Bundestagswahl 2013: Die Positionen der Parteien zum Datenschutz

Am 22. September 2013 wird ein neuer Bundestag gewählt. Die Parteien positionieren sich, teilweise mit bereits beschlossenen, teilweise mit vorläufigen Wahlprogrammen. Die abgedeckte Themenvielfalt ist naturgemäß groß. Doch wie stehen die verschiedenen Parteien zu dem zukunftsträchtigen Thema „Datenschutz“ und auch dem Internet? Wo liegen Unterschiede und wo zeigen sich Gemeinsamkeiten? Nachfolgend soll versucht werden, einen groben und nicht abschließenden Überblick über die verschiedenen Positionen zu geben.

CDU/CSU

Die Union hat noch kein endgültiges Wahlprogramm veröffentlicht. Dies soll am 24. Juni geschehen. Dennoch lassen sich aus der bis zum 30. April durchgeführten „Mitmach-Aktion“ „Was mir am Herzen liegt“ bereits erste Informationen entnehmen. Leitgedanke ist, Deutschland bis 2020 zum digitalen Wachstumsland Nummer 1 zu machen:

WLAN in Großstädten: Die Union möchte in den Großstädten mobiles Internet über WLAN verfügbar machen. Hier klingt der Wunsch nach dem offenen Internet für Jedermann an. Die Idee ist sicherlich begrüßenswert. Nur stellen sich auch Folgefragen, wie etwa die der (Störer-)Haftung der Anbieter und wer Anbieter sein wird? Die derzeitige Regierungskoalition sah etwa keinen Handlungsbedarf, bei der Frage der Haftung im Bereich offener WLAN-Angebote gesetzgeberisch tätig zu werden, obwohl dies im Bundesrat vorgeschlagen wurde. Sollen staatliche Stellen diesen Dienst anbieten? Mit welchen Befugnissen in Bezug auf die so gesammelten Daten, der sich in das Netz einwählenden Bürger?

Behördengänge im Netz: Die Verwaltung soll bürgerfreundlicher ausgestaltet und alle Behördengänge über das Internet erledigt werden können. Gerade im Bereich des Datenschutzes stellen sich hier jedoch, vor allem in Bezug auf sensible Daten, Fragen nach der Sicherheit von staatlichen Angeboten und Zugriffsrechten, wie etwa die Diskussion um die De-Mail beweist (hierzu mein Beitrag).

Beauftragter für Digitalisierung: Die Position eines Beauftragten der Bundesregierung für Digitalisierung soll geschaffen werden. Aufgrund der immer größer werdenden Bedeutung der digitalen Wirtschaft einerseits und der betroffenen Themenbereich andererseits, erscheint dieser Vorschlag unterstützenswert. Derzeit gibt es etwa unter den Bundesministerien keine klare Aufteilung in Bezug auf die Verantwortlichkeit für digitale Themen, weshalb auch, je nach betroffenem Gesellschaftsgebiet, mal das Innen-, das Justiz, das Wirtschafts- oder auch das Verbraucherministerium ihre, nicht immer kongruenten, Ansichten kundtun oder versuchen durchzusetzen.

Recht auf Vergessenwerden: Natürlich fehlt auch nicht die Forderung, dass Nutzer ihre, bei einem Internetdienst eingestellten, persönlichen Daten auch wieder löschen können müssen. In der geplanten Datenschutz-Grundverordnung soll ein solches Recht auf Vergessenwerden im Internet (zumindest eingeschränkt) festgeschrieben werden. Jedoch driften hier Wunsch und Realität teilweise sehr weit auseinander. Bisher gibt es keine technisch einwandfreien Ansätze, um etwa Bürgern allein das Rüstzeug an die Hand zu geben, selbst ihre Daten zu löschen (z. B. über Ablaufdaten an Informationen). Wenn sie anderseits einen rechtlichen Anspruch auf Löschung ihrer Daten erhalten, so besteht dieser bereits jetzt im geltenden Datenschutzrecht gegenüber dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen. Diesen Anspruch auf Dritte oder gar das gesamte Internet ausdehnen zu wollen, erscheint schier unmöglich oder zumindest eine Herkulesaufgabe, denn wer kann kontrollieren, ob jemand etwa einen Screenshot eines Profilbildes erstellt (personenbezogenes Datum) und dieses dann auf einer anderen Plattform verbreitet? Hier besteht also noch Präzisierungs- und Klärungsbedarf.

