Datenschutz bei Smart-TVs: Datenschützer legen Voraussetzungen fest

Der Zusammenschluss der deutschen Datenschutzbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis) hat zusammen mit den Datenschutzbeauftragten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine gemeinsame Position zum Datenschutz bei sog. Smart-TVs veröffentlicht (Gemeinsame Position: Smartes Fernsehen nur mit smartem Datenschutz, PDF).

In ihrer Position weisen die Datenschützer darauf hin, dass im Alltag immer mehr internetfähige Fernsehgeräte benutzt werden. Hierbei entsteht, neben dem normalen Fernsehsignal, ein Rückkanal an den Hersteller des Gerätes oder zum Fernsehsender über das Internet. Über diesen Kanal ist es grundsätzlich möglich, das Nutzungsverhalten der Zuschauer zu erfassen. Die Datenschützer sehen in dieser Möglichkeit der Aufzeichnung des Nutzerverhaltens eine Gefahr für das Recht auf freien Informationszugang, welches „empfindlich beeinträchtigt“ werden könnte.

Die Datenschutzbehörden stellen daher folgende Anforderungen an einen datenschutzrechtskonformen Einsatz von Smart-TVs und der Datenverarbeitung:

Eine Profilbildung über das individuelle Fernsehverhalten der Nutzer ist ohne informierte und ausdrückliche Einwilligung der Zuschauer unzulässig.

Web- oder HbbTV-Dienste unterliegen als Telemedien dem TMG und dessen datenschutzrechtlichen Anforderungen. Die Mindestvorgaben an Hersteller, Sendeanstalten oder andere Dritte lauten hierbei: auch personenbeziehbare Daten der Nutzer dürfen nur verwendet werden, wenn dies zur Erbringung des jeweiligen Dienstes erforderlich ist. Zudem müssen Betroffene zu Beginn der Nutzung über die Datenerhebung informiert werden.

Grundsätzlich dürfen Nutzungsprofile nur mit Pseudonymen erstellt werden und die Nutzer dürfen der Profilerstellung nicht widersprochen haben. Zu beachten ist, dass nach Ansicht der Datenschützer IP-Adressen und Gerätekennungen keine Pseudonyme i. S. d. TMG darstellen.

Zudem haben nach Ansicht der Datenschützer die Gerätehersteller und Diensteanbieter das Prinzip des „Privacy by Default“ zu beachten. Es solle eine anonyme Nutzung der Dienste ermöglicht werden. Eine Nutzung der Webdienste dürfe erst nach einer umfassenden Information der Nutzer erfolgen. Zudem müssten die Nutzer die Kontrolle über die auf den Geräten gespeicherten Daten besitzen (z. B. Verwaltung von Cookies).

Zuletzt weisen die Datenschutzbehörden darauf hin, dass nach ihrer Auffassung die Gerätehersteller, Fernsehsender oder sonstige Web-Dienste über sicherheitstechnische Mechanismen verfügen müssten, die die Geräte und den Datenverkehr vor dem Zugriff unbefugter Dritter schützen.

Ausländische Telekommunikationsanbieter in den USA zum nationalen Routing verpflichtet

In der öffentlichen Debatte um die Einführung eines sog. „Schengen-Routings“ von Daten in Europa wurde häufig kritisiert, dass dies zu einer Zersplitterung des Internets führen würde und Europa oder Deutschland sich mit derartigen Maßnahmen vom Rest des Netzes abkapseln würden. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium war in diesen Tagen zu hören, dass man ein nationales Routing allenfalls als freiwilliges Angebot zwischen den Unternehmen in Betracht ziehe. Anfang April hat sich auch der Handelsvertreter der Vereinigten Staaten von Amerika öffentlich gegen derartige Pläne ausgesprochen (hier mein Blogbeitrag dazu) und dies unter anderem mit einem faktischen Ausschluss und einer Diskriminierung ausländischer Anbieter begründet.

Blickt man jedoch in die USA, so zeigt sich, dass die Pflicht zu einem nationalen Routing für Telekommunikationsanbieter dort bereits Realität und eine rechtliche Pflicht ist. Der Grund: um amerikanischen Behörden einfacheren und direkten Zugriff auf gespeicherte Daten zu ermöglichen.

Ausländische, auf dem US-Markt agierende Unternehmen, schließen Verträge mit Regierungsstellen (u. a. dem Heimatschutzministerium oder dem Justizministerium) ab, in denen sie sich dazu verpflichten müssen, inländischen Datenverkehr allein innerhalb des Staatsgebietes von Amerika zu transportieren und zu speichern. Eine Auflistung von verschiedenen Verträgen, u. a. mit der Deutschen Telekom oder Telefonica Moviles) findet sich hier.

Anhand des Vertrages der Telefonica Moviles (abrufbar hier, PDF) möchte ich kurz auf ein paar der Pflichten eingehen, die dem Unternehmen auferlegt werden.

Wichtig ist zunächst unter Ziff. 1.7 die Definition der „Domestic Communications“. Dies umfasst sowohl die drahtlose als auch drahtgebundene Kommunikation, welche in den USA beginnt und endet. Aber ebenso den amerikanischen Anteil solcher Kommunikationen, die entweder in den USA beginnen oder dort enden. Zudem wird unter Ziff. 1.8 die „Domestic Communications Infrastructure“ definiert, wozu auch Anlagen und Geräte zum Routing zählen.

Nach Ziff. 2.1 des Vertrages besteht die Pflicht, dass sowohl die „Domestic Communications Infrastructure“ allein in den USA belegen sein darf und auch die durch sie abgewickelte nationalen Kommunikationsvorgänge allein durch diese Einrichtungen in den USA ausgeführt werden dürfen.

Nach Ziff. 2.3 des Vertrages besteht zudem eine Speicherpflicht für die nationalen Daten allein in den USA.

Zudem stellt Ziff. 2.8 explizit eine nationale Routing-Pflicht auf. Nationale Kommunikation darf danach nicht außerhalb der USA gerouted werden.

Und wie sieht es mit dem Zugang zu diesen Daten durch ausländische Behörden aus? Nach Ziff. 3.4 des Vertrages dürfen sowohl nationale Kommunikationsdaten (und zudem noch weitere Datenkategorien) weder direkt oder indirekt an ausländische Behörden weitergegeben werden, ohne dass eine vorherige schriftliche Zustimmung des amerikanischen Justizministeriums oder eine Anordnung eines amerikanischen (nicht etwa ausländischen) Gerichts vorliegt.

Die Verträge zeigen, dass ein nationales Routing in den USA bereits an der Tagesordnung ist. Einer der Gründe ist, den staatlichen Behörden einen einfachen Zugriff für Überwachungsmaßnahmen zu ermöglichen, wie sich etwa aus Ziff. 2.1 (b) ergibt.

Damit ist freilich noch nichts darüber gesagt, ob ein nationales Routing in Europa oder Deutschland tatsächlich gegen die Überwachung durch ausländische Geheimdienste schützen würde. Nur das Argument, dass dies eine neue Qualität des Eingriffs in den freien Fluss der Daten im Internet darstellen und Europa damit allein dastehen würde, kann damit kaum noch gelten.

Datenschutzreform: neue Ratsdokumente belegen anhaltenden Diskussionsbedarf

Unter EUDataP-links.com, einer Unterseite dieses Blogs, habe ich neue Dokumente aus der DAPIX (die für den Datenschutz zuständige Ratsarbeitsgruppe) zur Datenschutzreform verlinkt. Thematisch geht es dabei vor allem um den Dauerbrenner „one-stop-shop“ und den Datentransfer in Drittstaaten.

Wie sich aus den Dokumenten ergibt, besteht weiterhin anhaltender Diskussionsbedarf zwischen den europäischen Mitgliedstaaten in Bezug auf das Streben nach einer gemeinsamen Position zur geplanten Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Die Dokumente datieren von Ende April 2014, bilden daher wohl nicht den aktuellsten Stand der Verhandlungen ab.

