Gesetzentwurf zu DSGVO-Bußgeldverfahren – aktuelle Regelungen verfassungswidrig?

Sind Entscheidungen in Bußgeldverfahren über 100.000 EUR wegen Datenschutzverstößen verfassungsrechtlich angreifbar? Diese Ansicht scheint zumindest das Land Hessen in einem aktuellen Gesetzesentwurf im Bundesrat zu vertreten. Wenn dem so ist, wäre das natürlich ein ziemlicher „Knaller“.

Der Gesetzentwurf

Das Land Hessen hat im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht. Eventuell geht dieser Entwurf auch auf einen Beschluss der Justizministerkonferenz aus November 2018 zurück (pdf).

In dem „Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Bußgeldverfahrens“ (BR Drs 107/20, pdf, 2.3.2020) wird vorgeschlagen, § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG zu streichen.

Artikel 2 des Entwurfs sieht vor: § 41 Absatz 1 Satz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097) wird aufgehoben.“

§ 41 Abs. 1 S. 3 BDSG bestimmt für das Bußgeldverfahren die Anwendung des § 68 OWiG mit der Maßgabe, dass das Landgericht entscheidet, wenn die festgesetzte Geldbuße den Betrag von einhunderttausend Euro überschreitet. Ungeachtet des Umstandes, dass die Amtsgerichte in anderen Rechtsgebieten befugt sind, Geldbußen in Millionenhöhe festzusetzen (§§ 30, 130 Abs. 3 OWiG),

sind bisher keine verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Besetzung der Kammern der Landgerichte in Bußgeldsachen gegeben.

§ 41 Abs. 1 S. 3 BDSG verweist allein auf § 68 OWiG. In dem Entwurf wird als mögliche Neuregelung angedacht, ob man über §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG auf die Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes Bezug nehmen könnte. Dann, so der Entwurf, müsste man wohl von einer Besetzung der Kammern der Landgerichte mit zwei Richtern und zwei Schöffen ausgehen. Es wird davon ausgegangen, dass dies nicht intendiert war.

Es zeigt sich, dass aktuell tatsächlich unklar und nicht gesetzlich vorgegeben ist, in welcher Besetzung das Landgericht in Bußgeldverfahren bei Datenschutzverstößen entscheidet.

Zwar sieht § 46 Abs. 7 OWiG derzeit vor, dass im gerichtlichen Verfahren beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen entscheiden. Jedoch fehlt es an einer Regelung im GVG und es stellt sich die Frage der Besetzung der Kammer.

Der Entwurf stellt die Folge dieser Situation sehr konkret dar:

Da bisher keine entsprechenden verfahrensrechtlichen Vorschriften existieren, dürfte dies wohl nicht nur bei der entsprechenden Geschäftsverteilung der Landgerichte im Hinblick auf die Fälle des § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG zu Problemen führen können, sondern es dürfte zusätzlich nahezu ausgeschlossen sein, das gerichtliche Verfahren ohne entsprechende Vorschriften ordnungsgemäß vollziehen zu können. (Hervorhebungen durch mich)

Diese Einschätzung hat meines Erachtens durchaus Sprengkraft, zu der ich gleich noch ausführe.

Der Gesetzesentwurf sieht daher die Streichung des § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG vor. Hierdurch würde in sämtlichen Fällen von Bußgeldverfahren die Zuständigkeit der Amtsgerichte nach § 68 Abs. 1 OWiG begründet.

Angreifbarkeit landgerichtlicher Entscheidungen in Bußgeldverfahren?

Die soeben dargestellte Situation könnte für Unternehmen, die sich aktuell oder zukünftig (bis zu einer Anpassung) Bußgeldern über 100.000 EUR ausgesetzt sehen, einen möglichen Angriffspunkt gegen entsprechende Entscheidungen der Landgerichte bieten. Dann würde praktisch über all diesen gerichtlichen Verfahren gegen Bußgelder das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit schweben.

Aufgrund der Einschätzung des Landes Hessen in dem Gesetzesentwurf, wird man meines Erachtens zumindest darüber diskutieren können, ob denn nicht eine Situation, in der es „nahezu ausgeschlossen“ ist, dass gerichtliche Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden können, auch verfassungsrechtliche Probleme aufwirft.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht etwa von der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) den Bestand von Rechtssätzen umfasst, die für jeden Streitfall den Richter bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet auch dazu, Regelungen zu treffen, aus denen sich der gesetzliche Richter ergibt (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 08.04.1997 – 1 PBvU 1/95). Andererseits ist eine sich aus der Sache ergebende und unvermeidbare Ungewissheit darüber, wer den Rechtsstreit entscheiden wird (insbesondere in Fällen des Ausscheidens, der Krankheit, der Verhinderung, des Urlaubs) hinzunehmen.

Gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG

nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit oder das erkennende Gericht als Spruchkörper, sondern sind auch die zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Richter.

(BVerfG, Beschl. v. 30.03.1965 – 2 BvR 341/60)

Daher müssen die Geschäftsverteilungspläne, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen,

von vornherein so eindeutig wie möglich festlegen, welche Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind

(ebenda)

Übertragen auf die aktuelle Situation mit fehlenden Regelungen zur Besetzung der Spruchkörper, wird man sicher darüber nachdenken können, ob etwa Unternehmen, die sich gegen ein hohes Bußgeld zu Wehr setzen (man denke an die Fälle Delivery Hero, Deutsche Wohnen SE oder 1&1 Telecom GmbH), am Ende gegen eine entsprechende Entscheidung des erkennenden Gerichts bzw. eine ablehnende Entscheidung zu einer Besetzungsrüge nicht eine Verfassungsbeschwerde einlegen können.

Das Recht auf den gesetzlichen Richter steht natürlichen und juristischen Personen zu. Darauf kann sich berufen, wer nach den einschlägigen Prozessnormen parteifähig ist (BVerfG, Beschl. v. 26.02.1954 – 1 BvR 537/53).

Es wird davon ausgegangen, dass für die Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter die üblichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten. Also auch das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung. Daher wäre es wohl erforderlich, Besetzungsrügen schon vor dem zuständigen Gericht zu erheben. Der Beschluss über ein Ablehnungsgesuch ist eine Zwischenentscheidung, die selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 25.06.1968 – 2 BvR 599, 677/67).

Zudem muss, für den Erfolg der Verfassungsbeschwerde, die angegriffene Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG beruhen. Dies könnte dann der Fall sein, wenn eine andere Besetzung des Gerichts ohne den Fehler nicht ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Urt. v. 20.03.1956 – 1 BvR 479/55).

