OLG Hamburg: Abmahnung bei fehlenden Datenschutzhinweisen

Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 27.06.2013 (Az. 3 U 26/12) unter anderem entschieden, dass es einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß darstellt, wenn ein Webseitenbetreiber personenbezogene Daten von Nutzern erhebt, jedoch keine Informationen über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher Form zu Beginn des Nutzungsvorgangs (so die gesetzliche Pflicht aus § 13 Abs. 1 S. 1 TMG) erteilt. Fehlen diese notwendigen Informationen im Rahmen der Vorhaltung einer Eingabemöglichkeit von Nutzerdaten (hier um Informationen zu erhalten bzw. ein Blutzuckermessgerät testen zu können), so verstößt dieses Verhalten nicht nur gegen das Datenschutzrecht, sondern berechtigt Wettbewerber auch dazu, den Webseitenbetreiber abzumahnen.

Diese Entscheidung ist deshalb interessant, weil es in der Rechtsprechung und der Literatur allgemein umstritten ist, inwiefern und wenn ja welche datenschutzrechtlichen Vorschriften einen Wettbewerbsbezug aufweisen und bei einer Verletzung solcher Vorschriften der Diensteanbieter eventuell durch Wettbewerber abgemahnt werden kann.

Die unlautere Wettbewerbshandlung, § 4 Nr. 11 UWG
Grundlage des Anspruchs des Wettbewerbers bildet dabei meist § 4 Nr. 11 UWG, wonach unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Solche „gesetzlichen Vorschriften“ können grundsätzlich auch datenschutzrechtliche Regelungen sein. Erforderlich ist jedoch, dass die Vorschrift „auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“. Sie muss daher mindestens auch die Funktion haben, das Marktverhalten zwischen Wettbewerbern zu regeln. Das erforderliche Marktverhalten erfüllen dabei grundsätzlich alle Handlungen, die unmittelbar oder mittelbar der Förderung des Absatzes oder Bezugs eines Unternehmens dienen. Selbst wenn der Verstoß jedoch nicht direkt mit dem Marktverhalten in Verbindung steht, muss die verletzte Vorschrift aber zumindest eine sog. „sekundäre Schutzfunktion“ zugunsten des Wettbewerbs erfüllen.

Grundsätzlich wird man daher an eine solche Norm die Forderung stellen müssen, dass sie mehr als „nur“ den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfassen muss. Ob sie also auch dem Zweck dient, auch das Marktverhalten zu regeln, was in Bezug auf Daten nichts anderes bedeutet, als die Verarbeitung eben dieser für kommerzielle Zwecke.

Das Urteil des OLG Hamburg
Das Gericht geht davon aus, dass § 13 Abs.1 TMG genau so eine, das Marktverhalten regelnde Norm darstellt. Begründet wird dies unter anderem damit, dass § 13 Abs. 1 TMG unter anderem Art. 10 der geltenden Datenschutzrichtlinie (RL 95/36/EG) umsetzt. Nach verschiedenen Erwägungsgründen (z. B. 6 und 7) soll diese Richtlinie aber gerade nicht nur datenbezogene Grundrechte gewährleisten, sondern auch den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau heben und damit erleichtern. Hieraus folgert das Gericht, dass damit aber gerade auch gleiche Verhältnisse für alle Wettbewerber geschaffen werden sollen und nicht nur etwa überindividuelle Belange geschützt werden.

Andere Ansichten
Hinsichtlich § 13 Abs. 1 TMG, werden jedoch in der Rechtsprechung auch entgegengesetzte Meinungen vertreten. So sah etwa das Landgericht Berlin (Beschluss v. 14.03.2011, Az. 91 O 25/11) und ihm folgend auch das Kammergericht (Beschluss v. 29.04.2011, Az. 5 W 88/11) gerade in § 13 Abs. 1 TMG keine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion innewohnt. Das Kammergericht begründet dies damit, dass § 13 Abs. 1 TMG unter anderem auf dem vorher geltenden § 3 Abs. 5 TDDSG beruhe. Laut dem Gesetzesentwurf zum TDDSG (BT-Drs. 13/7385) sei Sinn der Informationspflicht jedoch, dass nur so der „Nutzer sich einen umfassenden Überblick über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten verschaffen“ (S. 22) kann. Zudem verfolgte bereits die Vorgängerregelung das Ziel, „eine verlässliche Grundlage für die Gewährleistung des Datenschutzes im Bereich der Teledienste zu bieten und einen Ausgleich zwischen dem Wunsch nach freiem Wettbewerb, berechtigten Nutzerbedürfnissen und öffentlichen Ordnungsinteressen zu schaffen” (S. 21). Dies zeige, dass der Gesetzgeber nur überindividuelle Belange des freien Wettbewerbs berücksichtigt habe, um mögliche Beschränkungen der Persönlichkeitsrechte der Nutzer zu rechtfertigen, nicht aber Interessen einzelner Wettbewerber.

Hinsichtlich der Norm des § 13 Abs.1 TMG stehen sich damit zwei obergerichtliche Ansichten konträr gegenüber. Besondere Rechtssicherheit dürfte dies in der Praxis nicht erzeugen.

Andere Vorschriften
Es gilt jedoch zu beachten, dass hinsichtlich anderer datenschutzrechtlicher Vorschriften, bereits gefestigtere Meinungen bestehen, wenn es um mögliche Ansprüche gegen Wettbewerber geht. So kann man hinsichtlich der sog. Impressumspflicht nach § 5 Abs. 1 TMG davon ausgehen, dass diesbezüglich von einer Vorschrift auszugehen ist, die zumindest auch das Marktverhalten regelt und eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion beinhaltet (so der BGH zu den Vorgängervorschriften, Urteil v. 20.07.2006 – I ZR 228/03; zu § 5 Abs. 1 TMG, etwa LG Hamburg, Urteil v. 19.08.2010 – 327 O 332/10; OLG Düsseldorf, Urteil v. 18.06.2013 – I-20 U 145/12).

Bezüglich anderer datenschutzrechtlicher Normen gehen die Meinungen der Gerichte zum Bestehen einer Marktverhaltensregelung bzw. einer auf die Lauterkeit des Wettbewerbs gerichteteten Schutzfunktion jedoch teilweise wieder auseinander:
So etwa zu dem Erlaubnistatbestand des § 28 BDSG:

  • OLG Stuttgart, Urteil v. 22.02.2007 – 2 U 132/06: ja
  • OLG München, Urteil v. 12.01.2012 – 29 U 3926/11: nein
  • OLG Karlsruhe, Urteil v. 09.05.2012 – 6 U 38/11: ja
  • LG Wiesbaden, Urteil v. 08.05.2013 – 11 O 74/12: ja
  • OLG Köln, Urteil v. 14.08.2009 – 6 U 70/09: ja

Wobei jedoch die Urteile meist nicht eine pauschale Aussage für § 28 BDSG an sich, sondern eine bestimmte Tatbestandsalternative treffen. Gerade wenn es um die kommerzielle Nutzung von personenbezogenen Daten, etwa im Rahmen von Werbung geht, tendieren die Gerichte dazu, eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs gerichtete Schutzfunktion der Norm zu bejahen.

Fazit
Die Entscheidung des OLG Hamburg zeigt, dass es für Unternehmen in der Praxis derzeit keine absolut rechtssichere Antwort auf die allgemeine Frage, ob Datenschutzvorschriften auch Marktverhaltensregeln sind und sie bei einer Verletzung eben dieser abgemahnt werden können, gibt. Wie so oft, kommt es dabei auf die jeweilige Norm und die Umstände des Einzelfalls (insbesondere die Verwendung der Daten) an.

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