Das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs (C-484/14) in der Sache Mc Fadden und seine konkreten Folgen für die Haftungssituation der Anbieter von WLANs in der Öffentlichkeit, insbesondere für das im Sommer diesen Jahres überarbeitete Telemediengesetz (neuer § 8 Abs. 3 TMG), werden bereits heftig diskutiert.
Ich möchte mich nachfolgend gar nicht so sehr mit den Feststellungen des EuGH zur Haftung eines Anbieters eines WLANs befassen. Vielmehr möchte ich nachfolgend kurz auf die durch den EuGH aufgestellte Anforderung eingehen, dass ein Anbieter, wenn ein Nutzer des von ihm angebotenen offenen WLANs beispielsweise Urheberrechtsverletzungen begeht, gerichtlich dazu verpflichtet werden kann, hinreichend wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um einen wirkungsvollen Schutz des Rechts des geistigen Eigentums sicherzustellen.
Nach Auffassung des EuGH muss eine solche Maßnahme bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des WLAN-Anbieters in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die Schutzgegenstände zuzugreifen (Rz. 95).
Im vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass unter den gegebenen Umständen eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, als erforderlich anzusehen ist (Rz. 99). Das vorlegende deutsche Gericht zog überhaupt nur drei mögliche Maßnahmen in Betracht; meines Erachtens ist daher auch nicht ausgeschlossen, dass andere, in diesem Verfahren nicht erwähnte Maßnahmen, ebenfalls als wirksame Alternativen angesehen werden könnten. Der EuGH verweist mehrmals ausdrücklich darauf, dass seine Prüfung vorliegend allein auf die drei durch das deutsche Gericht erwähnten Maßnahmen beschränkt ist.
Eine solche Sicherung des WLANs durch ein Passwort könnte, so der EuGH, die Nutzer dieses Anschlusses davon abschrecken, ein Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht zu verletzen, soweit diese Nutzer ihre Identität offenbaren müssen, um das erforderliche Passwort zu erhalten, und damit nicht anonym handeln können (Rz. 96).
Der EuGH macht die zu erzielende Abschreckungswirkung davon abhängig, dass sowohl ein Passwort vergeben werden muss und dieses zwingend von der Offenbarung der Identität der WLAN Nutzer abhängt. Das Ergebnis dieser Maßnahme muss nach dem Urteil des EuGH sein, dass die Nutzer „nicht anonym handeln können“.
Damit gestattet es der EuGH, dass WLAN Anbieter gerichtlich dazu verpflichtet werden können personenbezogenen Daten der Nutzer zur Identifizierung zu verarbeiten. Sie müssen ihre „Identität offenbaren“. Folglich wird diese Entscheidung auch datenschutzrechtliche Implikationen für die Anbieter von offenen WLANs haben. Sie können quasi dazu gezwungen werden, personenbezogene Daten zum Zweck der Identifizierung der Nutzer zu verarbeiten. Insbesondere dürfte es nach dem Urteil des EuGH nicht ausreichen, wenn etwa Pseudonyme vergeben werden können oder man sich zum Beispiel auch nur mit seinem Nachnamen anmelden könnte. Das Gericht bekräftigt mehrmals, dass der Nutzer seine Identität offenbaren müsse. Dies wird aber im Ergebnis nur möglich sein, wenn der Nutzer seinen vollen Namen und eventuell weitere personenbezogene Daten angibt.
Aus Sicht eines Anbieters eines WLAN muss sich dann unweigerlich die Frage stellen, auf der Grundlage welches Erlaubnistatbestandes die Verarbeitung entsprechender personenbezogener Daten zur Identifizierung eines Nutzers erlaubt ist.
Dabei wird sich zuallererst die Frage stellen, welches Gesetz überhaupt die einschlägigen datenschutzrechtlichen Regelungen für den Umgang mit personenbezogenen Daten in einem offenen WLAN bereithält. Man könnte zunächst freilich davon ausgehen, dass die datenschutzrechtlichen Regelungen der §§ 11 ff. TMG Anwendung finden, da es ja in dem Urteil um europäische Vorgaben gehen, welche ihre Umsetzung ebenfalls im TMG (§§ 7 und 8) finden. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Frage, wer datenschutzrechtlich verantwortlich ist, wer also die „verantwortliche Stelle“ (§ 3 Abs. 7 BDSG) ist, zunächst einmal nach den Vorgaben des BDSG richtet. Dies auch, soweit es die datenschutzrechtlichen Regelungen des TMG betrifft.
