Urteil zur EU Datenschutz-Grundverordnung – Landesdatenschutzbehörde scheitert vor Gericht

Eigentlich ist die EU Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erst ab 25. Mai 2018 anwendbar (Art. 99 Abs. 2 DSGVO). Die DSGVO ist zwar bereits am 24.5.2016 in Kraft getreten. Sie gilt jedoch erst ab dem 25.5.2018. Erst ab diesem Datum sind die Vorgaben der DSGVO verbindlich anzuwenden und durch die Aufsichtsbehörden durchsetzbar.

Sachverhalt

Der Landesbeauftragte für Datenschutz in Baden-Württemberg (LfDI) sah dies Ende 2016 offenbar anders. Mit Urteil vom 6.7.2017 (Az. 10 K 7698/16, pdf) hob das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) nun einen Bescheid des LfDI vom 25.11.2016 auf, mit dem eine Auskunftei verpflichtet werden sollte, Forderungen im Sinne von § 28a BDSG und die mit diesen in Zusammenhang stehenden Informationen über Personen, die die Auskunftei in ihren Datenbeständen, aus denen Bonitätsauskünfte erteilt würden, nach dem 24.5.2018 speichere, spätestens nach Ablauf von drei Jahren, beginnend mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, zu löschen, es sei denn, dass der Betroffene zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig sei.

Der LfDI stützte den Verwaltungsakt unter anderem darauf, dass zwar keine gegenwärtigen Datenschutzverstöße der Auskunftei unterbunden werden, jedoch Missstände verhindert werden sollten, die nach dem 24.5.2018 zu erwarten seien. Hintergrund ist, dass der noch geltende § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BDSG, der bestimmte Fristen zur Prüfung für die Löschung von Daten vorsieht, keine Entsprechung in der DSGVO und auch nicht im neuen BDSG findet.

Die Auskunftei hatte zuvor im Schriftverkehr nicht verbindlich zugesichert, ihre Datenspeicherungspraxis ab dem 24.5.2018 entsprechend zu ändern. Zwar hatte die Auskunftei angekündigt, ihre Datenlöschkonzeption zum 25.5.2018 der DSGVO anpassen zu wollen. Bei der Ankündigung handelte es sich nach Ansicht des LfDI aber lediglich um eine Absichtserklärung, nicht hingegen um eine konkrete, vollstreckbare Zusicherung.

Daher, so der LfDI, seien künftige Datenschutzverstöße nicht auszuschließen. Zudem sei ungewiss, ob die Auskunftei den Zeitraum bis zur Geltung der DSGVO nutzen werde, um die Verarbeitung personenbezogener Daten an die neuen Vorgaben anzupassen.

Urteil des VG

Völlig zurecht gab das VG der Anfechtungsklage der Auskunftei gegen den Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde statt. Für die datenschutzrechtliche Verfügung liegt nämlich bereits keine Ermächtigungsgrundlage vor.

Zum einen liegen festgestellte Datenschutzverstöße durch die Auskunftei, welche seitens der Aufsichtsbehörde gerügt worden wären, der Verfügung nicht zugrunde. Dies wäre jedoch nach § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG erforderlich; in jedem Fall müsste das künftige Verhalten durch ein bereits in Kraft getretenes Vertragswerk oder eine vergleichbare tragfähige Grundlage deutlich vorgezeichnet sein.

Unverständlicherweise wollte der LfDI seine Verfügung zudem auf § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG i.V.m. Erwägungsgrund 39 DSGVO stützen, nach dem der Verantwortliche Fristen für die Löschung oder regelmäßige Überprüfung personenbezogener Daten vorsehen soll, um sicherzustellen, dass die Daten nicht länger als nötig gespeichert werden. Aus Erwägungsgrund 39 DSGVO ergibt sich aber nicht, dass die Verantwortliche bereits vor Geltung DSGVO verpflichtet wäre, der Verfügung entsprechende Überprüfungs- und Löschfristen zu schaffen und sie hierzu bereits vor Anwendbarkeit DSGVO durch die Aufsichtsbehörde verpflichtet werden könnte.

Eine Ermächtigung für ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde bereits vor Geltung der EU-Datenschutzgrundverordnung – gewissermaßen um frühzeitig sicherzustellen, dass die künftig anwendbaren Vorschriften unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde durch die Verantwortlichen eingehalten werden – lässt sich jedoch weder der Verordnung im Wege einer Vorwirkung, noch den aktuell geltenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes entnehmen.

Diese Feststellung des VG ist für Unternehmen bis zum Stichtag am 25.5.2018 durchaus relevant. Denn hierdurch stellt das VG richtigerweise klar, dass eine Aufsichtsbehörde keine Vorschriften durchsetzen darf, die noch gar nicht anwendbar sind.

Der LfDI hatte zur Begründung zudem auf Art. 58 Abs. 2 lit. d) DSGVO verwiesen. Danach verfügt jede Aufsichtsbehörde über Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der Verordnung zu bringen. Wie die gesamte DSGVO, so ist aber natürlich auch Art. 58 DSGVO erst anwendbar und durchsetzbar, wenn die DSGVO Anwendung findet. Also erst ab dem 25.5.2018.

In dem Urteil äußert sich das VG zudem auch implizit zu einigen Vorschriften der DSGVO in Bezug auf die Löschung von personenbezogenen Daten.

Die derzeit geltende Regelung des § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BDSG wird mit Neufassung des Bundesdatenschutzgesetz nicht fortbestehen. Die DSGVO enthält über den Erforderlichkeitsgrundsatz (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO) hinaus keine konkreten Vorgaben zu den Prüf- und Löschfristen. Lediglich aus Erwägungsgrund 39 DSGVO ist zu entnehmen, dass der Verantwortliche die Dauer seiner Datenverarbeitung unabhängig von einem entsprechenden Verlangen des Betroffenen nach Art. 17 DSGVO regelmäßig zu überprüfen hat. Das VG ist der Auffassung, dass eine Überprüfung in bestimmten Intervallen erfolgen kann, so wie es beispielsweise bislang nach § 35 Abs. Absatz 2 S. 2 Nr. 4 BDSG möglich und zulässig war. Zudem weist das VG darauf hin, dass die vom LfDI für angemessen erachtete Frist, wonach Forderungen und die mit diesen in Zusammenhang stehenden Informationen über Personen, die die Klägerin in ihren Datenbeständen, aus denen Bonitätsauskünfte erteilt würden, spätestens nach Ablauf von drei Jahren, beginnend mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, zu löschen seien, es sei denn, dass der Betroffene zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig sei, keineswegs die einzig mögliche Speicher- und Löschkonzeption darstellt, die mit der DSGVO in Einklang steht bzw. sich aus selbiger zwingend ergibt.