Dennoch zeigt ein Blick in die Papiere und dabei insbesondere in die Fußnoten, dass Mitgliedstaaten teilweise erheblichen Diskussions- und Änderungsbedarf hinsichtlich elementarer Grundsätze der geplanten DS-GVO sehen. Beispielhaft möchte ich kurz auf das Dokument zu Datentransfers in Drittstaaten eingehen (8087/1/14 REV 1, PDF).

Einige Mitgliedstaaten zweifeln die Wirksamkeit des Prinzips der Angemessenheitsentscheidungen durch die Europäische Kommission an (siehe Fn. 13). Diese Angemessenheitsentscheidungen werden von der Kommission getroffen, um einem Drittland oder auch nur einem bestimmten Industriebereich eines Drittlandes, ein angemessenes Datenschutzniveau zu attestieren und damit Datentransfers aus der EU dorthin zu ermöglichen. Frankreich möchte zudem wissen, ob Datenübermittlungen im Rahmen des Cloud-Computing nach Ansicht der Kommission ebenfalls einen internationalen Datentransfer darstellen. Deutschland schlägt vor, dass in der DS-GVO Regelungen für die Einrichtung von Selbstverpflichtungsmechanismen in Drittstaaten (wie etwa Safe Harbor in den USA) aufgenommen werden.

Zudem werden in dem Ratsdokument auch neue Anforderungen an die den Datentransfers zugrundeliegenden Instrumenten gestellt. So sollen in unternehmensweit geltende Richtlinien (BCRs), welche durch die nationalen Datenschutzbehörden freigegeben werden müssen, nach Art. 43 Abs. 2 (l) auch Hinweise auf die in einem Konzern vorgehaltenen Mechanismen gegeben werden, welche dort existieren, um eine Datenschutzbehörde auf Anforderungen des Rechts eines Drittstaates hinzuweisen, die ein Unternehmen des Konzerns verpflichten und sich negativ auf den durch die BCRs gewährten Schutz der personenbezogenen Daten auswirken können. Im Blick hatte man hierbei wohl vor allem Anfragen und Herausgabeverlangen von drittstaatlichen Behörden.

Auf Vorschlag der deutschen Delegation (Fn. 75) wurde zudem die Voraussetzung einer „ausdrücklichen“ Einwilligung in Art. 44 Abs. 1 (a) eingefügt, die als Grundlage einer Datenübermittlung in einen Drittstaat dienen kann. Vorher war hier nur von einer „Einwilligung“ die Rede.

Bereits ein Blick in dieses Dokument zu einem besonderen Themenbereich zeigt, dass die Diskussionen im Rat weiter anhalten, Vorschläge gemacht und Änderungen eingearbeitet werden. Wenn man die Fußnoten und damit die Anmerkungen der Mitgliedstaaten liest, dann fällt zudem auf, dass Deutschland einer der aktivsten Diskussionsteilnehmer ist, sei es nun durch das Einbringen eigener Vorschläge oder kritische Anmerkungen.

Das Google-Urteil des EuGH – übers Ziel hinaus geschossen?

Mit Urteil vom heutigen Tage hat der EuGH (Az. C-131/12) verschiedene wichtige Entscheidungen in Bezug auf die zukünftige Anwendung und Durchsetzung des europäischen Datenschutzrechts getroffen. Zur Entscheidung lag ihm dabei ein Verfahren zwischen Google und der spanischen Datenschutzbehörde (AEPD) vor. Die von einem spanischen Gericht vorgelegten Fragen betreffen grob folgende Themenkomplexe: 1. den räumlichen Anwendungsbereich der geltenden Datenschutzrichtlinie (DS-RL, RL 95/46/EG, PDF); 2. die Verantwortlichkeit von Suchmaschinenbetreibern für durch sie indexierte Webseiten und darauf befindliche Daten; 3. die Reichweite des Rechts auf Löschung von personenbezogenen Daten.

Sachverhalt
Der dem Urteil zugrunde liegender Sachverhalt stellt sich grob wie folgt dar: gegen einen Betroffenen wurden, aufgrund von Schulden bei der Sozialversicherung, Immobilienversteigerungen betrieben. Diese wurden in einer Zeitung zunächst offline und später auch online veröffentlicht. Die Bekanntmachung erfolgte dabei auf einer gesetzlichen Grundlage. Die AEPD lehnte daher Löschungsansprüche des Betroffenen gegen die online abrufbaren Bekanntmachungen gegen das Presseunternehmen ab. Jedoch wandte sich der Betroffene auch an Google und verlangte, dass die betreffenden Seiten aus dem Index der Suchmaschine zu nehmen seien. Dieser Beschwerde gab die AEPD statt und forderte Google auf, die Seiten aus dem Index zu entfernen. Hiergegen wendete sich Google.

Schlussanträge des Generalanwalts
Am 25.6.2013 präsentierte der zuständige Generalanwalt (GA) am EuGH, Jääskinen, seine Schlussanträge zu dem Verfahren. Hierzu hatte ich bereits einmal gebloggt. Die Ergebnisse der rechtlichen Analyse des GA waren die folgenden:

  • Verarbeitungen personenbezogener Daten werden im Rahmen der Tätigkeiten einer „Niederlassung“ des für die Verarbeitung Verantwortlichen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der DS-RL ausgeführt, wenn der Suchmaschinenbetreiber in einem Mitgliedstaat für die Vermarktung und den Verkauf von Werbeflächen der Suchmaschine eine Niederlassung oder eine Tochtergesellschaft einrichtet, deren Tätigkeit sich an die Einwohner dieses Staats richtet.

(Diese Auslegung stieß vielfach auf Kritik, da sie über den Wortlaut der Richtlinie hinausgehe und allein das Vorhandensein einer Niederlassung in einem europäischen Land ausreichen lassen würde, um das dortige Datenschutzrecht zur Anwendung zu bringen, auch wenn diese Niederlassung überhaupt nicht in der entscheidungserheblichen Datenverarbeitung beteiligt ist. Der Anwendungsbereich der DS-RL würde damit massiv ausgeweitet.)

  • Ein Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter, dessen Suchmaschine nach Informationen sucht, die Dritte im Internet veröffentlicht oder gespeichert haben, diese Informationen automatisch indexiert, vorübergehend speichert und sie schließlich den Nutzern des Internets in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung stellt, „verarbeitet“ personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b der DS-RL, wenn die Informationen personenbezogene Daten enthalten.
  • Der Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter kann jedoch hinsichtlich dieser personenbezogenen Daten außer in Bezug auf den Inhalt des Indexes seiner Suchmaschine nicht als der „für die Verarbeitung Verantwortliche“ angesehen werden, es sei denn, er indexiert oder archiviert personenbezogene Daten entgegen den Weisungen oder Aufforderungen des Webseitenurhebers.
  • Das in Art. 12 Buchst. b der DS-RL geregelte Recht auf Löschung und Sperrung von Daten sowie das in Art. 14 Buchst. a der DS-RL vorgesehene Widerspruchsrecht verleihen der betroffenen Person nicht das Recht, sich an den Suchmaschinenbetreiber zu wenden, um die Indexierung auf sie bezogener Informationen zu verhindern, die auf Webseiten von Dritten rechtmäßig veröffentlicht sind, und sich hierzu auf ihren Willen zu berufen, dass diese Informationen den Internetnutzern nicht bekannt werden, wenn sie der Ansicht ist, dass die Informationen ihr schaden könnten, oder sie sich wünscht, dass die Informationen vergessen werden.

Das Urteil des EuGH
Der EuGH geht in seinem Urteil über die vom GA vorgeschlagene rechtliche Lösung hinaus. Man wird wohl bereits jetzt sagen können, dass dieses Urteil in Zukunft teils erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell jeglichen Suchdienstes im Internet haben wird. Thomas Stadler spricht in einem Blogbeitrag davon, dass Urteil habe das Potential, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen erheblich einzuschränken.

