In einer Entscheidung vom 8.7.24 (Geschäftszahl W137 2278780-1) hat sich das österreichische Bundesverwaltungsgericht (BVwG) u.a. mit der Frage befasst, ob und wie weit der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO reicht, wenn dieser gegenüber einer Partei geltend gemacht wird, mit der der Betroffene aktuell in rechtlichen (gerichtlichen) Auseinandersetzungen steht. Insbesondere ging es um die Anwendung der Ausnahmevorschrift nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO in diesem Fall.
Sachverhalt
Die betroffene Person beschwerte sich bei der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB), da sie ihr Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO verletzt sah. Sie verlangte Auskunft von einer Bildungsbehörde. Diese erteilte auch Auskunft, jedoch nicht von vollem Umfang. Zum Teil wurde die Auskunft verweigert, weil gegen die betroffene Person zwei arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren anhängig waren, wobei etwaige E-Mailverläufe sowie Stellungnahmen Teil dieser Verfahren seien und daher nicht herausgegeben wurden.
Die DSB wies die Beschwerde u.a. mit dem Argument zurück, dass die Verweigerung der Zurverfügungstellung einer Datenkopie dann gerechtfertigt sei, wenn die Geheimhaltungsinteressen des Verantwortlichen bzw. Dritter gegenüber dem Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers überwiegen würden. Da derzeit ein Zivilverfahren anhängig war, sei dem Verantwortlichen ein diesbezügliches Interesse an der Geheimhaltung von Beweismitteln zuzubilligen, zumal dadurch eine Verschlechterung der Prozessposition zu befürchten wäre.
Entscheidung des BVwG
Das BVwG folgt der Begründung der DSB und sieht keinen Verstoß gegen Art. 15 DSGVO. Die Ansicht des BVwG ist vor allem deshalb praxisrelevant, da Art. 15 DSGVO oft (ziemlich klar) dafür verwendet wird, um an Dokumente und Informationen bei dem Verantwortlichen zu gelangen, die im Rahmen eines Rechtsstreits verwendet werden sollen.
Nun mag man entgegenhalten: aber der EuGH hat doch entschieden, dass der Auskunftsanspruch auch für „datenschutzfremde“ Zweck ausgeübt werden kann (z.B. EuGH, C-307/22 Rz. 43). Ja, das stimmt. Der EuGH hatte aber noch nicht die (im hier vorliegenden Fall relevante) Frage zu entscheiden, inwiefern sich der Verantwortliche oder auch Dritte in einer solchen Situation auf die Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO berufen dürfen, wenn es um die Geheimhaltung von Dokumenten u.a. für die eigene Verfahrens-/Prozessposition geht.
Das BVwG weist darauf hin, dass nach ErwG 63 DSGVO die Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO Geschäftsgeheimnisse und Rechte des geistigen Eigentums, insbesondere das Urheberrecht an Software schützen soll.
„Es ist aber davon auszugehen, dass grundsätzlich alle Rechte und Freiheiten, die von dem Recht der Union oder der MS anerkannt sind, relevant sein werden“.
Daher geht das Gericht davon aus, dass Unterlagen nicht vom Auskunftsrecht umfasst sind (man müsste wohl eher sagen: zwar umfasst, aber im Wege der Ausnahme ausgenommen sind), wenn der Verantwortliche eine E-Mail beauskunften muss, in dem auch andere Personen genannt werden, deren Interessen höher einzustufen sind als jene des Betroffenen.
Nach der auf Grundlage der Öffnungsklausel des Art. 23 DSGVO erlassenen Bestimmung des § 4 Abs. 6 DSG in Österreich besteht das Auskunftsrecht gegenüber einem Verantwortlichen unbeschadet anderer gesetzlicher Beschränkungen „in der Regel“ dann nicht, wenn durch die Erteilung der Auskunft ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis des Verantwortlichen oder eines Dritten gefährdet würde.
Aus dem Einschub „in der Regel“ schließt das BVwG, dass hier kein absolutes Ablehnungsrecht geschaffen wurde, sondern sorgfältig abzuwägen sein wird, inwieweit die Auskunftserteilung dieses Recht tatsächlich beeinträchtigt.
Vorliegend stützte der Verantwortliche die Verweigerung der Auskunft im Wesentlichen auf überwiegende Geheimhaltungsinteressen, welche das Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers überwiegen würden. Der Verantwortliche brachte vor, dass gegen den Beschwerdeführer zwei arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren anhängig seien,
„wobei etwaige E-Mailverläufe und Stellungnahmen Teile dieser Verfahren seien (unstrittig ist, dass zumindest ein Verfahren noch anhängig ist). Da gerade dies eine strittige Frage in anhängigen Zivilverfahren darstelle, würde die Beauskunftung eine Verschlechterung der Prozessposition der mitbeteiligten Partei bedeuten.“
Damit führt der Verantwortliche nach Ansicht des BVwG ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ins Treffen, wobei den Ausführungen des Betroffenen nicht entnommen werden konnte, inwiefern sein Interesse an der Beauskunftung den Geheimhaltungsinteressen überwiegt.
Daher kommt das BVwG hier zu dem Schluss,
„dass die Beschaffung von prozessstärkender Information des Beschwerdeführers über den Schutzzweck der Norm hinausgeht und im gegenständlichen Fall das Interesse der mitbeteiligten Partei an der Geheimhaltung der genannten E-Mailverläufe und Stellungnahmen das Interesse des Beschwerdeführers überwiegt.“
Zudem wurde hervorgehoben, dass der Betroffene ja durchaus Auskunft erhalten hat – nur eben ein gewisser Teil nicht beauskunftet wurde.
Fazit
Die Begründung des BVwG (und vorgelagert auch schon der DSB) kann in der Praxis für Verantwortliche wertvolle Argumente zur Verteidigung gegen Auskunftsansprüche bieten, die klar auf eine („pre-trial“) Ausforschung abzielen. Im Rahmen der Anwendung des BDSG könnten sich Anwälte etwa zusätzlich auf § 29 Abs. 1 BDSG berufen. Jedoch sind in der Vergangenheit schon Fälle diskutiert worden, in denen diese Ausnahme durch Betroffene umgangen wird, indem die Auskunft nicht gegenüber den Anwälten, sondern gegenüber der vertretenen Partei direkt geltend gemacht wird – gerade für diese Situation kann die Entscheidung des BVwG hilfreich sein.