Vielmehr muss sich die künftige Prüf- und Löschpraxis (hier der Auskunfteien) am Erforderlichkeitsmaßstab des Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO messen lassen, der aber gerade in Hinblick auf Fristlänge und Anknüpfungsmoment einen Spielraum eröffnet. Das VG geht aber davon aus, dass innerhalb des vorhandenen Spielraums eine gewisse Bandbreite an mit der DSGVO in Einklang stehenden Prüf- und Löschfristen zulässig ist.

Germany extends territorial scope of its new Federal Data Protection Act

Germany was the first EU Member State to pass its new national data protection law in order to align existing legislation with the General Data Protection Regulation (GDPR). The new Federal Data Protection Act (BDSG, pdf in German) will enter into force on 25 May 2018.

What should be of utmost importance to companies outside the European Economic Area are the provisions in the BDSG concerning the territorial application of the new law. The relevant provision is Sec. 1 para 4 BDSG. Mind you that the GPDR is absolutely silent on the issue of applicability of national data protection laws beside the GDPR.

Sec. 1 para 4 BDSG consists of three alternative possibilities with regard to the questions of application of the law.

No. 1: The law applies to data processing in Germany. No. 2 stipulates that the provisions of the BDSG apply to the processing of personal data in the context of the activities of an establishment of a controller or a processor in Germany.

I will now focus on the important provision in No. 3, but also would like to mention that No. 1 seems to contradict Art. 3 para 1 GDPR since according to Art. 3 para 1 GDPR, the regulation applies regardless of whether the processing takes place in the Union or not. Sec. 4 para 1 No. 1 BDSG however surprisingly really only refers to the location of the processing. So one might conclude that No. 1 violates European law.

Now to Sec. para 1 No. 3 BDSG, the relevant provision for controllers and processors with no establishment in the EU.

According to No. 3, this “Act shall apply to non-public bodies, provided that the controller or processor has no establishment in a Member State of the European Union or in any other Contracting State to the Agreement on the European Economic Area, but falls within the scope of the” GDPR.

No. 3 clearly refers to Art. 3 para 2 GDPR according to which the GDPR applies to the processing of personal data of data subjects who are in the Union by a controller or processor not established in the Union in two different situations. The problem is that No. 3 does in no way establish a connecting factor with Germany. The provision only refers to the “scope of the GDPR”. But in order to fall within the scope of the GPDR, a company located outside the EU must not necessarily offer goods or services to persons in Germany (Art. 3 para 2 (a) GDPR) or monitor their behaviour as far as their behaviour takes place within Germany (Art. 3 para 2 (b) GDPR). The GDPR will apply according to Art. 3 para 2, if for example, a company in Russia offers services to persons in Poland or Austria, or if a company from the US monitors the behavior of persons in Spain or the Netherlands.

According to Sec. 1 para 4 No. 3 BDSG though, in both aforementioned cases the BDSG will apply, since the company falls within the “scope of the GPDR”. The wording is clear.

One might of course think of an interpretation of that provision in the BDSG in a way that one must read Art. 3 para 2 GDPR always with a connecting factor to Germany in mind. For example: offer goods or services to persons in Germany (Art. 3 para 2 (a) GDPR). But the wording of the BDSG is quite clear here and might not allow such an interpretation. Also the reasoning by the legislator does not shed any light on this issue.

In the end, controllers and processors with no establishment in the EU should carefully follow the developments and also the application of the BDSG in the future. Perhaps we will only get certainty on this issue if Sec. 1 para 4 BDSG will be interpreted by national courts or finally by the European Court of Justice.

Europäische Datenschutzbehörden veröffentlichen Leitlinien zum Beschäftigtendatenschutz

Mit ihrer Stellungnahme 2/2017 vom 8. Juni 2017 (PDF) haben sich die europäischen Datenschutzbehörden, die in der Art. 29 Datenschutzgruppe versammelt sind, zu verschiedenen Fragen der Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses geäußert. Interessant und für die Praxis besonders relevant ist, dass sich die Datenschutzbehörden in ihrer Stellungnahme nicht nur zur aktuellen Rechtslage (also zur europäischen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG) äußern, sondern auch ein Ausblick auf die Auslegung der EU Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Kontext der Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten geben.

Die nun veröffentlichte Stellungnahme ist nicht die erste, die sich mit dem Beschäftigtendatenschutz befasst. Bereits im Jahre 2001 und 2002 hat die Art. 29 Datenschutzgruppe Stellungnahmen hierzu veröffentlicht. Die nun vorliegende Stellungnahme ist jedoch nach Ansicht der Datenschützer insbesondere deshalb erforderlich, da sich seit Veröffentlichung der vorherigen Stellungnahmen die technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten zur Verarbeitung personenbezogener Daten gerade auch im Beschäftigungsverhältnis geändert haben. Aus diesem Grund möchten die Datenschützer auch hier neue Leitlinien veröffentlichen.

Die vorliegende Stellungnahme befasst sich daher insbesondere auch mit neuen Verarbeitungsmöglichkeiten, etwa im Rahmen von Social Media Plattformen. Insgesamt behandelt Stellungnahme hierzu neun beispielhafte Szenarien und die Datenschützer stellen dar, inwiefern Datenverarbeitung in diesen Szenarien ihrer Auffassung nach zulässig sind. Hier bereits der Hinweis: die Stellungnahme der Art. 29 Datenschutzgruppe ist kein Gesetz und nicht bindend, für die Praxis aber natürlich durchaus von Relevanz.