SPD

Vor kurzem hat die SPD ihr Wahlprogramm für die Legislaturperiode 2013 – 2017 vorgestellt.

Universaldienstverpflichtung: Die SPD fordert ein schnelleres Internet für alle und überall. Zudem soll der Ausbau des Hochgeschwindigkeitsdatennetzes durch eine gesetzlich abgesicherte Universaldienstverpflichtung gewährleistet werden. Die Folgefrage wird dann natürlich sein, wer diesen Ausbau am Ende finanziert? Die Unternehmen allein oder doch eher die Kunden über Preiserhöhungen? Es erscheint daher wichtig, sich vor einer solchen Pflicht mit den Verpflichteten abzustimmen.

Open Data: Die Partei verfolgt das Ziel, möglichst alle für die Öffentlichkeit relevanten Datenbestände, Statistiken, Dokumente und sonstige öffentlich finanzierten Werke frei im Internet zugänglich zu machen. Wichtig ist hierbei, die Fragen der IT-Sicherheit und der technischen Ausgestaltung dieser Dienste zu beantworten. Sicher ist es richtig und wichtig, den Bürgern Zugang zu den öffentlichen Informationen zu geben. Doch wer entscheidet darüber, was „für die Öffentlichkeit relevante Datenbestände“ sind? Die ausgebende Behörde? Es empfiehlt sich daher, klare gesetzliche Vorgaben zu machen, um nicht eine Informationsfreiheit zu schaffen, die tatsächlich nicht besteht.

Vorratsdatenspeicherung: Für die SPD muss vertrauliche Kommunikation vertraulich bleiben. Ausnahmen möchte die Partei zulassen, um schwerste Straftaten zu verfolgen, und auch dann nur unter engsten Voraussetzungen. Auch den Umgang mit Verbindungsdaten möchte die SPD auf die Verfolgung schwerster Straftaten beschränken und bei den Datenarten und der Speicherdauer hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität differenzieren. Aufgrund der kürzlich abgegebenen Zustimmung zur Änderung der Gesetzeslage für eine Bestandsdatenauskunft, zu der auch die SPD mitregierten Länder beigetragen haben, scheint diese Forderung jedoch nicht recht konsistent. Denn im Rahmen der Abfrage von Bestandsdaten ist ein Vorliegen schwerer Straftaten nicht immer erforderlich. Wird sich diese Haltung also plötzlich ändern?

Offenes WLAN: Die SPD will dafür sorgen, dass in öffentlichen Räumen ein Zugang zum WLAN ermöglicht wird und sich für eine Änderung der WLAN-Betreiberhaftung einsetzen, um mehr Rechtssicherheit für die Anbieter zu schaffen. Hier geht die Partei über die derzeitige, vorläufige Position der Union erfreulicherweise hinaus.

Die Linke

Die Linke hat am 19. April den Leitantrag für ihr Wahlprogramm vorgestellt, welches endgültig im Juni beschlossen werden soll. Die Partei versteht „Netzpolitik als Gesellschaftspolitik“.

Gegen Vorratsdatenspeicherung: Die Partei tritt (wie andere auch) offen gegen die verdachtsunabhängige Datenspeicherung und Überwachung durch den Saat ein. Auch die Online-Durchsuchung oder allgemeine Funkzellenabfragen sollten unterbunden werden. Das Problem besteht auf staatlicher Ebene darin, dass aus Brüssel Vorgaben in Form einer umzusetzenden EU-Richtlinie gemacht wurden, die in Deutschland jedoch am Bundesverfassungsgericht gescheitert sind. Die EU-Kommission hat daraufhin gegen die Bundesregierung wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie Klage erhoben. Derzeit sind vor dem EuGH jedoch auch Verfahren anhängig, welche die Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie (zumindest in einzelnen Aspekten) betreffen.

Recht auf Vergessenwerden: Auch Die Linke fordert ein Recht auf vollständige Löschung aller gespeicherten Daten. Hier stellen sich dieselben Probleme, wie bereits oben beschrieben. Bereits unter derzeitigem Recht besteht ein Recht auf Löschung unrichtiger und nicht erforderlicher Daten. Was soll konkret geändert werden? Gegen wen soll etwa ein solches Recht gerichtet sein und wie weit reicht es?