1. anwendbares Recht
Hier folgt der EuGH (leider) im Prinzip der Lösung des GA. Der Begriff „im Rahmen der Tätigkeit“ einer Niederlassung i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL sei weit auszulegen. Der durch die DS-RL gewährleistete Schutz dürfe nicht umgangen werden, nur weil ein Diensteanbieter in einem Drittstaat ansässig sei. Daher werden auch Verarbeitungsvorgänge eines Anbieters in einem Drittstaat (hier von Google Search in den USA) „im Rahmen der Tätigkeit“ einer in einem EU Staat befindlichen Niederlassung ausgeführt, wenn diese Niederlassung die Aufgabe hat, in dem Mitgliedstaat für den Verkauf von Werbeanzeigen auf der Internetseite des Anbieters und damit die allgemeine Rentabilität des Unternehmens zu sorgen. Die Tätigkeiten des ausländischen Unternehmens und der europäischen Niederlassung seien dann untrennbar miteinander verbunden.
Diese weite Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL ist aus meiner Sicht kritikwürdig. Denn zum einen besitzt die DS-RL in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c einen Tatbestand, der einen Anbieter aus einem Drittstaat europäischen Recht unterwerfen würde, wenn er auf Mittel in der EU zurückgreift. Diese Mittel könnten zB Computer oder aber auch Niederlassungen selbst sein. Mit der weiten Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL durch den EuGH wird diese Tatbestandsalternative praktisch kaum noch relevant werden, obwohl sie aus meiner Sicht gerade diese Konstellationen (Anbieter aus Drittland erhebt Daten im Inland) im Blick hatte. Zum anderen scheint die weite Auslegung des EuGH einfach etwas zu weit zu gehen. Denn die hier relevanten Verarbeitungsprozess (Indexierung und Crawlen) werden eben nicht im „Rahmen der Tätigkeit“ der spanischen Niederlassung durchgeführt. Im Prinzip liest der EuGH den Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL wie „die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Niederlassung stehe“.

2. Verantwortlichkeit von Google
Der EuGH erkennt, wie der GA, in der Suche, Speicherung und Indexierung von Informationen und eben auch personenbezogenen Daten im Internet durch Google eine „Verarbeitung personenbezogener Daten“ i. S. d. Art. 2 Buchst. b DS-RL. Jedoch geht das Gericht nicht mit der Auslegung des GA konform, dass Google nur dann für die Verarbeitung verantwortlich sei, wenn es um die Daten im Index selbst gehe oder entgegen von technischen Sperren personenbezogene Daten gecrawled habe. Google sei vielmehr für alle selbst ausgeführten Tätigkeiten in Bezug auf personenbezogene Daten auf Webseiten von Dritten verantwortlich. Denn die Tätigkeit der Suchmaschine unterscheide sich von derjenigen der ursprünglichen Herausgeber. Begründet wird diese weite Auslegung des Begriffes der Verantwortlichkeit jedoch auch mit Motiven, die nicht direkt etwas mit dem Verarbeitungsvorgang zu tun haben. Die Tätigkeit von Suchmaschinen habe Anteil an der weltweiten Verbreitung personenbezogener Daten. Sie machen Daten auch solchen Nutzern zugänglich, die die Originalwebseite eventuell gar nicht gefunden hätten. Zudem bestehe die Gefahr, dass bei einer Auflistung von Informationen zu einer Person (die, wohl gemerkt, frei im Netz verfügbar sind) und einer Suche anhand ihres Namens, die Suchenden einen strukturierten Überblick über die betreffende Person erhalten, anhand dessen sie ein Profil dieser Person erstellen können.

3. Löschpflichten
Ist danach klar, dass Google grundsätzlich verantwortlich ist, sobald es mit eigenen Mechanismen Informationen aus dem Netz zusammensucht und als Ergebnislisten darstellt, stellte sich die Frage, ob Google zu einer Löschung von Links in Ergebnislisten auf Webseiten Dritter verpflichtet ist, selbst wenn die Veröffentlichung rechtmäßig erfolgte. Diese Löschpflicht kann sich aus Art. 12 Buchst. b DS-RL ergeben. Dazu müsste ihre Verarbeitung nicht den Bestimmungen der DS-RL entsprechen.

Der EuGH prüft zunächst die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitungsvorgänge von Google. Hierbei bezieht er sich auf Art. 7 Buchst. f DS-RL. Diese Grundlage stellt auf die „berechtigten Interessen“ des für die Verarbeitung Verantwortlichen oder Dritten ab. Jedoch dürfen das Interesse oder die Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Erforderlich ist also eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Rechte und Interessen. Nach dem EuGH

kann eine von einem Suchmaschinenbetreiber ausgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten erheblich beeinträchtigen, wenn die Suche mit dieser Suchmaschine anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführt wird, da diese Verarbeitung es jedem Internetnutzer ermöglicht, mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu der betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen zu erhalten, die potenziell zahlreiche Aspekte von deren Privatleben betreffen und ohne die betreffende Suchmaschine nicht oder nur sehr schwer hätten miteinander verknüpft werden können, und somit ein mehr oder weniger detailliertes Profil der Person zu erstellen.

Zudem steigere die Rolle des Internets und damit der weltweite Abruf der Informationen noch die Eingriffsintensität. Nun kommt das Gericht zu den berechtigten Interessen von Google. Hier führt es aus, dass wegen seiner potenziellen Schwere, ein solcher Eingriff nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung der Daten gerechtfertigt werden könne. Die Interessen von Google bügelt der EuGH damit in einem Satz ab.

Jedoch stellt der EuGH dann fest, dass eine Löschung aus den Ergebnislisten die berechtigten Interessen von Dritten, nämlich der Internetnutzer, beeinträchtigen könnte. Nun muss also eine Interessenabwägung in diesem Verhältnis vorgenommen werden. Hierbei stellt der EuGH jedoch als Ausgangspunkt klar:

Zwar überwiegen die durch diese Artikel geschützten Rechte der betroffenen Person im Allgemeinen gegenüber dem Interesse der Internetnutzer;

Jedoch könne der nötige Ausgleich in besonders gelagerten Fällen aber von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren. Im Prinzip lässt der EuGH hier eine (meines Erachtens bedenkliche) Tendenz erkennen. Nämlich dass Informationen dann zu löschen sind bzw. das Interesse der betroffenen Person zunächst einmal grundsätzlich überwiege und eben nur in besonderen Fällen, etwa bei Prominenten oder tagesaktuellen oder historischen Geschehnissen, hinter dem Informationsinteresse der Internetnutzer zurückzutreten habe. Damit besteht also im Ausgangspunkt eine Löschpflicht, selbst bei rechtmäßiger Weise veröffentlichten Informationen, wenn die Interessen des Betroffenen überwiegen. Dies ist nach dem EuGH grundsätzlich der Fall, außer in besonderen Situationen. Wohlgemerkt beziehen sich die Ausführungen des Gerichts auf Suchmaschinenbetreiber und die von ihnen generierten Ergebnislisten, vor allem wenn nach Namen von Personen gesucht werden.

4. Recht auf Vergessen werden
Zum Schluss befasst sich der EuGH mit der Frage, ob ein Betroffener ein Recht darauf hat, das Informationen zu ihm, die im Internet veröffentlicht wurden, irgendwann vergessen werden müssen.

Hierzu stellt der EuGH fest, dass Daten nach Art. 12 Buchst. b DS-RL auch dann zu löschen sind, wenn sie nicht den Zwecken der Verarbeitung entsprechen, dafür nicht erheblich sind oder darüber hinausgehen, nicht auf den neuesten Stand gebracht sind oder länger als erforderlich aufbewahrt werden, es sei denn ihre Aufbewahrung ist für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke erforderlich. Hieraus ergebe sich, dass auch eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung sachlich richtiger Daten im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen kann, wenn die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder verarbeitet worden sind, nicht mehr erforderlich sind.

Im Rahmen der Prüfung des Löschungsrechts nach Art. 12 Buchst. b DS-RL gelte es auch die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DS-RL zu beachten, insbesondere, dass Daten nicht mehr den ursprünglichen Zwecken entsprechen. Wenn sich herausstelle, dass die Informationen in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Zwecken der in Rede stehenden Verarbeitung durch den Suchmaschinenbetreiber nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen, müssen die betreffenden Informationen und Links der Ergebnisliste gelöscht werden, so das Gericht. Daher müsse auch geprüft werden, ob die betroffene Person ein Recht darauf habe, dass die betreffenden Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird. Hierbei weist der EuGH darauf hin, dass die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraus setze, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entstehe.

