehmen als solches als „für die Verarbeitung Verantwortlicher“ gilt, und nicht sein Geschäftsführer.

Diese Auslegung (die aus meiner Sicht absolut korrekt ist) ist relevant, weil wir in Deutschland ja durchaus auch andere Ansichten hierzu kennen.

Keine Auskunft und Reaktion auf Betroffenenanfrage: 20.000 EUR Bußgeld gegen Deutsche Bank in Italien

Die italienische Datenschutzbehörde hat am 16. Juni 2022 ein Bußgeld in Höhe von 20.000 EUR gegen die Deutsche Bank in Italien verhängt (Mitteilung der Behörde, auf Italienisch). Die Entscheidung ist besonders praxisrelevant, da es um einen Verstoß gegen Art. 12 und 15 DSGVO, also das Auskunftsrecht nach der DSGVO ging, welches Unternehmen immer wieder beschäftigt. Vorliegen lag auch einer der klassischen, aber gleichzeitig vermeidbaren Fehler vor: das Auskunftsersuchen wurde nicht (rechtzeitig) bearbeitet.  

Die Entscheidung ist nur auf Italienisch abrufbar. Ich habe sie selbst übersetzt und kann daher nicht für absolute Richtigkeit garantieren.

Sachverhalt

Der Betroffene legte am 26.10.2020 bei der Datenschutzbehörde eine Beschwerde über eine unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Deutsche Bank S.p.A. ein und beschwerte sich zudem über die Nichtbeantwortung des an die Bank gerichteten Antrags auf Ausübung seiner Betroffenenrechte vom 15.07.2020. In diesem bat er um die nach Art. 13 DSGVO erforderlichen Informationen und wohl auch ganz generell um Auskunft zu seinen Daten (Art. 15 DSGVO). Innerhalb der in Art. 12 Abs. 3 DSGVO vorgesehenen fristen ging jedoch keine Antwort der Bank ein.

Erst im Nachgang (im Jahr 2021), als die Datenschutzbehörde die Bank zur Auskunft aufforderte, wurde diese gegenüber dem Betroffenen erteilt

In einem Schreiben an die Aufsichtsbehörde räumte die Bank ein, dass sie dem Betroffenen keine Informationen und keine Auskunft erteilt hatte, und übermittelte dem Beschwerdeführer und der Behörde die angeforderten Unterlagen.

Entscheidung

Auf der Grundlage der von der Bank abgegebenen wurde ein Sanktionsverfahrens wegen Verstößen gegen Art. 12 Abs. 3 und Art. 15 DSGVO eingeleitet.

Die Datenschutzbehörde stellt fest, dass die Bank auf den vom Beschwerdeführer formulierten Antrag auf Ausübung seiner Rechte nicht innerhalb der in Art. 12 Abs. 3 DSGVO vorgesehenen Frist geantwortet hat. Zudem informierte sie den Betroffenen auch nicht innerhalb der vorgegebenen Frist über die Gründe für die Nichterfüllung der Anforderungen und über die Möglichkeit, eine Beschwerde bei der Behörde einzureichen (Art. 12 Abs. 4 DSGVO).

Die Bank verteidigte sich wohl u.a. damit, dass der Antrag auf Ausübung von Rechten im Rahmen eines umfassenderen und detaillierteren Ersuchens des Kunden gestellt worden sei, was eine rechtzeitige Antwort verhindert hätte. Hierin sah die Datenschutzbehörde jedoch kein Argument dafür, die Betroffenenanfrage nicht fristgemäß zu beantworten.

Zur Begründung verweist die Aufsichtsbehörde auch auf Art. 12 Abs. 2 DSGVO, wonach „der für die Verarbeitung Verantwortliche die Ausübung der Rechte der betroffenen Person nach den Artikeln 15 bis 22 zu erleichtern hat“.

Zudem brachte die Bank als Argument vor, dass die Informationen gemäß Art. 13 DSGVO und die Daten, die Gegenstand des Antrags sind, der betroffenen Person bereits bekannt waren. Auch diesen Einwand lies die Datenschutzbehörde nicht gelten.

In Art. 15 DSGVO sei als erster Schritt das Rechts der betroffenen Person verankert, „von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu erhalten, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden oder nicht“ und, falls dies der Fall ist, das Recht, „Zugang zu den Daten“ und weitere Informationen zu erhalten. Dies geschehe auch, um die Richtigkeit und Vollständigkeit der verarbeiteten Daten zu überprüfen.