Wer ist Beschäftigter?

Ganz zu Beginn ihrer Stellungnahme weisen die Datenschützer darauf hin, dass der Begriff des „Beschäftigten“ im Rahmen ihrer Stellungnahme nicht zu eng zu verstehen ist und insbesondere nicht unbedingt den klassischen festen Anstellungsvertrag voraussetzt. Die Datenschützer erwähnen etwa auch freie Mitarbeiter, die ihrer Ansicht nach unter den Begriff des Beschäftigten im Rahmen dieser Stellungnahme fallen. Den Datenschützern geht es gerade nicht darum, nur solche Szenarien abzudecken, in denen tatsächlich ein Arbeitsvertrag besteht.

Möglichkeiten der Verarbeitung im Beschäftigungsverhältnis

Zunächst befasst sich die Stellungnahme mit den Verarbeitungsmöglichkeiten auf der Grundlage der noch geltenden EU Datenschutzrichtlinie. Zudem weisen die europäischen Datenschutzbehörden darauf hin, dass sie sich wünschen würden, dass in dem derzeit diskutierten Vorschlag für eine ePrivacy-Verordnung eine spezifische Ausnahme für den Zugriffs auf Endgeräte von Arbeitnehmern aufgenommen wird. Diese Möglichkeit wurde kürzlich im Entwurf eines Berichts des LIBE-Ausschusses im Europäischen Parlament vorgesehen. Meines Erachtens nach ergeben sich mit Einführung einer solchen Spezifizierung hinsichtlich des Zugriffs auf Endgeräte im Arbeitsverhältnis jedoch schwierige Fragen der Abgrenzung zur DSGVO und auch dem neuen BDSG. Hierzu mein Blogbeitrag.

Einwilligung

Nach Auffassung der Datenschutzbehörden stellt die Einwilligung der Beschäftigten für die überwiegende Mehrheit von Datenverarbeitungsvorgängen zumeist nicht die passende Grundlage dar. Diese Auffassung der Datenschutzbehörden (gerade auch in Deutschland) ist nicht unbedingt neu. Gerne wird auch pauschal die Möglichkeit verneint, dass Beschäftigte eine datenschutzrechtliche Einwilligung gegenüber ihrem Arbeitgeber abgeben könnten. In Deutschland hat das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13) völlig zu Recht entschieden, dass natürlich auch im Beschäftigungsverhältnis die Möglichkeit einer datenschutzrechtlichen Einwilligung per se erst einmal gegeben ist. Es kommt dann freilich immer stets auf die Umstände an, ob die Anforderungen der Einwilligung tatsächlich auch erfüllt sind, wie etwa die Freiwilligkeit der Abgabe der Einwilligungserklärung. Die Datenschutzbehörden gehen davon aus, dass eine Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis insbesondere dann nicht wirksam ist, wenn sich an die Weigerung der Abgabe einer Willenserklärung durch den Beschäftigten eine negative Folge für diesen knüpfen würde. In diesem Fall fehlt es an der Freiwilligkeit der Abgabe der Einwilligungserklärung.

Durchführung des Arbeitsvertrages

Viele Datenverarbeitungen im Beschäftigungsverhältnis können in der Praxis auf der Grundlage des Arbeitsvertrages und zu dessen Durchführung vorgenommen werden. Dieser Auffassung sind auch die Datenschützer und verweisen beispielhaft etwa auf Datenverarbeitung im Rahmen von Gehaltszahlungen.

Interessenabwägung

Die in der Praxis jedoch wohl wichtigste Grundlage für eine Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten stellt die Möglichkeit einer Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers und den schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers dar (Art. 7 f) EU Datenschutzrichtlinie). Nach Auffassung der Datenschutzbehörden muss die Datenverarbeitung in diesem Fall in jedem Fall angemessen und verhältnismäßig sein. Zudem sollten Datenverarbeitungen im Arbeitsverhältnis stets die am wenigsten einschneidende Maßnahme in Bezug auf die Rechte des Arbeitnehmers darstellen. In jedem Fall, so die Datenschutzbehörden, ist es erforderlich, das durch den Arbeitgeber bestimmte Maßnahmen umgesetzt sind, um die Risiken für die Arbeitnehmer zu minimieren und die schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer gebührend zu berücksichtigen. Am Beispiel der Überwachung von Arbeitnehmern stellen die Datenschützer dar, dass solche Maßnahmen etwa eine geographische Begrenzung der Überwachung darstellen können, die Begrenzung kann sich aber auch auf bestimmte Datenkategorien beziehen oder aber auch auf bestimmte Zeitintervalle erstreckt werden. Dies wären nach Auffassung der Datenschutzbehörden solche angemessenen Maßnahmen, um die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

DSGVO

Des Weiteren befassen sich die Datenschutzbehörden auch mit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis unter den Vorgaben der DSGVO. Zumindest wird in der Stellungnahme kurz auf einige Besonderheiten der DSGVO hingewiesen. Zum einen auf die Anforderungen des Art. 25 DSGVO, dem Prinzip des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch Voreinstellungen. Nach Auffassung der Datenschutzbehörden bedeutet dies für die Arbeitgeber, dass, wenn sie Endgeräte an ihre Arbeitnehmer herausgeben, diese Endgeräte mit datenschutzfreundlichen Voreinstellungen bestückt sein müssen und das Prinzip der Datenminimierung auf der technischen Ebene beachtet werden muss.

Zu dem für den Beschäftigtendatenschutz relevanten Art. 88 DSGVO (umgesetzt im neuen § 26 BDSG) verhalten sich die Datenschutzbehörden nicht besonders ausführlich. Sie geben allein den Inhalt des Artikels wieder. Jedoch weisen die Datenschutzbehörden darauf hin, dass die Anforderungen des Art. 88 Abs. 2 DSGVO, dass Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person umzusetzen sind, im Rahmen der in der vorliegenden Stellungnahme dargestellten Szenarien beachtet wurden. Die in der Stellungnahme entwickelten Leitlinien erläutern den zulässigen Einsatz von neuen Technologien und stellen dabei die erforderlichen Anforderungen dar, die nach Art. 88 Abs. 2 DSGVO bei der Datenverarbeitung zu erfüllen sind. Dies bedeutet in der Praxis, dass die in der Stellungnahme der Datenschutzbehörden dargestellten Sachverhalte und vorgeschlagenen Lösungsvarianten aus Sicht der Datenschutzbehörden die Anforderungen der DSGVO erfüllen.

