Mit Urteil vom 22. Januar 2015 (C-441/13) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung 44/2001 (EuGVVO) zur internationalen Zuständigkeit von Gerichten bei Urheberrechtsverletzungen entschieden, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Urheber? und verwandten Schutzrechten durch die Veröffentlichung von geschützten Lichtbildern auf einer Website, das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk diese Website zugänglich ist.
Sachverhalt
Frau Hejduk (die Klägerin des Ausgangsverfahrens), eine professionelle Architektur-Fotografin und Urheberin von Lichtbildwerken, hatte Bauten des österreichischen Architekten Georg W. Reinberg abgelichtet. Herr Reinberg soll im Rahmen einer von EnergieAgentur (ein deutsches Unternehmen; die Beklagte des Ausgangsverfahrens) veranstalteten Tagung diese Fotografien zur Illustration seiner Bauten verwendet haben, wozu er aufgrund einer Vereinbarung mit Frau Hejduk auch berechtigt war. EnergieAgentur soll jedoch anschließend diese Bilder ohne Zustimmung von Frau Hejduk und ohne Anführung einer Urheberbezeichnung auf ihrer Website (einer deutschen Homepage mit einer „.de“ Kennung) zum Abruf und Download bereitgehalten haben. Frau Hejduk verklagte das Unternehmen nun vor den österreichischen Gerichten, welche dem EuGH die Frage vorlegten, ob sie in dieser Situation überhaupt zuständig seien.
Entscheidung
Der EuGH stellt zunächst fest, dass Art. 5 Abs. 3 EuGVVO grundsätzlich eng auszulegen sei. Es handele sich um eine Ausnahme von dem in Art. 2 Abs. 1 EuGVVO aufgestellten Grundsatz, der die Zuständigkeit den Gerichten des Mitgliedstaats zuweist, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Danach führt das Gericht aus, dass nach seiner Rechtsprechung mit der Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint ist. Im Ergebnis kann der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann.
Daneben muss beachtet werden, dass Urheberrechte zwar einheitlich in Europa in allen Mitgliedstaaten zu schützen sind, dass sie jedoch dem sog. Territorialitätsprinzip unterliegen. Dies bedeutet, dass Urheberrechte in jedem der Mitgliedstaaten nach dem dort anwendbaren materiellen Recht verletzt werden.
Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens
Danach macht sich der EuGH an die genauere Auslegung von Art. 5 Abs. 3 EuGVVO. Zunächst befasst sich der Gerichtshof mit dem zweiten möglichen Anknüpfungspunkt einer gerichtlichen Zuständigkeit, dem Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens. Dieses ist in dem vorliegenden Fall jedoch für die Begründung der Zuständigkeit des österreichischen Gerichts nicht maßgeblich. Denn in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem die Verletzung von Urheberrechten durch die ohne Zustimmung des Urhebers erfolgte Veröffentlichung von Lichtbildern auf einer bestimmten Website im Raum steht, ist als das entscheidende „ursächliche Geschehen“ das Auslösen des technischen Vorgangs anzusehen, der zum Erscheinen der Lichtbilder auf dieser Website führt. Der EuGH führt aus, dass eine etwaige Verletzung der Urheberrechte durch das Verhalten des Inhabers dieser Website ausgelöst wird. Hieraus folge, dass das ursächliche Geschehen am Sitz des Unternehmens eintritt (hier: Deutschland) und damit keine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründet werden konnte.
Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs
Danach prüft das Gericht die zweite Alternative für eine internationale Zuständigkeit, ob nämlich das österreichische Gericht über eine Anknüpfung an die Verwirklichung des geltend gemachten Schadenserfolgs zuständig sein kann. Hierfür muss bestimmt werden, wann ein Schaden in einem anderen Mitgliedstaat als dem verwirklicht oder zu verwirklichen droht, in dem das deutsche Unternehmen die Entscheidung, die Fotografien auf seiner Website zu veröffentlichen, getroffen und durchgeführt hat. Die Klägerin machte geltend, dass ihre Urheberrechte durch die Veröffentlichung ihrer Lichtbilder auf der Website von EnergieAgentur verletzt worden seien.
Der EuGH bestätigt zunächst, dass die von Frau Hejduk geltend gemachten Rechte in Österreich geschützt sind. Das beklagte deutsche Unternehmen führte jedoch in Bezug auf die Gefahr, dass der Schadenserfolg in einem anderen Mitgliedstaat als dem seines Sitzes eintritt, aus, dass seine Website, auf der die streitigen Lichtbilder veröffentlicht worden seien und die unter einem nationalen deutschen Top-Level-Domain-Namen, d. h. „.de“, betrieben werde, nicht auf Österreich ausgerichtet sei, so dass der Schadenserfolg nicht in diesem Mitgliedstaat eingetreten sei.
Diesem Argument stellt sich der EuGH jedoch entgegen. Es ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht verlangt, dass die fragliche Website auf den Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts „ausgerichtet“ ist.
Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ergibt sich der Schadenserfolg bzw. die Gefahr seiner Verwirklichung somit daraus, dass die Lichtbilder, an denen die von Frau Hejduk geltend gemachten Rechte bestehen, über die Website von EnergieAgentur in dem Mitgliedstaat des vorlegenden Gerichts zugänglich sind.
(Hervorhebung durch mich)
Zuletzt stellt der Gerichtshof klar, dass das angerufene österreichische Gericht in Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig ist, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verursacht worden ist, zu dem es gehört.
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