Basierend hierauf wurde die Beschwerde für begründet erklärt und basierend auf Art. 58 Abs. 2, 83 Abs. 3 DSGVO eine Geldbuße verhängt.

Die Behörde setzt die Geldbuße in Höhe von 20.000,00 EUR für den Verstoß gegen die Art. 12 und 15 DSGVO fest.

Fazit

Betroffenenrechte spielen, insbesondere im B2C-Bereich eine herausragende Rolle, wenn es um die DSGVO-Compliance geht. Insbesondere sollten datenverarbeitende Stellen intern Prozesse und Vorgaben etablieren, die eine rechtzeitige Bearbeitung von Betroffenenanfragen sicherstellen. Eine ausbleibende oder verspätete Antwort kann im schlimmsten Fall mit einem Bußgeld geahndet werden. Gerade der Fehler einer Nichtbearbeitung oder der Verspätung ist meiner Ansicht nach aber in der Praxis gut vermeidbar, wenn man intern entsprechende Vorgaben schafft und Mitarbeiter regelmäßig schult. 20.000 EUR für einen Fall mag im ersten Moment „vertretbar“ anmuten – jedoh sollte man aus Unternehmenssicht beachten, dass, bei fehlenden internen Leitlinien und Prozessen, über einen längeren Zeitraum evtl. nicht nur eine Anfrage, sondern eine viel größere Anzahl nicht richtig bearbeitet wird. Entsprechend dürfte dann auch das mögliche Bußgeld nach oben angepasst werden.

Datenschutzbehörde Liechtenstein: Betroffene haben keinen DSGVO-Anspruch auf Herausgabe der TOMs

In ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht (PDF, S. 19) informiert die Datenschutzstelle Liechtenstein u.a. auch zu Beratungsanfragen zu dem Themenkomplex „Auskunft“ nach Art. 15 DSGVO.

Mehrere betroffene Personen als auch Verantwortliche stellten die Frage, ob im Rahmen der Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO auch eine Information über technische und organisatorische Maßnahmen (TOM) erteilt werden muss. Dies ist ein Fall, der in der Praxis recht häufig vorkommt. Daneben verlangen Betroffene oft auch die Herausgabe des Verzeichnisses der Verarbeitungstätigkeiten.  

Die Antwort der Datenschutzbehörde ist hier (meines Erachtens zu Recht) eindeutig.

Weder Art. 13 oder 14 DSGVO noch Art. 15 DSGVO begründen einen Rechtsanspruch auf Informationen zu TOM.“

Die Aufsichtsbehörde geht in ihrer Einschätzung also auch auf die Informationspflichten nach Art. 13 und 14 DSGVO ein. Auch diese enthielten aber keine entsprechende Verpflichtung zur Zugänglichmachung der TOMs.

Zwar sehe Art. 30 DSGVO vor, dass im Verarbeitungsverzeichnis eine allgemeine Beschreibung der TOM zu erfolgen muss.

Dieses Verzeichnis muss allerdings nicht gegenüber betroffenen Personen offengelegt werden.“

Dies ist eine weitere praxisrelevante Feststellung der Aufsichtsbehörde.

Verwaltungsgericht Bremen: Keine Auskunft über Betroffenenrechte, wenn der Betroffene diese kennt und selbst erwähnt?

Das Verwaltungsgericht (VG) Bremen hat sich in einem Urteil vom 22.06.2022 (Az. 4 K 1/21; derzeit leider bei BeckOnline kostenpflichtig abrufbar, BeckRS 2022, 16412) mit Fragen rund um das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO befasst. Das VG lehnt zum Teil eine Pflicht des Verantwortlichen ab, Informationen nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) – h) DSGVO zu erteilen. Der Fall selbst erscheint mir einigermaßen „speziell“.

Sachverhalt

Die Kläger machen gegenüber der Beklagten (einer öffentlichen Stelle) Auskunftsansprüche nach der DSGVO geltend. Mit Schreiben vom 16.06.2020, adressiert an die Beklagte – Amt für Kinder, Jugend und Familie -, beantragte die Klägerin zu 1. für sich und die Kläger zu 2. und 3. bei der Beklagten unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis h) DSGVO die Erteilung von Auskünften über die über sie selbst und ihre beiden Söhne erhobenen und verarbeiteten personenbezogenen Daten.