Daneben ist meines Erachtens auch über einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen die Vorgabe des Art. 83 Abs. 8 DSGVO nachzudenken: „Die Ausübung der eigenen Befugnisse durch eine Aufsichtsbehörde … muss angemessenen Verfahrensgarantien gemäß dem Unionsrecht und dem Recht der Mitgliedstaaten, einschließlich wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelfe und ordnungsgemäßer Verfahren, unterliegen“. Hier könnte das Erfordernis der „ordnungsgemäßen Verfahren“ nicht erfüllt sein.

Fazit

Ich würde mich sehr drüber freuen, wenn wir zu dieser juristisch wirklich spannenden Frage eine Entscheidung sehen. Ob es soweit kommt, wird aber an den Parteien der aktuell bei den Gerichten anhängigen Bußgeldverfahren liegen.

Rundfunkdatenschutzbeauftragter: Zweistufiges Auskunftsverfahren ist DSGVO-konform

In seinem aktuellen (und ersten) Tätigkeitsbericht für 2019 (pdf, S. 50 ff.) berichtet der  gemeinsame Rundfunkdatenschutzbeauftragter für den Bayerischen Rundfunk, den Saarländischen Rundfunk, den Westdeutschen Rundfunk, das Deutschlandradio und das Zweite Deutsche Fernsehen u.a. auch über die Erteilung von Auskünften durch den Beitragsservice.

In einigen Fällen beschwerten sich Betroffene, dass die ihnen erteilte Auskunft nicht vollständig gewesen sei. Hintergrund dieser Beschwerden ist, dass der Beitragsservice, Auskünfte grundsätzlich im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens erteilt.

  • Die Erstauskunft umfasst die wichtigsten Informationen über die Umstände der Datenverarbeitung wie etwa die Herkunft der Daten, die Datenverarbeitungskategorien und die Verarbeitungszwecke. Hierbei orientiert man sich an Daten der Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 4 RBStV.
  • Diese Erstauskunft wird um die Mitteilung der etwa vorhandenen weiteren Daten ergänzt, sofern die Antragsteller dies wünschen.

Nach Aussage des Rundfunkdatenschutzbeauftragten genügt den Antragstellern die auf diese Angaben beschränkte Erstauskunft des Beitragsservice in den weitaus meisten Fällen.

Nach Ansicht des Rundfunkdatenschutzbeauftragten erfüllt ein solches zweistufiges Verfahren

sowohl den Sinn und Zweck als auch materiell die Anforderungen des Art. 15 DSGVO.

Zur Begründung führt er aus, dass dies nicht zuletzt den Verwaltungsaufwand deutlich reduziert und damit im Interesse aller Beitragszahler unnötige Kosten vermeidet.

Zudem können Aspekte der

Verhältnismäßigkeit bzw. des vertretbaren Aufwands in die Anwendung bzw. Umsetzung der Vorgaben zum Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO einfließen.

Dies ergibt sich aus ErwG 63 DSGVO sowie Vorschriften wie etwa § 34 Abs. 1, 4 BDSG, § 12 Abs. 1 LDSG NRW, Art. 10 Abs. 2 Nr. 4 und 5 BayDSG oder § 9 Abs. 2 LDSG B-W. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beitragsservice einen außerordentlich großen Datenbestand zu verwalten und dabei auf ein Höchstmaß an Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu achten hat, vgl. § 14 RStV.

Der Rundfunkdatenschutzbeauftragte stellt für seine Begründung mit Blick auf ErwG 63 DSGVO wohl vor allem darauf ab, dass dort für Verantwortliche die Möglichkeit der Bitte um Präzisierung vorgesehen ist, wenn der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet.

Das interessante und praxisrelevante an der Begründung ist, dass hier per se ein gestuftes Auskunftsverfahren als zulässig angesehen wird. Der Rundfunkdatenschutzbeauftragte verlangt also nicht eine Prüfung im Einzelfall, ob wirklich eine große Menge an Daten verarbeitet werden. Dieser Faktor wird sicherlich auch bei vielen Unternehmen in der Privatwirtschaft (gerade im B2C Bereich) relevant sein.

Daneben ist die Begründung des Rundfunkdatenschutzbeauftragten basierend auf dem Gebot der Wirtschaftlichkeit interessant. Geht man davon aus, dass die Masse an Anfragen mit der ersten Stufe der Auskunft zufriedenstellend erfüllt ist, würde es unnötigen Aufwand und personellen als auch finanziellen Aufwand bedeuten, wenn man (quasi überschießend) immer eine Vollauskunft erteilt. Die Besonderheit im konkreten Fall dürfte hier darin liegen, dass aufgrund einer ausdrücklichen Regelung (nach § 14 RStV) der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks regelmäßig entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprüft und ermittelt werden muss. Die Sparsamkeit also gesetzlich angeordnet ist.

Ob man dieses Argument auch auf den privatwirtschaftlichen Bereich übertragen kann, wird man diskutieren können. Unternehmen sind nicht gesetzlich zur Wirtschaftlichkeit oder Sparsamkeit verpflichtet. Andererseits müssen auch Unternehmen die „Kosten im Blick“ behalten, da sich eine Erhöhung eben dieser auch insgesamt negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken kann.

Wichtig ist noch die Klarstellung des Rundfunkdatenschutzbeauftragten, dass das Recht auf Auskunft weder inhaltlich beschränkt noch unzumutbar erschwert werden darf. Der Beitragsservice informiert die Betroffenen hinreichend klar auf das abgestufte Verfahren und das Recht des Betroffenen, die Auskunft vervollständigen zu lassen. Bei einer entsprechenden Umsetzung in Unternehmen, sollten dieser Aspekt der Transparenz und Erleichterung der Geltendmachung des Auskunftsrechts (vgl. Art. 12 Abs. 2 DSGVO) ebenfalls besonders berücksichtigt werden.

Gesetzgeber erlaubt Sitzungen des Betriebsrats per Videokonferenz – Darstellung der Voraussetzungen

Am 23.4.2020 hat der Bundestag die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT Drs 19/18753, pdf) zu dem Entwurf für ein Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung (BT Drs. 19/17740) angenommen, mit dem auch ein neuer § 129 in das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aufgenommen wird.

Dadurch wird es dem Betriebsrat, dem Gesamt- und Konzernbetriebsrat sowie der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie den Ausschüssen dieser Gremien ermöglicht, Sitzungen und Beschlussfassungen mittels Video- und Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen durchzuführen.

Die Regelung tritt rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft und gilt zeitlich beschränkt bis zum 31. Dezember 2020.

Nachfolgend möchte ich kurz die in der Norm aufgestellten Anforderungen und deren datenschutzrechtliche Implikationen belechten.

Der neue § 129 Abs. 1 BetrVG lautet:

§ 129

Sonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie

(1) Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern- Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Absatz 1 Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen. Gleiches gilt für die von den in Satz 1 genannten Gremien gebildeten Ausschüsse.

