Landgericht Lübeck: fehlender Vertrag zur (Unter-)Auftragsverarbeitung führt zur Rechtswidrigkeit der Übermittlung?

Das Landgericht Lübeck (Urteil vom 04.10.2024 – 15 O 216/23) hatte sich in einem Verfahren zum Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO, in dem im Ergebnis 350 EUR zugesprochen wurden, u.a. auch mit der Frage befasst, wie sich das Fehlen eines Vertrages nach Art. 28 DSGVO zwischen dem Verantwortlichen und Auftragsverarbeiter oder Auftragsverarbeiter und Unterauftragsverarbeiter auswirkt. Ob insbesondere das Fehlen des Vertrages zu einer Rechtswidrigkeit der Datenübermittlung führt.

Ansicht des Gerichts

Zunächst stellt das Gericht seine Ansicht zu Art. 28 DSGVO dar. Die Anforderungen an die Übertragung von Daten auf Auftragsverarbeiter ergeben sich aus Art. 28 DSGVO. Danach setze die Verarbeitung von Daten durch Auftragsverarbeiter voraus, dass ein Vertrag oder ein anderes Rechtsinstrument gem. Art. 28 Abs. 3 DSGVO vorliegt, der die dort im Einzelnen aufgezählten Maßnahmen und Gewährleistungen vorsieht.

Entsprechendes gilt für eventuelle Unterauftragsverarbeiter: diesen muss ebenfalls verbindlich durch Vertrag oder ein anderes Rechtsinstrument dieselben Datenschutzpflichten auferlegt worden sein wie dem Auftragsverarbeiter selbst, Art. 28 Abs. 4 DSGVO.“

Im konkreten Fall fehlte jedoch ein solcher Vertrag. Daraus folgert das Gericht: 

Fehlt es an diesen Voraussetzungen, so stellt sich (…) auch die Übermittlung der Daten von dem Verantwortlichen an den Auftragsverarbeiter oder Unterauftragsverarbeiter als rechtswidrig dar“.

Das Gericht sieht das (formelle) Erfordernis eines Vertrages nach Art. 28 Abs. 3 zw. Abs. 4 DSGVO also offensichtlich als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung an. 

Zudem stellt das Gericht klar, dass als Folge eine wirksame Übertragung von Datenschutzverpflichtungen entgegen der Vorgaben der DSGVO zu keinem Zeitpunkt vorlag.

Andere Ansicht: EuGH?

Die Schlussfolgerung des Gerichts, dass ein Verstoß gegen Art. 28 Abs. 3 DSGVO auch zu einer rechtswidrigen Verarbeitung führe, halte ich jedoch für durchaus diskutabel. 

Denn zum ersten ergeben sich die Anforderungen für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung (wie hier, eine Übermittlung) allein aus den Vorgaben der Art. 5 und 6 DSGVO. Dies hat der EuGH bereits entschieden. Jede Verarbeitung muss mit den in Art. 5 Abs. 1 der DSGVO aufgestellten Grundsätzen für die Verarbeitung der Daten im Einklang stehen und die in Art. 6 DSGVO aufgeführten Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung erfüllen (C‑60/22, Rz. 57). Der Verantwortliche muss nach Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO sicherstellen, dass die von ihm durchgeführte Datenverarbeitung „rechtmäßig“ ist. „Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung wird aber, wie sich aus der Überschrift von Art. 6 der DS-GVO selbst ergibt, gerade in ebendiesem Artikel geregelt“ (C‑60/22, Rz. 55).

Und zweitens hat der EuGH bereits für Art. 26 DSGVO entschieden, dass „die Einhaltung der in Art. 26 der DS-GVO vorgesehenen Pflicht zum Abschluss einer Vereinbarung zur Festlegung der gemeinsamen Verantwortung …, nicht zu den in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 genannten Gründen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zählen“ (C-60/22, Rz. 59). Man wird sicher darüber nachdenken können, diese Begründung auch auf den Vertrag nach Art. 28 DSGVO zu übertragen. Andererseits mag man anführen, dass im Rahmen des Art. 28 DSGVO die Vereinbarung gerade die „Erlaubnis“ des Auftragsverarbeiters darstellt. Dem jedoch könnte man entgegenhalten, dass das Gericht hier die Übermittlung als rechtswidrig ansieht – also die vorgelagerte Weitergabe der Daten an den Auftragsverarbeiter.

Automatische Verpflichtung der Töchter durch Vertragsschluss der Mutter?

Interessant sind zudem die Ansichten des Gerichts zu der von dem beklagten Unternehmen vorgebrachten Argument, dass es „marktüblich und nicht zu beanstanden“ sei, „dass Verträge innerhalb eines Konzerns von der Muttergesellschaft (auch mit Wirkung für verbundene Unternehmen) abgeschlossen werden“. 

Dies überzeugt das Gericht nicht. Nach deutschem und europäischen Gesellschaftsrecht handelt es sich auch bei konzernverbundenen Gesellschaften grundsätzlich um rechtlich selbständige Rechtspersönlichkeiten. 

Eine automatische Verpflichtung der Konzerntochter durch einen Vertrag der Konzernmutter findet nicht statt, so dass auch vertragliche Datenschutzpflichten der Konzernmutter nicht ohne weiteres zugleich sämtliche Töchter verpflichten.

Vorliegend schien also der Hauptvertrag der Mutter keine Regelung zu einer Verpflichtung der anderen Gesellschaften zu enthalten. 

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