Und auch hier rückt der EuGH nicht von seiner eingeschlagenen Linie (des grundsätzlichen Vorrangs des Schutzes der Privatsphäre vor Informationsinteressen) ab. Er stellt vielmehr ausdrücklich klar, dass wenn die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, ist davon auszugehen, dass diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, die Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche zu finden, überwiegen.

Fazit
Die Entscheidung des EuGH übertrifft wohl sämtliche Erwartungen an das Verfahren. Nicht nur weil das Gericht über die Linie des GA hinausgegangen ist, sondern vor allem mit welcher Deutlichkeit dies geschieht. Die Tendenz, dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten grundsätzlich einen Vorrang einzuräumen und nur in besonderen Situationen eine Veröffentlichung zuzulassen, sollte man kritisch betrachten. Zudem scheint sich das Urteil vielerorts weniger durch juristische oder an Datenverarbeitungsprozessen ausgerichteten faktischen Feststellungen, sondern oft auch die allgemeine, aus Sicht der EuGH, negative Wirkung und das Geschäftsmodell von Google und dessen Suche in den Blick zu nehmen.

Datenschutz im Auto – Bundesregierung: „höchst komplex“

Das vernetzte Auto als Teil des Internets der Dinge wirft gerade auch im Bereich des Datenschutzrechts neue Fragen auf. Häufig drehen sich diese um das „Eigentum“ an Daten (wobei diese Begrifflichkeit im Datenschutzrecht verfehlt erscheint). Wer darf im Fahrzeug erhobene Daten verwenden? Wem „gehören“ diese Daten?

Auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag hat nun die Bundesregierung ihre Sichtweise zum Thema „Datenschutz im Auto“ (BT-Drs. 18/1362, PDF) dargelegt.

Zunächst ist es der Bundesregierung wichtig, zwischen zwei Datenkategorien zu differenzieren: zum einen den Daten für Fahrzeugfunktionen (Daten in den Steuergeräten) und zum anderen den Daten für Servicefunktionen (Daten, welche bei der Nutzung des Infotainmentsystems anfallen).

Und wem „gehören“ diese Daten nun? Nach Ansicht der Bundesregierung besitzt der Fahrzeughalter grundsätzlich die tatsächliche Verfügungsgewalt über Daten in den Steuergeräten. Er entscheidet über die Verwendung des Fahrzeugs und ist für dessen verkehrssicheren Zustand verantwortlich. Rein faktisch stellt sich jedoch das Problem, dass die Daten für den Halter nutzlos sind, da er zum einen nicht die Geräte besitzt, um sie auslesen zu können. Zum anderen wird der Halter kaum das Fachwissen besitzen, um aus den ausgelesenen Daten Rückschlüsse ziehen zu können, sie also zu verstehen. Hierbei handeln die Stellen, welche die Daten auslesen und auswerten können zumeist im Auftrag des Halters. Bei zusätzlichen Servicefunktionen wird oft mit dem Hersteller selbst ein zivilrechtlicher Vertrag abgeschlossen, auf dessen Grundlage Daten verarbeitet werden dürfen.

Die Frage nach „Rechten an Daten“ stellt sich nach der Bundesregierung als „höchst komplex“ dar. Zum einen, weil das BDSG eine Art des Eigentums an Daten nicht kenne. Es unterscheidet zwischen dem für die Verarbeitung Verantwortlichen (und eventuell noch in seinem Auftrag Handelnden) und dem Betroffenen. Betroffener ist grundsätzlich der Fahrzeughalter und/oder Fahrer. Jedoch ist es auch durchaus denkbar, dass der Betroffene selbst der für die Verarbeitung Verantwortliche ist. Dies hängt nach der Bundesregierung davon ab, ob er selbst die Datenherrschaft über die gespeicherten Daten ausüben kann. Fehlt es an einer solchen effektiven Ausübungsmöglichkeit, etwa weil die technischen Geräte zum Auslesen der Daten fehlen oder die entsprechende Kenntnis nicht vorhanden ist, so ist nach Ansicht der Bundesregierung derjenige verantwortlich, der diese Gerätschaften oder Kenntnis besitzt. Also z. B. die Werkstatt oder der Hersteller. Deren Verantwortlichkeit liegt jedoch wiederum dann nicht vor, wenn sie ihre Aufgaben und Datenverarbeitungsvorgänge im Auftrag des Fahrzeughalters ausführen.

Interessant ist, dass die Bundesregierung die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit an die Datenherrschaft anknüpft. Diese wiederum bestehe aus zwei Komponenten: aus einer technischen Komponente (Auslesen und Zugang zu Daten) und einem Wissenselement, die Daten nutzen und verstehen zu können. Diese wird bei Daten im Auto grundsätzlich nicht bei den Haltern vorliegen. Ihre Verantwortlichkeit könne sich jedoch dadurch ergeben, dass mit Werkstätten, Herstellern etc. Verträge abgeschlossen werden, nach denen die Dienstleister allein im Auftrag des Halters handeln.

Die Zuordnung der Verantwortlichkeiten sei jedoch stets vom Einzelfall abhängig und könne nicht pauschal festgestellt werden. Aufgrund der Schwierigkeit der Zuordnung, spricht sich die Bundesregierung auch für eine Fortentwicklung des Systems der Verantwortlichkeit im Rahmen der geplanten Datenschutz-Grundverordnung aus.

Für die Datenverarbeitungen rund um das Kfz sollen zudem auch die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere etwa auch das Gebot der Datensparsamkeit (§ 3a BDSG) gelten. Eine bestehende Regelungslücke kann die Bundesregierung nicht erkennen. So gelten für Datenverarbeitungsvorgänge im Auto auch die Vorgaben von spezielleren Gesetzen, wie etwa dem TMG. Aktuell werde daher von einer datenschutzgerechten Ausgestaltung ausgegangen.

EU: Rat sieht hohe Hürden für neue Vorratsdatenspeicherung

Wie geht es weiter mit der Vorratsdatenspeicherung? Wird es nach dem EuGH-Urteil (Az. C-293/12, C-594/12) eine neue EU-Richtlinie oder nationale Ansätze geben?

Sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene stellen sich Beteiligte diese Frage und diskutieren, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, eine Neuregelung möglich sein könnte.

Ein internes Dokument des Rates der Europäischen Union (PDF, Stand: 05.05.2014), welches durch das Generalsekretariat für den Ausschuss der ständigen Vertreter vorbereitet wurde, zeigt, dass die Hürden für eine Neuregelung als sehr hoch angesehen werden. Mehr noch: nach der Analyse wird sich das Urteil allgemein auf laufende und zukünftige Gesetzgebungsprozesse auf europäischer Ebene auswirken.

Das Papier analysiert zunächst die jeweils wichtigsten Aussagen des Urteils des EuGH. Danach werden unter Rz. 15 diejenigen Voraussetzungen aufgezählt, welche die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vermissen ließ und daher für nichtig erklärt wurde. Nach Ansicht der Verfasser des Berichts spiegeln dieses fehlenden Voraussetzungen gleichzeitig diejenigen Kriterien wieder, die für eine Rechtmäßigkeit einer möglichen neuen Richtlinie erforderlich wären. 

Interessant sind dann vor allem die Rz. 19-21 des Berichts, in denen eigene Schlussfolgerungen gezogen werden. So zeige das Urteil deutlich, dass der EuGH strenge Voraussetzungen an Gesetze anlege die, mögen sie auch noch so sinnvoll und geeignet sein, einen bestimmten Zweck zu erreichen, intensive Grundrechtseingriffe implizieren und dem Verhältnismäßigkeitstest nicht genügen. Das Gericht werde hierbei sein Augenmerk vor allem auch auf das Vorhandensein von angemessenen Schutzvorkehrungen richten, die Grundrechtseingriffe auf ein Mindestmaß beschränken müssen. Diese Schutzvorkehrungen dürften zudem nicht dem nationalen Gesetzgeber zur Ausgestaltung überlassen werden, sondern müssen bereits in der EU-rechtlichen Vorgabe enthalten sein.