 

Die Regelung trägt nach der Begründung der Situation um die Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Schwierigkeiten einer Präsenzsitzung Rechnung. Die neue Regelung soll Rechtssicherheit für diese Ausnahmesituation schaffen und ermögliche es dem

Betriebsrat für einen begrenzten Zeitraum, Sitzungen und Beschlussfassungen mittels Video- und Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen wie WebEx Meetings oder Skype durchzuführen.

Besonders interessant an dieser Begründung ist natürlich, dass der Ausschuss hier zwei ganz spezifische Anbieter bzw. deren Produkte in der Begründung des Gesetzesentwurfs nennt. Aus praktischer Sicht stellt sich Frage, ob hiermit gleichzeitig deren datenschutzrechtliche Konformität und Geeignetheit zur Erfüllung der aufgestellten Anforderungen (qua Gesetz) festgestellt wird? Ich persönlich vermute, dass die Mitglieder des Ausschusses eine solche Konformitätserklärung nicht intendiert hatten. Dies wird mE auch durch die beispielhafte Aufzählung der Dienste deutlich („wie“). Es wird also sicher auch andere Anbieter geben, die die Anforderungen des neuen § 129 BetrVG erfüllen.

Zudem werden die bei dem Einsatz solcher Anwendungen zu beachtenden Anforderungen auch nachfolgend in der Norm, also ganz allgemein und anbieterunabhängig, genannt.

Damit stellt sich die Frage, was diese Anforderungen sind.

Die Begründung führt hierzu aus:

Es soll sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Dies umfasst technische Maßnahmen wie zum Beispiel eine Verschlüsselung der Verbindung und organisatorische Maßnahmen wie die Nutzung eines nichtöffentlichen Raumes während der Dauer der Sitzung.

Auch aus dieser Begründung ergibt sich, dass die beispielhaft benannten Dienste diese Voraussetzung auch erfüllen müssen. Ob sie dies nach Ansicht des Ausschusses tun, ergibt sich aus der Begründung leider nicht.

Aus datenschutzrechtlicher Perspektive ist diese Anforderung des neuen § 129 BetrVG (in Zusammenschau mit der Begründung) wohl die relevanteste. Daher im Einzelnen:

Dritte

Ist hiermit der „Dritte“ im Sinne des Art. 4 Nr. 10 DSGVO gemeint? Ich meine, wohl nicht, denn in der ganzen Begründung wird kein einziges Mal auf die DSGVO verwiesen. Und damit auch nicht auf ihre Definitionen. Andererseits ist es damit aber natürlich nicht ausgeschlossen, dass man von dem Terminus „Dritte“ eventuell eingesetzte Auftragsverarbeiter iSd DSGVO gerade nicht umfasst sieht. Dies würde in der Konsequenz bedeuten, dass ein Anbieter von Videokonferenzsystemen, wenn er als Auftragsverarbeiter agiert, nicht als „Dritter“ anzusehen wäre. Wie gesagt, ist die Begründung und auch der Wortlaut der Norm hier aber nicht klar.

Inhalt der Sitzung

Diese Dritten dürfen spezifisch den Inhalt der Sitzung nicht zur Kenntnis nehmen. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass Dritte angrenzende Informationen zu der Sitzung, insbesondere Angaben zum Datum, zur Uhrzeit oder auch zu den Teilnehmern erhalten dürfen. Man könnte hiervon etwa (Tool)Anbieter umfasst sehen, wenn dort Daten zur Planung einer Videokonferenz erfasst und verarbeitet werden. Diese Informationen dürften, auch vom Schutzzweck der Norm her, daher nicht zum „Inhalt“ der Sitzung zählen. Denn es dürfte darum gehen, dass Dritte (im Sinne Unbefugter) nicht Kenntnis von den Themen und Beschlüssen der Sitzung nehmen. Dies würde auch mit der Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder korrespondieren (vgl. etwa § 79Abs. 1 BetrVG).

Keine Kenntnis nehmen können

Es soll sichergestellt sein, dass die Dritten keine Kenntnis nehmen „können“. Ausreichend ist nach dem Wortlaut daher nicht, dass sie keine Kenntnis nehmen „dürfen“, etwa durch vertragliche Regelungen. Der Gesetzgeber scheint hier tatsächlich stark auf die technisch-organisatorisch Ebene zu schielen. Es soll also durch entsprechend umzusetzende Maßnahmen die Gewähr dafür geboten werden, dass die Kenntnisnahme nicht möglich ist. Interessant ist auch, dass der Gesetzgeber kein Verhältnismäßigkeitskriterium bei der Maßnahmenumsetzung einzieht. Etwa: nach dem „Stand der Technik“ oder der Kosten der Umsetzung.

Technische Maßnahmen, wie z.B. eine Verschlüsselung

Die Begründung zu § 129 Abs. 1 BetrVG trennt, wie etwa auch die DSGVO, zwischen technischen und organisatorischen Maßnahmen. Meines Erachtens kann man sicher daher, bei der konkreten Umsetzung, durchaus an bekannten Kriterien und Praxisbeispielen aus Art. 32 DSGVO orientieren.

Das Gesetz nennt ausdrücklich die Verschlüsselung. Jedoch nur beispielhaft, als eine mögliche Maßnahme („wie zum Beispiel“). Daher ist der Einsatz eines Anbieters, der nicht verschlüsselt oder nur zum Teil verschlüsselt, nicht ausgeschlossen. Es müssen dann eben alternativ adäquate Maßnahmen gefunden werden.

Interessant ist auch, dass die Begründung nicht näher erläutert, welche Art von Verschlüsselung gemeint ist. Es ist also nicht vorgegeben, ob etwa eine Transportverschlüsselung mindestens umzusetzen wäre. Jedoch gilt es hierbei zu beachten, dass bei einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten daneben natürlich die Vorgaben der DSGVO zu beachten sind. Eine Transportverschlüsselung der Daten darf man nach Art. 32 DSGVO wohl als den Stand der Technik erwarten.

Organisatorische Maßnahmen

Daneben erwähnt die Gesetzesbegründung auch organisatorische Maßnahmen. Hierfür wird als Beispiel die Nutzung eines nichtöffentlichen Raumes während der Dauer der Sitzung genannt. Als weiteres Beispiel wird die Abgabe der Zusicherung aller Teilnehmer erwähnt, dass nur teilnahmeberechtigte Personen in dem von ihnen genutzten Raum anwesend sind.

Nach der Begründung sollen sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen umgesetzt werden („Dies umfasst technische Maßnahmen … und organisatorische Maßnahmen …“). Die Aufzählung erfolgt nicht alternativ („oder“). Daher darf man davon ausgehen, dass auf beiden Ebenen entsprechende Maßnahmen umzusetzen sind, um die Anforderung des § 129 Abs. 1 BetrVG zu erfüllen.

Keine Aufzeichnung

Zuletzt ist, im Geiste des Privacy by Default, zu beachten, dass nach § 129 Abs. 1 BetrVG eine Aufzeichnung der Sitzung unzulässig ist. Dies soll nach der Begründung Persönlichkeitsschutz der Teilnehmer und der Wahrung der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzung dienen.

