Österreichische Datenschutzbehörde: Blacklisting von ehemaligen Kunden ist zulässig

Die Österreichische Datenschutzbehörde (DSB) berichtet in ihrem aktuellen Newsletter 3/2023 über eine von ihr entschiedene Beschwerde, in der es um die praxisrelevante Frage ging, ob ein Unternehmen in seiner Kundendatenbank dauerhaft Informationen dazu speichern darf, dass mit einem (ehemaligen) Kunden in Zukunft keine Verträge mehr geschlossen werden sollen.

Sachverhalt

Konkret ging es um einen internen Vermerk, dass es in der Vergangenheit mit dem Kunden zu Unregelmäßigkeiten und Konflikten kam. Daher wollte man mit dem Kunden (einem anderen Unternehmen) keine neuen Verträge mehr abschließen. Der Kunde (und sein Geschäftsführer) beschwerten sich bei der DSB über diese Datenverarbeitung.

Entscheidung der DSB

Die DSB wies die Beschwerde ab. Nach ihrer Ansicht stehe es dem Unternehmen (als Verantwortlichen) vor dem Hintergrund der Privatautonomie frei, mit wem ein Vertrag abgeschlossen wird.

Der interne Vermerk und darin enthaltene personenbezogene Daten stellen auch keine rechtswidrige Datenverarbeitung dar. Die Verarbeitung, dass im internen Warenwirtschaftssystem festgehalten wird, dass mit bestimmten (juristischen) Personen, mit denen es bei früheren Geschäftskontakten zu Konflikten gekommen ist, von zukünftigen Vertragsabschlüssen absehen wird, kann auf Basis der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erfolgen.

Fazit

In der Praxis sehen sich Unternehmen, insbesondere im Online-Handel, immer wieder mit der Situation konfrontiert, dass (ehemalige) Kunden durch ihr Verhalten Anlass dazu geben, mit ihnen in Zukunft keine vertragliche Beziehung mehr einzugehen. Der EuGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus (vgl. etwa C‑283/11, Rz. 43), dass die Vertragsfreiheit u. a. die freie Wahl des Geschäftspartners umfasst. Zur Ausübung dieser Freiheit sieht es die Datenschutzbehörde zurecht als zulässig an, dass bestimmte Daten gespeichert werden.

BayLDA: Frist zur Auskunftserteilung beginnt auch, wenn Anfrage beim Auftragsverarbeiter eingeht

In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht 2022 (PDF) geht des BayLDA auf ein praxisrelevantes Thema bei der Erfüllung von Betroffenenrechten ein. Es geht, unter anderem, um die Frage, ob die in Art. 12 Abs. 3 DSGVO vorgesehene Monatsfrist bereits dann beginnt, wenn ein Betroffener eine Auskunftsanfrage nach Art. 15 DSGVO nicht an den Verantwortlichen, sondern dessen Auftragsverarbeiter richtet (S. 28).

Bsp: Der Betroffen sieht in den Datenschutzhinweisen eines Online-Shops, dass der Betreiber einen Hosting-Anbieter als Auftragsverarbeiter angibt. Der Betroffene und Kunde des Shops richtet nun einen Auskunftsanspruch in Bezug auf seine Kundendaten nicht an den Shop-Betreiber, sondern den Hosting-Anbieter.

Pflichten des Auftragsverarbeiters

Das BayLDA stellt zunächst fest, dass in dem Vertrag zur Auftragsverarbeitung nach Art. 28 Abs. 3 lit. e) DSGVO vorzusehen ist, dass der Verantwortliche nach Möglichkeit mit geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen dabei unterstützt wird, seiner Pflicht zur Beantwortung von Ersuchen gem. Art. 12 ff. DS-GVO, somit auch eines Auskunftsersuchens nachzukommen.

Achtung. Hiervon zu unterscheiden ist die Situation, dass ein Verantwortlicher einen Dienstleister als Auftragsverarbeiter konkret für die Bearbeitung von Betroffenenanfragen einsetzt. Dies ist möglich, jedoch muss auch hier der Prozess sauber implementiert und geprüft werden, wie ein Bußgeld in Höhe von 50.000 EUR durch das LDA Brandenburg aus der Vergangenheit zeigt (Tätigkeitsbericht 2019, S. 29, PDF). Dort wurde unter anderem gegen Art. 12 DSGVO verstoßen, da die Korrespondenz im Rahmen der Auskunftserteilung unter dem Logo des Dienstleisters durchgeführt wurde und das Unternehmen die Betroffenen nach Antragstellung zur Auskunftserteilung zunächst nur in englischer Sprache kontaktierte.

Zurück zum Fall des BayLDA. Die Aufsichtsbehörde verlangt, wenn Betroffenenanfragen bei dem Auftragsverarbeiter eingehen, dass

z.B. Auskunftsersuchen bezüglich der im Auftrag verarbeiteten personenbezogenen Daten unverzüglich an den Verantwortlichen weitergeleitet werden“.

