Über die Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO herrscht in der Praxis weiterhin Unsicherheit. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Wortlaut der entscheidenden Norm, Art. 15 Abs. 1 DSGVO, bestimmt, dass die betroffene Person „ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten“ hat. Mit „diesen personenbezogenen Daten“ referenziert das Gesetz auf den ersten Halbsatz des Art. 15 Abs. 1 DSGVO, in dem es heißt: „Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden“. Das Auskunftsrecht umfasst im Grunde also zunächst eine natürliche Person betreffende personenbezogene Daten. Das ist sehr weit. Jedoch sieht aber auch Art. 15 Abs. 4 DSGVO Ausnahmen von dem Recht auf Auskunft vor.
Sind von dem Recht auf Auskunft oder Erhalt einer Kopie (Art. 15 Abs. 3 DSGVO) also z.B. auch sämtliche E-Mails oder interne Vermerke umfasst, die personenbezogene Daten des Betroffenen enthalten? In einer jüngeren Entscheidung hatte sich auch das LG Köln mit der Frage zu befassen, wie weit der Auskunftsanspruch reicht (Teilurteil v. 18.03.2019 – 26 O 25/18).
Sachverhalt
In dem Fall klagte eine Person, die bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, zwei Lebensversicherungsverträge unterhält. Unter anderem ging es auch um einen geltend gemachten Auskunftsanspruch gegen die Versicherung (noch nach § 34 BDSG alter Fassung). Die Klägerin war bis zuletzt der Ansicht, dass ihr keine vollständige Datenauskunft erteilt wurde. Während des Prozesses hat das Unternehmen wiederholt entsprechende Auskünfte erteilt.
Entscheidung
Nach Ansicht des LG Köln steht der betroffenen Person ein umfassender Anspruch auf Auskunft über verarbeitete sie betreffende personenbezogene Daten sowie weitere Informationen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu. Die Information müsse u.a. auch die Verarbeitungszwecke (Ziffer a)), die Empfänger von Daten (Ziffer b)) und die geplante Dauer der Speicherung (Ziffer c)) enthalten.
Sodann geht das Gericht auf die entscheidende Frage ein, was den konkret „personenbezogene Daten“ sind, die vom Anspruch auf Auskunft erfasst werden. Hierzu verweist das Gericht auf die Definition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Zudem erfordert der Auskunftsanspruch, dass diese Daten „verarbeitet“ werden. Eine „Verarbeitung von Daten“ stellt nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO jeder Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten dar.
Hieraus folgert das Gericht:
Insofern ergibt sich ein umfassendes Auskunftsrecht bezogen auf die gespeicherten bzw. verarbeiteten personenbezogenen Daten. Dies beinhaltet Daten wie Namen oder Geburtsdatum genauso wie jegliche Merkmale, die die Identifizierbarkeit einer Person ermöglichen können, z.B. Gesundheitsdaten, Kontonummer usw.
Das LG macht hier jedoch nicht halt. Nach Ansicht des LG Köln
stellen ärztliche Unterlagen, Gutachten oder sonstige vergleichbare Mitteilungen anderer Quellen ebenfalls „personenbezogene Daten“ dar.
Diese Auslegung der DSGVO wird man meines Erachtens jedoch auch angreifen können. Das Gericht verweist wohl u.a. auf ErwG 63 DSGVO. In diesem heißt es zum Auskunftsrecht:
Dies schließt das Recht betroffene Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten.
Anders als das LG andeutet, wird in ErwG 63 DSGVO gerade nicht Bezug auf Unterlagen an sich genommen, sondern vielmehr auf Daten in diesen Unterlagen: „Daten in ihren Patientenakten“ (Hervorhebung durch mich). ErwG 63 DSGVO referenziert beispielhaft auf Diagnosen, Untersuchungsergebnisse oder Befunde. Jedoch gerade nicht auf die Dokumente, in denen diese enthalten sind.
In seiner weiteren Begründung schränkt das LG dann sogleich diesen weiten Anwendungsbereich des Auskunftsrechts auch wieder ein.
Nach der Auffassung der Kammer bezieht sich der Auskunftsanspruch aber nicht auf sämtliche internen Vorgänge der Beklagten, wie z.B. Vermerke, oder darauf, dass die betreffende Person sämtlichen gewechselten Schriftverkehr, der dem Betroffenen bereits bekannt ist, erneut ausgedruckt und übersendet erhalten kann … . Rechtliche Bewertungen oder Analysen stellen insofern ebenfalls keine personenbezogenen Daten in diesem Sinne dar.
Meines Erachtens widerspricht sich das LG hier in seiner Begründung auch selbst. Zunächst geht es davon aus, dass Gutachten herauszugeben sind, geht jedoch danach davon aus, dass „rechtliche Bewertungen oder Analysen“ nicht umfasst sind. Interessant ist hier auch die Ansicht des LG, dass das Auskunftsrecht solche Dokumente nicht umfasst, „die dem Betroffenen bereits bekannt sind“. Diese Auffassung kann insbesondere im Rahmen von Auskunftsersuchen in Arbeitsverhältnissen relevant werden, wenn etwa ein Anspruch auf Herausgabe der E-Mails geltend gemacht würde. Denn man kann, mit Blick auf die Entscheidung des LG, dann sicher vertreten, dass diese Vorgänge bzw. Dokumente der betroffenen Person bereist bekannt sind.
Das Gericht begründet seine Entscheidung weiter:
Der Anspruch aus Art. 15 DSGVO dient nicht der vereinfachten Buchführung des Betroffenen, sondern soll sicherstellen, dass der Betroffene den Umfang und Inhalt der gespeicherten personenbezogenen Daten beurteilen kann. Folgerichtig bestimmt Art. 15 Abs. 3 DSGVO, dass der Betroffene eine Kopie (lediglich) der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, erhält.
Hier macht das LG interessante Ausführungen dazu, was unter der „Kopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO zu verstehen ist. Es geht hierbei gerade nicht um eine Kopie von Unterlagen und Dokumenten, die personenbezogene Daten enthalten, sondern um eine Kopie der personenbezogenen Daten selbst. Diese Kopie kann aber meines Erachtens auch in einer von den Dokumenten unabhängigen Form übergeben werden.
Vorliegend hatte das Unternehmen verschiedene Auskünfte und Informationen erteilt und angegeben, dass weitere personenbezogene Daten über die Klägerin nicht gespeichert seien bzw. verarbeitet wurden. Da weiterer substantiierter Vortrag der Klägerin, welche Informationen seitens der Beklagten darüber hinaus noch verarbeitet worden seien könnten, nicht erfolgte, lehnte das LG hier den Antrag auf Auskunftserteilung ab.
Dies wird sicherlich nicht die letzte Entscheidung zum Recht auf Auskunft bzw. Erhalt einer Kopie nach Art. 15 DSGVO sein. Datenverarbeitende Stellen sollten sich einerseits bewusst sein, dass dieses Recht sehr umfassend personenbezogene Daten betrifft, andererseits aber auch nicht dazu dient, Belege von jeglichen Unterlagen und Dokumenten zu erhalten, die irgendwo den Namen einer Person aufführen.
Hallo Carlo,
bitte benachrichtigen mich über weitere Deiner Beiträge – wie immer sehr erfrischend! 🙂
HG, Andreas Scholtz
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