Rein praktisch ist also bei dem Einsatz eines entsprechenden Anbieters darauf zu achten, dass die Videokonferenz nicht aufgezeichnet wird (bzw. werden kann). Gelichzeitig ist aber mE nicht ausgeschlossen, einen Dienst zu nutzen, der per se die Aufzeichnung ermöglicht. Es muss aber sichergestellt sind, dass eine solche nicht erfolgt.

Daneben: DSGVO

Natürlich müssen neben den speziellen neuen Anforderungen in § 129 BetrVG auch weiterhin die Vorgaben des Datenschutzrecht beachtet werden. Denn im Rahmen der Sitzungen werden personenbezogene Daten der Teilnehmer verarbeitet. Zu beachten ist hierbei insbesondere:

  • Informationen der Betroffenen zur Datenverarbeitung (Art. 12, 13 DSGVO)
  • Aufnahme des Tools als Verfahren in das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten (Art. 30 DSGVO)
  • Abschluss erforderlicher Verträge mit dem Anbieter (Art. 28 DSGVO)
  • Bei einer Übermittlung in Länder außerhalb der EU: Erfüllen der Vorgaben der Art. 44 ff. DSGVO (z.B. EU-Standardvertragsklauseln).

Zudem bietet diese Neuerung auch wieder Potential für eine Diskussion darüber, wer im Rahmen der Durchführung von Videokonferenzen bei Betriebsratssitzungen eigentlich der datenschutzrechtlich Verantwortliche ist: der Arbeitgeber oder der Betriebsrat? (siehe etwa hier).

Fazit

Die in § 129 Abs. 1 BetrVG neu geschaffenen Anforderungen zum Einsatz von Anwendungen für Video- und Telefonkonferenz dürften aus datenschutzrechtlicher Brille betrachtet nicht wirklich überraschen. In der Norm selbst sind die erforderlichen Maßnahmen jedoch nur vage geregelt. Praktisch empfiehlt es sich, die Erfüllung der Anforderungen intern sowohl über entsprechende Vorgaben bzw. Leitlinien sicherzustellen, in denen der korrekte und DSGVO- als auch BetrVG-konforme Umgang mit der jeweiligen Software erläutert und vorgegeben wird. Auf technischer Ebene ist für eine Validierung der Sicherheit der Verbindung zu sorgen.

Verwaltungsgericht Mainz mit einer wichtigen Entscheidung zu vielen strittigen DSGVO-Fragen: Abgrenzung Auftragsverarbeitung; Erforderlichkeit bei der Vertragsdurchführung; Vorliegen von Gesundheitsdaten

Das Verwaltungsgericht Mainz (VG) hat mit Urteil vom 20.02.2020 (Az. 1 K 467/19.MZ; noch nicht frei verfügbar; ich hoffe darauf, dass es nach Ostern frei verlinkbar ist; aktuelle Quelle: BeckRS 2020, 5397) einige sehr relevante Entscheidungen zu strittig diskutierten Fragen im Datenschutzrecht getroffen. In dem Urteil befasst sich das VG mit einer ganzen Variation aus praxisrelevanten Fragestellungen, deren Klärung für datenverarbeitende Stellen von großer Relevanz sind.

Sachverhalt

Der Kläger ist Tierarzt und klagte gegen eine datenschutzrechtliche Verwarnung des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (LfDI).

Er schloss mit der Verrechnungsstelle für Tierärzte – VTX – einen Abrechnungsvertrag und eine Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung (Art. 28 DSGVO) ab. Danach kann der Kläger seine Abrechnungstätigkeit an den Verein delegieren, ohne dass dafür die ausdrückliche Einwilligung der Tierbesitzer, die ihr Tier bei ihm behandeln gelassen haben, erforderlich ist. Forderungen des Tierarztes gegen seine Patienten bzw. die Tierhalter sollen nach den Bestimmungen des Vertrags auf die VTX übertragen werden, wenn Verzug eingetreten ist und die VTX die Abtretung angenommen hat. Mit der Annahme der Abtretung wird die VTX Forderungsinhaberin.

Nach den Regelungen im Abrechnungsvertrags soll die VTX vor der Forderungsabtretung eine Auftragsverarbeitung durchführen, die in der Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung näher ausgestaltet ist. Die Daten der Tierhalter werden für Abrechnungszwecke und die etwaige Durchsetzung von Forderungen der VTX übermittelt, bevor diese die Annahme einer Forderungsabtretung erklärt. Dieser Umstand ist für die Entscheidung des VG wichtig.

Nachdem ein Tierhalter eine Behandlungsrechnung nicht fristgemäß bezahlt hatte, stornierte der Kläger seine selbst erstellte Rechnung und übermittelte sie an die VTX zur Durchführung des Inkassos. Der Tierhalter hatte für diese Datenübermittlung keine Einwilligung erteilt und reichte eine Beschwerde bei dem LfDI ein, nachdem er von der VTX zur Zahlung aufgefordert worden war.

Nach der Anhörung des Klägers erging eine Verwarnung auf Grundlage von Art. 58 Abs. 2 lit. b DSGVO. Die Verwarnung (Ziffer 1 des Bescheids) wurde damit begründet, dass der Kläger personenbezogene Daten eines Tierhalters an die VTX übermittelt habe, obwohl die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen hätten. Gleichzeitig wurde der Kläger darum gebeten mitzuteilen (Ziffer 2 des Bescheids), ob er zukünftig in vergleichbaren Fällen die Vorgaben des Datenschutzrechts beachten und nur mit vorheriger Einwilligung der Tierhalter deren Daten an die VTX übermitteln werde.

Hiergegen ging der Kläger mit einer Anfechtungsklage vor.

Bzgl. der unter Ziffer 2 des Bescheids vom Kläger geforderten Erklärung hat der LfDI Ziffer 2 der Verfügung im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgehoben.

Urteil

Das VG gab der Anfechtungsklage statt und hob den Bescheid des LfDI auf.

Verwarnung als Verwaltungsakt

Zunächst begründet das VG, dass es sich bei der angefochtenen Verwarnung um einen – zumindest feststellenden – Verwaltungsakt handelt. Mit der Verwarnung wird nämlich festgestellt, dass der Adressat gegen die DSGVO verstoßen hat. Mit der Verwarnung wird auch implizit ausgedrückt, dass sich der Adressat künftig datenschutzkonform verhalten soll.

Praktische Folge: Adressaten von Verwarnungen der Datenschutzbehörden können hiergegen gerichtlich vorgehen. Ein Widerspruch (also die Durchführung eines Vorverfahrens) muss und kann auch nicht eingelegt werden, da dieser nach § 20 Abs. 6 BDSG entbehrlich ist.