Diese strengen Voraussetzungen gelten insbesondere bei solchen Rechtsakten, welche die massenhafte Sammlung und Speicherung von personenbezogenen Daten zuließen und den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen sollen. Hier verweist der Bericht dann in einer Fußnote etwa auf die geplante Richtlinie zur Speicherung von Fluggastdaten in der EU, in der ebenfalls eine mehrjährige Datenspeicherung vorgesehen werden soll.

Fazit
Der Bericht zeigt, dass die durch den EuGH aufgestellten Hürden für eine anlasslose Speicherung von Daten und deren Nutzung durch Strafverfolgungsbehörden streng sind. Insbesondere die Vorgabe nach bereits im EU-Rechtsakt aufzustellenden Sicherheiten, um den Grundrechtseingriff so gering wie möglich ausfallen zu lassen, wird man eventuell nur mit einer Rechtsverordnung beikommen können. Denn eine Richtlinie würde stets einen gewissen Umsetzungsspielraum für die Mitgliedstaaten mit sich bringen.

Snowden und das Staatswohl – Darf die Bundesregierung ablehnen?

Thema der letzten Tage in den Medien ist die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu der Frage, ob Edward Snowden als Zeuge des NSA-Untersuchungsausschusses direkt in Deutschland vernommen werden und ihm dazu der Aufenthalt und die Einreise gestattet werden sollte. Die von netzpolitik.org veröffentlichte Stellungnahme der Bundesregierung findet sich hier (PDF).

Damit Snowden nach Deutschland einreisen könnte, müsste er im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes sein. Die amerikanische Regierung hat seine Reisepässe jedoch für ungültig erklärt. Möglich bliebe daher die Ausstellung eines deutschen Reiseausweises durch die deutsche Botschaft in Moskau, die jedoch eine Zustimmung des Bundesministeriums des Inneren (BMI) voraussetzt. Auch die Ausstellung eines Passes durch russische Behörden bleibt freilich möglich. Eine dann mögliche Aufnahme Snowdens, etwa zur Wahrung politischer Interessen Deutschlands, ist jedoch mit einer Zustimmung des BMI verknüpft.

Die Bundesregierung müsste also unterstützend tätig werden, damit Snowden in Deutschland aussagen kann. Eine solche unterstützende Tätigkeit zwischen Behörden bezeichnet man als Amtshilfe, vgl. § 4 Abs. 1 VwVfG. Gegenüber dem Untersuchungsausschuss besteht die Pflicht zur Amtshilfe, Art. 44 Abs. 3 GG.

Diese Pflicht gilt jedoch nicht unbegrenzt. Hier kommt nun das in den Medien zitierte Schlagwort „Staatswohl“ ins Spiel. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG darf die ersuchte Behörde (z.B. das BMI oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) nicht Hilfe leisten, wenn

durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereitet würden.

Dieser Begriff des Nachteils für das Wohl des Bundes findet sich auch noch in anderen Verfahrensvorschriften, z. B. § 96 StPO, § 99 VwGO. Das Bundesverwaltungsgericht fordert für solche Nachteile gewichtige Gründe. Wesentliche Bundesinteressen müssen beeinträchtigt sein. Dazu zählen namentlich Gefährdungen des Bestandes oder der Funktionsfähigkeit des Bundes sowie Bedrohungen der äußeren oder inneren Sicherheit (BVerwG, Az. 20 F 21/10).

Die Bundesregierung geht nun in ihrer Stellungnahme davon aus, dass bei einer Vernehmung von Snowden in Deutschland, mit einer schweren und dauerhaften Belastung des Verhältnisses zu den USA zu rechnen sei. Es müsse konkret damit gerechnet werden, dass die Zusammenarbeit auf der Ebene der Nachrichtendienste zumindest vorübergehend eingeschränkt werde und damit der Informationsfluss betroffen ist, der jedoch für die Sicherheit der Bundesrepublik unverzichtbar sei.

Gehört denn nun die Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten zum Staatswohl? Ganz klar: ja. Sowohl die Rechtsprechung als auch der historische Gesetzgeber erkennen die Zusammenarbeit der Geheimdienste zum Schutz des Staates als einen Grund an, der im Rahmen des Nachteils für das Wohle des Bundes angeführt werden kann.

Nach dem BVerwG (Az. 20 F 21/10) ist ein Nachteil insbesondere dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Die Entscheidungen der Gerichte zum Staatswohl beziehen sich zumeist auf § 99 Abs. 2 S. 2 VwGO. Dort spielt dieser Grund eine Rolle bei der Verweigerungsmöglichkeit von Behörden, bestimmte sensitive Akten in Gerichtsverfahren vorlegen zu müssen. Die Begründungen sind jedoch auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Und auch der Gesetzgeber hatte genau diesen Fall, der Gefährdung der Beziehung zu anderen Staaten im Auge, als er den § 99 Abs. 2 VwGO im Jahre 2001 änderte. In dem Gesetzesentwurf (BT-Drs. 14/6393, S. 10) wird auf eine nähere Definition des „Wohles des Bundes“ bewusst verzichtet. Denn es entspreche der herrschenden Meinung, dass ein solcher Nachteil dann gegeben ist, wenn eine konkrete Gefährdung der inneren oder der äußeren Sicherheit des Bundes, der Beziehungen zu anderen Staaten oder zu internationalen Organisationen eintreten kann.

Damit steht also fest, dass die Bundesregierung die Beziehung mit den USA als einen Nachteil des Wohles des Bundes anführen kann. Gerade in Bezug auf die Thematik, außenpolitische Beziehung, ist auch durch das BVerwG anerkannt, dass der Bundesregierung, respektive dem Auswärtigen Amt, ein Beurteilungs- und Einschätzungsprärogative zusteht. Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räumt das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Gestaltungsspielraum ein und daher ist auch die Prognose, ob eine Offenbarung bestimmter Dokumente eine Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen erwarten lässt, verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (BVerwG, Az. 20 F 13/09). Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 99 Abs. 2 VwGO. Danach bedurfte es keine ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung, dass die Würdigung eines möglichen Schadens für die Pflege der Beziehungen zu anderen Staaten und zu internationalen Organisationen zunächst Aufgabe des hierfür besonders sachkundigen und sachnahen Auswärtigen Amts ist (BT-Drs. 14/6393, S. 10).

Der hier diskutierte Fall besitzt einige interessante Parallelen zu einem Verfahren vor dem BVerwG aus dem Jahre 2010 (Az. 20 F 13/09). Dort ging es um die Veröffentlichung von Geheimdienstunterlagen des BND die im Zusammenhang mit Adolf Eichmann standen und die der BND vom israelischen Geheimdienst, jedoch ohne Freigabe zur Veröffentlichung erhalten hatte. Der BND verweigerte eine Offenlegung daher auch, weil die Bekanntgabe von vertraulich erlangten Informationen ausländischer Nachrichtendienste die künftige Zusammenarbeit mit diesen Diensten und damit das Wohl des Bundes gefährden könnte.

Das BVerwG sah die Verweigerung der Offenlegung des BND im Ergebnis als rechtswidrig an. Jedoch etwa nicht, weil als ein möglicher Nachteil die Beziehungen zu anderen Staaten und die geheimdienstliche Zusammenarbeit angeführt wurden. Sondern vielmehr deshalb, weil die Begründung dieser Verweigerung unzureichend ausfiel. Damit eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Ablehnung durch eine Behörde durchgeführt und somit eine Gewährung effektiven Rechtsschutzes ermöglicht werden kann, müssen von der Behörde die konkret befürchteten Nachteile, soweit wie nach den Umständen und unter Wahrung des in Anspruch genommenen Geheimnisschutzes möglich, unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange einer nachvollziehbaren und verständlichen Darlegung.

In dem Fall Eichmann monierte das BVerwG vor allem, dass die zurückgehaltenen Dokumente weiter zurückliegende, abgeschlossene Vorgänge betreffen, die zwar von zeitgeschichtlichem und historischem Interesse sind, deren mögliche Auswirkungen im Falle einer Offenlegung auf die gegenwärtigen außenpolitischen Beziehungen sich aber nicht gleichsam von selbst aus ihrem Inhalt erschließen. Daher müsse die nachteilige Auswirkung in der Gegenwart besonders begründet werden. Dies liegt in Bezug auf Snowden freilich etwas anders. Denn die Aufarbeitung der Tätigkeiten der NSA und anderer Geheimdienste beherrscht fast täglich die Medien. Die Auswirkung in der Gegenwart wird sicher hier sicherlich eher annehmen lassen.

