Auf welche Weise wird es zukünftig möglich sein, einen angemessenen Ausgleich zwischen zwei gleichwertig geltenden Grundrechten in einem europäischen Gesetz herzustellen? Oder ist dies auf gesetzlicher Ebene überhaupt nicht möglich und sollte der Rechtsprechung überlassen bleiben? Diesen Fragen widmet sich derzeit der Rat der Europäischen Union im Rahmen der Verhandlungen zur geplanten Datenschutz-Grundverordnung (PDF, DS-GVO). Die Thematik wird insbesondere seit dem Urteil des EuGH in Sachen „Google“ (C-131/12) diskutiert, in dem der Gerichtshof einen generellen Vorrang des Grundrechts auf Datenschutz postulierte.
In einem nun veröffentlichten Dokument (PDF) aus der zuständigen Ratsarbeitsgruppe (DAPIX) vom 16. Oktober 2014, stellt die derzeitige italienische Ratspräsidentschaft vier grundsätzlich mögliche Optionen vor, um einen Ausgleich zwischen den Grundrechten auf Datenschutz und Meinungsfreiheit im zukünftigen Datenschutzrecht herstellen zu können.
Alternative 1
Es ist nicht erforderlich, in der DS-GVO eine Pflicht der Mitgliedstaaten aufzunehmen, dass diese bei der Anwendung der Gesetze verschiedene Grundrechte gegeneinander abwägen und in Einklang bringen müssen. Denn die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (PDF) gelte ohnehin direkt in jedem Mitgliedstaat und verlange bereits, einen solchen Ausgleich herbeizuführen.
Alternative 2
Ähnlich dem vorgeschlagenen Art. 80 der DS-GVO müsse eine Pflicht für Mitgliedstaaten geschaffen werden, nach der das jeweilige nationale Recht beide hier in Rede stehenden Grundrechte miteinander in Einklang bringen muss. Unter „nationalem Recht“ sei dabei auch die nationale Rechtsprechung zu verstehen.
Alternative 3
Die DS-GVO sollte, ähnlich wie derzeit Art. 9 der Datenschutz-Richtlinie (RL 95/46/EG), diejenigen Artikel bzw. Kapitel der DS-GVO benennen, von denen die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht Ausnahmen vorsehen können, wenn es für den Ausgleich zwischen dem Recht auf Datenschutz und Meinungsfreiheit erforderlich ist. Diese national ausgestalteten Ausnahmen müssten dabei optionaler Natur sein und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen.
Alternative 4
Zuletzt wäre es denkbar, eine allgemeine Regelung (etwa in Art. 1 der DS-GVO) zu schaffen, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, in ihrem nationalen Recht Ausnahmen von jeglichen Vorgaben der DS-GVO vorzusehen, wann immer dies erforderlich ist, um einen angemessenen Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungsfreiheit herzustellen.
Die Alternativen 2 und 3 sind als ausformulierte Vorschläge in dem Dokument des Rates enthalten (Art. 80). Alternative 3 beruht dabei auf einem neuen Vorschlag von Deutschland.
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