Datenübermittlung im Rahmen der Forderungsabtretung an VTX rechtmäßig

Danach befasst sich das VG mit der Datenweitergabe an VTX. Hierbei handelt es sich um eine Datenüberverarbeitung in Form der Übermittlung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Diese erfolgte rechtmäßig.

Keine Auftragsverarbeitung

Nach Ansicht des VG liegt hier aber keine Auftragsverarbeitung zwischen dem Tierarzt und VTX in der Phase vor der Forderungsabtretung vor.

Das VG begründet seine Ansicht zum einen mit der interessanten Erwägung, dass die Annahme der Parteien, wonach die Übermittlung der Daten vom Tierarzt zur Verrechnungs- und Inkassostelle vor der Forderungsabtretung als Auftragsverarbeitung zu bewerten wäre, einen Vertrag zu Lasten Dritter (gemeint sind wohl die betroffenen Personen) darstellen würde.

Dieses Vorgehen würde nämlich eine Umgehung der eigentlich anwendbaren Anforderungen der Art. 6 ff. DSGVO für eine Datenübermittlung an einen nicht weisungsgebundenen Dritten bedeuten.

Praktische Folge: geht man mit dieser Begründung mit, würde also eine „falsch“ abgeschlossene AVV gleichzeitig einen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen.

Das VG geht weiter davon aus, dass die Übermittlung bereits tatbestandlich nicht als Auftragsverarbeitung zu bewerten ist. Gegen eine Auftragsverarbeitung und eine Weisungsgebundenheit der VTX spricht zunächst, dass die Abtretung – die nach der Vorstellung des Klägers den Wechsel von der Auftragsverarbeitung zur Datenverarbeitung der VTX als Verantwortliche bewirkt – letztlich auf einer freien Entscheidung der VTX beruht. Denn: Die Forderungsabtretung bedarf nach dem Vertrag zwingend der Annahmeerklärung der VTX.

Die von dem Kläger beabsichtigten weitreichenden datenschutzrechtlichen Veränderungen, die durch die Abtretung eingeleitet werden sollen, stehen damit nicht unter der Kontrolle des Verantwortlichen.

Das VG begründet seine Ansicht hier also vor allem mit der eigenen Entscheidungshoheit der VTX. Zwar habe der Tierarzt die Daten an die VTX möglicherweise zu einem Zeitpunkt übermittelt, als die Abtretung noch nicht wirksam war. Jedoch spreche gegen eine Auftragsverarbeitung, dass die VTX auch nach erfolgter Abtretung noch Zugriff auf die Daten habe. Hier ist die Begründung des VG meines Erachtens nicht mehr ganz konsistent. Zunächst wird noch allein auf die Phase vor der Abtretung abgestellt. Nun begründet das VG seine Ansicht aber auch mit der Nutzung der Daten nach der Abtretung.

Die VTX ist gegenüber dem betroffenen Tierhalter mit einer eigenen Rechnung über die Behandlungskosten in Erscheinung getreten. Diese Datenverarbeitung erfolgte nicht im Auftrag des Klägers, weil der Kläger gemäß dem Vertrag seine Forderungen gegenüber dem Tierhalter an die VTX abgetreten hat.

Die VTX kann als Zessionarin die Forderung gegenüber dem Tierhalter eigenständig durchsetzen und die ihr vorliegenden Daten selbständig und weisungsfrei verarbeiten. Weisungsbefugnisse des Klägers bestehen gegenüber der VTX nach erfolgter Abtretung auf Grundlage des Vertrages nicht.

Danach stellt das VG zurecht fest, dass, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 28 DSGVO nicht erfüllt sind, es unerheblich sei, ob die VTX nach dem mit dem Kläger abgeschlossenen Abrechnungsvertrag im Zeitpunkt der Datenübermittlung als Auftragsverarbeiterin betrachtet werden soll. Es kommt also nach Ansicht des VG allein auf die faktischen Umstände der Datenverarbeitung an.

Praktische Folge: ob eine Auftragsverarbeitung anzunehmen ist, beurteilt sich allein nach den faktischen Gegebenheiten. Allein der Abschluss eines AVV ist noch kein Indiz für eine Auftragsverarbeitung.

Auslegung von Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO (Vertragserfüllung)

Da eine Übermittlung vorliegt, bedarf diese einer Rechtsgrundlage. Diese ist nach Ansicht des VG nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO zulässig. Hier befasst sich das VG ausführlicher mit den Anforderungen dieser Erlaubnisnorm.

Praktische Folge: die Datenübermittlung im Rahmen einer Forderungsübertragung kann auf Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO gestützt werden.

Zunächst stellt das VG richtigerweise klar, dass die in 6 Abs. 1 DSGVO enthaltenen Zulässigkeitstatbestände ihrer rechtlichen Funktion nach gleichwertig sind und sie gelten nebeneinander, ohne dass von einem Stufenverhältnis ausgegangen werden müsste.

Die gesetzlichen Erlaubnistatbestände berücksichtigen insofern nicht nur das Datenschutzinteresse der betroffenen Personen, sondern auch die anerkennenswerten Interessen des Verantwortlichen an einer ausnahmsweise zulässigen Datenverarbeitung.

Sodann geht das VG auf ein bisher durchaus diskutiertes Thema ein: wer kann sich auf die Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO berufen?

Der Vertrag, um dessen Erfüllung es geht, muss mit der Person, deren Daten verarbeitet werden, geschlossen worden sein.

Nicht erforderlich ist es, dass der Vertragspartner des Betroffenen und der die Daten verarbeitende Verantwortliche personenidentisch sind.

Daher geht das VG zurecht davon aus, dass auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO auch Datenverarbeitungen durch unbeteiligte Dritte legitimiert sind, die für die Erfüllung eines Vertrags, deren Partei der Betroffene ist, erforderlich sind.

Praktische Folge: auch Dienstleister, die datenschutzrechtliche als eigene Verantwortliche agieren und an der Vertragserfüllung mitwirken (jedoch nicht selbst Vertragspartner sind), können sich auf Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO stützen (Bsp: Lieferanten, Spediteure, Handwerker).

Danach befasst sich das VG mit dem Merkmal der „Erforderlichkeit“ iRd Art. 6 Abs. 1 lit. b DSVGO. Eine Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO ist nur dann zulässig, wenn sie zu Vertragszwecken erforderlich ist.

Das VG geht davon aus, dass dies in der Regel der Fall ist, wenn die essentialia negotii des jeweiligen Vertrags betroffen sind. Das Gericht bezieht sich hier also ganz speziell auf die Mindestinhalte des Vertrages. Jedoch schließt die Auffassung des VG nicht andere Vertragsbestandteile als Basis der Verarbeitung aus. Denn das Gericht bezieht sich ausdrücklich nur regelhaft auf die essentialia negotii.

