Datenschutz und „Internet der Dinge“ – Position der Europäischen Datenschützer

Die Artikel 29 Datenschutzgruppe (Art. 29 Gruppe), das Gremium der Vertreter der europäischen Aufsichtsbehörden für den Datenschutz, hat in einer neuen Stellungnahme (WP 223, PDF) zum „Internet der Dinge“ (IoT) ihre Positionen zu verschiedenen datenschutzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung rund um Smartwatches, Fitnesstracker oder intelligente Thermostate dargelegt. Im Folgenden möchte ich einige der in der Stellungnahme angesprochenen Themenbereiche näher beleuchten.

Räumlicher Anwendungsbereich
Nach Ansicht der Art. 29 Gruppe ist das europäischen Datenschutzrecht (bzw. die jeweilige nationale Umsetzung der Vorgaben der geltenden Datenschutzrichtlinie (DS-RL) 95/46/EG) zum einen dann anwendbar, wenn Datenverarbeitungen „im Rahmen der Tätigkeiten“ einer Niederlassung ausgeführt werden, die der für die Verarbeitung Verantwortliche (hierzu sogleich) in der Europäischen Union besitzt (Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL). Was genau unter der Umschreibung „im Rahmen der Tätigkeiten“ zu verstehen ist, wird in dieser Stellungnahme nicht näher erläutert. Jedoch verweisen die Datenschützer auf das Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (C-131/12) und die dort vorgenommene sehr weite (meines Erachtens mit dem Wortlaut der Datenschutzrichtlinie kaum zu vereinbarende) Auslegung dieses Begriffs. Sollte der für die Datenverarbeitung Verantwortliche nicht in der EU niedergelassen sein, ist das europäische Datenschutzrecht dennoch anwendbar, wenn er nach Art. 4 Abs. 1 lit. c DS-RL auf Mittel zurückgreift, welche in einem Mitgliedstaat belegen sind. Nach Ansicht der Datenschützer stellen alle Geräte, die zur Erhebung oder weiteren Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen eines IoT-Dienstes eingesetzt werden, solche „Mittel“ im Sinne der DS-RL dar. Hierzu gehören aber auch die Smartphones oder Tablets der Nutzer, auf denen entsprechende Software oder Apps zum Analysieren oder Übermitteln der erhobenen Daten installiert sind.

Personenbezogene Daten
Für die Datenschützer sind die Informationen, die von den IoT-Geräten erhoben werden, in den meisten Fällen als personenbezogen im Sinne des Art. 2 DS-RL anzusehen. Entweder kann eine bestimmte Person direkt hierüber identifiziert oder es können Lebensmuster und –gewohnheiten einer Person oder Familie erkannt werden. Jedoch gehen die Datenschützer in ihrer Stellungnahme noch weiter. Selbst wenn Daten pseudonymisiert oder gar anonymsiert werden, so bestünde doch aufgrund der Schieren Menge an Informationen stets ein latentes Risiko einer Re-Identifizierung. Dies reiche aus, um von personenbezogenen Daten auszugehen.

Für die Datenverarbeitung Verantwortlicher
Bei der Frage des für die Verarbeitung Verantwortlichen geht es um die Bestimmung derjenigen Stelle, welche die gesetzlichen Pflichten des Datenschutzrechts treffen. Die Art. 29 Gruppe verweist darauf, dass im Bereich des Internet der Dinge viele verschiedene Spieler beteiligt sind und daher eine genaue Analyse Ihrer Beteiligungen an den jeweiligen Datenverarbeitungsprozessen vorzunehmen ist. Der Gerätehersteller ist nach Ansicht der Datenschützer vor allem dann für die Datenverarbeitung verantwortlich, wenn er nicht nur das physische Gerät verkauft, sondern auch die Software programmiert und damit vorgibt, wie und welche Daten erhoben und zu welchen Zwecken verarbeitet werden. Auch Internetplattformen, auf denen Nutzer die über das Gerät erhoben Daten teilen und veröffentlichen können, besitzen unter gewissen Umständen datenschutzrechtliche Pflichten. So ist etwa der Anbieter eines sozialen Netzwerkes nach Ansicht der Datenschützer dann als Verantwortlicher anzusehen, wenn er Daten aus dem IoT-Gerät eines Nutzers für eigene Zwecke verwendet, z.B. um personalisierte Werbung für passionierte Jogger auszuspielen. Und auch Anbieter von Drittdiensten, etwa speziellen Apps, die auf IoT-Daten zugreifen, sind als für die Verarbeitung Verantwortlichen anzusehen, wenn sie über eine vorhandene API auf Informationen auf dem jeweiligen Gerät zugreifen. Nach Ansicht der Art. 29 Gruppe bedarf es hierfür zumeist der Einwilligung des Betroffenen, welche im Rahmen des Installationsprozesses der App einzuholen ist.

Einwilligung nach der ePrivacy-Richtlinie
Die Art. 29 Gruppe weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass neben den Regelungen der DS-RL auch einzelne Bestimmungen anderer Gesetze zur Anwendung kommen können. Insbesondere im Blick haben die Datenschützer hierbei Art. 5 Abs. 3 der sog. ePrivacy-Richtlinie (2002/58/EG). Danach ist die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Nutzers gespeichert sind, nur gestattet, wenn der betreffende Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen seine Einwilligung gegeben hat. Dieses Einwilligungserfordernis betrifft nach Ansicht der Datenschützer vor allem den Gerätehersteller. Zu beachten ist, dass die Einwilligung sich nicht nur auf personenbezogene Daten bezieht, sondern ganz allgemein auf Informationen, die in einem IoT-Gerät gespeichert sind.

Erlaubnistatbestände der Datenverarbeitung
Die Verarbeitung personenbezogener Daten, die über ein IoT-Gerät erhoben werden, bedarf nach dem geltenden Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt eines Erlaubnistatbestandes. Art. 7 DS-RL listet die möglichen gesetzlichen Grundlagen einer Verarbeitung personenbezogener Daten auf. Die Voraussetzungen einer der Alternativen des Art. 7 DS-RL sind neben den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie zu erfüllen (der ja bereits bei einem Zugriff auf Informationen einschlägig ist). Nach Ansicht der Art. 29 Gruppe kommen im Rahmen des Einsatzes von IoT-Geräten vor allem drei Varianten des Art. 7 DS-RL in Betracht. Zum einen Art. 7 lit. a DS-RL, wenn der Betroffene seine Einwilligung in die Datenverarbeitung erteilt hat. Zum anderen Art. 7 lit. b DS-RL, wenn die Verarbeitung für die Erfüllung eines Vertrags erforderlich ist. Die Art. 29 Gruppe weist darauf hin, dass der Anwendungsbereich dieses Erlaubnistatbestandes durch das Merkmal der „Erforderlichkeit“ begrenzt ist. Zum Dritten stellt auch Art. 7 lit. f DS-RL einen tauglichen Erlaubnistatbestand dar, wenn die Verarbeitung zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird erforderlich ist. Dies jedoch nur, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. In diesem Zusammenhang verweisen die Datenschützer erneut auf das Google-Urteil des EuGH und nehmen die Aussagen des Gerichts zum Anlass darauf einzugehen, dass eine Datenverarbeitung über IoT-Geräte sehr wahrscheinlich die Grundrechte auf Privatleben und den Schutz personenbezogener Daten in besonderer Weise berührt. Die Daten beziehen sich etwa auf die Gesundheit der Betroffenen oder ihre private Umgebung. Nach Ansicht der Art. 29 Gruppe ist eine Datenverarbeitung unter diesen Gegebenheiten kaum allein durch die wirtschaftlichen Interessen des jeweils Verantwortlichen zu rechtfertigen.

