In seinem Urteil vom 14.12.2021 (Az 4 U 1278/21) befasst sich das Gericht u.a. mit der Frage, ob nationale Pflichten zur Aufbewahrung von Dokumenten als Rechtsgrundlage für eine weitere Speicherung jeglicher in den Dokumenten enthaltenen Daten dienen können.
Nach Auffassung des Gerichts stellen gesetzliche Aufbewahrungspflichten keine Rechtfertigung dar, um nicht rechtmäßig erhobene Daten dauerhaft speichern zu dürfen.
„es ist Aufgabe des Aufbewahrungspflichtigen, seinen Datenbestand so zu organisieren, dass der Zugriff auf rechtswidrig erlangte Daten des Betroffenen nicht möglich ist.“
Konkret befasst sich das Gericht auch mit einer möglichen Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO in Verbindung mit der nationalen Regelung des § 147 AO. Nach dieser Regelung ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt.
Die Datenverarbeitung könne zwar erforderlich sein, um Dokumentationspflichten z. B. nach § 147 AO zu erfüllen.
Die Erlaubnis zur Datenverarbeitung ist jedoch nach Ansicht des OLG auf die Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen Pflicht beschränkt. Von der Aufbewahrungspflicht erfasst sind die gesamte, den betrieblichen Bereich des Kaufmanns betreffende Korrespondenz, soweit sie sich auf die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäftes bezieht, also z. B. Aufträge, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Frachtbriefe oder Rechnungen.
Das OLG verweist hier darauf, dass es auf die Form der Korrespondenz nicht ankommt, so dass Briefe im Sinne der Vorschrift auch Telefaxe, Telegramme, E-Mails und auch andere durch Datenübertragung übersendete Nachrichten sind.
Die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten gemäß § 147 AO werden von der Löschungspflicht aber nicht berührt. Nach Ansicht des OLG sind im vorliegenden Fall die Beklagten nicht verpflichtet die geschäftliche Korrespondenz zu löschen. Ihre Löschungspflicht beschränkt sich auf den Namen, die Anschrift und das Geburtsdatum des Klägers, und damit auf die Daten, mit denen er eindeutig identifiziert werden kann. HIer wird deutlich, dass das Gericht die Löschpflicht (und damit im Gegensatz dazu die legitimierende Ausnahme nach Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO) datumsbezogen versteht.
Das Gericht betrachtet folglich nicht das Dokument an sich (mit allen dort enthaltenen Daten) und knüpft daran eine mögliche Pflicht zur weiteren Speicherung der enthaltenen Daten. Sondern das Gericht verlangt wohl eine Prüfung der Rechtsgrundlge für jedes in dem Dokument enthaltene Datum.
„Enthalten elektronisch gespeicherte Datenbestände nicht aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige, personenbezogene oder dem Berufsgeheimnis unterliegende Daten, so obliegt es dem Steuerpflichtigen, die Datenbestände so zu organisieren, dass der Prüfer nur auf die aufzeichnungspflichtige – und aufbewahrungspflichtige Daten zugreifen kann“.
Dies könne in der Praxis z. B. durch geeignete Zugriffsbeschränkungen oder „digitales Schwärzen“ der zu schützenden Information erfolgen.
Die Entscheidung des Gerichts ist praktisch relevant, da sie datenverarbeitende Stellen vor die Herausforderung stellt, Aufbewahrungspflichten nicht allein anhand von Dokumenten zu prüfen, sondern in dem Dokument jedes Datum näher zu betrachten und ggfs. entsprechene Maßnahmen zur Löschung, zB als Schwärzung, zu ergreifen.