Die Beklagte teilte ihr daraufhin mit, dass es keine zentrale Stelle gäbe, die sämtliche personenbezogenen Daten von Betroffenen erfassen und zusammenführen würde, weswegen sie sich hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs an die jeweilige Stelle in Bremerhaven wenden müsste. Am 03.01.2021 wurde Klage und zugleich ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingereicht und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte habe nicht auf ihr Auskunftsbegehren vom 16.06.2020 reagiert. Auch die nachträglich vorgelegten Unterlagen seien unvollständig.

Mit Schreiben vom 03.03.2022 hat die Beklagte der Klägerin zu 1. u.a. eine ExcelTabelle zu den verarbeiteten personenbezogenen Daten übermittelt. Mit Schreiben vom 11.05.2022 hat die Beklagte u.a. auch noch einen Auszug aus der LogoData-Software zu den verarbeiteten personenbezogenen Daten übermittelt. Die Schreiben bzw. Tabellen und Übersichten enthielten jedoch keine Hinweise auf Betroffenenrechte oder Beschwerderechte. Ferner enthielten sie auch keine Informationen über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling.

Die Kläger gingen weiter davon aus, dass ihr Anspruch aus Art. 15 DSGVO nicht erfüllt sei.

Entscheidung

Das VG ging zunächst davon aus, dass der Anspruch nach Art. 15 DSGVO mit der Übersendung der Excel-Tabellen und eines Auszugs aus der verwendeten Software zum Teil erfüllt war.

Erfüllung mit Screenshots und Kopien aus Systemen

Die Aussagen zu der übersendeten Excel-Tabelle (ich vermute, als Screenshot / Ausdruck und Kopie) sind durchaus interessant. Die Excel-Tabelle war so aufgebaut, dass dort sämtliche bei der Beklagten vorhandene personenbezogene Daten i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis d) und g) DSGVO zu den Klägern eingetragen werden konnten, was auch geschehen ist.

Aus den LogoData-Softwareauszügen, welche per Schreiben (also wohl auch eine Kopie eines Screenshots bzw. ein Ausdruck) übermittelt wurden, wurde ersichtlich, dass, und darüber hinaus auch konkret welche Daten nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis d) und g) DSGVO beim Sozialen Dienst der Beklagten zum Zwecke der Bearbeitung des Unterhaltsvorschusses und der wirtschaftlichen Jugendhilfe verarbeitet wurden.

Keine Auskunft über bekannte Betroffenenrechte?

Sehr interessant finde ich die Begründung des VG zu der Frage, ob die beklagte Behörde nicht auch die Informationen nach Art. 15 Abs. 1 lit. e) und h) DSGVO erteilen musste. Es war klar, dass sämtliche der Klägerin übermittelten Unterlagen keine Informationen zu den nach Art. 15 Abs. 1 lit. e) und h) DSGVO zu übermittelnden Angaben enthielten.

Das VG fand hier aber einen Begründungsansatz, warum diese Informationen nicht erforderlich waren.

Für den Hinweis auf das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der die Kläger betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung (Art. 15 Abs. 1 lit. e) DSGVO) bestand nach Auffassung des VG kein Bedürfnis,

nachdem die Kläger bereits in den Schriftsatz vom 04.01.2021, mit dem sie die Klage eingereicht hatten, Art. 15 Abs. 1 DSGVO vollständig zitiert hatten. Die Kläger können sich im vorliegenden Fall gerade nicht darauf berufen, sie hätten keine Kenntnis von ihren Betroffenenrechten gehabt und die Beklagte müsste nun dazu verpflichtet werden, sie hierauf hinzuweisen.“

(gemeint ist wohl die Klage vom 03.01). Das VG argumentiert hier nicht europarechtlich aus der DSGVO heraus, sondern basierend auf dem deutschen Verwaltungsprozessrecht. Diesen Ansatz finde ich durchaus nachvollziehbar.

Denn auf diese Weise könnten die Kläger keine Verbesserung ihrer Rechtsposition erreichen. Eine Klage, bei der nicht einmal die Möglichkeit einer Verbesserung der eigenen Rechtsposition besteht, ist als rechtsmissbräuchlich zu bewerten und daher unzulässig“.

Es dürfte sich aber eine Gegenposition ebenso vertreten lassen. Im Grunde geht die DSGVO als unmittelbar anwendbares Recht dem nationalen Recht vor. Art. 15 Abs. 1 DSGVO sieht keine Ausnahme der Auskunftspflichten vor, wenn die betroffene Person diese Rechte bereits kennt bzw. selbst zitiert. Am Ende wird man diskutieren müssen, ob das deutsche Prozessrecht von der DSGVO unbeeinflusst gilt und auch Auswirkungen auf materiell-rechtliche Anforderungen der DSGVO haben kann.   