Danach führt das VG weiter aus:

Dabei werden an die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung jedoch keine zu strengen Anforderungen gestellt: Eine Datenverarbeitung ist nicht erst dann zur Erfüllung des Vertrags erforderlich, wenn der Vertrag ohne die Datenverarbeitung gar nicht durchgeführt werden könnte; vielmehr reicht es aus, wenn die Datenverarbeitung objektiv sinnvoll im Hinblick auf den Vertragszweck ist.

Hier vertritt das VG (unter entsprechenden Verweisen in die Literatur) also eine weniger strenge Auffassung als etwa der EDSA in seiner Stellungnahme zu Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO (die aktuell noch in der Entwurfsfassung vorliegt). „Erforderlich“ bedeutet nicht, dass die Datenverarbeitung zwingend stattfinden muss, damit der Vertrag durchgeführt werden kann. Es reiche aus, dass sie „objektiv sinnvoll“ mit Blick auf den Vertragszweck ist,

Praktische Folge: „erforderlich“ iSd Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO darf nicht zu eng verstanden werden.

Auf den Fall bezogen, geht das Gericht von einer Erforderlichkeit der Datenübermittlung zur Durchführung des Vertrages aus. Der Tierhalter ist seiner Pflicht zur Zahlung des Rechnungsbetrages nicht innerhalb der Zahlungsfrist nachgekommen. Die Durchsetzung dieser Forderung dient dem Zweck des Behandlungsvertrags. Daher durften auch die für die Forderungsdurchsetzung durch das Inkassounternehmen erforderlichen Daten übermittelt werden.

Schließlich ist die Datenübermittlung notwendiges Mittel zum Zweck: Es geht darum, die fällige Forderung beim Schuldner eintreiben zu können.

Zweckänderung, Art. 6 Abs. 4 DSGVO?

Oft sieht man in gerichtlichen Entscheidungen zur DSGVO, dass die Möglichkeit einer zweckändernden Weiterverarbeitung von Daten gar nicht geprüft wird, obwohl dies nach den Umständen wohl zu erörtern wäre.

Das VG befasst sich hier, wenn auch kurz, mit diesem Thema: da sich der Vertragszweck durch die Forderungsabtretung nicht geändert habe, sei Art. 6 Abs. 4 DSGVO nicht einschlägig. Denn auch nach der Abtretung soll die vertragliche Hauptleistungspflicht des Tierhalters durchgesetzt und nicht etwa neue Ziele, wie zum Beispiel Werbezwecke, verfolgt werden.

Zur Not: Interessenabwägung, Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO

Als alternative Rechtsgrundlage geht das VG auch noch auf die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ein. Jedenfalls sei die Datenübermittlung hier (auch) gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO rechtmäßig.

Die Interessenabwägung falle hier zugunsten des Klägers aus. Die Übermittlung der Daten an die VTX war hier zur Wahrung seiner berechtigten Interessen erforderlich. Der Kläger hat als Tierarzt ein berechtigtes – rechtliches und wirtschaftliches – Interesse daran, dass seine tierärztlichen Leistungen von den jeweiligen Tierhaltern vergütet werden.

Sofern ein Tierhalter seiner vertraglichen Leistungspflicht nicht nachkommt, hat der Tierarzt darüber hinaus ein berechtigtes Interesse daran, seine vertragliche Forderung auch unter Zuhilfenahme Dritter durchzusetzen.

Überwiegende Interessen des betroffenen Tierhalters stehen diesem Interesse des Tierarztes nach Ansicht des VG richtigerweise nicht entgegen. Das VG begründet dies mit der Kausalität seines eigenen Verhaltens für die Verarbeitung.

Schließlich hat der Tierhalter durch die Verletzung seiner vertraglichen Zahlungspflicht selbst dazu beigetragen, dass die Datenübermittlung zur Forderungseinziehung erforderlich wurde.

Praktische Folge: Schuldner in Zahlungsverzug haben kein schutzwürdiges Interesse, dass offene Forderungen, auch unter Beteiligung Dritter, eingezogen werden.

Keine Verarbeitung von Gesundheitsdaten

Zum Abschluss schwenkt das VG noch kurz auf die Frage, ob denn hier evtl. Gesundheitsdaten nach Art. 9 DSGVO vorliegen.

Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei den hier übermittelten Daten nicht um Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 4 Nr. 15 DSGVO handelt. Denn aus der Honorarrechnung, die der Kläger der VTX zur Forderungseinziehung übermittelt hat, ergeben sich nur Rückschlüsse auf die Gesundheit der Tiere. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Daten, die die Gesundheit einer natürlichen Person betreffen.

Es scheint dann noch Thema gewesen zu sein, ob nicht doch Gesundheitsdaten vorliegen, weil es sich um Erkrankungen der Tiere gehandelt hat, die auf den Menschen und damit den betroffenen Tierhalter übergehen könnten. Dies haben die Beteiligten aber nicht vorgetragen.

Allein aufgrund der abstrakten Möglichkeit, dass aus Informationen über Tierbehandlungsverträge – wie Abrechnungsunterlagen – in besonderen Fällen Rückschlüsse auf die Gesundheit des Tierhalters gezogen werden können, werden diese noch nicht zu Gesundheitsdaten.

Praktische Folge: die abstrakte Möglichkeit, dass Gesundheitsdaten vorliegen könnten, reicht nicht aus, um deren Vorliegen nach Art. 9 DSVGO anzunehmen.

Fazit

Das VG Mainz entwickelt sich für mich in den letzten Monaten zu meinem Lieblings-DSGVO-Gericht. Einige Entscheidungen von dort sind wirklich interessant und auch gut begründet.

Zudem finde ich es sehr gut, dass hier der LfDI einen Verwaltungsakt erlassen hat, damit das VG diese wichtigen Fragen beurteilen konnte.

Inhaltlich halte ich die Begründung des VG, insbesondere was Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO und Art. 9 DSGVO betrifft, für richtig.

Verwaltungsgericht Schleswig: Interne Übertragung der Aufgabe zur Erstellung eines Verarbeitungsverzeichnisses ist zulässig

Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig hat am 31.3.2020 entschieden (Beschl. v. 31.03.202012 B 79/19), dass die Übertagung der von einer öffentlichen Stelle nach der DSGVO zu erfüllenden konkreten Aufgaben im Rahmen der Behördenorganisation zulässig ist.

(Ja, mir ist bekannt, dass es unter der DSGVO nicht mehr „Verarbeitungsverzeichnis“ heißt; wenn ich aber stattdessen „Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten“ in die Überschrift aufnehme, wird diese zu lang)

Sachverhalt

In dem Verfahren im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung) ging ein Justizamtmann gegen die dienstliche Weisung an ihn vor, an einem Arbeitskreis zur DSGVO, der bei der Generalstaatsanwaltschaft eingerichtet wurde, teilzunehmen und die Erstellung und Führung des Verarbeitungsverzeichnisses gem. Art. 30 DSGVO zu übernehmen. Zuvor war der Antragsteller gegenüber dem Generalstaatsanwalt als „Datenschutzverantwortlicher“ benannt worden.