Zusammenfassung
Die Stellungnahme der Art. 29 Gruppe geht noch auf weitere Aspekte ein, etwa Anforderungen an die Datenqualität, die Verarbeitung besonderer Arten von personenbezogenen Daten (z. B. Gesundheitsdaten) oder auch zu ergreifende technische und organisatorische Maßnahmen, um die Datensicherheit zu gewährleisten. Insgesamt dient die Stellungnahme der Datenschützer sicherlich als informative Lektüre, um eine grobe Einschätzung des immer bedeutender werdenden Bereichs des Internets der Dinge aus Sicht der Aufsichtsbehörden zu erhalten. Meines Erachtens sind die Positionen der Art. 29 Gruppe freilich nicht in jedem Punkt las eine Art „obiter dictum“ hinzunehmen. So stellt sich etwa für Geräte- oder Softwarehersteller die Frage des Sinns (bzw. Unsinns) von Anonymisierungsverfahren, wenn nach Ansicht der Datenschützer selbst dann die datenschutzrechtlichen Pflichten eingreifen. Als ob also eine Anonymisierung von Daten gar nicht stattgefunden hätte. Warum sollten Unternehmen dann noch eine Anonymisierung (die mit tatsächlichen und finanziellen Aufwandverbunden ist) vornehmen? Auch in Zukunft werden das vernetzte Haus, das smarte Auto oder die intelligenten Uhren den Datenschutz vor Herausforderungen stellen. Es sollte daher auch genau auf eine mögliche Berücksichtigung dieser Technologien in der geplanten Datenschutz-Grundverordnung geachtet werden und wie das künftige Datenschutzrecht mit technologischen Entwicklungen umgehen wird.
Vg Wort

Vorlagefragen an den EuGH: Wie weit reicht der Arm nationaler Datenschutzbehörden?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens (C-230/14) aus Ungarn mit mehreren Fragen befasst, inwieweit die Datenschutzbehörde eines EU-Mitgliedstaates ihre Kontrollbefugnisse auch gegen Webseitenanbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, ausüben und durchsetzen kann.

Sachverhalt
Das Unternehmen Weltimmo, mit Sitz in der Slowakei, bietet auf seiner Webseite die Möglichkeit zur Vermittlung von Immobilien an. Auf der Webseite konnten auch ungarische Staatsbürger Anzeigen für Immobilien schalten, die sich in Ungarn befinden. Die für den Dienst verwendeten Server befinden sich wiederum in einem dritten EU-Mitgliedstaat. Dieser Service wurde zunächst kostenlos angeboten, nach einer gewissen Zeit jedoch automatisch in ein kostenpflichtiges Angebot umgewandelt und die Betroffenen wurden zur Kasse gebeten. Zudem konnten Anzeigen mit personenbezogenen Daten nicht gelöscht werden (hier mehr zu dem ursprünglichen Verfahren, Englisch). Gegen diese Praxis wandten sich einige ungarische Staatsbürger und beschwerten sich bei ihrer nationalen Datenschutzbehörde. Diese untersuchte den Vorfall. Sie hielt sich für zuständig und erließ gegen das slowakische Unternehmen einen Bußgeldbescheid wegen der Verletzung ungarischen Datenschutzrechts. Hiergegen wandte sich Weltimmo, in erster Instanz erfolgreich. In der zweiten Instanz wandte sich das ungarische Gericht nun an den EuGH, da einige Fragen zum anwendbaren Recht als auch der aufsichtsbehördlichen Kompetenz bestanden.

Vorlagefragen
Zunächst möchte das Gericht wissen, ob Art. 28 Abs. 1 der Datenschutz-Richtlinie (DS-RL) in dem Sinn auszulegen, dass die nationale Regelung eines Mitgliedstaats (in diesem Fall Ungarn) in dessen Staatsgebiet auf einen für die Datenverarbeitung Verantwortlichen (Weltimmo) anwendbar ist, der ausschließlich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und der eine Webseite zur Vermittlung von Immobilien betreibt und dort unter anderem Immobilien inseriert, die sich im Staatsgebiet des ersten Mitgliedstaats befinden, nachdem deren Eigentümer ihre personenbezogenen Daten an ein Mittel (Server) zur Speicherung und Verarbeitung von Daten übermittelt haben, das dem Betreiber der Webseite gehört und sich in einem dritten Mitgliedstaat befindet?

Art. 28 Abs. 1 DS-RL lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine oder mehrere öffentliche Stellen beauftragt werden, die Anwendung der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen.

Es geht also darum, ob die ungarische Datenschutzbehörde grundsätzlich die Befugnis besitzt, Verstöße gegen ungarisches Datenschutzrecht gegen einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen für die Verarbeitung Verantwortlichen durchzusetzen. Hintergrund dieser Frage dürfte auch die Regelung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL sein, wonach jeder Mitgliedstaat die Vorschriften, die er zur Umsetzung der DS-RL erlässt, auf alle Verarbeitungen personenbezogener Daten anwendet, die im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt werden, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats besitzt.

Hierauf bezieht sich dann auch die zweite Frage des vorlegenden Gerichts. Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL im Lichte ihrer Erwägungsgründe 18 bis 20 und ihres Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 28 Abs. 1 dahingehend auszulegen, dass die ungarische Datenschutzbehörde das ungarische Datenschutzgesetz als nationales Recht nicht auf den Betreiber einer Webseite zur Vermittlung von Immobilien (Weltimmo) anwenden darf, der ausschließlich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, selbst dann nicht, wenn dieser unter anderem ungarische Immobilien inseriert, deren Eigentümer die Daten ihrer Immobilien wahrscheinlich vom ungarischen Staatsgebiet aus an ein Mittel (Server) zur Speicherung und Verarbeitung von Daten übermittelt haben, das dem Betreiber der Webseite gehört und sich in einem dritten Mitgliedstaat befindet?

Beide Fragen beziehen sich also vornehmlich auf das anwendbare Datenschutzrecht und wie dieses unter der DS-RL zu bestimmen ist, wenn es um die Beurteilung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts (innerhalb der EU) geht. Grundsätzlich bestimmt sich das anwendbare Datenschutzrecht nach den Vorgaben des Art. 4 DS-RL. Art 28 Abs. 1 DS-RL stellt meines Erachtens keine hiervon abweichende Regelungen auf. Diese Vorschrift regelt vielmehr die Kompetenzen der Datenschutzbehörden, nämlich dass sie dazu berufen sind, die Einhaltung der Datenschutzgesetze in ihrem Mitgliedstaat zu überwachen. Welche nationalen Regelungen Anwendung finden, richtet sich jedoch nach Art. 4 DS-RL.

Des Weiteren fragt das vorlegende Gericht danach, ob es für die Auslegung von Bedeutung ist, ob die von dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen und Betreiber der Webseite erbrachte Dienstleistung auf das Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausgerichtet ist? Diese Bezugnahme auf das Merkmal des „Ausrichtens“ mag einige Leser an das Google-Urteil des EuGH (C-131/12) vom 13. Mai 2014 erinnern. Der Unterschied dazu ist hier jedoch, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche sich innerhalb der EU befindet. Zudem möchte das vorlegende Gericht hier wissen, ob bereits das Ausrichten der Dienstleistung auf das Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats von Bedeutung ist. Im Google-Urteil hat der EuGH (anders als dies häufig berichtet wurde) zudem nicht festgestellt, dass allein das Ausrichten einer Webseite oder eines Dienstes entscheidend ist, für die Antwort auf die Frage nach dem anwendbaren Datenschutzrecht. Dort ging es um die Ausrichtung der Tätigkeit der Niederlassung (!) des verantwortlichen.

Meines Erachtens findet sich für das Abstellen allein auf das Ausrichten der angebotenen Dienstleitung in der DS-RL keine Grundlage. Art. 4 Abs. 1 DS-RL bezieht sich entweder auf die Niederlassung des Verantwortlichen (Buchst. a) oder darauf, ob auf in einem Mitgliedstaat belegene Mittel zurückgegriffen wird (Buchst. c).