Gegen Mobbing in sozialen Medien: Die Partei tritt für eine Erneuerung und Stärkung der Bürgerrechte in sozialen Medien ein. Dazu soll es wirksamen Schutz vor Mobbing geben. Unklar ist, was hierunter verstanden wird. Neue, schärfere „Mobbing-Gesetze“? Bereits jetzt bestehen rechtliche Möglichkeiten gegen Belästigungen im Internet vorzugehen. Häufig stellen sich jedoch Probleme auf der Durchsetzungsebene, wie etwa, den Verletzer ausfindig zu machen, wenn dieser anonym handelt. Die konsequente Folge wäre dann jedoch, staatliche Auskunfts- und Zugriffsrechte der Behörden auf bei den Anbietern gespeicherte Daten auszubauen, was aber mit der grundsätzlichen Haltung der Partei hierzu eher schwer vereinbar erscheint.

Netzneutralität: Egalitärer Zugang zum Netz soll technisch gesichert und gesetzlich verankert werden. Die derzeitige gesellschaftliche und juristische Diskussion, etwa um die geplante Tarifanpassungen bei der Deutschen Telekom zeigen, dass dieses Thema die gesamte Gesellschaft betrifft. Die Linke möchte dies nicht der Steuerung durch den Markt überlassen. Offen bleibt jedoch, wie weit die Partei staatliche Vorgaben durchsetzen möchte: geht es nur um den (technischen) Zugang zum Internet an sich oder sogar um eine Pflicht für eine Mindesübertragungsgeschwindigkeit?

Privacy by Design: Aus Datenschutzsicht erfreulich genau wird das Wahlprogramm in Bezug auf die Forderung nach datenschutzfreundlicher Technik (Privacy by Design) und datensparsamen Grundeinstellungen (Privacy by Default). Diese Ansätze sind sicherlich unterstützenswert. Es gilt jedoch eine angemessene Grenze zwischen technisch Möglichem und politisch Gewolltem zu ziehen. Software und Internetdienste werden heutzutage in immer kürzeren Entwicklungsphasen geschaffen. Innovation lebt von Veränderung und kurzen Reaktionszeiten. Zu strenge gesetzliche Vorgaben an Hersteller, in Bezug auf zu implementierende, datenschutzfreundliche Technik, wirken hier kontraproduktiv. Zudem sollte versucht werden, genaue (also mit technischem Sachverstand formulierte) und gleichzeitig entwicklungsoffene Vorgaben zu machen, was etwa ein Kritikpunkt an solchen geplanten Regelungen in der Datenschutz-Grundverordnung ist.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen haben vor kurzem den Entwurf für ihr Wahlprogramm beschlossen. Dabei gehört die Stärkung der informationellen Selbstbestimmung zum zentralen Leitbild für einen modernen Datenschutz.

Universaldienstverpflichtung: Die Grünen fordern richtigerweise, dass alle Haushalte und Unternehmen Zugang zu einem Breitbandanschluss im zweistelligen MBit-Bereich als Teil der Daseinsvorsorge erhalten. Flächendeckende Glasfasernetze sollen entstehen, um so im digitalen Zeitalter, wirtschaftlich und auch gesellschaftlich, mithalten zu können. Die übliche Frage, die sich notwendigerweise stellen wird: wer zahlt den Ausbau? Diejenigen die danach davon in Form verbesserter Angebote profitieren, wie etwa Unternehmen, oder doch der Steuerzahler bzw. die Kunden über ihre Tarife? Soll es auch hierzu gesetzlich festgelegte Grenzen geben?

Offenes WLAN: Wie die Union, so fordern auch die Grünen den Ausbau von kostenfrei nutzbaren „freien“ WLAN-Netzwerken. Konkreter werden sie jedoch in Bezug auf die Folgefragen, wenn sie endlich Rechtssicherheit für Anschlussinhaber verlangen, wenn deren Anschlüsse missbräuchlich durch Dritte genutzt werden und die Frage der Haftung im Raum steht (siehe oben).

Netzneutralität: Auch die Grünen fordern, wie die anderen Parteien, dass die Netzinfrastruktur allen gleichermaßen zur Verfügung stehen soll. Der Grundsatz der Netzneutralität soll gesetzlich verankert werden. Jedoch geht es ihnen nicht nur um den Zugang zum Netz, sondern auch um die Inanspruchnahme der Internetverbindung an sich. Es soll sichergestellt werden, dass Daten im Internet ohne Benachteiligung oder Bevorzugung gleichberechtigt übertragen werden. Hier stellt sich wohl die Frage, ob diese generelle Neutralität wirklich durchsetzbar ist? Denn selbst der größte Verfechter einer Netz-Gleichbehandlung wird Verständnis dafür haben, dass einerseits das Datenaufkommen wächst, auch wenn wir noch weit entfernt von der Grenze der Kapazitäten liegen. Und anderseits durchaus Dienste existieren, die auf eine schnelle und bei hohem Datenaufkommen eben bevorzugte Behandlung angewiesen sind, wie etwa das häufig zitierte Beispiel der Übertragung von Videodaten bei medizinischen Eingriffen.