Keine Auskunft, wenn nicht relevant?

Auch die Informationserteilung nach Art. 15 Abs. 1 lit. h) DSGVO lehnt das VG ab.

Diesbezüglich jedoch mit einer anderen Begründung. Für diese Information bestand nach Auffassung des Gerichts kein Bedürfnis,

weil im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die personenbezogenen Daten der Kläger zum Zwecke der automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling verarbeitet worden sein könnten.“

Findet eine automatisierten Entscheidungsfindung nicht statt, muss also nach Ansicht des VG darüber auch nicht negativ informiert werden. Diese Begründung halte ich durchaus für gangbar, zumal lit. h) ausdrücklich vorsieht, dass der Verantwortliche über „das Bestehen“ einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling informieren soll. Findet dies aber nicht statt, dann liegt auch kein „Bestehen“ vor.

Finnische Datenschutzbehörde: Regelmäßige Prüfung der Kontaktkanäle für Datenschutzanfragen erforderlich

Am 9.5.2022 hat die finnische Datenschutzbehörde gegen ein Unternehmen (einen finnischen Verlag) ein Bußgeld in Höhe von 85.000 EUR wegen mehrerer Verstöße gegen die DSGVO verhängt (Englisch). Die Entscheidung betrifft einige praxisrelevante Fragestellung der Umsetzung von Betroffenenrechten.

Einleitend informiert die Behörde darüber, dass sie insgesamt elf Beschwerden zu dem Unternehmen erhalten hatte. Unter anderem hatten die Betroffenen keine Antwort auf ihre Anträge oder Anfragen zu Datenschutzrechten erhalten.

Kontaktkanäle für betroffene Personen müssen regelmäßig getestet werden

Einige Datenschutzanfragen von Betroffenen wurden aufgrund eines technischen Problems bei der E-Mail-Weiterleitung nicht umgesetzt, als das Unternehmen seinen Dienstleister wechselte.

Dies führte dazu, dass E-Mails, die in dem für Datenschutzfragen reservierten E-Mail-Posteingang eingingen, nicht an die Mitarbeiter des Kundendienstes weitergeleitet wurden. Das Problem wurde erst durch das Auskunftsersuchen der Datenschutzbehörde entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Unterbrechung der E-Mail-Weiterleitung bereits sieben Monate gedauert.

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde wäre das Unternehmen verpflichtet gewesen, sich um die Prüfung des E-Mail-Postfachs zu kümmern, da dies der wichtigste elektronische Kontaktkanal der betroffenen Personen in Datenschutzangelegenheiten war.

Aus der offiziellen Pressemitteilung wird leider nicht klar, welche Norm der DSGVO die Behörde hierdurch als verletzt ansieht. Auf der Webseite des EDSA wird u.a. ein Verstoß gegen Art. 12 DSGVO angegeben. Dies scheint mir hier auch die passende gesetzliche Grundlage zu sein. Nach Art. 12 Abs. 2 S. 1 DSGVO muss der Verantwortliche der betroffenen Person die Ausübung ihrer Rechte gemäß den Art. 15 bis 22 DSGVO erleichtern. Wenn aber Anfragen von Betroffenen gar nicht bearbeitet werden (und sei es auch nur aufgrund eines technischen Fehlers), dürfte dies gerade keine Erleichterung, sondern eine Erschwerung darstellen. Praktisch bedeutet dies, dass Unternehmen in regelmäßigen Abständen ihre DSGVO-Kanäle für Betroffene von extern testen sollten.

Unnötige Informationen dürfen nicht zur Identifizierung angefordert werden

Daneben konnten Betroffene mit einem ausdruckbaren Formular auch Anfragen zu ihren eigenen Daten stellen. Hierbei ging es wohl um Auskunftsanfragen nach Art. 15 DSGVO. Das Formular verlangte zur Identifikation jedoch die Unterschrift der betroffenen Person.

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde verarbeitete das Unternehmen aber auf diese Weise eine übermäßige Menge an Informationen zur Identifizierung. Insbesondere konnte das Unternehmen nicht darlegen, dass es die Unterschrift etwa mit bei sich vorhandenen Unterschriften der Betroffenen abglich. Denn es wurden ansonsten keine Unterschriften der Betroffenen erhoben.

Auch dieses Vorgehen dürfte nach Ansicht der Behörde einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 DSGVO darstellen. Zudem wird in der Mitteilung auf der Webseite des EDSA auch ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO erwähnt, also gegen den Grundsatz der Datenminimierung. Die (nicht erforderliche) Erhebung es Datums „Unterschrift“ dürfte auch gegen diese Norm verstoßen haben.