Das vorlegende Gericht differenziert dann och weiter und möchte wissen, ob es von Bedeutung ist, ob die Daten der in diesem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilien und die personenbezogenen Daten der Eigentümer tatsächlich vom Staatsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats (hier Ungarn) aus eingegeben wurden? Auch fragt das Gericht danach, ob es von Bedeutung ist, ob die Eigentümer der in der Slowakei niedergelassenen Gesellschaft einen Wohnsitz in Ungarn haben?

Zuletzt kommt das vorlegende Gericht auf den Aspekt der aufsichtsbehördlichen Kompetenzen zu sprechen. Für den Fall, dass die ungarische Datenschutzbehörde handeln darf, jedoch nur auf der Grundlage des slowakischen Datenschutzrechts (weil nur dieses für den Verantwortlichen gilt), möchte das ungarische Gericht wissen, ob Art. 28 Abs. 6 DS-RL in dem Sinne auszulegen ist, dass die ungarische Datenschutzbehörde ausschließlich – und zwar nach der Regelung des Mitgliedstaats der Niederlassung – diejenigen Befugnisse ausüben kann, die in Art. 28 Abs. 3 DS-RL genannt sind, und dass sie folglich keine Befugnis besitzt, ein Bußgeld zu verhängen?

Art. 28 Abs. 6 DS-RL bestimmt: „Jede Kontrollstelle ist im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats für die Ausübung der ihr gemäß Absatz 3 übertragenen Befugnisse zuständig, unabhängig vom einzelstaatlichen Recht, das auf die jeweilige Verarbeitung anwendbar ist. Jede Kontrollstelle kann von einer Kontrollstelle eines anderen Mitgliedstaats um die Ausübung ihrer Befugnisse ersucht werden.“ (Hervorhebung durch mich)

In Art. 28 Abs. 3 DS-RL sind Maßnahmen aufgezählt, die den Datenschutzbehörden zustehen (Untersuchungsbefugnis, Einwirkungsbefugnis und Klagerecht). Nicht ausdrücklich erwähnt ist dort jedoch die Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen. Bedeutet der Verweis in Art. 28 Abs. 6 DS-RL auf Abs. 3 nun, dass die ungarische Datenschutzbehörde in diesem Fall allein auf die dort benannten Maßnahmen beschränkt ist, obwohl nach nationalen Recht (sei es dem ungarischen oder dem slowakischen) ein Bußgeld verhängt werden könnte? Dies würde im Endeffekt bedeuten, dass der ungarischen Behörde nur ein Grundgerüst an, aus der DS-RL abgeleiteten und durch sie beschränkte, aufsichtsbehördlichen Maßnahmen zusteht. Nämlich allein diejenigen, die in Art. 28 Abs. 3 DS-RL benannt sind. Soll ein Bußgeld verhängt werden, so dürfte dies allein durch die slowakische Datenschutzbehörde nach slowakischem Recht erfolgen.

Deutsche Datenschutzbehörden veröffentlichen Orientierungshilfe für App-Entwickler und App-Anbieter

Die deutschen Datenschutzbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich (sog. Düsseldorfer Kreis) haben eine „Orientierungshilfe zu den Datenschutzanforderungen an App-Entwickler und App-Anbieter“ (PDF) im Internet veröffentlicht. Damit möchten die Aufsichtsbehörden auf datenschutzrechtliche und technische Anforderungen bei der Entwicklung und dem Einsatz von mobilen Applikationen hinweisen und den Verantwortlichen auch gleichzeitig einen Leitfaden an die Hand geben. Das immerhin 33 Seiten starke Dokument dürfte sich als durchaus nützliches Nachschlagewerk darstellen, vor allem vor dem Hintergrund, dass man so eine ungefähre Vorstellung davon erhält, welche Ansichten die Aufsichtsbehörden in Bezug auf bestimmte rechtliche Probleme vertreten. Nachfolgend möchte ich auf ein paar Einzelheiten des Dokuments eingehen.

Allgemein
Die Orientierungshilfe bezieht sich allein auf (Online-) Apps fu?r Smartphones und Tablets und nicht etwa auf offline nutzbare Apps oder solche, die Teil des Betriebssystems eines Mobiltelefons sind. Die Datenschützer trennen in ihrer Analyse grundsätzlich zwischen zwei Zielgruppen: App-Entwicklern und App-Anbietern. Jedoch können diese Eigenschaften auch zusammenfallen.

Rechtlicher Anwendungsbereich (räumlich und sachlich)
Hinsichtlich der Bestimmung des anwendbaren Datenschutzrechts ist der Sitz der verantwortlichen Stelle bzw. der für die jeweilige Datenverarbeitung „relevanten Niederlassung“ entscheidend. Befindet sich diese in Deutschland, so gilt deutsches Recht. Sitzt ein App-Anbieter außerhalb des EWR und unterhält er auch keine entsprechend Niederlassung innerhalb des EWR, so gilt deutsches Datenschutzrecht, wenn über die App personenbezogene Daten in Deutschland erhoben und verwendet werden.
In Bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich stellen die Aufsichtsbehörden klar, dass sowohl IP-Adressen, als auch Geräte- und Kartenkennungen (z. B. IMEI, IMSI oder MAC-Adresse), Standortdaten und auch Audio- und Fotodaten ihrer Ansicht nach grundsätzlich personenbezogene Daten darstellen und damit den gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz unterfallen.

Verantwortlichkeiten

Datenschutzrechtlich verantwortlich ist grundsätzlich der App-Anbieter. Dies gilt gerade auch dann, wenn er die App „nur“ anbietet und nicht selbst entwickelt hat. Der App-Anbieter ist daher auch für Nutzer die erste Anlaufstelle (etwa in Bezug auf Ansprüche zur Löschung von Daten oder der Auskunft. Die Verantwortlichkeit bleibt auch bestehen, wenn der Anbieter die Durchführung der Datenverarbeitung an Dienstleister vergibt. Hier liegt dann eine Auftragsdatenverarbeitung vor. Der Anbieter hat dann auf die Erfüllung der Pflichten aus § 11 BDSG zu achten. Als Beispiel führen die Aufsichtsbehörden etwa an, wenn die Reichweitenmessung und Auswertung durch einen Dienstleister. Wenn sich der Dienstleister in einem Drittstaat (also außerhalb des EWR) befindet, dann bestehen zusätzliche Pflichten, da dann nach dem deutschen Datenschutzrecht eine Übermittlung von Daten vorliegt. Jedoch kann sich die Verantwortlichkeit auch verändern, etwa wenn der App-Entwickler über Weisungen des Anbieters hinausgeht. Dann ist der Entwickler verantwortlich. Als Beispiel führt die Orientierungshilfe die Funktion einer automatisierten Fehlermeldung an, bei der personenbezogene Daten direkt an den Entwickler übersendet werden. Auch der Anbieter eines App-Stores kann datenschutzrechtlich verantwortlich sein, wenn er zusätzliche personenbezogene Daten, z. B. bei der Anmeldung, verarbeitet.

Erlaubnistatbestände
Damit eine Datenverarbeitung rechtmäßig erfolgt, muss sie aufgrund einer Einwilligung oder einer gesetzlichen Vorschrift erlaubt sein. Nach der Orientierungshilfe geht dabei das TMG als bereichsspezifisches Gesetz (vor allem wenn es um Diensteebene geht, also für Bereitstellung des Dienstes) den allgemeinen Bestimmungen des BDSG vor. Im TMG wird zwischen Bestandsdaten (§ 14 TMG) und Nutzungsdaten (§ 15 TMG) unterschieden. § 14 TMG legitimiert eine Verarbeitung, wenn diese zur Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses erforderlich ist. Die Datenschützer stellen klar, dass es für die Frage, welche personenbezogenen Daten konkret für diese Zwecke erforderlich sind, durch den jeweiligen Nutzungsvertrag bestimmt wird, der zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer abgeschlossen wird. Nach § 15 TMG ist eine Datenverarbeitung erlaubt, wenn diese erforderlich ist, um die Inanspruchnahme des Dienstes zu ermöglichen. Hierunter fallen nach der Orientierungshilfe personenbezogene Daten, welche notwendigerweise zur Nutzung der App durch den Diensteanbieter erhoben und verwendet werden müssen, wie z.B. die IP-Adresse oder eindeutige Kennnummern oder der Standort. Die Datenverarbeitung von Inhaltsdaten erfolgt jedoch nach dem BDSG.