Verantwortlich für die Datenverarbeitung (konkret die Identifizierung der Nutzer und die Vergabe eines Passwortes) wird hier in den meisten Fällen natürlich der Anbieter des WLANs sein. Wenn dieser im Rahmen einer vorgeschalteten Webseite, bevor der Nutzer in den Genuss des Zugangs zum freien Internet kommt, personenbezogene Daten, etwa zur Identifizierung erhebt und verarbeitet, dürfte die Datenverarbeitung über diese Website im Rahmen des Bereithaltens eigener Telemedien erfolgen (freilich mag man hier auch die Frage stellen, ob eine Identifizierung über eine Webseite überhaupt wirksam möglich ist). Jedoch erscheint fraglich, ob etwa der Erlaubnistatbestand des § 15 Abs. 1 TMG (also für den Umgang mit Nutzungsdaten; Bestandsdaten nach § 14 dürften nicht vorliegen, da kein Vertragsverhältnis mit dem WLAN-Anbieter besteht) die Verarbeitung personenbezogene Daten zur Identifizierung eines Nutzers gestattet. Zwar darf der Anbieter nach § 15 Abs. 1 TMG personenbezogene Daten eines Nutzers verwenden, jedoch nur soweit dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme des Telemediums (also etwa der vorgeschalteten Anmeldewebseite) zu ermöglichen. Man könnte jedoch wohl auch die Auffassung vertreten, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten für eine Identifizierung des Nutzers ja nicht unbedingt erforderlich ist um die vorgeschaltete Webseite zu nutzen, sondern allein den Zweck hat um nach gelagert von dem Internetzugang profitieren zu können. Das Telemedium ist nur die Anmeldeseite, nicht der nachgelagerte Zugang zum Internet. Möglicherweise kann man sich hier nur mit der Einholung einer Einwilligung nach § 13 Abs. 2 TMG behelfen. Sollte die Identifzierung dagegen „offline“ erfolgen (beispielsweise prüft der Kellner im Cafe die Ausweise), würde sich die Datenverarbeitung nach den Vorgaben des BDSG richten.
Daneben muss noch beachtet werden, dass die Anbieter von WLANs als sog. „Diensteanbieter“ im Sinne des § 3 Nr. 6 b) TKG angesehen werden, da sie an der Erbringung von Telekommunikationsdiensten mitwirken. Diese Auffassung vertritt unter anderem die Bundesnetzagentur (Amtsblattmitteilung Nr. 149, 2015, PDF). Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich auch die spezialgesetzlichen Regelungen zum Datenschutz im TKG (§§ 91 ff) Anwendung finden. Möglicherweise könnten die Informationen zum Passworte und zur Identität der Nutzer auch unter den Begriff der „Verkehrsdaten“ nach § Nr. 30 TKG fallen. Deren Verarbeitung richtet sich nach den Vorgaben des § 96 TKG.
Man wird abwarten müssen, wie sich die Folgen des Urteils in der Praxis auswirken und mit den nun aufgestellten Vorgaben des Urteils umgegangen wird. Anbieter von WLANs sollten aber in jedem Fall auch die mit diesen Vorgaben des EuGH einhergehenden datenschutzrechtlichen Folgen beachten.
Die Ausage ist sachlich richtig, hilft aber dem Cafébetreiber etc. bei der Beantwortung der Frage, was genau er nun eigentlich machen soll, nicht wirklich weiter. Einige der rechtlichen Vorgaben erfordern eine ausgefeilte Benutzerverwaltung, das wird sich niemand freiwillig antun wollen (Ich sehe jedenfalls InKürze noch keine Kellner Ausweise kontrollieren 😀 ). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man daher dem Geschäftsinhaber auf Grund der undurchsichtigen Rechtslage guten Gewissens nur von einem Kunden-WLAN abraten. Die großen Center haben eine Rechtsabteilung und ggf. auch Kapital die ein oder andere Unterlassungserklärung abzufedern oder gar vor Gericht klären zu lassen, nicht jedoch der kleine Cafébetreiber. Außerdem kann man davon ausgehen, daß sich etliche Abmahnkanzleien auf genau diese WLANs von Kleinbetrieben einschießen werden.
Die Argumentation bezieht sich (wohl wegen des konkreten Rechtsfalles) ausdrücklich auf gewerbliche Anbieter. Sehr interessant wäre es zu betrachten, wie sich Gesetzgeber und Richter die zu verordnende Vorgehensweise vorstellen bei privaten WLan Routern auf dem Fensterbrett! Sollen die Passanten auf der Straße Ausweiskopien in den Briefkasten werfen? Sollen die „Anbieter des Dienstes“ personenbezogene Daten fremder Leute auf ihren virenverseuchten Spiel- und Spaß-PCs speichern?
Pingback: EuGH-Urteil zu offenen Netzen: Hintertür für Abmahnindustrie bleibt offen [Updates: Reaktionen] | netzpolitik.org