Privacy by Design: Die Partei macht sich für den gesetzlich verpflichtenden technischen Datenschutz stark. Dieser müsse neben andere Rechte, wie die anonyme Kommunikation, treten. Auch diesbezüglich gilt es jedoch bei der Umsetzung Augenmaß zu wahren, um nicht mit gesetzlichen Pflichten die Innovationskraft der digitalen Wirtschaft zu bremsen (siehe oben).

Datenschutz im Grundgesetz: Für die Grünen gehört der Datenschutz ausdrücklich ins Grundgesetz. Dieser Vorschlag ist sicherlich zu begrüßen, da etwa in der Grundrechtecharta der Europäischen Union mit Art. 8 der Schutz personenbezogener Daten bereits ausdrücklich festgeschrieben ist. In Deutschland behelfen wir uns seit Jahrzehnten mit dem vom Bundesverfassungsgericht geschaffenen Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem müsse das Datenschutzrecht komplett neu gestaltet werden. Wie viel Neugestaltung hier noch national möglich sein wird, wird sich nach den Abstimmungen zur Datenschutz-Grundverordnung zeigen. Sicher wird diese jedoch einen Großteil der nationalen Regelungen ersetzen. Datenschutzrecht wird in Zukunft also vor allem ein europäisches Anliegen sein, welches es auch dort durchzusetzen gilt.

Ausdrückliche Einwilligung: Die Grünen verlangen, dass persönliche Daten im Geschäftsverkehr nur mit ausdrücklicher Zustimmung gespeichert und weitergegeben werden („Opt-In-Regelung“) dürfen. Diese Forderung erscheint zumindest teilweise praktisch kaum umsetzbar zu sein. Denn unterschiedslos eine Einwilligung für den Geschäftsverkehr zu fordern, und etwa gesetzliche Erlaubnistatbestände (die z. B. bei einem Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmen ansetzen) auszuklammern, würde zu einer „Abnutzung“ des Rechtsinstitutes der Einwilligung führen. Wenn man als Bürger täglich mehrmals seine Einwilligung erteilen soll, so besteht die Gefahr irgendwann die Aufmerksamkeit zu verlieren und Informationen bewusst nicht mehr wahrzunehmen und als bloße Formalien abzutun, um endlich seine neuen Schuhe oder den Fernseher online bestellten zu können. Vielmehr sollte auch auf die selektive Einwilligung, jedoch in einem Gefüge mit gesetzlichen Erlaubnisvorschriften und am anderen Ende effektiven Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten bei Verstößen, gesetzt werden.

FDP

Der Entwurf des Wahlprogramms der FDP wird am Wochenende des 4./5. Mai endgültig beschlossen. Die Partei möchte die Grundrechte in der digitalen Welt schützen und setzt dafür auf den mündigen (Online-)Bürger.

Rote Linie: Die Persönlichkeitsrechte der Nutzer von Online-Angeboten sollen gestärkt und vor schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen geschützt werden. Dieser Wunsch ist sicherlich begrüßenswert. Jedoch verwundert er etwas, nachdem bereits im Dezember 2010 der damalige Bundesinnenminister de Mezière seinen Entwurf für das sog. Rote Linie Gesetz vorgestellt hatte, um eben eine Handhabe bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch unbefugte Datenverarbeitung zu geben und davor zu schützen. Unabhängig von handwerklichen Mängeln und der Kritik, dass dieser Entwurf zu kurz greife, wurde dieses Vorhaben jedoch von der Regierungskoalition, zu der auch die FDP gehört, nicht weiterverfolgt. Man wolle dieses Thema den geplanten Änderungen auf europäischer Ebene überlassen (wie aus einer Anfrage der Grünen im Bundestag und der entsprechenden Antwort hervorgeht). Der Wunsch nach internationalen Regelungen ist verständlich und auch richtig, jedoch mutet es nicht konsistent an, wenn die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Piltz, kürzlich entsprechende gesetzliche Vorgaben für überfällig hält. Denn die Möglichkeit zum Tätigwerden für die Regierungskoalition bestand schon vor Jahren. Und dass eventuell entsprechende europäische Reglungen (über die Datenschutz-Grundverordnung) frühestens in einigen Jahren anwendbar sein werden, wurde in der Zwischenzeit auch klar.