Besteht ein aktueller Bezug, so erkennt das BVerwG an, dass Nachteile bei Vorgängen der jüngeren Vergangenheit, erst recht bei Vorgängen, die in die Gegenwart hineinreichen oder offensichtliche Bezüge zu einem aktuellen Geschehen aufweisen, schon auf Grund der zeitlichen Nähe und damit aus den anzunehmenden Auswirkungen auf die gegenwärtigen Verhältnisse auf der Hand liegen können, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedarf.

Eine weitere Parallele ergibt sich in Bezug auf die Gefährdung der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten selbst. Die Erschwerung der Zusammenarbeit ist als ein möglicher Nachteil anzuerkennen, gerade wenn der ausländische Geheimdienst weiterhin ein Interesse an der Geheimhaltung von Informationen besitzt und diese im Vertrauen hierauf an den BND weitergegeben hat. Aber das BVerwG stellt klar:

Rechtsstaatliche Belange erfordern aber auch insoweit ein Mindestmaß an Plausibilität.

Es ist Aufgabe der Behörde begründet und konkret darzulegen, warum auf ausländischer Seite ein noch fortdauerndes Geheimhaltungsinteresse besteht.

Fazit
Die Opposition hat bereits angekündigt gegen eine verweigerte Amtshilfe der Bundesregierung zu klagen, sollte sie bei ihrem Standpunkt bleiben. Würde es tatsächlich dazu kommen, so würde sich der Erfolg einer solchen Klage wohl vor allem daran bemessen, wie konkret die durch die Bundesregierung befürchteten Nachteil dargelegt werden und ihr Eintritt wahrscheinlich ist. Zudem dürfte sich die Frage stellen, ob nicht drohende Nachteile für das Wohl des Bundes hinter die sich aus der Arbeit des Ausschusses ergebenden Vorteile für das Wohl des Bundes zurücktreten müssen. Wenn die Amtshilfe der Bundesregierung also eher Vor- als Nachteile für das Staatswohl mit sich bringt.

Big Data Report des Weißen Hauses – ein Überblick

Am 1. Mai 2014 hat eine durch den amerikanischen Präsidenten eingesetzte Arbeitsgruppe zu den Auswirkungen und möglichen Regulierungsansätzen rund um das Thema Big Data und Privatsphäre ihren Bericht vorgestellt („Big Data:
Seizing Opportunities, Preserving Values“
, PDF). Gleichzeitig hat auch ein Beratergremium des Präsidenten für Technologie und Wissenschaft (President’s Council of Advisors on Science and Technology (PCAST)) einen eigenen Bericht zum Thema Big Data vorgelegt („Big Data: A Technological Perspective„, PDF). Im nachfolgenden möchte ich einen kurzen (sicherlich nicht vollständigen) Überblick über einige der Ergebnisse des erstgenannten Berichtes geben. Für Informationen zu dem Bericht des PCAST sei das offizielle Fact Sheet (PDF) empfohlen.

Der Grundtenor des Berichts ist sicherlich zu begrüßen: die massenhafte Analyse und Auswertung von Daten, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, schaffen die Grundlage für zukünftiges wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Nutzen und sollte daher unterstützt und gefördert werden. Dabei dürfe jedoch nicht übersehen werden, dass die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben entweder überholt oder noch gar nicht vorhanden sind, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen aller Beteiligten zu schaffen.

Zunächst geht der Bericht auf den Begriff „Big Data“, die diesem zugrunde liegende massenhafte Erzeugung von Daten und wie er sich in Zukunft entwickeln wird, ein. Stichworte sind hier insbesondere das Internet der Dinge, tragbare Technologie oder intelligente Autos. Eines ist gewiss: es werden täglich mehr und mehr Daten erzeugt.

Die Frage, die man sich bei einer Untersuchung des Phänomens „Big Data“ stellen muss, sind seine Einsatzmöglichkeiten und Auswirkungen. Sowohl rechtlich, ethisch als auch gesellschaftlich und ob die bestehenden Vorgaben ausreichen. Die Möglichkeit, immer mehr Daten zu speichern und auszuwerten birgt die Gefahr eine „Daten-Asymmetrie“ zu erzeugen, aus der notwendigerweise eine Macht-Asymmetrie hervorgeht. Daten und Informationen sind Macht.

Danach geht der Bericht auf einige Bereiche ein, in denen Big Data bereits heute erfolgreich eingesetzt wird (industrielle Produktion, Gesundheitswesen, Energieversorgung).

Bei Big Data geht es darum, die bekannte Nadel im Heuhaufen zu suchen, wobei der Heuhaufen die Daten sind und die Nadel ein bestimmtes Muster oder eine Anomalie. Datenschutzrechtlich ist freilich der Heuhaufen relevant, wenn es also darum geht, eine gewisse Masse an Daten zu sammeln.

Big Data betrifft häufig Techniken, an deren Ende es um die möglichst genaue Individualisierung von Betroffenen geht. Der Bericht zeigt sowohl die Vorteile (bessere Werbung; bessere Gesundheitsvorsorge) als auch die Nachteile (Ungleichbehandlung bestimmter Personen oder Gruppen) auf. Problematisch seien insofern auch die sog. „filter bubbles“, wenn also einer Person einer bestimmten Gruppe zugeordnet wird und dann entsprechend nur noch mit auf diese Gruppe zugeschnitten Informationen versorgt wird.

Techniken der Anonymisierung von Daten helfen bereits heute, datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Die Betroffenen sind dann nicht mehr erkennbar. Diese Techniken der „De-Identifizierung“ bewirken andererseits jedoch, dass die Möglichkeiten von Datenanalysen und ihr Potential teilweise nicht voll ausgeschöpft werden kann. Zudem lässt sich nicht vorhersagen, wie sich die Methoden zur „Re-Identifizierung“ in Zukunft entwickeln werden. Hierdurch entsteht jedoch Unsicherheit darüber, wie Betroffene in Zukunft die auf sie bezogenen Informationen kontrollieren können und wie sie etwa aus Datenanalysen abgeleiteten Entscheidungen widersprechen können.

Der Bericht analysiert im folgenden die derzeit bestehenden gesetzlichen Vorgaben und politischen Initiativen in den USA im Bereich von Open Data und der Nutzung von Big Data im öffentlichen Bereich. Essentiell wird hierbei in der Zukunft die Schaffung von Vertrauen in das Handeln der Regierung und der öffentlichen Stellen sein. Auch der Zugang zu Informationen, die über die eigene Person gespeichert sind, muss eine wichtige Rolle spielen. Gerade in diesem Bereich lässt sich die Gefahr eines Machtungleichgewichts aufgrund von gesammelten Daten und ihrer Analyse durch staatliche Stellen erkennen. Wichtig seien hier für die Zukunft Regelungen, die eine effiziente Überwachung des staatlichen Handelns garantieren.

Ein möglicher Lösungsansatz zur Etablierung datenschutzrechtlicher Sicherungen beim Umgang mit Daten könnten dabei „Datenmarkierungen“ darstellen. Hierbei werden Informationen nach einem festgelegten Schema markierte („tagged“), woraus sich verschiedene Verwendungsmöglichkeiten und Zugriffsrechte für die Behörden ergeben. Manche Behörden benötigen etwa nur den Namen, die Anschrift und das Geburtsdatum, andere öffentliche Stellen jedoch zusätzlich etwa Zugriff auf Steuerinformationen. Die Tags bestimmen, wer auf die Daten Zugriff hat und für welche Zwecke sie verwendet werden können. Dieses System wird derzeit bereits beim amerikanischen Heimatschutzministerium verwendet.