Profilbildung
Nutzungsprofile dürfen auch bei dem Betrieb von Apps erstellt werden. Die Regelung des § 15 Abs. 3 TMG berechtigt jedoch nur den Diensteanbieter selbst oder seine Auftragnehmer zur Erstellung pseudonymisierter Nutzerprofile zu Werbezwecken. Die Datenschützer stellen klar, dass Dritte hiervon nicht erfasst werden. Zudem müssen Nutzer auf die Möglichkeit zu widersprechen hingewiesen werden. Dies muss nach Ansicht der Aufsichtsbehörden zumindest im Rahmen der Datenschutzerklärung geschehen. Jedoch weisen die Datenschützer auch daraufhin, dass etwa eindeutige Geräte- und Kartenkennungen wie die IMEI-Nummer oder auch die IP-Adresse kein Pseudonym darstellen. Diese Daten dürfen daher auch nicht in das Nutzungsprofil einfließen. Für die Ausübung des Widerspruchrechts sollte eine direkte Opt-Out Möglichkeit (Link, Möglichkeit des Auskreuzens) für den Nutzer vorgehalten werden, welche nach Ansicht der Datenschützer mit möglichst einem Klick aktiviert werden kann. Hierbei genügt es jedoch nicht, die Möglichkeit bereitzuhalten per E-Mail oder postalisch einer Nutzungsprofilerstellung gem. § 15 Abs. 3 TMG zu widersprechen. Interessant ist die Ansicht der Datenschützer, dass wenn ein Nutzer durch besondere Einstellungen auf seinem Endgerät signalisiert, dass er eine Verarbeitung seiner Nutzungsdaten für Werbezwecke nicht wünscht, auch diese Erklärung als Widerspruch zu werten und durch den Diensteanbieter zu beachten ist.

Einwilligung

Zur Einwilligung führt die Orientierungshilfe aus, dass nach § 4a BDSG neben der Freiwilligkeit und Informiertheit der Einwilligung grundsätzlich auch die Schriftform erforderlich sei. Zwar sehe§ 4a Abs. 1 S. 3 BDSG eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis vor, wenn wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Solche besonderen Umstände liegen nach Ansicht der Aufsichtsbehörden jedoch nicht generell dann vor, wenn eine Einwilligung (außerhalb des TMG, denn hier ist eine elektronische Abgabe möglich) bei der Nutzung einer App eingeholt werden soll. Die Datenschützer verneinen die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 13 Abs. 2, 3 TMG auf Einwilligungen außerhalb des TMG. Es bedürfe daher entweder der Schriftform, der elektronischen Form gem. § 126a BGB oder besonderer Umstände, welche zur Angemessenheit einer anderen Form als der Schriftform fuhren.

Weitere Themen
Die Orientierungshilfe geht noch auf viele weitere wichtige Themen im Bereich des Datenschutzrechts ein. So werden etwa Datenschutzgrundsätze wie die Direkterhebung (hier vor allem in Bezug auf die Verarbeitung von Daten Dritter über ein Adressbuch), die Datenvermeidung, die Möglichkeit der anonymen oder pseudonymen Nutzung nach 13 Abs. 6 TMG, die Zweckbindung oder die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung (so muss sich etwa die Speicherdauer eines jeden personenbezogenen Datums am Grundsatz der Erforderlichkeit messen lassen) angesprochen. Zudem weisen die Datenschützer daraufhin, dass bereits in der Entwicklungsphase einer App den Prinzipien des „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“ Rechnung getragen werden sollte.
Auch das Thema „Impressum“ wird angesprochen, ebenso natürlich wie die Notwendigkeit einer Datenschutzerklärung. Diese muss nach Ansicht der Aufsichtsbehörden App-spezifisch ausgestaltet sein, also genügt eine einfache Verknüpfung mit den Datenschutzhinweisen eines ähnlichen oder alternativen Webangebotes des gleichen Anbieters nicht den Ansprüchen an eine Unterrichtung nach den Vorschriften des TMG.

Auch geht die Orientierungshilfe noch auf die möglichen Konsequenzen aus einer rechtswidrigen Datenverarbeitung ein (Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten).

Zuletzt werden noch ein paar Besonderheiten von speziellen Formen von Apps und mobilen Diensten angesprochen, so etwa bei Zahlungen über Apps, der Nutzung der Applikationen durch Kinder und Jugendliche oder auch Apps von öffentlichen Stellen.

Fazit
Die Orientierungshilfe bietet einen guten ersten Überblick über rechtliche Probleme, die bei der Entwicklung und dem Angebot von Apps zu beachten sind. Der Leitfaden kann freilich nicht eine genau Analyse und Anpassung, insbesondere ist hier an die Datenschutzerklärung zu denken, ersetzen. Es ist zu begrüßen, dass die Aufsichtsbehörden hier proaktiv tätig werden und ihre Ansichten zu verschiedenen rechtlichen Fragen auf dem Gebiet der Apps darlegen.

Das Google-Urteil des EuGH – übers Ziel hinaus geschossen?

Mit Urteil vom heutigen Tage hat der EuGH (Az. C-131/12) verschiedene wichtige Entscheidungen in Bezug auf die zukünftige Anwendung und Durchsetzung des europäischen Datenschutzrechts getroffen. Zur Entscheidung lag ihm dabei ein Verfahren zwischen Google und der spanischen Datenschutzbehörde (AEPD) vor. Die von einem spanischen Gericht vorgelegten Fragen betreffen grob folgende Themenkomplexe: 1. den räumlichen Anwendungsbereich der geltenden Datenschutzrichtlinie (DS-RL, RL 95/46/EG, PDF); 2. die Verantwortlichkeit von Suchmaschinenbetreibern für durch sie indexierte Webseiten und darauf befindliche Daten; 3. die Reichweite des Rechts auf Löschung von personenbezogenen Daten.

Sachverhalt
Der dem Urteil zugrunde liegender Sachverhalt stellt sich grob wie folgt dar: gegen einen Betroffenen wurden, aufgrund von Schulden bei der Sozialversicherung, Immobilienversteigerungen betrieben. Diese wurden in einer Zeitung zunächst offline und später auch online veröffentlicht. Die Bekanntmachung erfolgte dabei auf einer gesetzlichen Grundlage. Die AEPD lehnte daher Löschungsansprüche des Betroffenen gegen die online abrufbaren Bekanntmachungen gegen das Presseunternehmen ab. Jedoch wandte sich der Betroffene auch an Google und verlangte, dass die betreffenden Seiten aus dem Index der Suchmaschine zu nehmen seien. Dieser Beschwerde gab die AEPD statt und forderte Google auf, die Seiten aus dem Index zu entfernen. Hiergegen wendete sich Google.

Schlussanträge des Generalanwalts
Am 25.6.2013 präsentierte der zuständige Generalanwalt (GA) am EuGH, Jääskinen, seine Schlussanträge zu dem Verfahren. Hierzu hatte ich bereits einmal gebloggt. Die Ergebnisse der rechtlichen Analyse des GA waren die folgenden:

  • Verarbeitungen personenbezogener Daten werden im Rahmen der Tätigkeiten einer „Niederlassung“ des für die Verarbeitung Verantwortlichen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der DS-RL ausgeführt, wenn der Suchmaschinenbetreiber in einem Mitgliedstaat für die Vermarktung und den Verkauf von Werbeflächen der Suchmaschine eine Niederlassung oder eine Tochtergesellschaft einrichtet, deren Tätigkeit sich an die Einwohner dieses Staats richtet.