Datenschutz beim BMJ: Ähnlich der Forderung der Union, die Themen der digitalen Wirtschaft zu bündeln, fordert die FDP, das Thema Datenschutz allein im Bundesjustizministerium anzusiedeln. Um eine Zersplitterung der Kompetenzen und der Maßnahmen zu verhindern, erscheint dieser Vorschlag begrüßenswert.

Mündiger (Online-)Bürger: Die FDP setzt auf den aufgeklärten und selbstbestimmten Nutzer. Dieser soll seine Entscheidungen online selbst treffen können und hierfür Werkzeuge des Selbstdatenschutzes erhalten. Auch diese Forderung kann positiv aufgenommen werden, jedoch muss auf diesem Gebiet beachtet werden, dass dem Staat dennoch eine gewisse Schutzfunktion zukommt, die sich gerade auch in Aufklärungsmaßnahmen wiederspiegelt. Nicht jeder Bürger der online ist versteht, was ein Cookie macht oder wie man es löschen kann. Es gilt den Nutzer, rechtlich, gesellschaftlich als auch technisch erst einmal in die Lage zu versetzen, dass er wirklich selbst entscheiden kann. Von der FDP unterstützte Techniken wie Privacy by Design, spielen hier sicherlich eine Rolle, sollten jedoch mit realistischem Augenmaß durchgesetzt werden (siehe bereits oben).

Gegen Vorratsdatenspeicherung, für Bestandsdatenauskunft: Wie andere Parteien, spricht sich die FDP gegen die anlasslose Datenerhebung und –speicherung aus (dazu bereits oben). Unter bestimmten Voraussetzungen tritt sie jedoch für die Bestandsdatenauskunft ein, was in der Zustimmung des Bundesrates zu entsprechenden Gesetzesänderung am 3. Mai deutlich wurde. Auch diese Neureglungen sind jedoch, etwa aufgrund der geringen Voraussetzungen zur Datenabfrage, umstritten.

Netzneutralität: Der Datenverkehr im Internet soll frei von staatlicher Überwachung und Analyse möglich sein. Doch gilt der freie Datenverkehr für die FDP nur in Bezug auf staatliche Überwachung? Wie sieht es mit der Analyse der übertragenen Daten durch Unternehmen aus? Netzneutralität soll zudem als Grundprinzip der Telekommunikationsregulierung anerkannt werden.

Piratenpartei

Das Wahlprogramm der Piraten steht bereits zu einem Großteil in Entwürfen fest, ist jedoch noch nicht vollständig beschlossen.

Kommunikationsgeheimnis: Die Piratenpartei möchte aus dem bestehenden Briefgeheimnis ein allgemeines Kommunikationsgeheimnis entwickeln. Ebenso soll grundsätzlich ein Recht auf anonyme Kommunikation bestehen.

Vorratsdatenspeicherung: Die Partei fordert, die Pläne zur Vorratsdatenspeicherung endgültig aufzugeben und die EU-Richtlinie ersatzlos abzuschaffen. Hier liegen die Piraten im Groben auf einer Linie mit den anderen Parteien. Darüber hinaus fordert die Partei jedoch grundsätzlich die verdachtsunabhängige Datenerhebung einzuschränken, etwa die Hotelmeldepflicht oder biometrische Daten aus Ausweisen. Derlei Forderungen könnten jedoch etwas über das Ziel und der Realität hinausgeschossen sein. Denn auch wenn bei anlassloser Datenerhebung grundsätzlich Missbrauchpotentiale bestehen, so gilt es jedoch immer das Für und Wider der Zwecke solcher Maßnahmen abzuwägen.

Datenbrief: Derzeit bereits existierende Auskunftsrechte aus dem Datenschutzrecht gehen den Piraten nicht weit genug. Hier soll eine jährliche Mitteilungspflicht für Firmen und Behörden entstehen, die personenbezogene Daten verarbeiten, übermitteln oder speichern. Darin soll der Bürger Informationen über Art und Zweck und, im Fall von Behörden, der Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung seiner personenbezogenen Daten erhalten. Positiver Effekt einer solchen Pflicht könnte die Erkenntnis der Bürger sein, wie viele Stellen ihre Daten überhaupt verarbeiten. Jedoch stellen sich auf tatsächlicher Ebene einige Fragen: in welcher Form soll der Datenbrief übermittelt werden? Was geschieht mit sensiblen, etwa Steuerdaten, wenn diese per einfacher E-Mail verschickt werden? Der erste positive Effekt bei den Bürgern könnte schnellt verfliegen, wenn jede Woche ein neuer Datenbrief ins Haus flattert, und dieser deshalb irgendwann per automatischer Regel in den Papierkorb verschoben wird.