Datenverarbeitung aus sozialen Netzwerken

In einem dargestellten Sachverhalt befassen sich die Datenschutzbehörden mit der Situation, das ein potenzieller Arbeitgeber sich vor oder nach einem Vorstellungsgespräch im Rahmen einer Suche im Internet und in Profilen von sozialen Netzwerken ein eigenes Bild über den Kandidaten machen will. Die Datenschutzbehörden weisen jedoch darauf hin, dass nur weil Informationen in einem Profil in einem sozialen Netzwerk öffentlich abrufbar sind, die Arbeitgeber diese Information nicht auch unbedingt für eigene Zwecke nutzen können. Stets ist für jede Datenverarbeitung ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand zu erfüllen. Sie weisen jedoch darauf hin, dass, bevor ein Arbeitgeber ein Profil eines Sozialen Netzwerkes genauer untersucht, zunächst zu prüfen ist, um was für eine Art von sozialem Netzwerk es sich handelt. Um ein berufliches Netzwerk oder ein Netzwerk mit privatem Hintergrund. Insbesondere im Rahmen der Interessenabwägung als Erlaubnistatbestand kann dieser Umstand eine Rolle spielen. Zudem, so die Datenschutzbehörden, dürfen potentielle Arbeitgeber Daten nur in dem Umfang erheben und verarbeiten, wie dies für den Bewerbungsprozess tatsächlich absolut notwendig ist. Nach Auffassung der Datenschutzbehörden müssen zudem alle im Rahmen des Bewerbungsprozesses erhobenen und gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht werden, sobald deutlich wird, dass den Kandidaten kein Job angeboten wird. Hier lässt sich zumindest kritisch anmerken, dass insbesondere auch in Deutschland die Datenschutzbehörden nicht direkt nach Ende des Auswahlverfahrens die Löschung der Daten verlangen. Insbesondere aufgrund der Möglichkeit des abgelehnten Kandidaten, noch gegen den ablehnenden Arbeitgeber rechtlich vorzugehen (AGG), gestehen auch in Deutschland die Datenschutzbehörden den Unternehmen eine Frist zur Speicherung der Daten zur abgelehnten Bewerbern von einigen Monaten zu.

Überwachung des Datenverkehrs

Ein weiteres Szenario was von den Datenschutzbehörden angesprochen wird, ist die Überwachung und Analyse des Datenverkehrs in das Netzwerk eines Unternehmens und hinaus. Insbesondere aus Sicherheitsgesichtspunkten und zum Schutz der Systeme gestehen die Datenschutzbehörden den Arbeitgebern eine solche Analyse und damit zusammenhängende Datenverarbeitung auch von Arbeitnehmern bis zu einem gewissen Grad zu. Sie weisen jedoch darauf hin, dass eine Überwachung in der Form der Aufzeichnung jeglicher Onlineaktivität von Arbeitnehmern ihrer Auffassung nach eine unverhältnismäßige Maßnahme darstellen würde, insbesondere mit Blick auf das Fernmeldegeheimnis. Interessant ist hierbei, dass die Datenschutzbehörden davon auszugehen scheinen, dass für den Arbeitgeber die Vorgabe der Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses per se zu beachten ist. In Deutschland ist diese Frage jedoch umstritten, insbesondere im Rahmen der gestatteten oder nicht gestatteten privaten Nutzung das Onlinezugangs am Arbeitsplatz.

Weitere Szenarien

Auch zum Thema Bring Your Own Device äußern sich die Datenschutzbehörden in ihrer Stellungnahme. Neben weiteren Szenarien erläutern die Datenschutzbehörden auch, was es im Rahmen des Transfers personenbezogener Daten in das Ausland zu beachten gilt. Hier bleiben die Hinweise der Datenschutzbehörden jedoch recht allgemein. Sie weisen allein darauf hin, dass die Anforderungen des Art. 25 der geltenden EU Datenschutzrichtlinie einzuhalten sind. Nach Auffassung der Datenschutzbehörden sollten sich Arbeitgeber in Fällen der Übermittlung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer in Drittstaaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes insbesondere auf die Mechanismen des Angemessenheitsbeschlusses durch die Europäische Kommission (Bsp: EU US Privacy Shield) verlassen. Daneben können auch die EU Standardvertragsklauseln eine Möglichkeit zum Datentransfer in Drittstaaten sein. Weniger geeignet halten die europäischen Datenschutzbehörden die Ausnahmen für besondere Übermittlungssituationen, wie etwa die ausdrückliche Einwilligung des Arbeitnehmers.

Fazit

Insgesamt ist die doch recht umfangreiche Stellungnahme der Datenschutzbehörden durchaus lesenswert und insbesondere, da sie auch schon die DSGVO im Blick hat, besonders praxisrelevant. Wie immer gilt natürlich, dass man auch hier nicht jegliche Meinung teilen muss. Die Stellungnahme gibt jedoch einen guten Überblick dazu, wie die europäischen Datenschutzbehörden insbesondere in Grenzfällen das Gesetz auslegen bzw. aus ihrer Sicht anwenden.

Datenschutzreform: Bundesratsausschüsse kritisieren Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum neuen BDSG

Sieben Ausschüsse des Bundesrates haben sich mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs-und -Umsetzungsgesetz EU -DSAnpUG-EU, PDF)“ vom 2. Februar 2017 befasst und mit Datum vom 1. März 2017 ihre Empfehlungen zum Gesetzentwurf für ein neues BDSG abgegeben (Empfehlungen, BR Drs. 110/1/17, PDF).