(Diese Auslegung stieß vielfach auf Kritik, da sie über den Wortlaut der Richtlinie hinausgehe und allein das Vorhandensein einer Niederlassung in einem europäischen Land ausreichen lassen würde, um das dortige Datenschutzrecht zur Anwendung zu bringen, auch wenn diese Niederlassung überhaupt nicht in der entscheidungserheblichen Datenverarbeitung beteiligt ist. Der Anwendungsbereich der DS-RL würde damit massiv ausgeweitet.)

  • Ein Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter, dessen Suchmaschine nach Informationen sucht, die Dritte im Internet veröffentlicht oder gespeichert haben, diese Informationen automatisch indexiert, vorübergehend speichert und sie schließlich den Nutzern des Internets in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung stellt, „verarbeitet“ personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b der DS-RL, wenn die Informationen personenbezogene Daten enthalten.
  • Der Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter kann jedoch hinsichtlich dieser personenbezogenen Daten außer in Bezug auf den Inhalt des Indexes seiner Suchmaschine nicht als der „für die Verarbeitung Verantwortliche“ angesehen werden, es sei denn, er indexiert oder archiviert personenbezogene Daten entgegen den Weisungen oder Aufforderungen des Webseitenurhebers.
  • Das in Art. 12 Buchst. b der DS-RL geregelte Recht auf Löschung und Sperrung von Daten sowie das in Art. 14 Buchst. a der DS-RL vorgesehene Widerspruchsrecht verleihen der betroffenen Person nicht das Recht, sich an den Suchmaschinenbetreiber zu wenden, um die Indexierung auf sie bezogener Informationen zu verhindern, die auf Webseiten von Dritten rechtmäßig veröffentlicht sind, und sich hierzu auf ihren Willen zu berufen, dass diese Informationen den Internetnutzern nicht bekannt werden, wenn sie der Ansicht ist, dass die Informationen ihr schaden könnten, oder sie sich wünscht, dass die Informationen vergessen werden.

Das Urteil des EuGH
Der EuGH geht in seinem Urteil über die vom GA vorgeschlagene rechtliche Lösung hinaus. Man wird wohl bereits jetzt sagen können, dass dieses Urteil in Zukunft teils erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell jeglichen Suchdienstes im Internet haben wird. Thomas Stadler spricht in einem Blogbeitrag davon, dass Urteil habe das Potential, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen erheblich einzuschränken.

1. anwendbares Recht
Hier folgt der EuGH (leider) im Prinzip der Lösung des GA. Der Begriff „im Rahmen der Tätigkeit“ einer Niederlassung i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL sei weit auszulegen. Der durch die DS-RL gewährleistete Schutz dürfe nicht umgangen werden, nur weil ein Diensteanbieter in einem Drittstaat ansässig sei. Daher werden auch Verarbeitungsvorgänge eines Anbieters in einem Drittstaat (hier von Google Search in den USA) „im Rahmen der Tätigkeit“ einer in einem EU Staat befindlichen Niederlassung ausgeführt, wenn diese Niederlassung die Aufgabe hat, in dem Mitgliedstaat für den Verkauf von Werbeanzeigen auf der Internetseite des Anbieters und damit die allgemeine Rentabilität des Unternehmens zu sorgen. Die Tätigkeiten des ausländischen Unternehmens und der europäischen Niederlassung seien dann untrennbar miteinander verbunden.
Diese weite Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL ist aus meiner Sicht kritikwürdig. Denn zum einen besitzt die DS-RL in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c einen Tatbestand, der einen Anbieter aus einem Drittstaat europäischen Recht unterwerfen würde, wenn er auf Mittel in der EU zurückgreift. Diese Mittel könnten zB Computer oder aber auch Niederlassungen selbst sein. Mit der weiten Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL durch den EuGH wird diese Tatbestandsalternative praktisch kaum noch relevant werden, obwohl sie aus meiner Sicht gerade diese Konstellationen (Anbieter aus Drittland erhebt Daten im Inland) im Blick hatte. Zum anderen scheint die weite Auslegung des EuGH einfach etwas zu weit zu gehen. Denn die hier relevanten Verarbeitungsprozess (Indexierung und Crawlen) werden eben nicht im „Rahmen der Tätigkeit“ der spanischen Niederlassung durchgeführt. Im Prinzip liest der EuGH den Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL wie „die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Niederlassung stehe“.

2. Verantwortlichkeit von Google
Der EuGH erkennt, wie der GA, in der Suche, Speicherung und Indexierung von Informationen und eben auch personenbezogenen Daten im Internet durch Google eine „Verarbeitung personenbezogener Daten“ i. S. d. Art. 2 Buchst. b DS-RL. Jedoch geht das Gericht nicht mit der Auslegung des GA konform, dass Google nur dann für die Verarbeitung verantwortlich sei, wenn es um die Daten im Index selbst gehe oder entgegen von technischen Sperren personenbezogene Daten gecrawled habe. Google sei vielmehr für alle selbst ausgeführten Tätigkeiten in Bezug auf personenbezogene Daten auf Webseiten von Dritten verantwortlich. Denn die Tätigkeit der Suchmaschine unterscheide sich von derjenigen der ursprünglichen Herausgeber. Begründet wird diese weite Auslegung des Begriffes der Verantwortlichkeit jedoch auch mit Motiven, die nicht direkt etwas mit dem Verarbeitungsvorgang zu tun haben. Die Tätigkeit von Suchmaschinen habe Anteil an der weltweiten Verbreitung personenbezogener Daten. Sie machen Daten auch solchen Nutzern zugänglich, die die Originalwebseite eventuell gar nicht gefunden hätten. Zudem bestehe die Gefahr, dass bei einer Auflistung von Informationen zu einer Person (die, wohl gemerkt, frei im Netz verfügbar sind) und einer Suche anhand ihres Namens, die Suchenden einen strukturierten Überblick über die betreffende Person erhalten, anhand dessen sie ein Profil dieser Person erstellen können.

3. Löschpflichten
Ist danach klar, dass Google grundsätzlich verantwortlich ist, sobald es mit eigenen Mechanismen Informationen aus dem Netz zusammensucht und als Ergebnislisten darstellt, stellte sich die Frage, ob Google zu einer Löschung von Links in Ergebnislisten auf Webseiten Dritter verpflichtet ist, selbst wenn die Veröffentlichung rechtmäßig erfolgte. Diese Löschpflicht kann sich aus Art. 12 Buchst. b DS-RL ergeben. Dazu müsste ihre Verarbeitung nicht den Bestimmungen der DS-RL entsprechen.

Der EuGH prüft zunächst die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitungsvorgänge von Google. Hierbei bezieht er sich auf Art. 7 Buchst. f DS-RL. Diese Grundlage stellt auf die „berechtigten Interessen“ des für die Verarbeitung Verantwortlichen oder Dritten ab. Jedoch dürfen das Interesse oder die Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Erforderlich ist also eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Rechte und Interessen. Nach dem EuGH

kann eine von einem Suchmaschinenbetreiber ausgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten erheblich beeinträchtigen, wenn die Suche mit dieser Suchmaschine anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführt wird, da diese Verarbeitung es jedem Internetnutzer ermöglicht, mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu der betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen zu erhalten, die potenziell zahlreiche Aspekte von deren Privatleben betreffen und ohne die betreffende Suchmaschine nicht oder nur sehr schwer hätten miteinander verknüpft werden können, und somit ein mehr oder weniger detailliertes Profil der Person zu erstellen.

Zudem steigere die Rolle des Internets und damit der weltweite Abruf der Informationen noch die Eingriffsintensität. Nun kommt das Gericht zu den berechtigten Interessen von Google. Hier führt es aus, dass wegen seiner potenziellen Schwere, ein solcher Eingriff nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung der Daten gerechtfertigt werden könne. Die Interessen von Google bügelt der EuGH damit in einem Satz ab.