Datenschutzbehörde Hessen: Auskunftsanspruch kann wegen Zeugen-/Informantenschutz beschränkt werden

In ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht 2021 (PDF, ab S. 109 ff.) befasst sich die Hessische Datenschutzbehörde (HBDI) mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO möglich ist. In der Praxis ist diese Frage oft sehr relevant. Gleichzeitig fehlen jedoch konkrete Beispiele und Anwendungsfälle, wann sich ein Verantwortlicher auf „Rechte anderer Personen“ berufen kann und welche Rechte hiervon umfasst sind.

ErwG 63 DSGVO verweist beispielhaft auf Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht.

Der HBDI geht davon aus, dass unter diese „Rechte“ auch berechtigte Interessen anderer Personen fallen. Klarstellend fügt die Behörde hinzu, dass dieses Interesse

nicht notwendig durch eine Geheimhaltungsvorschrift geschützt sein“ muss.

Dies ist eine begrüßenswerte und praxisrelevante Ansicht. Denn von den „Rechten“ sind dann nicht nur rechtliche Schutzpositionen umfasst, die sich aus Gesetzen ableiten, wie etwa das Urheberrecht.

Die Behörde erläutert ihre Position anhand eines Beispiels. Umfasst sei insbesondere der Fall, dass der Verantwortliche Informationen über die betroffene Person von einer oder einem Anderen – unter Umständen gegen eine Zusage vertraulicher Behandlung – erhalten hat, die oder der ein z.B. behördliches Einschreiten gegen einen Missstand erreichen möchte.

Die Ausnahme des Abs. 4 erfasst also nach Ansicht des HBDI nicht nur rechtlich verbürgte Schutzpositionen, sondern auch berechtigte Erwartungen auf Geheimhaltung und Vertraulicheit. Dies ist eine relevante Klarstellung, die in der Praxis vor allem den Bereich des Compliance-Managements und eines Hinweisgebersystems betreffen dürfte.

Der HBDI begründet seine Ansicht weiter:

Das Interesse der anderen Person an einer Geheimhaltung ihrer Identität als „Quelle“ überwiegt gegenüber dem Auskunftsinteresse jedenfalls solange, wie Anhaltspunkte dafürsprechen, dass die Offenbarung der Identität der Informantin oder des Informanten zu rechtlichen oder tatsächlichen Benachteiligungen der „Quelle“ führen könnten.“

Dies dürfte man so verstehen, dass eine Information über die meldende Person im Rahmen einer Auskunft nicht herauszugeben ist, solange etwa ein Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren läuft und zu befürchten ist, dass etwa der Zeuge oder Informant Nachteile erleiden könnte, sollte die Tatsache seiner Meldung herauskommen. 

Baldiges EuGH-Urteil – Auskunft und Information allein über die Kategorien der Empfänger von Daten ausreichend?

Am 9. Juni 2022 hat Generalanwalt Pitruzzella zu einer nahenden Entscheidung des EuGH (Rechtssache C‑154/21) seine Schlussanträge vorgelegt.

In dem Verfahren aus Österreich geht es um die praxisrelevante Frage, ob Verantwortliche im Rahmen der Antwort auf Auskunftsanträge nach Art. 15 DSGVO den Betroffenen die konkreten Empfänger von Daten oder aber nur die Empfängerkategorien zur Verfügung stellen müssen (Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO). Die Antwort auf diese Frage hat weitreichende Konsequenzen: müssten alle Datenempfänger konkret benannt werden, bedeutet dies, dass der zur Auskunft verpflichtete Verantwortliche jegliche (gemeinsam oder getrennt) Verantwortliche und (!) Auftragsverarbeiter aufführen muss, die Daten von ihm erhalten. Denn „Empfänger“ sind auch die Auftragsverarbeiter.

In der Praxis bedeutet dies natürlich, dass man im Grunde auch alle Stellen kennen muss, die Daten erhalten. Das kann in der heutigen Zeit durchaus herausfordernd sein. Stellen Sie sich hierzu einmal eine Webseite / App vor, auf der verschiedenste Dienstleister eingebunden sind.

Konkret geht es in dem Verfahren um die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO, in dem es heißt: „die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden“.