Insgesamt finden die Ausschüsse wenig Gutes an dem Gesetzentwurf. Die Empfehlungen sind umfangreich (64 Seiten). Nachfolgend möchte ich nur beispielhaft einige Kritikpunkte der Bundesratsausschüsse beleuchten. Die Empfehlungen der Ausschüsse werden bereits nächste Woche, am 10. März 2017, im Bundesrat beraten.

Der zweite Schritt vor dem ersten

Ganz grundsätzlich kritisieren die Ausschüsse, dass eine umfassende Bewertung der vorgeschlagenen Neufassung des BDSG nicht möglich ist, da erforderliche Anpassungen des vorrangigen Fachrechts (also datenschutzrechtlicher Spezialvorschriften) bislang weder erfolgt noch konkret absehbar sind.

Auch die Praxis wird durch dieses Vorgehen vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt. Denn dort müssen Verarbeitungsvorgänge an die Anforderungen anpasst werde. Doch wenn diese Anforderungen unklar bleiben, wird eine rechtssichere Umsetzung nur schwer möglich sein.

Aus Sicht der Ausschüsse lässt sich die Situation wie folgt darstellen:

Ansatz, bei dem der zweite Schritt vor dem ersten vollzogen wird.

Datenportabilität beschränken?

Die Ausschüsse schlagen vor, dass die Bundesregierung prüft, inwieweit ein Bedarf für eine Beschränkung des Rechts auf Datenübertragbarkeit gemäß Art. 20 DSGVO besteht. Nach Auffassung der Ausschüsse werden nämlich im Gesetzentwurf, Im Gegensatz zum Recht auf Auskunft, das in § 34 BDSG-E eine Beschränkung erfährt, das Recht auf Datenportabilität trotz seiner funktionalen Nähe zum Recht auf Auskunft bislang keine entsprechenden Beschränkungen vorgesehen.

Diese Kritik mag man verstehen, jedoch sehe ich nicht derart große Parallelen zum Auskunftsrecht, dass auch die Datenportabilität aus diesem Grund beschränkt werden müsste. Inhaltlich unterscheiden sich beide Rechte dann doch an einige Stellen. So besteht das Recht auf Datenportabilität etwa nur für durch die Person „bereitgestellte“ Daten, das Auskunftsrecht aber allgemein.

Definition „Anonymisieren“

Die Ausschüsse schlagen zudem die Aufnahme eines neuen § 2 Abs. 6 BDSG-E vor. In diesem Absatz soll das „Anonymisieren“ definiert werden. Hintergrund ist, dass § 27 Absatz 3 BDSG-E den Begriff „anonymisieren“ verwendet, dieser aber weder im Gesetzentwurf noch in der DSGVO definiert wird. Vielmehr wird nur „pseudonymisieren“ in der DSGVO verwendet und in Art. 4 Nr. 5 DSGVO definiert. Die vorgeschlagene Definition entspreche dem Verständnis des Begriffs im bisherigen § 3 Abs. 6a BDSG.

Vertretung im Europäischen Datenschutzausschuss und Verfahren der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden

Die Bundesratsausschüsse sprechen sich zudem für eine Anpassung der Regelungen zur Vertretung Deutschlands im Europäischen Datenschutzausschuss (EDA) aus. Nach Auffassung der Ausschüsse räumt die Ausgestaltung des Verfahrens hinsichtlich der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Datenschutzausschuss im Gesetzentwurf (§ 17 und 18 BDSG-E) den Aufsichtsbehörden der Länder kein hinreichendes Gewicht ein. Die Ausschüsse verlangen, dass die Position der Landesdatenschutzbeauftragten im Hinblick auf deren Hauptvollzugsverantwortung des Datenschutzrechts in Deutschland gestärkt wird.

Nach Auffassung der Ausschüsse spricht der Umstand, dass der Bund für ein Sachgebiet die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt, in keiner Weise dafür, dass die Bundesbeauftragte die Bundesrepublik Deutschland insoweit verhandlungsführend im Europäischen Datenschutzausschuss vertreten sollte, wenn der Vollzug dieses Gesetzes allein den Landesdatenschutzbeauftragten obliegt. Insbesondere werden es nämlich auch in Zukunft die Landesbehörden sein, die sich in ihrer Praxis mit privaten Unternehmen auseinanderzusetzen haben. Eine vergleichbare Sachnähe könne es bei der oder dem Bundesbeauftragten naturgemäß nicht geben.

Die vorgeschlagenen Änderungen sind durchaus nachvollziehbar. Man darf wohl auch in einer Analyse des Bundesrates eine landesnahe Auffassung erwarten. Zurecht dürfte aber die Kritik vorgebracht werden, dass in der praktischen Umsetzung und Überwachung der Einhaltung des Datenschutzes die Landesbehörden mehr Erfahrung besitzen als die BfDI.

Zweckändernde Datenverarbeitung

In § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG-E soll das Wort „rechtlicher“ durch das Wort „zivilrechtlicher“ ersetzt werden.

Dort ist derzeit vorgesehen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, durch nicht-öffentliche Stellen zulässig ist, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist.

Hintergrund der vorgeschlagenen Anpassung ist, dass Art. 23 Abs. 1 lit. j) DSGVO, der Vorgaben dazu macht, zur Sicherstellung welcher Maßnahmen Beschränkungen der Betroffenenrechte im nationalen Recht vorgenommen werden dürfen, nur von „zivilrechtlichen“ und nicht weiter von „rechtlichen“ Ansprüchen spricht.

Des Weiteren sollen in § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG-E nach dem Wort „Ansprüche“ die Wörter „gegenüber der betroffenen Person“ eingefügt werden. Hintergrund dieses Vorschlages der Ausschüsse ist, dass in § 24 BDSG-E eine rechtliche Grundlage für nicht-öffentliche Stellen geschaffen wird, die es ihnen erlaubt, eine Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten unabhängig davon vorzunehmen, ob die Zwecke der Verarbeitung mit den ursprünglichen Zwecken, für die die Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar sind.

