EuGH zu den Nachweispflichten bei der Löschung von Daten

In einem kürzlich ergangenen Urteil (Urt. v. 20.10.2022, C-77/21) befasste sich der EuGH mit der praxisrelevanten (wenn durchaus auch ungeliebten) Frage, welche Anforderungen bei der Löschung von Daten und insbesondere dem Nachweis der Erfüllung der Löschpflicht zu beachten sind.

Ausgangsverfahren

Ein ungarisches Unternehmen richtete nach einer technischen Störung, die den Betrieb eines Servers beeinträchtigte, unter der Bezeichnung „test“ eine Testdatenbank ein. In diese kopierte das Unternehmen personenbezogene Daten von ungefähr einem Drittel der Kunden, die in einer anderen Datenbank gespeichert waren, die mit einer Website verlinkt werden konnte und die aktualisierten Daten der Newsletter-Abonnenten für Zwecke der Direktwerbung sowie die Zugangsdaten der Systemadministratoren zur Schnittstelle der Website enthielt. Die ungarische Datenschutzbehörde entschied, dass das Unternehmen gegen Art. 5 Abs. 1 lit. b und e DSGVO verstoßen habe, da es die Testdatenbank nach der Durchführung der notwendigen Tests und Fehlerbeseitigungen nicht sofort gelöscht habe. Hierdurch seien in der Testdatenbank eine große Menge Kundendaten fast 18 Monate ohne irgendeinen Zweck und in einer Weise gespeichert worden seien, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht habe.

Entscheidung des EuGH

In seinem Urteil befasst sich der EuGH ab Rz. 46 ff. mit dem Grundsatz der Speicherbegrenzung und damit auch der Frage der Lösch- und einer erforderlichen Nachweispflicht.

Zunächst stellt der EuGH (wie schon öfter in der Vergangenheit) klar, dass die Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 DSGVO kumulativ einzuhalten sind. „Daher muss die Speicherung personenbezogener Daten nicht nur dem Grundsatz der „Zweckbindung“, sondern auch dem Grundsatz der „Speicherbegrenzung“ genügen“.

Bezogen auf den konkreten Fall bewertet der EuGH danach die Frage, ob Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO dahin auszulegen ist, dass der in dieser Vorschrift vorgesehene Grundsatz der „Speicherbegrenzung“ es dem Verantwortlichen verwehrt, in einer zu Testzwecken und zur Behebung von Fehlern eingerichteten Datenbank personenbezogene Daten, die zuvor für andere Zwecke erhoben worden waren, länger zu speichern als für die Durchführung dieser Tests und die Behebung dieser Fehler erforderlich ist.

Nachweis über Erforderlichkeit der Speicherung

Nach Ansicht des EuGH muss der Verantwortliche in der Lage sein, gemäß dem Grundsatz der Rechenschaftspflicht, „nachzuweisen, dass die personenbezogenen Daten nur so lange gespeichert werden, wie es für die Erreichung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet wurden, erforderlich ist“.

Praktisch dürfte dies für ein Löschkonzept bedeuten, dass für personenbezogene Daten die jeweilige festgelegte Aufbewahrungsdauer genau geprüft und gut begründbar sein muss. Im Grunde sieht der EuGH hier zwei Ziele der Nachweispflicht:

  • Dass die personenbezogenen Daten rein faktisch nur für den Zeitraum der Erforderlichkeit verarbeitet werden und danach nicht mehr (personenbeziehbar) vorhanden sind.
  • Dass die Erforderlichkeit der Verarbeitung zur Erreichung der definierten Zwecke dargelegt werden kann.

Der erste Aspekt ist aus meiner Sicht eher ein technisches bzw. organisatorisches Thema. Der zweite Aspekt betrifft eher die juristische Begründung der Verarbeitung.

Ein Datum kann mehreren Zwecken dienen – aber irgendwann ist Schluss

Der EuGH stellt im Hinblick auf die Erforderlichkeit zudem klar, dass es nicht zwingend nur einen Verarbeitungszweck geben muss, für den ein Datum verwendet wird. Vielmehr kann ein Datum im Laufe der Zeit mehreren Zwecken dienen. Jedoch ist die Verarbeitung eines Datums dann nicht mehr zulässig, wenn das Datum für die Erreichung der Zwecke nicht mehr erforderlich ist. In diesem Fall muss das Datum gelöscht werden, wenn diese Zwecke erreicht sind. Für den konkreten Fall geht der EuGH daher davon aus, dass der Grundsatz der „Speicherbegrenzung“ es dem Verantwortlichen verwehrt, „in einer zu Testzwecken und zur Behebung von Fehlern eingerichteten Datenbank personenbezogene Daten, die zuvor für andere Zwecke erhoben worden waren, länger zu speichern als für die Durchführung dieser Tests und die Behebung dieser Fehler erforderlich ist“. Für die Praxis der Datenlöschung, etwa in Form eines Löschkonzepts, kommt dem Merkmal der „Erforderlichkeit“ und damit der Begründung, warum Daten noch verwendet werden müssen, entscheidende Bedeutung zu.