Art. 20 DSGVO ist in der Rechtsprechung bisher kaum relevant geworden. Daher ist eine jüngere Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zum Recht auf Datenübertragbarkeit gegen eine ehemalige Arbeitgeberin besonders interessant (20.12.2023 – W211 2261679-1).
Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Verantwortlichen, einem Transportunternehmen, beschäftigt und kündigte das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin verfügte über eine berufliche Emailadresse. Über diese Emailadresse wickelte sowohl berufliche als auch private Emailkorrespondenz ab.
Nach der Kündigung forderte die Klägerin von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin basierend auf Art. 20 DSGVO, ihre personenbezogenen Daten, insbesondere ihre Korrespondenz (privat und beruflich), die auf dem Emailaccount gespeichert sei, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu übermitteln.
Die Herausgabe der Daten wurde von der Arbeitgeberin in Bezug auf berufliche Emails verweigert, u.a. weil die Klägerin nun in einem Konkurrenzunternehmen arbeite. Hinsichtlich privater Emails sei diese Nutzung zwar gegen eine Dienstanweisung erfolgt – diese würden aber übermittelt und danach gelöscht.
Die Klägerin legte hierzu Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB) ein. Die DSB wies die Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Datenübertragbarkeit jedoch als unbegründet ab.
Nach Ansicht der DSB betreffe das Recht auf Datenübertragbarkeit jene Daten, die eine betroffene Person einem Verantwortlichen bereitgestellt habe. Dazu würden keine Daten zählen, die von anderen Nutzern eines Dienstes bereitgestellt worden seien. Deswegen würden empfangene Emails nicht unter den Anspruch aus Art. 20 DSGVO fallen. Darüber hinaus dürften bei Ausübung dieses Rechts die Rechte und Freiheiten anderer nicht beeinträchtigt werden. Die Übermittlung der beruflichen Emails würde die Arbeitgeberin schwer und unzulässig beeinträchtigen. Die Übermittlung privater Emails würde ebenfalls Rechte und Freiheiten Dritter beeinträchtigen, und zwar die Absender. Auch könnte der Inhalt der Emails sich auf Dritte beziehen.
Gegen diese Entscheidung der DSB wendet sich die Klägerin.
Entscheidung
Das BVwG verhielt sich nicht zu der Frage, welche Auswirkung die (vorgebrachte) Untersagung der privaten Nutzung der Emails hat. Nach Ansicht des BVwG ist die Frage, ob es eine Dienstanweisung gegen die private Nutzung des beruflichen Emailaccounts gab oder nicht,
„für die datenschutzrechtliche Einschätzung im Endeffekt unerheblich“.
Das BVwG scheint hier also den Bereich des Datenschutzes streng von Fragen des (möglicherweise geltenden) Fernmeldegeheimnisses zu trenne.
Wichtig: Art. 20 DSGVO gilt auch im Arbeitsverhältnis
Implizit stellt das BVwG klar, dass das Recht auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DSGVO auch im (beendeten) Arbeitsverhältnis gilt. Denn es befasst sich nicht mit der Frage, ob Art. 20 DSGVO in der vorliegenden Konstellation überhaupt greift. Vielmehr prüft das BVwG das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen und Ausnahmen.
Was bedeutet „bereitgestellt“?
Nach Ansicht des BVwG sind unter „bereitgestellten“ Daten zunächst jene Daten zu verstehen, welche die betroffene Person aktiv und wissentlich der Verantwortlichen übermittelt hat (zB Daten, die bei der Kontoeröffnung angegeben werden, hochgeladene Bilder in sozialen Medien, Kontaktlisten des Webmail-Kontos).
Zudem verweist das BVwG auf die sehr weite Auslegung des Begriffs durch die Art.-29-Datenschutzgruppe. Danach umfasst das Recht auch jene Daten, die durch Nutzung des Dienstes der Verantwortlichen oder durch Beobachtung angefallen bzw. generiert worden sind.