Der Antragsteller ging davon aus, dass diese Weisung rechtswidrig sei, weil eine Tätigkeit als „Datenschutzverantwortlicher“ mit seiner Tätigkeit als Personalratsmitglied und als ständiger Vertreter der Personalratsvorsitzenden nicht vereinbar sei. Zudem dürfte eine vollständige Übertragung der Verantwortlichkeit i.S.d. DSGVO nicht möglich sein.

Entscheidung

Das VG lehnte den Antrag als unbegründet ab.

Zunächst stellte das VG zurecht ein paar datenschutzrechtliche Begrifflichkeiten klar.

Die anfängliche Formulierung der Antragsgegnerin, nach der dem Antragsteller die Position als „Datenschutzverantwortlicher“ (vollumfänglich) übertragen werden sollte, dürfte schon aufgrund der Unbestimmtheit nicht zulässig sein.

Sodann führt das VG zu den rechtlichen Möglichkeiten der Übertragung von Pflichten nach der DSGVO aus.

Außerdem dürfte eine vollständige Übertragung der Verantwortlichkeit i.S.d. DSGVO nicht möglich sein, wie der Personalrat mit seinem Schreiben vom 19. Dezember 2019 zutreffend ausführte.

Nach zutreffender Ansicht des VG ist „Datenschutzverantwortlicher“ (nicht gemeint war hier der Datenschutzbeauftragte) nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.

Die Letztverantwortung muss damit bei Behörde selbst als juristischer Person bleiben und kann nicht etwa zur Gänze wie die Position des Datenschutzbeauftragten i.S.v. Art. 37 DSGVO einem Beamten übertragen werden.

Jedoch konkretisierte die Antragsgegnerin die dem Antragsteller übertragenen Aufgaben nachträglich dahingehend, dass mit den übertragenen Aufgaben

  • die Teilnahme an einem Arbeitskreis bei der Generalstaatsanwaltschaft und
  • die Erstellung und Führung des Verarbeitungsverzeichnisses gem. Art. 30 DSGVO gemeint seien.

Die Antragsgegnerin bezog sich hierbei anscheinend auch auf einen Beschluss der DSK, in dem die Empfehlung ausgesprochen wurde, „durch eine allgemeine Aufbauorganisation sicherzustellen, dass im Innenverhältnis die Anwendung des Datenschutzrechts in der Behörde organisiert und gewährleistet wird“.

Aus Sicht des VG bleibt daher die Antragsgegnerin (also die öffentliche Stelle) die eigentliche Verantwortliche, da sie die Verfügungsgewalt über die erhobenen Daten besitzt.

Die Übertagung der von der Antragsgegnerin nach der DSGVO zu erfüllenden konkreten Aufgaben im Rahmen der Behördenorganisation ist dagegen zulässig.

Gerade diese letzte Einschätzung des VG ist meines Erachtens auch für den privatwirtschaftlichen Bereich relevant. Es ist innerbetrieblich möglich (und rein faktisch oft anders gar nicht handhabbar), dass die Aufgabenerfüllung von der Führungsebene nach unten delegiert und bestimmten Personen übertragen wird. Wichtig zu beachten ist, dass nicht die gesetzliche Pflicht an sich übertragen werden kann, sondern nur die Aufgabe, bei der Erfüllung dieser Pflicht zu unterstützen.

Fazit

Die Entscheidung des VG ist meines Erachtens richtig und spiegelt auch die tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis wider, wenn man DSGVO-Anforderungen in größeren Einheiten umsetzen möchte. Dies erfordert eine arbeitsteilige Erledigung der verschiedenen Aufgaben. Intern kann eine solche Aufgabe dann im Rahmen des Weisungsrechts auch an Angestellte übertragen werden. Datenschutzrechtlich verpflichtet bleibt aber allein der Verantwortliche (oder Auftragsverarbeiter).

Einsatz von Dienstleistern im Rahmen der Erfüllung von Betroffenenrechten – LDA Brandenburg verhängt 50.000 EUR Bußgeld

In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht für 2019 (S. 29 ff, pdf), berichtet das LDA Brandenburg über einen praktisch interessanten und relevanten Fall, in dem gegen ein Unternehmen wegen Verstößen gegen Art. 28 Abs. 9 DSGVO und Art. 12 DSGVO ein Bußgeld verhängt wurde.

Abschluss eines Auftragsverarbeitungsvertrages

Das Unternehmen setzte im Rahmen der Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO einen Dienstleister ein, der Zugriff auf die für die Auskunftserteilung notwendigen personenbezogenen Daten der betroffenen Person hatte. Die Korrespondenz im Rahmen der Auskunftserteilung wurde unter dem Logo des Dienstleisters durchgeführt.

Erste wichtige Erkenntnis: das LDA scheint grundsätzlich davon auszugehen, dass Dienstleister als Auftragsverarbeiter Betroffenenrechte erfüllen dürfen.

Jedoch wurde hier ein Vertrag nach Art. 28 Abs. 9 DSGVO wohl nicht schriftlich abgeschlossen. Aus den Darstellungen geht nicht klar hervor, ob gar kein Vertrag abgeschlossen wurde oder nur nicht schriftlich. Leider geht das LDA nicht auf die Möglichkeit ein, dass der Vertrag auch in einem elektronischen Format abgeschlossen werden kann. Ich vermute aber daher, dass gar kein Vertrag vorlag.

Das LDA verweist mit Blick auf Art. 28 Abs. 9 DSGVO darauf, dass diese Regelung Dokumentations-, Beweissicherungs- und Authentizitätssicherungszwecke verfolge.

Die Schriftform soll sicherstellen, dass die Parteien, die in dem Dokument genannt sind, sich zu den eingegangenen Verpflichtungen mit dem konkreten Inhalt bekennen.

Ein Verstoß kann nach Art. 83 Abs. 4 lit. a DSGVO mit einer Geldbuße von bis zu 10 Millionen Euro oder im Falle eines Unternehmens mit bis zu 2 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres geahndet werden.

Transparenz der Auskunft

Ein zweiter Aspekt des Falles war, dass die Betroffenen nicht wussten, dass es sich bei dem antwortenden Unternehmen um den Dienstleister des Verantwortlichen handelte. Insofern konnten sie nach Ansicht des LDA nicht erkennen, wer der Verantwortliche der Datenverarbeitung war. Zudem erfolgte die erste Antwort an anfragende Betroffene nach Antragstellung zur Auskunftserteilung zunächst nur in englischer Sprache.