Jedoch stellt der EuGH dann fest, dass eine Löschung aus den Ergebnislisten die berechtigten Interessen von Dritten, nämlich der Internetnutzer, beeinträchtigen könnte. Nun muss also eine Interessenabwägung in diesem Verhältnis vorgenommen werden. Hierbei stellt der EuGH jedoch als Ausgangspunkt klar:

Zwar überwiegen die durch diese Artikel geschützten Rechte der betroffenen Person im Allgemeinen gegenüber dem Interesse der Internetnutzer;

Jedoch könne der nötige Ausgleich in besonders gelagerten Fällen aber von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren. Im Prinzip lässt der EuGH hier eine (meines Erachtens bedenkliche) Tendenz erkennen. Nämlich dass Informationen dann zu löschen sind bzw. das Interesse der betroffenen Person zunächst einmal grundsätzlich überwiege und eben nur in besonderen Fällen, etwa bei Prominenten oder tagesaktuellen oder historischen Geschehnissen, hinter dem Informationsinteresse der Internetnutzer zurückzutreten habe. Damit besteht also im Ausgangspunkt eine Löschpflicht, selbst bei rechtmäßiger Weise veröffentlichten Informationen, wenn die Interessen des Betroffenen überwiegen. Dies ist nach dem EuGH grundsätzlich der Fall, außer in besonderen Situationen. Wohlgemerkt beziehen sich die Ausführungen des Gerichts auf Suchmaschinenbetreiber und die von ihnen generierten Ergebnislisten, vor allem wenn nach Namen von Personen gesucht werden.

4. Recht auf Vergessen werden
Zum Schluss befasst sich der EuGH mit der Frage, ob ein Betroffener ein Recht darauf hat, das Informationen zu ihm, die im Internet veröffentlicht wurden, irgendwann vergessen werden müssen.

Hierzu stellt der EuGH fest, dass Daten nach Art. 12 Buchst. b DS-RL auch dann zu löschen sind, wenn sie nicht den Zwecken der Verarbeitung entsprechen, dafür nicht erheblich sind oder darüber hinausgehen, nicht auf den neuesten Stand gebracht sind oder länger als erforderlich aufbewahrt werden, es sei denn ihre Aufbewahrung ist für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke erforderlich. Hieraus ergebe sich, dass auch eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung sachlich richtiger Daten im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen kann, wenn die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder verarbeitet worden sind, nicht mehr erforderlich sind.

Im Rahmen der Prüfung des Löschungsrechts nach Art. 12 Buchst. b DS-RL gelte es auch die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DS-RL zu beachten, insbesondere, dass Daten nicht mehr den ursprünglichen Zwecken entsprechen. Wenn sich herausstelle, dass die Informationen in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Zwecken der in Rede stehenden Verarbeitung durch den Suchmaschinenbetreiber nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen, müssen die betreffenden Informationen und Links der Ergebnisliste gelöscht werden, so das Gericht. Daher müsse auch geprüft werden, ob die betroffene Person ein Recht darauf habe, dass die betreffenden Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird. Hierbei weist der EuGH darauf hin, dass die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraus setze, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entstehe.

Und auch hier rückt der EuGH nicht von seiner eingeschlagenen Linie (des grundsätzlichen Vorrangs des Schutzes der Privatsphäre vor Informationsinteressen) ab. Er stellt vielmehr ausdrücklich klar, dass wenn die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, ist davon auszugehen, dass diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, die Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche zu finden, überwiegen.

Fazit
Die Entscheidung des EuGH übertrifft wohl sämtliche Erwartungen an das Verfahren. Nicht nur weil das Gericht über die Linie des GA hinausgegangen ist, sondern vor allem mit welcher Deutlichkeit dies geschieht. Die Tendenz, dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten grundsätzlich einen Vorrang einzuräumen und nur in besonderen Situationen eine Veröffentlichung zuzulassen, sollte man kritisch betrachten. Zudem scheint sich das Urteil vielerorts weniger durch juristische oder an Datenverarbeitungsprozessen ausgerichteten faktischen Feststellungen, sondern oft auch die allgemeine, aus Sicht der EuGH, negative Wirkung und das Geschäftsmodell von Google und dessen Suche in den Blick zu nehmen.

Kammergericht: Für Facebook gilt deutsches Datenschutzrecht – und nun?

Mit Urteil vom 24.01.2014 (Az. 5 U 42/12 (hier als PDF)) hat das Kammergericht (KG) die Berufung von Facebook im Streit mit dem VZBV um die Zulässigkeit des Freunde-Finders zurückgewiesen (hier die Pressemitteilung). Das Urteil ist nun im Volltext verfügbar und der Inhalt dürfte durchaus für Diskussionen sorgen. Denn das KG bestätigt die Auffassung des Landgerichts Berlin (Az. 16 O 551/10), wonach im europäischen Datenschutzrecht eine Rechtswahl zwischen den Parteien möglich ist. Selbst ohne eine solche Rechtswahl fände vorliegend jedoch deutsches Datenschutzrecht Anwendung, da nicht Facebook Irland, sondern vielmehr die Muttergesellschaft in Amerika allein die verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung sei. Da diese nicht in Europa sitze, jedoch auf die Daten von Nutzern in Deutschland zurückgreife, gelte deutsches Datenschutzrecht.

Die Frage des anwendbaren Datenschutzrechts ist freilich nur die (wenn auch notwendig) zu prüfende Vorstufe, um zu einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Freunde-Finders an sich zu gelangen. Ich möchte mich nachfolgend jedoch auf diese Vorfrage beschränken, denn ihre Beantwortung ist besonders vor dem Hintergrund interessant, dass sowohl das VG (Az.: 8 B 60/12; 8 B 61/12) als auch das OVG Schleswig (Az.: 4 MB 10/13) die Anwendbarkeit deutschen Datenschutzrechts abgelehnt haben. Wir haben also in Deutschland nun zwei Obergerichte, die hier unterschiedlicher Auffassung sind. Man sollte meines Erachtens zudem beachten, dass es bei dieser Frage nicht um „Facebook“-Bashing gehen darf, sondern diese Thematik vielmehr für jeglichen internationalen Anbieter von Dienstleistungen im Internet von Interesse ist.

Anwendbares Recht nach der EU-Datenschutz-Richtlinie
Das Kammergericht geht in seiner Entscheidung zunächst auf die im BDSG zum anwendbaren Recht festgeschriebenen Grundsätze (§ 1 Abs. 5 BDSG und deren europarechtliche Grundlage in Art. 4 RL 1995/46/EG, (DS-RL)) ein. Die Vorgaben aus der DS-RL sind als eine angestrebte Vollharmonisierung des Datenschutzrechts zu verstehen, zumindest soweit die entsprechende Vorschrift inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist.
Diese Voraussetzungen sind für Art. 4 DS-RL erfüllt. Richtigerweise stellt das KG fest, das die Vorschriften zum anwendbaren Recht „zum Kernbereich dieser Richtlinie“ gehören. Das KG erläutert dann zunächst die beiden möglichen Varianten, die als Anknüpfungspunkt des anzuwendenden Datenschutzrechts in Frage kommen. Einmal in Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL der Sitz der verantwortlichen Stelle, wenn diese sich innerhalb der EU befindet oder nach Art. 4 Abs. 1 lit. c DS-RL der Anknüpfungspunkt des „Zurückgreifens“ auf in einem Mitgliedstaat belegene Mittel, wenn die verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung nicht in der EU oder dem EWR sitzt.

Verantwortliche Stelle außerhalb der EU
Das KG beginnt seine Prüfung mit der Variante des Art. 4 Abs. 1 Lit. c DS-RL. Und hier wird das Urteil nun interessant und weicht von den oben angeführten Entscheidungen der Gerichte in Schleswig-Holstein ab. Denn das KG geht davon aus, dass nicht die Europazentrale von Facebook in Irland für die Datenverarbeitung deutscher Nutzer verantwortlich ist, sondern allein die Muttergesellschaft in den USA.

Ebenso werden die u?ber den Internetauftritt der Beklagten erhobenen und weitergehend verwendeten Daten in tatsächlicher Hinsicht von dieser Muttergesellschaft verarbeitet.