Nach Auffassung der Ausschüsse ist diese Regelung für Verbraucherinnen und Verbraucher von besonderer Bedeutung. Die Ausschüsse kritisieren, dass es die Regelung in § 24 BDSG-E

beispielsweise Unternehmen der Digitalwirtschaft ermöglicht, ohne Einwilligung der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher eine Weiterverarbeitung der personenbezogenen Daten mit dem Hinweis darauf vorzunehmen, diese Daten würden zur „Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche“ gegenüber Dritten (zum Beispieleinem Geschäftspartner) gebraucht.

Nach Ansicht der Ausschüsse können nicht betroffene Verbraucher dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Unternehmen ihre personenbezogenen Daten für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Verhältnis zu Dritten benötigen. Deshalb sollte eine Weiterverarbeitung der personenbezogenen Daten zu anderen Zwecken nur erlaubt sein, wenn rechtliche Ansprüche des Unternehmens gegenüber der betroffenen Person selbst in Rede stehen.

Diesbezüglich ließe sich aber anführen, dass die entsprechenden Vorgaben der DSGVO (Art. 6 Abs. 4 und Art 23 Abs. 1 lit. j)) auch nur „Ansprüche“ erwähnen. Nicht jedoch solche, die gegenüber der betroffenen Person bestehen.

Beschäftigtendatenschutz

Natürlich wird von den Ausschüssen auch der Beschäftigtendatenschutz angesprochen. Nach deren Auffassung waren bereits die geltenden Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz in § 32 BDSG ergänzungs-und überarbeitungsbedürftig. Nun ergeben sich aber weitere Anforderungen an den Gesetzgeber aus Art. 88 DSGVO.

Nach Auffassung der Bundesratsausschüsse werden diese aber durch § 26 BDSG-E nicht ausreichend umgesetzt. Daher fordern die Ausschüsse, dass zeitnah ein ergänzender Gesetzentwurf mit spezifischen Regelungen für Datenverarbeitung im Beschäftigtenkontext vorgelegt wird.

Fortgeltung bereits erteilter Einwilligungen?

Die Ausschüsse des Bundesrates scheinen zu bezweifeln, dass derzeit erteilte datenschutzrechtliche Einwilligungen auch nach Anwendbarkeit der DSGVO im Mai 2018 weiter wirksam sind.

Sie bitten die Bundesregierung daher um Prüfung einer gesetzlichen Klarstellung, unter welchen Voraussetzungen die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erteilten Einwilligungen nicht fortgelten. Die Ausschüsse verweisen berechtigterweise darauf, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung nach der DSGVO nicht den Regelungen im BDSG entsprechen und teilweise darüber hinausgehen. Daher müssen Unternehmen unter Umständen eine erneute Einwilligung bei den Betroffenen einholen.

Zwar verweisen die Ausschüsse auf den Beschluss der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis am 13./14. September 2016), der zwar tendenziell von einer Fortgeltung alter Einwilligung ausging. Dies jedoch auch nur unter dem Vorbehalt der „Grundsätzlichkeit“.

Streichen des Erfordernisses der Schriftlichkeit

Die Bundesratsausschüsse fordern zudem, dass geprüft werde, inwieweit vom Erfordernis der Schriftlichkeit der anzufertigenden Dokumentationen durch datenverarbeitende Stelle abgesehen werden kann.

In §§ 32 und 33 BDSG-E ist derzeit schriftliche Dokumentationspflichten für den Fall vorgesehen, wenn der Verantwortliche von einer Information des Betroffenen abgesehen hat. Dieses Erfordernis der schriftlichen Dokumentation geht aber über die Vorgaben der DSGVO hinaus. Diese sieht in Art. 12 Abs. 4 DSGVO nur vor, dass der Verantwortliche die betroffene Person (ohne spezielle Form) unterrichtet. Die derzeit vorgeschlagene Dokumentationspflicht im BDSG-E würde nach Auffassung der Ausschüsse zusätzlichen Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft mit sich bringen.

Man muss nun abwarten, welche Empfehlungen konkret in der nächsten Sitzung des Bundesrates angenommen werden. Der Umfang der Anmerkungen und auch die Reichweite der Kritik zeigt aber, dass man in einigen Aspekten noch weit voneinander entfernt ist. Zudem muss beachtet werden, dass der Gesetzesentwurf nun auch im Bundestag liegt und dort (wohl im Innenausschuss) einer Analyse unterzogen wird.

Referentenentwurf zum BDSG-neu – Kurzanalyse zur zweckändernden Weiterverarbeitung nach § 23 BDSG-neu

In dem nun veröffentlichten Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern (Stand: 23.11.2016) „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680“ (PDF) soll u.a. in § 23 BDSG-neu eine Regelung zur Zulässigkeit von (Weiter-)Verarbeitungen personenbezogener Daten zu anderen Zwecken getroffen werden.

Mit Blick auf eine Weiterverarbeitung für andere Zwecke ist durchaus umstritten, ob Mitgliedstaaten im nationalen Recht eine eigene Rechtsgrundlage für diese Weiterverarbeitung schaffen dürfen und ob Art. 6 Abs. 4 DSGVO eine solche Ermächtigung enthält. Die zweckändernde Weiterverarbeitung personenbezogener Daten ist in der datenschutzrechtlichen Diskussion ohnehin ein Dauerbrenner.

Ich habe zu dieser Thematik eine kurze rechtliche Einschätzung erstellt. Abrufbar hier (PDF).

Erste Anmerkungen zum Referentenentwurf für das neue Allgemeine Bundesdatenschutzgesetz

Die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), welche ab dem 25. Mai 2018 in Europa anwendbar sein wird, stellt dem Grunde nach eine Verordnung nach Art. 288 Abs. 2 AEUV dar. Bekanntermaßen enthält sie jedoch Öffnungsklauseln für nationale Gesetzgeber, die sowohl die Möglichkeit zur Schaffung nationaler Regelungen beinhalten und in gewissen Bereichen die Mitgliedstaaten sogar verpflichten legislativ tätig zu werden.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesinnenministerium hat einen Referentenentwurf für ein „Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU“ erarbeitet, der nun auch veröffentlicht wurde (PDF).