Nach Art. 12 Abs. 1 DSGVO muss der Verantwortliche geeignete Maßnahmen treffen, um der betroffenen Person zum Beispiel alle Mitteilungen gemäß dem Art. 15 DSGVO (also im Rahmen der Auskunftserteilung) in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form zu übermitteln.

Vorliegend befand das LDA, dass das Unternehmen dadurch, dass es die Antragsteller nicht darüber aufklärte, dass es sich bei dem eingesetzten Dienstleister um einen Auftragsverarbeiter handelte und dass, trotz Erteilung der Auskunft unter dem Logo des Dienstleisters, das Unternehmen selbst für die Datenverarbeitung verantwortlich blieb, gegen den in Art. 12 DSGVO niedergelegten Transparenzgrundsatz verstieß.

Gleichzeitig habe das Unternehmen dadurch, dass es die Antragsteller zunächst in englischer Sprache kontaktierte, gegen den in Art. 12 DSGVO niedergelegten Grundsatz der Verständlichkeit verstoßen.

Die Ansicht des LDA ist hier meines Erachtens für die Praxis ziemlich relevant:

Wenn sich ein Unternehmen mit seinem Angebot an den deutschsprachigen Markt richtet, muss die Auskunftserteilung (zumindest auch) auf Deutsch erfolgen.

Das bedeutet, dass selbst international tätige Unternehmen in der jeweiligen Landessprache der von ihnen bedienten Märkte gegenüber Betroffenen kommunizieren müssen, wenn diese von ihren Rechten Gebrauch machen.

Das LDA beurteilte diesen Verstoß gegen Art. 12 DSGVO auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 5 DSGVO. Danach können Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres verhängt werden.

Insgesamt verhängte das LDA für die vorbenannten Verstöße ein Bußgeld in Höhe von 50.000 EUR.

Rechtsanwaltskammer Berlin: Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter ist für den Rechtsanwalt grundsätzlich kein Nebenberuf, sondern ein Mandat

Anwälte als externe Datenschutzbeauftragte. Ein schon länger berufs- und steuerrechtlich diskutiertes Thema.

In beiden genannten Rechtsgebieten existieren nun auch höchstrichterliche Entscheidungen. Im Oktober 2018 entschied bereits der BGH (Urt. v. 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18) u.a., dass die Tätigkeit als interner Datenschutzbeauftragter grundsätzlich die für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erforderlichen Tätigkeitsmerkmale erfülle und das Arbeitsverhältnis von diesen Merkmalen auch geprägt sein kann. Grund war insbesondere die gestiegene Komplexität des Datenschutzrechts auch im Zuge der Einführung der DSGVO. Das Amt des Datenschutzbeauftragten umfasse Tätigkeiten, welche die Merkmale anwaltlicher Tätigkeit nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO erfüllen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun Anfang dieses Jahres zu der Frage entschieden (Urt. v. 14.1.2020 – VIII R 27/17), wie Umsätze eines als Datenschutzbeauftragter tätigen Rechtsanwalts steuerrechtlich einzuordnen sind. Nach Ansicht des BFH ist der Rechtsanwalt in Bezug auf seine Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter gewerblicher Unternehmer i.S. des § 141 Abs. 1 AO. Der BFH geht davon aus, dass die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter weder eine dem Beruf des Rechtsanwalts vorbehaltene noch eine berufstypische Tätigkeit sei. Der BFH nimmt hierbei auch Bezug zum Urteil des BGH, verweist aber darauf, dass die Tätigkeit des (internen) Datenschutzbeauftragten zwar mit den für Rechtsanwälte geltenden berufsrechtlichen Vorschriften in Einklang steht. Dies aber für die steuerliche Qualifizierung der Tätigkeit als solche iSd § 18 EStG nicht maßgebend sei, wie der Umstand, dass eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt im Einzelfall möglich ist.

Man kann daher wohl aktuell folgendes Resümee ziehen: berufsrechtlich ist die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zulässig. Die steuerrechtliche Beurteilung scheint, nach Ansicht des BFH, jedoch nicht zwingend gleichlaufen zu müssen. Umsätze können daher, auch bei der Tätigkeit als Anwalt, der Gewerbesteuer unterliegen. Insgesamt ist das, mit Blick auf die Rechtssicherheit, natürlich immer noch keine letztlich befriedigende Situation.

Besonders interessant ist vor diesem Hintergrund ein Beschluss des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 8. Mai 2019. Die RAK überträgt die vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Einordnung des internen Datenschutzbeauftragten folgerichtig auf die des externen Datenschutzbeauftragten.

Nach Ansicht der RAK Berlin unterscheidet die BRAO

nicht zwischen einer anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts und einer solchen des Rechtsanwalts. Der Gesetzgeber verfolgt ein einheitliches Berufsbild des Rechtsanwalts. Daher ist schon nach dem Wortlaut des Gesetzes zu schlussfolgern, dass Tätigkeiten, die für den Syndikusrechtsanwalt als anwaltliche gelten, auch anwaltliche Tätigkeiten für den Rechtsanwalt sind.

Daher geht die RAK (meines Erachtens zutreffend) davon aus, dass die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter für den Rechtsanwalt regelmäßig kein Nebenberuf ist, wenn er zugleich als Rechtsanwalt auftritt. Dieser Zusatz ist meines Erachtens wichtig. Diese Feststellung ist insbesondere für ein in der Vergangenheit diskutiertes Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO relevant, was, nach dem Beschluss der RAK Berlin, nicht vorliegen dürfte. Auch das Risiko eines Widerrufs der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO besteht vor diesem Hintergrund wohl nicht mehr.

Es handelt sich grundsätzlich um ein Mandat, auf das das Berufsrecht Anwendung findet.

Die RAK weist auf das damals noch anhängige Verfahren am BFH und evtl. folgende steuer- und versicherungsrechtliche Auswirkungen hin.

Sehr aufschlussreich, mit weiterem Inhalt und Begründungen zu dem Beschluss, ist das Protokoll (PDF) zur Sitzung des Vorstandes der RAK. Unter anderem wird dort auch ausgeführt, dass ein Vorstandsmitglied die Auffassung des Berichterstatters bestätigt, dass auch bei einer abweichenden Entscheidung des BFH die Arbeit des externen Datenschutzbeauftragten als  anwaltliche Tätigkeit gewertet werden könne.

Eigentlich wäre diese Situation, dass zwei oberste Gerichtshöfe in einer Rechtsfrage unterschiedlicher Auffassung sind, nun ein Fall für den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes. Dieser existiert, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten. Er entscheidet, wenn ein Senat eines obersten Gerichtshofs in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines Senats eines anderen obersten Gerichtshofs abweichen will. Dass der BFH, in Kenntnis der Entscheidung des BGH, jedoch keinen entsprechenden Vorlegungsbeschluss gefasst hat, wird man wohl so interpretieren können, dass der BFH gerade nicht von der Auffassung des BGH in berufsrechtlicher Sicht abweichen wollte.