Fristbeginn bereits bei Eingang beim Auftragsverarbeiter

Jedoch geht das BayLDA noch einen Schritt weiter. Hinsichtlich der in Art. 12 Abs. 3 DSGVO geregelten Frist von einem Monat zur Beantwortung der Auskunftsanfrage vertritt die Aufsichtsbehörde:

Geht also das Ersuchen beim Auftragsverarbeiter ein, bewirkt dies den Fristbeginn beim Verantwortlichen, nachdem diesen das Handeln des Auftragsverarbeiters insoweit zuzurechnen ist.“

Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich der Verantwortliche die Tatsache des Eingangs des Auskunftsersuchens beim Auftragsverarbeiter wie ein Eingang bei sich zurechnen lassen muss. Für die Praxis kann dies dazuführen, dass der Verantwortliche faktisch noch gar nichts weiß, dass eine Auskunftsanfrage gestellt wurde. Wenn der Auftragsverarbeiter sich 1-2 Wochen mit der Weiterleitung Zeit lässt, hat der Verantwortliche entsprechend weniger Zeit zur Beantwortung. Will sich ein Verantwortlicher in diesem Fall darauf berufen, dass der Auftragsverarbeiter nicht ordentlich gearbeitet habe, ist dies aber ebenso ein Risiko. Denn nach Art. 28 Abs. 1 DSGVO muss der Verantwortliche seine Auftragsverarbeiter ordentlich auswählen und nur solche einsetzen, die hinreichend Garantien dafür bieten, dass geeignete technische und organisatorische Maßnahmen so durchgeführt werden, dass die DSGVO eingehalten wird.

Kritik an der Ansicht des BayLDA

Meines Erachtens muss man die Auffassung des BayLDA hier nicht zwingend teilen.

Zum einen könnte man recht schlicht auf die Vorgaben und den Wortlaut des Art. 12 Abs. 3 DSGVO abstellen. Dort wird nur der „Verantwortliche“ adressiert, nicht aber der Auftragsverarbeiter. Andererseits verstehe ich auch die Auffassung des BayLDA, dass es den Auftragsverarbeiter quasi in der rechtlichen Sphäre des Verantwortlichen sieht.

Gegen die Ansicht des BayLDA spricht aber aus meiner Sicht insbesondere ein vergelichender Blick auf die ähnliche Situation, wenn bei dem Auftragsverarbeiter eine potentielle Datenschutzverletzung passiert.

Die DSGVO sieht für diesen Fall in Art. 33 Abs. 2 DSGVO gerade keinen Fristenlauf der 72 Stunden vor. Sondern verpflichtet den Auftragsverarbeiter vielmehr „nur“, die mögliche Datenschutzverletzung unverzüglich an den Verantwortlichen zu melden. Diese Regelung wäre aber überflüssig, wenn der Verantwortliche sich die Kenntnis des Auftragsverarbeiters zurechnen lassen müsste und die 72 Stunden schon zu laufen beginnen, wenn der der Auftragsverarbeiter Kenntnis hat. Der Gesetzgeber scheint also gerade nicht automatisch von einer Zurechnung des Wissens oder der Kenntnis an den Verantwortlichen auszugehen.

Auch die europäischen Datenschutzbehörden gehen ausdrücklich für Art. 33 DSGVO davon aus, dass Fristen gerade noch nicht beginnen, wenn nur der Auftragsverarbeiter Kenntnis einer potentiellen Verletzung hat.

In den Leitlinien für die Meldung von Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 (WP250rev.01) heißt es (S. 15):

Der Verantwortliche nutzt den Auftragsverarbeiter, um seine Ziele zu erreichen; deshalb gilt grundsätzlich, dass dem Verantwortlichen die Datenschutzverletzung „bekannt“ wurde, sobald ihn der Auftragsverarbeiter davon in Kenntnis gesetzt hat.“

Die Kenntnis des Verantwortlichen wird klar an den Zeitpunkt der Meldung vom Auftragsverarbeiter an den Verantwortlichen geknüpft.

Und auch in seinen Guidelines 9/2022 on personal data breach notification under GDPR (PDF) geht der EDSA davon aus (S. 14):

The controller uses the processor to achieve its purposes; therefore, in principle, the controller should be considered as “aware” once the processor has informed it of the breach.”

Und auch in den Leitlinien des EDSA zu Art. 15 DSGVO (PDF) wird klar auf den Eingang beim Verantwortlichen abgestellt (S. 50):

„The time limit starts when the controller has received an Art. 15 request, meaning when the request reaches the controller through one of its official channels“

Folgen für die Praxis

Folgt man der Ansicht des BayLDA, ist in der Praxis eine enge Kontrolle und strenge Vorgaben an die eigenen Auftragsverarbeiter absolut geboten. Jeder weiß, wie schnell die Frist von einem Monat abläuft. Wenn der Auftragsverarbeiter hier eher gemütlich unterwegs ist, kann dies im schlimmsten Fall dazu führen, dass man als Verantwortlicher gegen die DSGVO verstößt. Eventuell sollte man dieses Risiko auch in Verträgen mit den Auftragsverarbeitern adressieren (Ersatzpflicht bei verspäteter Weiterleitung).

Wie beschrieben, gibt es aber aus meiner Sicht auch valide Argumente, der Ansicht des BayLDA nicht zu folgen. Zumindest Verantwortliche in Bayern sollten hier aber natürlich wissen, dass ihre Aufsichtsbehörde dies im Streitfall ggfs. anders sieht und eine entsprechend valide Argumentation vorweisen.