Bereits aus dem Umfang des Referentenentwurfs (immerhin 62 Paragrafen für ein Allgemeines Bundesdatenschutzgesetz) wird deutlich, dass auch mit Anwendbarkeit der DSGVO keine vollständige Harmonisierung des Datenschutzrechts in Europa existieren wird, sondern gewisse Bereiche weiter national (und durchaus auch divergierend) geregelt werden können bzw. müssen. In Zukunft wird man sich im Datenschutzrecht also nicht allein nur mit den Vorgaben der DSGVO befassen können.

Passend finde ich den Hinweis des BMI in der Entwurfsbegründung:

Damit entsteht für das Datenschutzrecht ein komplexes Regelungssystem aus unions- und mitgliedstaatlichen Vorschriften, das den Rechtsanwender vor eine anspruchsvolle Aufgabe stellt.

Nachfolgend möchte ich nur einige initiale Anmerkungen zu Teilen des Referentenentwurfs machen. Überdies sollte beachtet werden, dass sich bei diesem Entwurf noch nicht um den finalen Entwurf des Gesetzes handelt. Auch andere Ministerien, wie das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz oder auch das Wirtschaftsministerium, werden dem Entwurf für ein „Allgemeines Bundesdatenschutzgesetz“ (ABDSG) ihren Stempel aufdrücken wollen.

Anwendungsbereich
Das ABDSG soll künftig als allgemeines Datenschutzrecht des Bundes die Funktion haben, die bislang das BDSG hatte. Eine Auffangfunktion. Bereichsspezifische Regelungen des Bundes können also auch in Zukunft abweichendes Datenschutzrecht regeln. Das ABDSG gilt sowohl für nicht-öffentliche als auch öffentliche Stellen (des Bundes), § 2 Abs. 1 ABDSG.

Zweck des BDSG ist es insbesondere, das allgemeine deutsche Datenschutzrecht sowohl an die DSGVO als auch an die Richtlinie (EU) 2016/680 anzupassen. § 1 Abs. 2 Nr. 1 ABDSG verdeutlicht, dass für den Bereich der Wirtschaft in Zukunft fast ausschließlich die DSGVO die ausschlaggebenden datenschutzrechtlichen Maßgaben setzt. Nur in vereinzelten Bereichen gestattet die DSGVO abweichende nationale Regelung. Diese nationalen Regelungen sollen sich dann im ABDSG finden.

Erwähnenswert ist hier noch die Regelung des § 2 Abs. 4 ABDSG, nach der das ABDSG nur Anwendung findet, soweit der verantwortliche oder Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung verarbeitet. Durch diese Vorschrift soll geregelt werden, dass das ABDSG zur Anwendung kommt, wenn eine Datenverarbeitung durch eine in Deutschland ansässige Niederlassung vorliegt. Dies bedeutet aber auch, dass das ABDSG nicht anwendbar ist, wenn etwa ein Verantwortlicher nicht in der Europäischen Union niedergelassen ist, nach Art. 3 Abs. 2 DSGVO jedoch den Regelungen der DSGVO unterliegt, etwa weil er Personen in Deutschland Waren oder Dienstleistungen anbietet. In einem solchen Fall fehlt es nämlich an einer inländischen Niederlassung.

Erlaubnistatbestände für öffentliche Stellen
In § 4 ABDSG sollen spezifische Erlaubnistatbestände für Verarbeitungen durch öffentliche Stellen geschaffen werden. Das BMI möchte hier von den Öffnungsklauseln der Art. 6 Abs. 1 lit. e i. V. m. Art. 6 Abs. 3 S. 1 DSGVO Gebrauch machen. Die in § 4 Abs. 2 ABDSG aufgeführten Zwecke dienen insbesondere der Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe. Nach Abs. 2 Nr. 8 wird klargestellt, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Gewährleistung der Netz-, Daten- und Informationssicherheit ein öffentliches Interesse darstellt. Nach der Begründung zum Entwurf muss, wo dies erforderlich ist, das Sammeln, Auswerten und Untersuchen von Informationen über Sicherheitsrisiken oder -vorkehrungen und die gegenseitige Information, Beratung und Warnung von Staat, Wirtschaft oder Gesellschaft möglich sein. Ganz bewusst hat sich das BMI zudem dagegen entschieden, die Erlaubnis nur auf für das Gemeinwohl besonders wichtige Einrichtungen (wie z.B. Betreiber kritischer Infrastrukturen) zu beschränken.

Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten

In § 5 ABDSG (der nicht nur für öffentliche Stellen gilt) macht das BMI von der Öffnungsklausel des Art. 9 Abs. 2 lit. g) DSGVO Gebrauch. Besondere Kategorien personenbezogener Daten sollen in Zukunft auch dann verarbeitet werden dürfen, wenn dies aus Gründen eines „erheblichen öffentlichen Interesses“ erforderlich ist. Zu diesen erheblichen öffentlichen Interessen zählt das BMI etwa die Verarbeitung geometrischer Daten zu Zwecken der eindeutigen Identifikation einer Person (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 ABDSG).

Zweckändernde Verarbeitung
In § 6 ABDSG schafft das BMI die Möglichkeit, personenbezogene Daten für einen anderen und auch mit dem Zweck der Erhebung unvereinbaren Zweck weiterzuverarbeiten. Diese Möglichkeit bietet Art. 6 Abs. 4 DSGVO. Die Regelung gilt sowohl für öffentliche als auch nicht-öffentliche Stellen. Man Meinungsbereich des § 6 dürfen auch besondere Kategorien personenbezogener Daten für andere und unvereinbare Zwecke weiterverarbeitet werden.