Der Generalanwalt legt die Norm nach verschiedenen Kriterien, u.a. Wortlaut und Sinn und Zweck aus. Hierbei kommt er zu einem klaren Ergebnis: Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO ist dahin auszulegen, dass das dort vorgesehene Auskunftsrecht der betroffenen Person auf deren Antrag notwendigerweise auf die Angabe der konkreten Empfänger der Offenlegungen ihrer personenbezogenen Daten zu erstrecken ist.

Zur Begründung führt der Generalanwalt unter anderem folgende Argumente an:

  • Die Begriffe „Empfänger“ und „Kategorien von Empfängern“ sind neutral nebeneinander aufgeführt, ohne dass daraus geschlossen werden kann, dass zwischen diesen Begriffen ein Vorrangverhältnis besteht.
  • Die Struktur der Norm spreche dafür, einer Auslegung den Vorzug zu geben, wonach es der betroffenen Person obliegt, die Wahl zwischen den beiden dort vorgesehenen Alternativen zu treffen.
  • Die Ausübung des Auskunftsrechts muss es der betroffenen Person insbesondere ermöglichen, sich nicht nur zu vergewissern, dass ihre personenbezogenen Daten fehlerfrei verarbeitet werden, sondern auch, dass diese an Empfänger gerichtet sind, die zu ihrer Verarbeitung befugt sind. Das setzt grundsätzlich voraus, dass die Mitteilung von Informationen so präzise wie möglich erfolgt.
  • Würde man die Nennung von Kategorien ausreichen lassen, würde der betroffenen Person die Möglichkeit genommen, in vollem Umfang die Rechtmäßigkeit der vom Verantwortlichen vorgenommenen Verarbeitung und insbesondere die Rechtmäßigkeit der bereits erfolgten Offenlegungen von Daten überprüfen zu können.

Gleichzeitig macht der Generalanwalt zwei Ausnahmen:

  • In einem Fall, in dem aus tatsächlichen Gründen die Erteilung einer Auskunft über konkrete Empfänger nicht möglich ist, z. B. wenn diese tatsächlich noch nicht identifiziert wurden.
  • Zudem sei die Ausübung des Auskunftsrechts der betroffenen Person und die Erfüllung der entsprechenden Verpflichtung des Aufraggebers anhand der Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Diese Ausnahme ist spannend, denn hier verweist der Generalanwalt auch auf den möglichen Einwand nach Art. 12 Abs. 5 DSGVO, bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen.

Es handelt sich „nur“ um die Schlussanträge. Doch wenn man die Rechtsprechung des EuGH im Bereich Datenschutz anschaut, würde ich vermuten, dass er dem Ergebnis des Generalanwalts folgt.

Was bedeutet dies?

  • Sollte der EuGH entsprechend entscheiden, müssen bei der Beantwortung von Auskunftsanträgen jeweils immer die spezifischen Empfänger der Daten angegeben werden. Das setzt voraus, dass datenverarbeitendes Stelle alle Empfänmger auch kennen. Bedeutet: man muss wissen, wo welche Daten hingehen. Das ist in der Praxis eine Herausforderung. Ein gut geführter Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO kann in solchen Fällen ein echter Segen sein.
  • Auch Art. 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 DSGVO enthalten eine entsprechende Vorgabe, wie Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO; ich würde vermuten, dass insbesondere Aufsichtsbehörden die Begründung in diesem Verfahren daher auch auf Datenschutzerklärungen anwenden. Das bedeutet, diese müssten angepasst und um Empfängerlisten ergänzt werden.

Missbräuchliche Ausübung von Betroffenenrechten – Klarheit durch neuen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission?

In der Praxis ist die Geltendmachung und Bearbeitung von Betroffenenrechten der DSGVO ein wichtiges Thema. Dabei fällt auf, dass gerade Rechte wie der Auskunftsanspruch (Art. 15 DSGVO) oder das Recht auf Löschung (Art. 17 DSGVO) auch in Situationen geltend gemacht werden, in denen der Datenschutz ganz offensichtlich nicht im Fokus der Betroffenen steht. Sondern es geht, etwa in Verfahren vor Arbeitsgerichten, darum, der Gegenseite weiteren Aufwand zu machen bzw. diese, wenn möglich „auszuforschen“ (je nachdem, wie das Gericht den Umfang des Auskunftsrechts versteht). Oft stellt sich dann die Frage, ob denn der Verantwortliche nicht eine missbräuchliche Geltendmachung des Betroffenenrechts einwenden und die Erfüllung ablehnen kann. Mein Kollege Johannes Zwerschke und ich haben zu dem Thema „Missbräuchliche Ausübung von DS-GVO-Betroffenenrechten – zulässiger Verteidigungseinwand für Verantwortliche?“ einen Aufsatz in Heft 1/2022 der RDV veröffentlicht.