Ein weiterer Untersuchungsbereich betrifft die Datenanalyse durch Strafverfolgungsbehörden. Hier geht der Bericht etwa auf die Möglichkeit der Vorhersage von Verbrechen in besonders gefährdeten Gebieten ein. Zudem untersucht er die Frage, wann staatliche Stellen auf Daten zugreifen können, die durch Betroffene an Dritte preisgegeben und von diesen gespeichert werden („third-party-doctrine“). Ob also etwa Strafverfolgungsbehörden ohne richterliche Anordnung auf Daten bei einem Telekommunikationsunternehmen zugreifen können, wie die Verbindungsdaten von Telefonaten. Hierbei geht es vor allem um die Frage der technischen Entwicklung und wie historische Schutzbereiche (private Wohnung) auf diese Übertragen werden können (Speicherung in der Cloud). Der Schutz von Metadaten wird in dem Bericht speziell angesprochen und es wird geraten, diesen Schutz zu stärken, da auch diese Daten sensible Informationen über Betroffene preisgeben können.

Danach untersucht der Bericht Big Data im privat-wirtschaftlichen Bereich. Auch hier bestehe die Gefahr einer Machtasymmetrie zwischen Verbrauchern und Unternehmen, wobei der Einsatz von Big Data freilich auch hier immense Vorteile bereit halte. Etwas genauer untersucht der Bericht den Bereich der Online-Werbung. Internetdienste sind auf diese Art der Einnahmequellen angewiesen. Dabei spielen viele Parteien eine Rolle bei der Darbietung von Werbung. Problematisch hierbei ist aus der Sicht des Berichts, dass die Verbraucher meist nur mit dem Webseitenbetreiber selbst in Kontakt kommen, jedoch nicht mit den dahinter stehenden Werbenetzwerken und anderen Beteiligten, die eventuell auch Informationen über sie speichern. Dadurch verstehen sie auch zumeist nicht, welche Rolle sie und ihre Daten in diesen Verarbeitungsprozessen spielen.

In Zukunft wird es besonders wichtig sein, den Verbrauchern mit der erforderlichen Transparenz in Bezug auf Datenverarbeitung zu begegnen und sinnvolle Wahlmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Der Bericht zeigt dabei auch, dass allein ein „Mehr“ an Informationen nicht unbedingt der beste Weg ist. Denn obwohl die Werbeindustrie teilweise freiwillig Maßnahmen ergriffen hat, um Nutzer besser zu informieren (Icons auf der Webseite), wurden diese Hinweise von Verbrauchern kaum verstanden oder genutzt.

Danach befasst sich der Bericht mit Datendiensteanbietern, den sog. data brokers. Diese Unternehmen sammeln und analysieren Daten aus verschiedenen Quellen und bieten ihre Dienste (z. B. Nutzerprofile, Produktmarketing) anderen Unternehmen an, ohne jedoch meist direkten Kontakt mit den Verbrauchern zu besitzen. Vorteil ihrer Arbeit ist etwa die möglichst genaue Ausspielung von Werbung oder Anpassung von Angeboten auf die Bedürfnisse des Verbrauchers, was jedoch zugleich die machtvolle Möglichkeit bietet, Daten der Nutzer ohne ihr Wissen algorithmisch zu analysieren.

In diesem Zusammenhang geht der Bericht auf den Einsatz von Algorithmen und die Gefahr einer Diskriminierung der Betroffenen durch automatische Entscheidungen ein. Hier bestehe noch der Bedarf nach weiterer Offenheit der Analysemethoden und auch die Frage der Verantwortlichkeit für Entscheidungen von Algorithmen müsse untersucht werden. Betroffene sollten Zugang zu gespeicherten Informationen erhalten, um so etwa falsche Daten korrigieren zu können.

Durch den Trend, dass immer mehr Geräte Daten erzeugen und miteinander kommunizieren, wird das Prinzip der Datenminimierung an die Grenze seiner Belastbarkeit geführt, ja wenn nicht sogar obsolet. Daten, ob sie nun analog oder digital entstehen, werden analysiert und kombiniert. Aufgrund der geringen Kosten für Speicherplatz ist diese Entwicklung auch nicht unbedingt überraschend.

Der Bericht regt vor diesem Hintergrund dazu an, über die Wertigkeit der Einwilligung und vorheriger Informationen nachzudenken. Sich auf die Kontrolle der Datenerhebung und die Umstände der Speicherung zu fokussieren könnte für einen wirksamen Schutz der Privatsphäre nicht mehr ausreichend sein. Das Konstrukt der Einwilligung mag noch in der Beziehung zwischen dem Verbraucher und z. B. dem Webseitenbetreiber den nötigen Nutzen bringen, da hier eine direkte Verbindung besteht. Da Daten jedoch immer mehr von Dritten analysiert und gespeichert werden, sollte man darüber nachdenken, sich regelungstechnisch auf die Kontrolle des Datenumgangs fokussieren. Der Vorteil hiervon wäre unter anderem, dass die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung dann von dem Betroffenen (der heutzutage sowieso allenfalls eine deklaratorische Einwilligung abgibt, da er die Informationen der Datenverarbeitung erst gar nicht lies oder nicht versteht) auf die verarbeitende Stelle übergeht.

Fazit
Dies sind nur einige der in dem wirklich lesenswerten Bericht angesprochenen Themenfelder. Am Ende listet der Bericht seine konkreten Empfehlungen noch einmal auf. Darunter findet sich auch der Vorschlag, Ausländern in den USA dieselben oder zumindest ähnliche Rechte in Bezug auf ihre Daten einzuräumen, wie den amerikanischen Bürgern. Dieser Vorschlag ist gerade vor dem Hintergrund der andauernden Verhandlungen der EU mit den USA um ein Rahmenabkommen beim Datenschutz im Bereich der Strafverfolgung interessant. Denn dort war und ist bisher immer noch die Frage strittig, ob europäische Bürger Rechtsschutzmöglichkeiten in den USA erhalten sollen, wenn ihre Daten rechtswidrig verarbeitet wurden. Vielleicht zeichnet sich hier also ein Umdenken ab. Insgesamt stellt der Big Data Bericht sicherlich einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um eine Regulierungsnotwendigkeit vor dem Hintergrund neuer technologischer Entwicklungen dar und sollte auch in Deutschland und Europa gelesen und berücksichtigt werden.

Bundesregierung zum Beschäftigungsdatenschutz in sozialen Netzwerken

Was ist „öffentlich“, was ist „privat“? Welche Regeln gelten für die Datenerhebung durch (zukünftige) Arbeitgeber in sozialen Netzwerken? Wann kommt die Datenschutz-Grundverordnung?

Zu diesen und andere Fragen hat die Bundesregierung in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag (BT-Drs. 18/1122, PDF) Stellung genommen.

Bestehende Regelung in § 32 BDSG
In ihrer Antwort verweist die Bundesregierung zunächst auf die Vorgaben des § 32 BDSG, der die Datenerhebung, -verarbeitung und –nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses regelt. Personenbezogene Daten eines Bewerbers oder eines Beschäftigten dürfen nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG erhoben oder verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Die Vorschrift ist freilich nicht nur speziell für den Umgang mit Daten aus dem Internet konzipiert. Die Bundesregierung stellt jedoch klar:

Diese Vorgaben gelten auch für die Erhebung von Daten in
sozialen Netzwerken und Internetforen.

In der Datenschutz-Grundverordnung
DIE LINKE wollte zudem wissen, ob die Fragen der Datenerhebung von Bewerbern in sozialen Netzwerken auch Gegenstand der Verhandlungen zur geplanten Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO, PDF) sind. Hier verweist die Bundesregierung auf Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, nach dem die Mitgliedstaaten beschäftigungsdatenschutzrechtliche Fragen in den Grenzen der Verordnung durch Gesetz regeln können.

Anmerkung: Wichtig an dieser Vorgabe ist die Beschränkung auf die „Grenzen“ der DS-GVO. Hierdurch wird den Mitgliedstaaten sowohl in Bezug auf eine mögliche Erhöhung oder auch mögliche Absenkung des Schutzniveaus von Beschäftigungsdaten eine Vorgabe gemacht. Nationale Regelungen, welche sich nicht an die Vorgaben der DS-GVO und den ihr zugrunde liegenden Prinzipien halten, würden sich nicht innerhalb dieser Grenzen bewegen.