„Datenhandel“: Die wirtschaftliche Nutzung und Verknüpfung privater Daten durch Unternehmen soll nur nach ausdrücklicher Zustimmung (Opt-In) zulässig sein. Diese Forderung geht meines Erachtens ebenfalls etwas an der Realität vorbei. Entweder jedes Unternehmen holt sich eine Art Generaleinwilligung zu Beginn der Beziehung mit dem Nutzer. Dann hat die ausdrückliche Zustimmung jedoch wohl nicht den von den Piraten angedachten Effekt. Andererseits vor jeder Verarbeitung „privater“ (welche Daten sind dies?) Daten den Nutzer um seine ausdrückliche Einwilligung zu bitten, erscheint realitätsfern. Denn wirtschaftlicher Nutzen der Unternehmen bedeutet nicht immer Nachteil für die Bürger. Zudem ist nicht gesagt, dass jeder Bürger vor einer Verarbeitung seiner Daten für wirtschaftliche Zwecke, dies kann etwa auch die Auswertung zur Verbesserung des Angebotes sein, ausdrücklich zustimmen möchte. Eine Überfrachtung des Institutes der datenschutzrechtlichen Einwilligung sollte nicht eintreten.

Open Data: Die Piraten sprechen sich dafür aus, möglichst alle durch öffentliche Stellen erzeugte oder mit Hilfe öffentlicher Förderung entstandene Inhalte der breiten Öffentlichkeit frei zugänglich und automatisiert abrufbar zu machen. Hierzu soll ein öffentlich zugängliches Bürgerinformations-Portal geschaffen werden. Grundsätzlich unterstützenswert, gilt es bei solchen Forderungen natürlich auch Augenmaß zu bewahren, gerade was etwa sensible Daten betrifft. Eine wichtige Frage wird insoweit auch die Sicherheit solcher Datenbanken und der Zugänge darstellen.

Fazit

Es zeigt sich, dass über die Lager hinweg viele Gemeinsamkeiten, etwa beim Internetausbau oder der Netzneutralität bestehen. Dennoch sind auch Unterschiede und parteispezifische Ansätze erkennbar. Sicher sollte man die Abgabe seiner Stimme nicht an ein Schwerpunktthema binden. Dennoch schadet, gerade für ein Zukunftsthema wie den Datenschutz und die politische Herangehensweise an das Wirtschaftsumfeld „Internet“, nicht der Blick auf die verschiedenen Ansätze.

One thought on “Bundestagswahl 2013: Die Positionen der Parteien zum Datenschutz

  1. Vielen Dank für die Übersicht! Eine kleine Ergänzung zur SPD: Sie möchte nicht nur Vorratsdatenspeicherung (Mehrheit beim Bundesparteitag) und Bestandsdatenauskuft (Bundesrat vorige Woche), sondern wollte bei der WLAN-Initiative auch kein offenes WLAN. Man wollte nicht die Gleichstellung im TKG (wie von Dritten vorgeschlagen) der WLAN-Betreiber mit Telekommunkationsanbietern, sondern wollte auf verschlungenen Wegen die Betreiberhaftung einschränken, wollte aber wie bei der VDS und BDA die Nutzer allesamt erfassen. Man hatte nicht den Mut wie in New York, WLANs kostenlos und offen anzubieten (ohne Erfassung von personenbzogenenen Nutzerdaten), sondern will auch im WLAN-Bereich eine Vorratsdatenspeicherung. Wie wir dann heute wissen, nicht nur bei schweren Straftaten, sondern auch für Ordnungswidrigkeiten. Absurderweise hat dann die Legislative (Bundsrat) die Exekutive (Bundesregierung) gefragt, wie denn ein Gesetz aussehen sollte. Abschaffung der Gewaltenteilung (wie schon beim Zugangserschwerungsgesetz, wo die Polizei Recht sprechen sollte (Sperrliste), was denn Straftaten nach dem StGB sein sollten), aber Vorratsdatenspeicherung gegen den Bürger.

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