Merkmal „offenkundig unbegründet“

Fraglich ist hierbei unter anderem, wie das Merkmal „offenkundig unbegründet“ in Art. 12 Abs. 5 DSGVO in Bezug auf Anträge von Betroffenen zu verstehen ist. Die DSGVO gibt hierauf keine konkrete Antwort. Da es sich hierbei um unmittelbar anwendbares europäisches Recht handelt, ist das Merkmal nicht allein aus nationaler Sicht, sondern europarechtsautonom auszulegen.

Richtlinienvorschlag der Kommission zu missbräuchlichen Gerichtsverfahren

Spannend ist daher ein neuer Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 27.4.2022. Es geht um eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) (COM(2022) 177 final, PDF). Hintergrund des Vorschlags ist der Wunsch, Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern vor missbräuchlichen Gerichtsverfahren zu schaffen. „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“ oder „SLAPP-Klagen“ (strategic lawsuits against public participation) sind nach Ansicht der Kommission eine besondere Form der Belästigung, um Äußerungen zu Angelegenheiten im öffentlichen Interesse zu verhindern oder zu sanktionieren. Die vorgeschlagene Richtlinie „ermöglicht es Richtern, offenkundig missbräuchliche Klagen gegen Journalisten und Menschenrechtsverteidiger rasch abzuweisen“.

Und hier wird es natürlich für uns aus DSGVO-Sicht interessant. Zum einen verwendet die Richtlinie exakt dasselbe Merkmal wie die DSGVO („offenkundig unbegründet“). Zum anderen ist die Ausgangssituation auch sehr ähnlich: es geht darum zu verhindern, dass Rechte missbräuchlich genutzt werden. Die Parallele zu Situationen unter der DSGVO, ergibt sich etwa aus ErwG 20 der Richtlinie: „Bei missbräuchlichen Gerichtsverfahren handelt es sich in der Regel um bösgläubige Verfahrenstaktiken, z. B. die Verzögerung von Verfahren, das Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten für den Beklagten im Verfahren oder die Wahl des günstigsten Gerichtsstands“. Und: „Diese Taktiken werden von den Klägern zu anderen Zwecken eingesetzt, als um Zugang zur Justiz zu erhalten“.

Was versteht die Kommission unter „offenkundig unbegründet“?

Und was versteht die Kommission nun unter dem Begriff „offenkundig unbegründet“? Eine abschließende Definition dieses Merkmals bzw. des Oberbegriffs „missbräuchliche Gerichtsverfahren“ liefert die Richtlinie nicht. Art. 3 der Richtlinie zählt eine nicht erschöpfende Liste der häufigsten Indikatoren von Missbrauch auf. Darunter fallen nach Ansicht der Kommission:

  • Unverhältnismäßigkeit,
  • Maßlosigkeit oder
  • Unangemessenheit der Forderung oder eines Teils davon,
  • Vorhandensein mehrerer Verfahren, die vom Antragsteller oder mit ihm verbundenen Parteien in ähnlichen Angelegenheiten angestrengt wurden,
  • Einschüchterungen, Belästigungen oder Drohungen von Seiten des Klägers oder seiner Vertreter.

In den Erläuterungen zu dem Entwurf geht die Kommission noch etwas genauer auf mögliche Merkmale ein, die meines Erachtens durchaus auch im Bereich der DSGVO herangezogen werden können.

Bei missbräuchlichen Gerichtsverfahren handelt es sich häufig um bösgläubige Verfahrenspraktiken, z. B. die Verzögerung von Verfahren, das Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten für den Beklagten im Verfahren oder die Wahl des günstigsten Gerichtsstands. Diese Taktiken, die von den Klägern zu anderen Zwecken als dem Zugang zur Justiz eingesetzt werden…

Gerade diese letzte Erläuterungen ist meiner Ansicht nach sehr gut auf die missbräuchliche Geltendmachung von Betroffenenrechten übertragebar (wie etwa: Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten; zu anderen Zwecken als dem Zugang zur Justiz (bzw. dem Schutz personenbezogener Daten)).

VG Düsseldorf: Kein DSGVO-Auskunftsanspruch in Bezug auf Mitarbeitergesprächsprotokolle von Kollegen

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 7.3.2022 (Az 26 K 406/19) zu der Frage entschieden, ob im Rahmen eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO auch das Protokoll eines Mitarbeitergesprächs herauszugeben ist, in dem sich eine Arbeitskollegin kritisch über die Klägerin äußerte und ihr unter anderem vorwarf, Drohungen gegenüber Mitarbeitern auszusprechen.