Diese Feststellung des Gerichts ist erforderlich, um in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 1 lit. c DS-RL zu gelangen. Denn wenn die irische Niederlassung verantwortlich wäre, so würde Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL eingreifen und irisches Datenschutzrecht zur Anwendung kommen (in diesem Sinne hatten die Gerichte in Schleswig-Holstein entschieden). Übereinstimmend mit der Ansicht der Art. 29 Datenschutzgruppe (Stellungnahme WP 179) geht das KG dann davon aus, dass auf „automatisierte oder nicht automatisierte Mittel“ zurückgegriffen wird, wenn Cookies auf einem PC platziert und hierdurch personenbezogene Daten erhoben werden. Das KG nimmt diese Konstellation für Facebook USA an. Facebook USA setze Cookies auf Rechnern von deutschen Nutzern und greife daher auf „Mittel“ in Deutschland zurück. Daher gelte deutsches Datenschutzrecht. Zudem sieht das KG (sozusagen alternativ) den Auftragsdatenverarbeiter des Konzerns, der einer Niederlassung in Deutschland besitzt, als ein „Mittel“ an, auf das Facebook USA zurückgreift. Auch deshalb gelte deutsches Datenschutzrecht.

Diese Ansicht halte ich im Ergebnis für vertretbar. Manche europäische Datenschutzbehörden sehen sogar die eigenen Niederlassungen von außereuropäischen Unternehmen als solche „Mittel“ an. Was jedoch leider in dem Urteil etwas zu kurz kommt ist die, meines Erachtens gerade im Datenschutzrecht erforderliche, Differenzierung der verschiedenen Datenverarbeitungsvorgänge. Natürlich ist es möglich, dass Facebook USA Cookies einsetzt und hierüber Daten verarbeitet. Doch darf man damit nicht die kompletten Datenverarbeitungsvorgänge eines Weltkonzerns über einen Kamm scheren. Es scheint doch durchaus möglich, dass etwa für einen Verarbeitungsprozess die Muttergesellschaft, für einen anderen jedoch eine europäische Niederlassung verantwortlich ist. Wer für welchen Verarbeitungsvorgang verantwortlich ist, muss freilich auf einer tatsächlichen Ebene ermittelt bzw. vorgetragen werden.

Verantwortliche Stelle innerhalb der EU
In einem nächsten Schritt prüft das KG, ob nicht eventuell die Niederlassung in Irland doch als verantwortliche Stelle anzusehen sei und daher irisches Recht Anwendung finden würde (Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL; falls dem so seien sollte, dann wäre die Vorschrift es Art. 4 Abs. 1 lit. c DS-RL quasi „gesperrt“. Daher hätte man sicherlich auch zunächst die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL prüfen können). Und mit Blick auf die irische Niederlassung stellt das KG fest:

„Es fehlt aber ein hinreichender Vortrag dazu, dass sie die hier maßgebliche Erhebung und weitere Verarbeitung der Daten vornimmt.“

Das KG legt, wie eigentlich in dem gesamten Urteilsabschnitt zum anwendbaren Recht, richtigerweise die Bestimmung des § 1 Abs. 5 S. 1 BDSG richtlinienkonform aus. Nach dieser Vorschrift gilt grundsätzlich das Datenschutzrecht desjenigen Mitgliedstaates, in dem die verantwortliche Stelle belegen ist. Für das KG muss jedoch hinzukommen, dass die Datenverarbeitungsvorgänge auch „effektiv und tatsächlich“ dort ausgeführt werden. Diese Voraussetzung sieht es hier nicht als erfüllt an.

Auch diese Ansicht ist meines Erachtens grundsätzlich richtig. Die Art. 29 Datenschutzgruppe spricht in ihren Stellungnahmen in diesem Zusammenhang gerne von der „relevanten Niederlassung“. Es kommt im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL entscheidend darauf an, inwieweit eine europäische Niederlassung als verantwortliche Stelle angesehen werden kann. Für diese Prüfung ist von entscheidender Bedeutung, welche tatsächlichen Einflussmöglichkeiten sie auf den jeweiligen Verarbeitungsprozess besitzt.
Das Vorbringen von Facebook in dem Prozess konnte das KG nicht überzeugen.

„Die Beklagte trägt nur vor, sie sei alleinige Vertragspartnerin aller Facebook Nutzer außerhalb Nordamerikas. … Eine eigene effektive und tatsächliche Datenverarbeitung (mittels eigener Datenverarbeitungsanlagen und eigenem Personal) wird damit nicht dargetan. … Letztlich bezieht sie sich insoweit auch nur auf die tatsächliche Datenverarbeitung durch ihre Muttergesellschaft. Weitergehendes hat die Beklagte auch nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geltend gemacht.“

Es kommt also entscheidend auf die dargelegten, tatsächlichen Gegebenheiten an. Anders als in den Prozessen in Schleswig-Holstein konnte Facebook das KG jedoch nicht davon überzeugen, für die relevanten Vorgänge allein verantwortlich zu sein.

Im Ergebnis ist die Entscheidung des KG hinsichtlich dieses Komplexes daher konsequent. Als unbeteiligter Betrachter von außen lässt sich nur schwer beurteilen, ob man aufgrund des tatsächlichen Vorbringens nicht auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Rechtswahl
In einem weiteren Teil stützt sich das KG nun alternativ darauf, dass zudem eine wirksame Rechtswahl in Bezug auf deutsches Datenschutzrecht vorliege.

Insoweit überzeugt mich das Urteil jedoch nicht. Ich hatte bereits hier im Blog einmal zu der Möglichkeit einer Rechtswahl im Datenschutzrecht Stellung genommen.

Dass eine Rechtswahl möglich sei, begründet das KG damit, dass das BDSG unter anderem auch Privatrecht enthalte, wenn Ansprüche der Betroffenen (etwa auf Löschung oder Schadenersatz) auf Vorschriften wie §§ 4, 28 BDSG verweisen. Es ist in der Tat nicht unumstritten, inwieweit das BDSG nun (rein) öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich oder gemischt zu qualifizieren ist.

Unabhängig davon sehe ich jedoch die, wie auch vom KG hervorgehoben, entscheidende Vorschrift des Art. 4 DS-RL nicht als eine solche des Privatrechts an, die zur Disposition der Parteien steht. Diese kann daher auch nicht durch eine Rechtswahl der Parteien „umgangen“ werden. Der Gesetzgeber wollte vielmehr eindeutig regeln, wann welches Datenschutzrecht gilt. Es lässt sich hier sicherlich darüber streiten, ob Art. 4 DS-RL bzw. die deutsche Umsetzung in § 1 Abs. 5 BDSG, nun eine international-privatrechtliche Eingriffsnorm darstellt oder etwa eine Sonderanknüpfung. Was jedoch beiden Qualifizierungen gemeinsam ist, ist der Ausschluss der Möglichkeit einer freien Rechtswahl.

Das KG bezieht sich in seiner Begründung vor allem auf die AGB von Facebook. Dort sei festgeschrieben, dass die Erklärung deutschem Recht unterliege. Meines Erachtens muss man hier jedoch strikt differenzieren. Es ist zwar möglich, das Vertragsrecht in internationalen Konstellationen grundsätzlich frei zu wählen (es sei denn es greifen Ausnahmen ein, wie etwa der Schutz für Verbraucher). Diese freie Rechtswahl bezieht sich meiner Meinung nach jedoch nicht auf das Datenschutzrecht. Denn allein Art. 4 DS-RL bzw. die jeweilige nationale Umsetzung soll vorgeben, welches Recht Anwendung findet. Dies kann in der Praxis freilich zu der Situation führen, dass in Bezug auf eine AGB-Prüfung deutsches Recht Anwendung findet (insoweit greift die Schutzausnahme für Verbraucher). Innerhalb dieser AGB-Prüfung kann jedoch das zugrunde zu legende Recht, von dem mittels der AGB eventuell abgewichen wird, durchaus ein ausländisches Datenschutzrecht sein. Herr Dr. Redeker hat dies in einem Blogbeitrag auf CR-Online ebenso dargestellt.

