In der Entscheidung vom 31.10.2023 (Ro 2020/04/0024) ging es um die Genehmigung von Verhaltensregeln gemäß Art. 40 Abs. 5 DSGVO für „Presse- und Magazin-Medienunternehmen“ bei der österreichischen Datenschutzbehörde. Die DSB wies den Antrag auf Genehmigung der vorgelegten Verhaltensregeln teilweise im Hinblick auf mehrere Punkte aus den Verhaltensregeln ab. Ein relevanter Punkt war hierbei Punkte D.1.3 (Zwingend erforderliche datenverarbeitende Cookies). Hinsichtlich Punkt D.1.3 ging es u.a. um die Frage der Auslegung der Wortfolge „unbedingt erforderlich“ in Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG und zwar dahingehend, ob davon eine näher beschriebene „wirtschaftliche unbedingte Erforderlichkeit“ umfasst sei. Punkt D.1.3 betrifft die Verarbeitung personenbezogener Daten unter Einsatz von Cookies ohne Einwilligung der betroffenen Person, wenn der Verarbeitungsvorgang für die Angebotserbringung zwingend erforderlich ist, wobei nach Punkt D.1.3 erster Absatz der Begriff „erforderlich“ unter Beachtung von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auszulegen sei.
In seiner Entscheidung weist das Gericht (unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung) darauf hin, dass für die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO es allein nicht ausreichend ist, dass die Datenverarbeitung zur Verwirklichung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Vielmehr bedarf es zusätzlich einer Abwägung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten mit den Interessen oder Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Person.
Das Gericht unterscheidet hierbei klar zwischen den beiden Schutz- und Anwendungsbereichen der DSGVO und der RL 2002/58/EG. Während sich der Begriff „erforderlich“ in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auf die Verarbeitung [personenbezogener Daten] zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten bezieht, betreffe der Begriff „unbedingt erforderlich“ in Art. 5 Abs. 3 zweiter Satz RL 2002/58/EG die Speicherung von Informationen oder den Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, „damit der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann“.
„Im Gegensatz zu Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO setzt daher Art. 5 Abs. 3 zweiter Satz der Richtlinie 2002/58/EG für die Zulässigkeit der Speicherung von Informationen oder den Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, keine Interessensabwägung voraus.“
Auf diese unterschiedlichen Prüfkriterien und auch -umfänge hat in der Vergangenheit etwa auch die DSK in ihrer Orientierungshilfe Telemedien hingewiesen (S. 21 f). Die Ausnahmen gemäß § 25 Abs. 2 TTDSG unterscheiden sich danach wesentlich von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO. „Während das TTDSG starre Kriterien benennt, die erfüllt sein müssen, eröffnet die DS-GVO eine gewisse Abwägungsflexibilität“. Nach Ansicht der DSK ist eine Interessenabwägung, die zu Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorgenommen wurde, daher nicht geeignet, automatisch die Voraussetzungen von § 25 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG (bzw. Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG zu erfüllen.
Für die Praxis bedeutet diese Auslegung, dass „unbedingt erforderlich“ nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG gerade nicht eins zu eins wie die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu prüfen ist. Die RL 2002/58/EG sieht keine Abwägungsmöglichkeit in ihrem Wortlaut vor. Dies mag man aus Sicht von Unternehmen positiv oder negativ verstehen. Negativ, da keine Abwägung mit Interessen möglich ist, um so ggfs. ein passendes Ergebnis zu erzielen. Oder auch positiv, da eben keine entgegenstehenden Interessen berücksichtigt werden müssen, jedoch die Erforderlichkeit nachgewiesen werden muss.