Im Beschäftigungskontext könnten dies etwa Bewerbungsunterlagen, dienstliche E-Mails und elektronische Zeitaufzeichnungen sein. Damit war der Anwendungsberiech von Art. 20 DSGVO eröffnet. Diese Ansicht ist meines Erachtens richtig (vgl. etwa meinen Beitrag in RDV 2018, S. 3 “Datenübertragbarkeit im Beschäftigungsverhältnis – Arbeitgeberwechsel: Und die Daten kommen mit?“), auch wenn Art. 20 DSGVO wohl eigentlich nicht für diese Situationen gedacht war. Spannend wird es vielmehr bei den einzelnen Voraussetzungen und auch Ausnahmen des Art. 20 DSGVO.
BVwG: Betroffener muss „Bereitstellung“ darlegen
Eine erste Einschränkung bei der Ausübung des Rechts macht das BVwG bei dem Antrag auf Datenübertragung.
„Die betroffene Person wird zur Geltendmachung ihres Begehrens darlegen müssen, dass die Daten, die sie übertragen lassen möchte, von ihr bereitgestellt wurden und sie betreffen, dass ihre Verarbeitung auf einer Einwilligung oder einem Vertrag beruht und dass sie automatisch verarbeitet werden“.
Das BVwG verlangt hier also vom Betroffenen den Nachweis, dass es sich um „bereitgestellte“ Daten iSv Art. 20 DSGVO handelt. Das Gericht begründet seine Ansicht u.a. damit, dass es sich um ein antragsbedürftiges Recht handele.
Im vorliegenden Fall habe der Antrag kein ausreichend konkretisiertes Begehren auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DSGVO für andere Daten als die Emails enthält. Abgesehen von der Korrespondenz über den Emailaccount werden weitere Daten, die übermittelt werden sollen, nicht ausreichend konkretisiert.
Übertragung beruflicher Mails?
Das BVwG stützt sich in seiner Entscheidung auf die Argumentation der DSB. Eine Übertragung der beruflichen Emails wird auf der Grundlage der Ausnahme nach Art. 20 Abs. 4 DSGVO abgelehnt.
Die Übermittlung der beruflichen Emails würde die Rechte der Arbeitgeberin, zB in Bezug auf Geschäftskontakte und Rechnungsdaten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nunmehr in einem Konkurrenzunternehmen tätig ist, schwer beeinträchtigen.
Wichtig: damit macht das BVwG auch klar, dass der Verantwortliche selbst im Rahmen des Art. 20 Abs. 4 DSGVO eine „andere Person“ ist.
Übertragung private Mails?
Hier begründet das BVwG die Ablehnung des Anspruchs aus Art. 20 DSGVO anders. Hinsichtlich der auf der personalisierten Emailadresse verfassten privaten Emails kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betroffene diese im Sinne der Bestimmung der Verantwortlichen „bereitgestellt“ hat.
Das BVwG verneint hier also bereits das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals.
Zwar würde rein technisch, durch die Nutzung des Emailaccounts eine quasi automatische Bereitstellung der Daten an die Verantwortliche erfolgen.
Aber: es handelt sich dabei um keine Daten, die die Verantwortliche in irgendeiner sonstigen Weise verarbeitet noch verarbeiten will, noch der Betroffenen diesbezüglich einen Dienst zu Verfügung stellt, noch im eigentlichen Sinne einen solchen Dienst – für private Emails – zur Verfügung stellen will.
Nach dem BVwG fehlt es am Merkmal „bereitgestellt“, weil der Verantwortliche keine Absicht hat, diese Daten zu erhalten oder für die Bereitstellung einen Dienst zur Verfügung zu stellen. „Bereitstellen“ verlangt also nach dem BVwG, dass der Verantwortliche bewusst und willentlich die Daten empfängt bzw. verarbeitet.
Das Ergebnis des BVwG: Ein Recht auf Datenübertragbarkeit der verfassten privaten Emails aus dem Emailaccount besteht demnach nicht.