Die Meldung (u.a. hier bei Reuters) kommt nicht unbedingt überraschend. Beim Gerichtshof der Europäischen Union, genauer gesagt beim „Gericht“, ist eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV gegen den Angemessenheitsbeschlüsse der Europäischen Kommission zum EU-US Datenschutzschild (Privacy Shield, Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1250,) anhängig.
Kläger ist die Digital Rights Ireland Ltd, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus Irland, die sich mit der Förderung und dem Schutz der Bürger- und Menschenrechte, insbesondere in der Welt der modernen Kommunikationstechnologien, befasst. Das Aktenzeichen der Rechtssache ist T-670/16.
Nach den Informationen auf der Webseite des Europäischen Gerichtshofs wurden die verfahrenseinleitenden Schriftstücke am 16. September 2016 eingereicht. Dass diese Nichtigkeitsklage so kurz nach Veröffentlichung des Kommissionsbeschlusses im Amtsblatt am 1. August 2016 erhoben wurde, hängt damit zusammen, dass für Erhebung von Nichtigkeitsklagen eine Frist von zwei Monaten gilt (Art. 263 Abs. 6).
Erstinstanzlich zuständig ist vorliegend das „Gericht“ (EuG), also nicht der Gerichtshof (EuGH) (Art. 256 Abs. 1 AEUV).
Hinsichtlich möglicher Erfolgsaussichten der Klage lassen sich zu diesem Zeitpunkt keine validen Aussagen treffen. Zudem muss man in einem solchen Verfahren der Nichtigkeitsklage insbesondere die zwei Ebenen der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage unterscheiden.
Im Fall der hier eingelegten Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV ist im Rahmen der Zulässigkeit, konkret bei der Klagebefugnis, zu berücksichtigen, dass zwar natürliche oder juristische Person eine solche Klage erheben können. Jedoch nur dann, wenn es sich um an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, handelt. Die 1. Alternative schallt im Fall der Angemessenheitsentscheidung der Europäischen Kommission aus. Denn der Beschluss ist nicht an natürliche oder juristische Person in den Mitgliedstaaten gerichtet, sondern an die Mitgliedstaaten selbst (vgl. Art. 6 des Beschlusses).
Digital Rights Ireland Ltd wird also vor allem darlegen müssen, dass sich bei dem Beschluss um eine sie „unmittelbar und individuell betreffende Handlung“ der Europäischen Kommission handelt. Das Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit ist dabei noch eher als unproblematisch anzusehen. Diese unmittelbare Betroffenheit liegt dann vor, wenn die Handlung sich unmittelbar auf die Rechtsstellung der Partei auswirkt und den mit ihrer Durchführung betrauten Behörden keinerlei Ermessensspielraum lässt, da ihre Durchführung rein automatisch erfolgt und sich allein aus dem Unionsrecht ergibt, ohne dass weitere Vorschriften angewandt werden (EuGH, Urt. v. 27.2.2014, C-133/12 P, Rz. 55). Inwiefern der Beschluss der Kommission bereits unmittelbar die Rechtsstellung der Digital Rights Ireland Ltd, die ja etwa keine natürliche Person ist und allein für natürliche Personen ein Schutz personenbezogener Daten und ihrer Privatsphäre gewährleistet ist (vgl. Art. 1 RL 95/46/EG), wird eine interessante Frage sein. Noch kniffliger dürfte jedoch die Erfüllung der zweiten, kumulativ zu erfüllenden, Voraussetzung der individuellen Betroffenheit sein. Dieses Merkmal wird grundsätzlich restriktiv ausgelegt und richtet sich nach der sogenannten „Plaumann-Formel“. Eine Person, die nicht Adressat einer Entscheidung ist, kann nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urt. v. 19.12.2013, C-274/12 P, Rz. 46). Digital Rights Ireland Ltd müsste also eine Adressaten gleiche Stellung nachweisen. In jedem Fall nicht ausreichend ist, von der angegriffenen Handlung, hier dem Angemessenheitsbeschluss, in allgemeiner Weise betroffen zu sein.
Im Rahmen der Begründetheit muss dann selbst verständlich noch nachgewiesen werden, dass der Beschluss der Kommission rechtswidrig ist, also nach Art. 263 Abs. 2 AEUV insbesondere die Verträge verletzt oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt.
Man darf mit Spannung abwarten, wie sich diese Rechtslage entwickelt. Ein erster interessanter Verfahrensschritt dürfte die Verhandlung und danach die Schlussanträge des Generalanwalts sein.