Sachverhalt

Die Klägerin war als Fallmanagerin (Arbeitsvermittlerin) dem Beklagten zu 2 zugewiesen. Dort fand ein Personalgespräch statt, in dem ihr unangemessenes Verhalten gegenüber einer Mitarbeiterin vorgehalten wurde. Diese Mitarbeiterin habe in ihrem Mitarbeitergespräch im April 2017 geäußert, sie – die Klägerin – sei eine polarisierende und spaltende Kraft und agiere gegen die Teamleitung. Sie – die Klägerin – habe zum Nachteil der anderen Mitarbeiterin auch eine Drohung ausgesprochen.

Die Klägerin bewarb sich danach bei der Beklagten zu 1. Im Zuge des Bewerbungsverfahrens forderte die Beklagte zu 1. beim Beklagten zu 2. eine anlassbezogene dienstliche Beurteilung an. In dieser wurde u.a. festgehalten, dass es vereinzelt mit wenigen Mitarbeitern im Team zu immer wiederkehrenden Meinungsverschiedenheiten gekommen sei. Die dienstliche Beurteilung wurde gegenüber der Klägerin nicht eröffnet. Die ausgeschriebene Stelle wurde anderweitig vergeben.

Zuletzt beantragte die Klägerin noch, den Beklagten zu 2. zu verurteilen, ihr das Protokoll des Mitarbeitergesprächs der Kollegin aus April 2017 herauszugeben.

Entscheidung

Das VG wies die Klage als unbegründet ab.

Zunächst geht das VG davon aus, dass § 86 LBG NRW (Auskunftsrecht) vorliegend nicht auf das Protokoll des Mitarbeitergesprächs der Arbeitskollegin anwendbar ist. Diese Norm sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, soweit das von der Klägerin begehrte Dokument nicht Teil der eigenen Personalakte ist. Denn das streitbefangene Mitarbeiterprotokoll beziehe sich auf die dienstrechtlichen Beziehungen zwischen der Kollegin und dem Beklagten zu 2.

Der Beklagte zu 2. habe zudem entsprechend der bis 24. Mai 2018 geltenden Rechtslage Auskunft erteilt. Dort enthalten war auch das die Klägerin betreffende Protokoll über ihr eigenes Mitarbeitergespräch, welches die wesentlichen Angaben über die Vorwürfe aus dem Gespräch der Kollegin enthielt.

Art. 15 DSGVO trete, als allgemeine Norm, die ein Auskunftsrecht bei der Verarbeitung personenbezogener Daten vorsieht, gegenüber der Spezialregelung im LBG NRW bereits aus systematischen Gründen zurück (§ 5 Abs. 6 DSG NRW).

Jedoch nutzt das VG dennoch die Gelegenheit, sich zu der Ausnahmeregelung des Art. 15 Abs. 4 DSGVO in dem konkreten Fall zu äußern.

Art. 15 Abs. 4 DSGVO schränke das Recht auf Erhalt einer Kopie ein, wenn Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt werden. Das sei hier der Fall, da eine Kopie des Protokolls über das Mitarbeitergespräch vom April 2017 an die Klägerin herausgegeben werden würde.

Über ihre eigenen personenbezogenen Daten würde der Klägerin (als Betroffene) dann Einblick auch in solche personenbezogenen Daten ermöglicht werden, die ihre Kollegin oder weitere Personen betreffen.

Im Rahmen einer Abwägung aller Interessen ist ein solcher Eingriff nicht zu rechtfertigen, weil die Klägerin – wie bereits dargestellt – in anderer geeigneter Weise über die sie betreffenden personenbezogenen Daten informiert worden ist“.

Fazit

Die Ausführungen des VG sind recht kurz. Dennoch scheint das VG durchblicken zu lassen, dass Art. 15 DSGVO seiner Ansicht nach zum einen nicht dazu dient, personenbezogene Daten über andere Personen (hier der Arbeitskollegin und ihren Aussagen) zu erhalten. Zum anderen sieht das VG im konkreten Fall wohl auch die Rechte und Freiheiten der anderen Betroffenen beeinträchtigt, wenn deren Daten, in der Form von Gesprächsprotokollen, im Original herausgegeben würden. Das VG äußert sich nicht zu der Möglichkeit, ob eine geschwärzte Version des Protokolls zur Verfügung gestellt werden könnte.