Auch die Art. 29 Datenschutzgruppe hat in ihrer Stellungnahme zu Apps (WP 202, S. 9) zu einer möglichen Rechtswahl im Datenschutzrecht klare Worte gefunden:

Es ist wichtig, dass App-Entwickler wissen, dass die beiden Richtlinien insofern zwingende Vorschriften darstellen, als die Rechte natürlicher Personen nicht übertragbar sind und keinem vertraglichen Verzicht unterliegen. Das bedeutet, dass die Anwendbarkeit des europäischen Rechts zum Schutz der Privatsphäre nicht durch eine einseitige Erklärung oder eine vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden kann.

Das KG geht in seiner Begründung leider auch nicht auf die Vorgaben der für internationale Sachverhalte und die Bestimmung des anzuwenden Rechts entscheidenden Verordnungen (Rom I und Rom II) ein. Es begründet die Entscheidung mit seiner Ansicht der freien Wahl hinsichtlich des „privatrechtlichen Teils“ des deutschen Datenschutzrechts. Dass hier deutsches und nicht etwa irisches Datenschutzrecht zur Anwendung gelangt, mache

vorliegend auch Sinn. Denn in Ziff. 1 der Nutzungsbedingungen stellt die Beklagte ausdru?cklich klar, wie wichtig ihr die Privatsphäre des Nutzers und der Schutz seiner Daten sind. Mit der Vereinbarung auch des deutschen Datenschutzrechts nimmt sie den Nutzern in Deutschland einen Teil der Sorgen, indem sie die in Deutschland insoweit geltenden und diesen Nutzern vertrauten Maßstäbe auch fu?r sich zu Grunde legt.

So sehr ich den Gedanken verstehe, dass es für deutsche Nutzer besser erscheinen mag, wenn deutsches Datenschutzrecht anwendbar ist, so wenig überzeugt mich jedoch das voran gestellte Zitat als eine rechtliche Begründung einer wirksamen Rechtswahl im Datenschutzrecht.

Ausblick
Und nun? Man wird abwarten müssen, ob Facebook auch gegen das Urteil des KG vorgeht. Da wir jedoch nun zwei konträre Entscheidungen zum anwendbaren Datenschutzrecht auf Facebook und auch zu den grundsätzlichen rechtlichen Möglichkeiten einer Rechtswahl im Datenschutzrecht haben, wäre im Sinne der Rechtssicherheit eine höchstrichterliche Klärung sicherlich wünschenswert.

Datenschutzreform: aktueller Stand der Verhandlungen im Rat

Die Verhandlungen zur geplanten Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) (und natürlich auch zur Datenschutz-Richtlinie für den Bereich der Justiz und Strafverfolgung) im Rat der Europäischen Union dauern an. Nun ist im Internet das aktuelle Arbeitsdokument zu den Änderungsvorschlägen des Ministerrates (Datum: 16.12.2013) zur Datenschutz-Grundverordnung abrufbar.

Aufgrund des Umfangs des Dokuments möchte ich hier nur einen Überblick zu Änderungsvorschlägen zu einigen Themengebieten geben. Von Interesse ist dabei freilich insbesondere, inwieweit sich die im Ministerrat vorgeschlagenen Anpassungen mit denjenigen des Berichts des LIBE-Ausschusses im Europäischen Parlament decken oder abweichen.
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Brasilien: Gesetzentwurf der „Verfassung des Internets“ veröffentlicht

Bisher wird in den deutschen Medien kaum über eine interessante Gesetzesreform in Brasilien berichtet. Es geht dabei um den Marco Civil da Internet, ein Gesetz, mit dem im Prinzip die Rechte und Pflichten von Bürgern und Unternehmen bei der Nutzung des Internets in Brasilien geregelt werden sollen. Ebenso soll das, auch als „Verfassung des Internets“ bezeichnete, Gesetz Grundprinzipien und Leitlinien vorgeben, an die sich die brasilianischen Behörden und Ministerien halten sollen, wenn sie in diesem Bereich tätig werden. Auf Netzpolitik.org und Wikipedia finden sich weitere Informationen.

Im Zuge der Enthüllungen durch Edward Snowden wurde der Gesetzgebungsprozess (die ersten Entwürfe entstanden bereits im Jahre 2009) nun massiv beschleunigt.

Gesetzentwurf veröffentlicht

Heute wurde auf der Webseite von Intellectual Property Watch ein aktueller englischer Entwurf des Gesetzes präsentiert. Inhaltlich regelt dieser unter anderem Haftungsfragen, Rechte der Internetnutzer oder auch die Netzneutralität.
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Französische Datenschutzbehörde eröffnet Verfahren gegen Google

In einer Pressemitteilung gab die französische Datenschutzbehörde (CNIL) heute bekannt, dass sie ein Verfahren gegen Google wegen Verletzungen des französischen Datenschutzrechts einleitet. An dessen Ende könnten Sanktionen gegen das Internetunternehmen stehen.

Gemeinsame Aktion in Europa
Dieses Vorgehen beruht auf den Ergebnissen einer im Jahre 2012 eingerichteten „Task-Force“ mehrerer europäischer Datenschutzbehörden, die unter Leitung der französischen Behörde die Datenschutzkonformität der Angebote von Google in Europa untersuchte. Nachdem der Abschlussbericht der CNIL mehrere mögliche Rechtsverstöße feststellte, entschlossen sich europäische Datenschutzbehörden in einer koordinierten Aktion gegen diese vorzugehen (hierzu mein Blogbeitrag). Jede nationale Datenschutzbehörde sollte danach für sich prüfen, inwieweit sie ein Verfahren gegen Google wegen der Verletzung nationalen Datenschutzrechts eröffnet.

Neben der spanischen Datenschutzbehörde (AEPD), die bereits im Juni 2013 ein Prüfverfahren eröffnete, leiten nun auch die französischen Datenschützer ein offizielles Verfahren gegen Google ein.
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Rechtswahlfreiheit im Datenschutzrecht?

In einem Beitrag auf dem cr-online Blog zu dem Thema der „Rechtswahlfreiheit in Datenschutzbestimmungen“ kommt Prof. Härting zu dem Ergebnis: „Weder aus Art. 6 noch aus Art. 9 ROM-I-VO lässt sich ableiten, dass für das Datenschutzrecht keine Rechtswahlwahlfreiheit gilt.

Prof. Härting geht davon aus, dass die Parteien eines Vertrages grundsätzlich frei darin sind, ein beliebiges Datenschutzrecht zu wählen.

Ich sehe dies jedoch anders (z.B. in der K&R 2012, 640) und möchte hier einige Gründe anführen, warum meines Erachtens eine freie Wahl des anwendbaren Datenschutzrechts in Europa gerade nicht möglich ist (dennoch lässt sich, aufgrund divergierender Urteile von deutschen Gerichten, dem Thema eine Diskussionsbedürftigkeit nicht absprechen).
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Internationale Datenschutzabkommen – ein Überblick

Nachdem Bundeskanzlerin Merkel im Sommerinterview der ARD (Video) im Zusammenhang mit der Überwachungsaffäre, vor allem durch amerikanische Geheimdienste, sich sowohl für ein starkes, einheitliches europäisches Datenschutzrecht, als auch für die Arbeit an einem internationalen Datenschutzabkommen bzw. für ein Zusatzprotokoll zu bestehenden Abkommen aussprach, lohnt sich ein Blick auf die derzeitige Situation und die Vergangenheit zu Bemühungen um das internationale (außereuropäische) Datenschutzrecht.

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Freiheiten

Von Bundeskanzlerin Merkel in dem Interview angesprochen wird der (von Deutschland im Jahre 1973 ratifizierte) Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR, PDF), in dessen Artikel 17 als Menschenrecht festgeschrieben wird, dass niemand „willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden“ darf.
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