Neues Urteil des BGH zum DSGVO-Schadenersatz: Kein Schadenersatz für unverlangte Werbe-E-Mail ohne Kontrollverlust oder begründete Befürchtung

In der deutschen Rechtsprechung wird weiter an der Anwendung der Vorgaben des BGH aus seinem Urteil vom 18.11.2024 – VI ZR 10/24 zur Berechnung eines möglichen immateriellen Schadens im Rahmen von Art. 82 DSGVO „gearbeitet“. So etwa das OLG Celle (hier der Beitrag im Blog).

Doch auch der BGH selbst ist weiterhin mit der Auslegung und Anwendung der Vorgaben des Art. 82 DSGVO beschäftigt. In einem neuen Urteil (28.01.2025 – VI ZR 109/23) nutzt das Gericht die Gelegenheit, seine Interpretation der Vorschrift und insbesondere der Anforderungen für einen Schadenersatzanspruch noch einmal zu schärfen.

Sachverhalt

In dem Fall ging es ganz grob um eine Werbe-E-Mail, die ein Käufer von einem Verkäufer nach erfolgtem Kauf eines Produkts erhalten hatte. Eine Einwilligung des Käufers lag wohl nicht. Der Käufer forderte Unterlassung und für die unverlangte Werbe-E-Mail 500 EUR Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO. Hierauf reagierte der Verkäufer nicht mehr.

Entscheidung

Der BGH lehnt, mit der Ansicht des Berufungsgerichts (LG Rottweil), einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz ab. Er lehnt den Anspruch ab, weil der Kläger einen immateriellen Schaden bereits nicht hinreichend dargelegt hatte.

Der Kläger argumentierte:

  • durch Zusendungen der in Rede stehenden Art werde das ungute Gefühl erweckt, dass personenbezogene Daten Unbefugten bekannt gemacht worden seien;
  • er habe sich mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung und der Herkunft der Daten auseinandersetzen müssen, was zu einem durchaus belastenden Eindruck des Kontrollverlusts geführt habe.

Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers aber zu Recht als nicht hinreichend zur Darlegung eines immateriellen Schadens angesehen.

Hierbei stützt sich der BGH auf drei Aspekte, die für Auftragsverarbeiter und Verantwortliche in der Praxis als relevante Kriterien beachtet werden sollten, wenn sie selbst von Schadenersatzklagen betroffen sind.

1) Es liegt kein ein auf dem gerügten Verstoß beruhender Kontrollverlust des Klägers über seine personenbezogenen Daten vor

2) Die vom Kläger geäußerte Befürchtung eines Kontrollverlusts wurde nicht substantiiert dargelegt

3) Es wurden keine weiteren Umstände festgestellt, aus denen sich ein immaterieller Schaden ergäbe.

1) Kein Kontrollverlust bei unzulässiger Werbe-E-Mail

Der BGH verweist auf die Rechtsprechung des EuGH und natürlich sein Urteil aus November 2024, wonach

schon der – selbst kurzzeitige – Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden darstellen kann, ohne dass dieser Begriff des „immateriellen Schadens“ den Nachweis zusätzlicher spürbarer negativer Folgen erfordert“.

Aber, und dieser Hinweis ist meines Erachtens wichtig: natürlich muss

auch insoweit die betroffene Person den Nachweis erbringen, dass sie einen solchen – d.h. in einem bloßen Kontrollverlust als solchem bestehenden – Schaden erlitten hat“.

Ein behaupteter Kontrollverlust reicht also für den BGH nicht aus. Erst wenn dieser Nachweis erbracht ist (der Kontrollverlust feststeht),

stellt dieser selbst den immateriellen Schaden dar und es bedarf keiner sich daraus entwickelnden besonderen Befürchtungen oder Ängste der betroffenen Person“.

Zu dieser Interpretation des BGH wurde schon nach seinem Urteil aus November diskutiert, da man die Rechtsprechung des EuGH ggfs. auch anders verstehen mag. Jedoch macht der BGH hier deutlich, dass zwar einerseits der nachgewiesene Kontrollverlust von Daten ein Schaden sei – diesen Nachweis muss aber der Kläger erbringen.

Und im konkreten Fall gelang dem Kläger genau dieser Nachweis allein aufgrund der E-Mail nicht.

Ein Kontrollverlust könnte allenfalls dann vorliegen, wenn der Beklagte die Daten des Klägers mit der Übersendung der Werbe-E-Mail zugleich Dritten zugänglich gemacht hätte. Das war aber nicht der Fall“.

2) Begründete Befürchtung kann ausreichen – die bloß behauptete Befürchtung aber nicht

Wenn ein Kontrollverlust nicht nachgewiesen werden kann, reicht nach Ansicht des BGH jedoch

die begründete Befürchtung einer Person, dass ihre personenbezogenen Daten aufgrund eines Verstoßes gegen die Verordnung von Dritten missbräuchlich verwendet werden, aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen“.

Hier schafft der BGH eine Art Alternative zu dem nicht nachweisbaren Kontrollverlust – den begründet befürchteten Kontrollverlust. Der Betroffene kann einen Schaden dadurch begründen, dass der „begründete Befürchtungen“ zum Missbrauch seiner Daten geltend macht. Wichtig ist hierbei das Merkmal „begründet“.

Nach Auffassung des BGH genügt nämlich

die bloße Behauptung einer Befürchtung ohne nachgewiesene negative Folgen ebenso wenig wie ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten“,

um einen Schaden nachzuweisen.

Der Kläger argumentierte im konkreten Fall, die Befürchtung ergebe sich daraus, der Beklagte werde die E-Mail-Adresse des Klägers auch Dritten zugänglich machen, da er sie bereits unbefugt (gegenüber dem Kläger) verwendet habe.

Diese Argumentation lehnt der BGH jedoch ab. Denn hierdurch werden nur die Befürchtung weiterer Verstöße gegen die DSGVO durch den Beklagten dargelegt. Diese könnten unter Umständen zu eigenständigen Schadensersatzansprüchen führen.

Ein sich daraus gegebenenfalls ergebender Kontrollverlust hätte seine Ursache aber nicht in dem streitgegenständlichen Verstoß.“

Auch diese Ansicht des BGH ist für die Verteidigungssicht gegen Art. 82-Ansprüche sehr wichtig. Der BGH prüft ganz genau, was der Grund der Befürchtung für einen Kontrollverlust ist. Sind es weitere Verstöße, fehlt es an der Kausalität für den konkret geltend gemachten Schaden.

3) Keine Reaktion ist noch kein Schaden

Zuletzt argumentierte der Kläger, ein immaterieller Schaden liege in der Missachtung der Forderungen des Klägers, die sich auch in der fehlenden Reaktion des Beklagten zeige.

Auch diese Argumentation teilt der BGH nicht. Erneut verweist er darauf, dass die Übersendung der Werbe-E-Mail allenfalls den gerügten Verstoß gegen die DSGVO begründe.

Allein der Verstoß ist aber eben noch kein Schaden. Der Verstoß

reicht allein nicht aus, um zugleich einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen“. Und die unterbliebene Reaktion des Beklagten

könnte einen immateriellen Schaden des Klägers allenfalls vertiefen, aber nicht begründen“.