Abgrenzung: privat – öffentlich
Zudem wollte DIE LINKE wissen, wann eine Unterhaltung in einem sozialen Netzwerk oder Internetforum als „öffentlich“ oder „privat“ anzusehen ist. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Diskussion um die Abgrenzung von öffentlicher und privater Kommunikation in sozialen Netzwerken und Internetforen noch geführt wird und nicht abgeschlossen ist. Nach Ansicht der Bundesregierung ist

Eine Unterhaltung in sozialen Netzwerken oder Internetforen … zumeist dann eine öffentliche Kommunikation, wenn eine allgemeine Zugänglichkeit zu diesen Kommunikationsplattformen besteht.

Zudem merkt die Bundesregierung an, dass die allgemeine Zugänglichkeit nicht unbedingt dadurch ausgeschlossen wird, dass eine vorherige Registrierung erforderlich ist. Im Ergebnis bedürfe es jedoch einer Beurteilung im Einzelfall. Kriterien hierfür seien etwa: „Die Größe des Empfängerkreises, das Ziel und der Zweck des Kommunikationsforums oder die soziale Akzeptanz und Ortsüblichkeit“.

Wann kommt die DS-GVO?
Völlig unabhängig vom Thema Beschäftigungsdatenschutz möchte DIE LINKE auch wissen, wann die Verhandlungen zur DS-GVO beendet sein werden und mit einer Verabschiedung zu rechnen ist. Hier die Antwort:

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Verhandlungen über die Datenschutz-Grundverordnung entschieden vorangehen. Gegenwärtig sind trotz intensiver Arbeiten für eine große Anzahl von Mitgliedstaaten noch wichtige Fragen offen. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Bundesregierung den Beschluss des Europäischen Rates, wonach die rechtzeitige Verabschiedung eines soliden EU-Datenschutzrahmens für die Vollendung des Digitalen Binnenmarktes bis zum Jahr 2015 als von entscheidender Bedeutung bezeichnet wird.

Nationale Regelungen zum Beschäftigungsdatenschutz plane die Bundesregierung, mit Blick auf die Verhandlungen zur DS-GVO, derzeit nicht. Sollte jedoch mit einem Abschluss der Verhandlungen „nicht in angemessener Zeit gerechnet werden können“, so soll eine nationale Regelung zum Beschäftigungsdatenschutz geschaffen werden.

EU-Datenschützer: ICANN-Verträge verstoßen gegen Datenschutzrecht

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) sieht sich weiterhin Kritik der europäischen Datenschutzbehörden ausgesetzt. Sowohl der Zusammenschluss der nationalen Behörden, die Art. 29 Datenschutzgruppe, als auch der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB), Peter Hustinx, haben in Briefen (Brief der Art. 29 Gruppe, (PDF) / Brief des EDSB, (PDF) ) an die Organisation zum Ausdruck gebracht, dass die derzeit bestehenden vertraglichen Pflichten zum Umgang mit personenbezogenen Daten gegen europäisches Datenschutzrecht verstoßen.

Die europäischen Datenschützer kritisieren Klauseln in Verträgen, welche sog. Domain Name Registrare auf der ganzen Welt mit der ICANN abschließen müssen. Die Registrare akkreditieren sich bei der ICANN und dürfen dann für ein bestimmtes Gebiet die Registrierung von Domain Namen durchführen (typische Beispiele für Deutschland sind etwa die Deutsche Telekom, 1&1 Internet oder united-domains AG). In den hierfür erforderlichen Akkreditierungsverträgen (RAA, Stand vom 27. Juni 2013) sind auch Bestimmungen enthalten, welche sich auf das Speichern personenbezogener Daten der Kunden der Registrare beziehen (siehe Nr. 3.4 des Vertrages sowie die Data Retention Specification (DRS), in denen die Datenarten genauer benannt werden). Diese Regelungen greifen die europäischen Datenschützer an.

Laut den Vorgaben der RAA besteht eine generelle Speicherpflicht von zwei Jahren für personenbezogene Daten der Kunden der Reistrare, welche einen Domain Namen registrieren (Nr. 3.4.3). Innerhalb dieses Zeitraums muss der Registrar diese Daten der ICANN nach einem begründeten Hinweis auch zugänglich machen.

Diese lange Speicherfrist hat bereits in der Vergangenheit Kritik hervorgerufen. Denn in Europa niedergelassene Registrare sind an europäisches Datenschutzrecht gebunden. Sie müssen sich daher beim Umgang mit personenbezogenen Daten an die Vorgaben der Datenschutz-Richtlinie (RL 95/46/EG, DS-RL) bzw. die jeweiligen nationalen Gesetze, und damit auch den Grundsatz der Zweckbindung (Art. 6 Abs. 1 b) DS-RL) und den Grundsatz der Datensparsamkeit/-minimierung (Art. 6 Abs. 1 f) DS-RL) halten.

Aus diesem Grund sieht die DRS (unter Nr. 2) die Möglichkeit vor, dass Registrare mit der ICANN abweichende Vereinbarungen in Bezug auf die Datenspeicherung vertraglich festlegen können, wenn eine Anwaltskanzlei oder eine anerkannte staatliche Stelle die Datenspeicherung für rechtswidrig erachtet. Für die Vereinbarung solcher Änderungen ist bei der ICANN zudem ein bestimmtes Verfahren vorgesehen. Das tatsächliche Probleme war jedoch, dass es verschiedene abweichende Vereinbarungen zwischen der ICAAN und europäischen Registraren gab, die sich inhaltlich nicht unbedingt decken müssen.

Hier wollte die Art. 29 Datenschutzgruppe ansetzen und die ICANN davon überzeugen, dass der bisherige Schriftverkehr zwischen beiden Institutionen als Leitlinie für europäische Anbieter angesehen werden sollte, wenn Abweichungen bei der Speicherpflicht von Daten vereinbart werden. Damit könnte für alle europäischen Registrare, die ja alle den Vorgaben der DS-RL unterliegen, ein einheitliches Verfahren mit denselben rechtlichen Vorgaben etabliert werden. Dies erkannte die ICANN jedoch bisher nicht an.

In letzter Zeit bemühte sich die ICAAN, auf die Kritik an der langen und aus Sicht der europäischen Datenschützer unverhältnismäßigen Speicherpflicht einzugehen. Denn das Problem für europäische Registrare ist offensichtlich. Sie sind vertraglich zu einer Speicherung gegenüber der ICANN verpflichtet, die jedoch durch die nationalen Datenschutzbehörden als rechtswidrig angesehen werden könnte. Die ICANN veröffentlichte daher im März 2014 einen Entwurf zur Spezifizierung der verschiedenen Datenarten, welche der Speicherfrist unterliegen, und welche Zwecke die Speicherung verfolgt (Data Retention Specification Data Elements and Legitimate Purposes, PDF). Dieser Entwurf sollte als Diskussionsgrundlage dienen. Der Brief des EDSB bezieht sich direkt auf diesen Entwurf.

Zwar erkennt der EDSB die Bemühungen der ICANN um Klarstellung und genauere Spezifizierung der Datenarten und Verarbeitungszwecke an. Dennoch sind aus seiner Sicht sowohl die Vorgaben der RAA als auch DRS mit europäischem Datenschutzrecht derzeit nicht vereinbar. Personenbezogene Daten sollten nur für die Zwecke der Vertragsdurchführung des Registrars mit seinen Kunden gespeichert werden und nicht etwa für andere Zwecke, wie z. B. um Betrug bei der Registrierung der Domain Namen vorzubeugen. Zudem sollten die Daten auch nur solange gespeichert werden, wie dies zur Durchführung des Vertrages absolut notwendig ist. Eine Speicherung für Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung oder zur Durchsetzung von Urheberrechten sei damit nicht vereinbar.

Interessanterweise geht der EDSB in seinem Brief auch direkt auf die kürzlich ergangene Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung ein. Er weist darauf hin, dass eine Speicherung geschäftlicher Verkehrsdaten für Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität erforderlich sein kann, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung jedoch die Vorgaben der Verhältnismäßigkeit nicht beachtete. Hieraus schließt Hustinx, dass die Voraussetzungen für eine Speicherung von Daten auf Vorrat in der EU in Zukunft besonderer Prüfung und rechtlichen Herausforderungen unterliegen werden.