Nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung, die aufgrund einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO erfolgt, Widerspruch einzulegen. Wann diese „besondere Situation“ vorliegt, erläutert das Gesetz aber nicht.
Für die Praxis stellt Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO in der Wirtschaft eine wichtige Rechtsgrundlage dar. Umso interessanter ist daher die Antwort auf die Frage, wann Betroffene einer Verarbeitung widersprechen können.
Wortlaut
Art. 21 Abs. 1 DSGVO gewährt eindeutig kein voraussetzungsloses Widerspruchsrecht, sondern macht dieses von Gründen abhängig, die sich aus der besonderen Situation des Betroffenen ergeben. Nur zu widersprechen, genügt daher nicht. Dies ergibt sich auch aus einem systematischen Vergleich mit Art. 21 Abs. 3 DSGVO, der gerade allein den Widerspruch (ohne Bezug zu einer besonderen Situation) genügen lässt, wenn Daten für Zwecke der Direktwerbung verwendet werden.
Rechtsprechung
Landessozialgericht Hessen
Das LSG Hessen (Beschl. v. 29.1.2020 – L 4 SO 154/19 B) hat sich zu den Anforderungen der Darlegung der besonderen Situation des Betroffenen geäußert.
Das LSG verlangt, dass konkrete Tatsachen zu dieser besonderen Situation vorgetragen werden müssen, die ausnahmsweise das Unterlassen der Erhebung von Daten rechtfertigen sollen. Dies ergebe sich aus der Normstruktur des Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO, die eine Abwägung erfordert.
Im konkreten Fall verwies der Kläger u.a. auf eine nach seiner Auffassung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts widersprechende Verwaltungspraxis. Dies genügte dem LSG nicht. Zudem brachte der Betroffene gegen die Verarbeitung seinen Gesundheitszustand vor. Auch dies lehnte das LSG als „besondere Situation“ ab.
„sind dies keine Gründe, die einen Bezug zu Datenschutzbelangen haben.“
Interessant an dieser Ansicht des LSG ist, dass das Gericht anscheinend bei den Gründen einen konkreten Datenschutzbezug verlangt.
Bundesverwaltungsgericht Österreich
Im letzten Jahr hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Österreich (19.4.2023 – W287 2243166-1) mit den Anforderungen an den Widerspruch befasst.
Das BVwG verlangt, dass der Betroffene im Widerspruch anzugeben hat, inwiefern eine Verarbeitung der Daten, die sich auf den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO stützt, aufgrund einer besonderen Situation dennoch nicht zulässig sein soll.
Vom Betroffenen ist konkret darzulegen,
„worin im grundrechtlichen Schutzzweck des Datenschutzes seine besondere Situation liegt, die über die im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. e und lit. f DSGVO bereits erfolgte allgemeine Güterabwägung hinaus eine Ausnahme von der rechtmäßigen Verarbeitung gegeben sein soll“.
Interessant ist hier, dass das BVwG die besondere Situation des Betroffenen wohl eher als Ausnahme ansieht. Denn es führt aus, dass bei der Annahme der besonderen Situation Zurückhaltung geboten sei.
Legt der Betroffene „nicht einmal ansatzweise dar, weshalb in seinem Fall eine besondere Situation im zuvor dargelegten Sinne vorliegen sollte“, sind die Anforderungen des Art. 21 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllt. In dem Verfahren des BVwG hat übrigens auch die Österreichische Datenschutzbehörde genau diese Ansicht, die das Gericht stützt, vertreten.
Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen liegt nach Ansicht des BVwG beim Betroffenen.
„Dementsprechend hat sein Antrag eine qualifizierte Darlegung zu enthalten, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Voraussetzungen zu prüfen.„
Fazit
Abschließend geklärt scheint die Frage, wann eine „besondere Situation“ vorliegt, noch nicht. Gerade die Entscheidung und Begründung des BVwG enthält jedoch nützliche Hinweise dazu, wie Verantwortliche mit Widersprüchen gegen Datenverarbeitungen nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO umgehen können.