Beschränkungen der Betroffenenrechte
In den §§ 7 – 13 ABDSG macht das BMI von der Möglichkeit des Art. 23 DSGVO Gebrauch, dass in engen Grenzen die Betroffenenrechte beschränkt werden können. Nach § 7 Abs. 2 ABDSG wird die Informationspflicht des Verantwortlichen im Fall einer Weiterverarbeitung der Daten für andere Zwecke (Art. 13 Abs. 3 DSGVO) beschränkt. Soweit die Erteilung der Information einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, muss der Verantwortliche nicht über diesen anderen Zweck informieren. Jedoch muss der verantwortliche in diesem Fall dafür sorgen, dass geeignete Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person ergriffen werden. Hierzu zählt insbesondere die Bereitstellung der Informationen über die anderen Zwecke für die Öffentlichkeit, was etwa durch Informationen auf einer Webseite erfolgen kann.

Nach § 7 Abs. 3 ABDSG schränkt die allgemeine Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO für Fälle der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume ein. In diesem Fall muss aber der Umstand der Beobachtung (etwa durch ein Hinweisschild) erkennbar sein.

In § 9 ABDSG wird das Auskunftsrecht der Betroffenen beschränkt. Nach § 9 Abs. 2 lit. d) ABDSG besteht das Recht auf Auskunft und Erhalt einer Kopie nach Art. 15 DS GVO nicht, wenn die gespeicherten Daten ausschließlichen (!) Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen. Zudem müsse die Erteilung der Auskunft einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern.

Interessant ist auch die Ausnahme nach § 9 Abs. 2 lit. e) ABDSG, wonach das Auskunftsrecht dann nicht besteht, wenn die Benachrichtigung die Geschäftszwecke des Verantwortlichen erheblich gefährden würde.
Das Recht auf Löschung von Daten (Art. 17 DSGVO) soll nach § 10 Abs. 2 ABDSG dann nicht bestehen, wenn die Löschung aufgrund der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist. Diese Beschränkung, so der Entwurf des BMI, dient dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen (Art. 23 Abs. 1 lit. i) DSGVO).

Nach § 12 Abs. 2 ABDSG darf eine Einzelentscheidung, die gegenüber der betroffenen Person rechtliche Wirkung entfaltet und die ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruht, auch über die in Art. 22 Abs. 2 DSGVO vorgesehenen Ausnahmen dann erfolgen, wenn diese Entscheidung im Rahmen des Abschlusses oder der Erfüllung eines Vertrages oder eines sonstigen Rechtsgeschäfts (hier geht des ABDSG über die Ausnahme des Art. 22 Abs. 2 lit. a) DSGVO hinaus) zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen ergeht und dem Begehren der betroffenen Person stattgegeben wird. Die Entscheidung (bzw. die ihr zugrundeliegende Verarbeitung) muss also nicht für die Erfüllung des Vertrages oder Rechtsgeschäftes erforderlich sein.

Datenschutzbeauftragter
§ 14 ABDSG sieht, über die Vorgaben der DS GVO hinausgehend, vor, wann zwingend ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen ist. Insbesondere soll dies der Fall sein, wenn in der Regel mindestens 10 Personen ständig mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind.

Klagerecht gegen Privacy Shield & Co.
Nachdem bereits vor einigen Monaten der Bundesrat ein neues Klagerecht für Aufsichtsbehörden gegen Angemessenheitsentscheidung der Europäischen Kommission für das Schutzniveau personenbezogener Daten in Drittstaaten gefordert hatte, wird dieses neue Klagerecht nun in § 28 ABDSG aufgenommen. Jedoch mit ein paar inhaltlichen Abweichungen zu dem ursprünglichen Vorschlag im Bundesrat.

Aufsichtsbehörden können danach bei der Prüfung eine Beschwerde einer betroffenen Person gegen eine Angemessenheitsentscheidung (wie jetzt zum Privacy Shield) im Wege einer Feststellungsklage vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen. Interessant ist, welchen Inhalt der Antrag auf Feststellung haben soll. Der Antrag soll darauf lauten festzustellen, dass das Bundesverwaltungsgericht „die Zweifel der Aufsichtsbehörde an der Gültigkeit eines zur Rechtfertigung der Übermittlung angewendeten Angemessenheitsbeschlusses der Kommission teilt“. Der ursprüngliche Gesetzesvorschlag für einen neuen § 38b BDSG sah noch die Feststellung einer Ungültigkeit der Angemessenheitsentscheidung der Kommission vor. Die Ungültigkeit eines EU Rechtsaktes kann ein nationales Gericht jedoch gerade nicht feststellen. Hierauf hatte ich auch im Rahmen eines Blogbeitrages zu dem damaligen Gesetzesvorschlag hingewiesen.

Vertretung im Europäischen Datenschutzausschuss
Ausführlich regelt der Entwurf für das ABDSG zudem das Verfahren der Vertretung der deutschen Datenschutzbehörden im Europäischen Datenschutzausschuss (Kapitel 6). Grundsätzlich soll hier der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz der gemeinsame Vertreter der deutschen Behörden sein. Zusätzlich stellen die Landesbehörden jedoch einen Stellvertreter. Dieser wird vom Bundesrat gewählt. Je nach der im europäischen Datenschutzausschuss beratenen Angelegenheit muss dann der gemeinsame Vertreter die Verhandlungsführung und das Stimmrecht im Europäischen Datenschutzausschuss auf den Vertreter der Landesbehörden übertragen.

Des Weiteren wird ausführlich das Verfahren der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder geregelt.

Beschäftigtendatenschutz
In § 33 ABDSG enthält der Referentenentwurf auch eine Vorschrift zur Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext. Hier gibt es jedoch keine Überraschungen. Zitat aus der Entwurfsbegründung: „Absätze 1 bis 3 entsprechen § 32 Bundesdatenschutzgesetz.“

TMG
In dem Entwurf des ABDSG finden sich keine Regelungen zur Datenverarbeitung im Bereich der Telemedien. Man darf gespannt sein, ob hier eventuell noch das Bundeswirtschaftsministerium entsprechende Vorschläge unterbreitet. Da jedoch ohnehin fast alle Regelungen des TMG zum Datenschutz nicht auf einer Umsetzung der sogenannten ePrivacy-Richtlinie beruhen, werden die entsprechenden Vorschriften ab dem vom 25. Mai 2018 nicht mehr anwendbar sein.