Prism – besserer Rechtsschutz für Europäer?

Nach dem Treffen der Justiz- und Innenminister der EU und der USA am 13./14.06. in Dublin, bei dem es vor allem auch um die Enthüllungen und öffentlichen Diskussionen zu dem Überwachungsprogramm „Prism“ der amerikanischen Geheimdienste ging, forderte die EU-Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, in ihrer Presseerklärung die Gleichstellung der Rechtsschutzmöglichkeiten von EU-Bürgern bei einer rechtswidrigen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch ausländische Geheimdienste.

In der Tat stellt sich etwa in Bezug auf staatliche Überwachungsmaßnahmen im Rahmen des amerikanischen Patriot Act und ergänzender gesetzlicher Befugnisse durch den FISA und den FAA 2008 (hierzu mein Blogbeitrag) das Problem, dass nicht-amerikanische Bürger, auf die sich diese Überwachungsmaßnahmen gerade beziehen, keine rechtliche Möglichkeit besitzen, etwa in den USA einen Eingriff und eine Verletzung ihres Grundrechts auf Schutz der personenbezogenen Daten (in Europa durch Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) geltend zu machen. Denn auf amerikanische Grundrechte können sich etwa EU-Bürger nicht berufen und teilweise sind einfach-gesetzlich schon keine Rechtsschutzmöglichkeiten vorgesehen. Hinzu kommt freilich, dass Auskunftsersuchen und Überwachungsmaßnehmen der staatlichen Behörden meist schon gar nicht bekannt werden, da Unternehmen hierüber keine Auskunft geben dürfen.

Die Forderung nach mehr Transparenz
Vor allem amerikanische Unternehmen wie Facebook, Google und Microsoft sehen hier eine Gefahr für ihr Geschäftsmodell. Verlieren die Nutzer das Vertrauen in die Dienste und wie diese mit ihren Daten umgehen, so könnte dies in eine Abkehr, hin zu Konkurrenzprodukten münden und letztlich weniger Umsatz zur Folge haben. Facebook und Microsoft haben daher energisch bei den amerikanischen Sicherheitsbehörden interveniert und darum gebeten, zumindest ungefähre Zahlen zu geheimen Anfragen und Auskunftsersuchen veröffentlichen zu dürfen, um so für mehr Transparenz zu sorgen. Beiden Unternehmen wurde dies nun gestattet und sie veröffentlichten die entsprechenden Informationen (Microsoft, Facebook).
Die Forderung nach größerer Information und Transparenz der behördlichen Informationsabfragen und Überwachungstätigkeiten scheint jedoch nicht nur aus Sicht der Unternehmen einen Vorteil zu besitzen. Der Aufschrei nach der Enthüllung um Prism war vor allem deshalb so heftig, weil niemand vorher genau wusste, was exakt passiert und wie weit die Überwachung geht. Dass eine Überwachung vorgenommen wird, war jedoch klar. Könnten sich die Regierungen und ihre Geheimdienste dazu durchringen, zumindest für etwa mehr Transparenz bei ihrer völlig legitimen und sicherlich auch meist erforderlichen digitalen Aufklärungsarbeit zu sorgen, so würde sich hierdurch auch bei den Bürgern das beklemmende Gefühl der Ungewissheit um ein ständiges Mithören Dritter verringern. Erhalten die Bürger Informationen (etwa auch durch die Diensteanbieter), welche Daten wann an Sicherheitsbehörden weitergegeben werden und kann man sich auf politischer Ebene sogar noch zu einer Informationspflicht durchringen, so würde dies in der breiten Bevölkerung sicherlich zu einer weitaus größeren Akzeptanz führen.
Und die Chancen für eine Einführung solcher Informationspflicht bzw. –erlaubnis (im jeweiligen nationalen Recht) für die Unternehmen stehen nicht unbedingt schlecht, wie die Reaktion der amerikanischen Behörden auf die Anfragen der Internetriesen zeigen.

Die Forderung nach Rechtsschutzmöglichkeiten
Schwieriger scheint da vor allem die Forderung nach gleichwertigen Rechtsschutzmöglichkeiten durchsetzbar zu sein. In letzter Zeit etwas in Vergessenheit geraten sind die Verhandlungen der EU mit den USA über ein internationales Datenschutzabkommen. Die Konsultationen dauern hier noch an.  Ende 2009 veröffentlichte die eigens eingesetzte „High Level Contact Group“ (HLCG) ihren Abschlussbericht zu den bereits auf dieser Ebene zwischen EU- und US-Vertretern geführten Gesprächen. Möchte man eine vorsichtige Prognose in Bezug auf die nun jüngst erneut geäußerten Forderungen nach gleichwertigen Rechtsschutzmöglichkeiten, sowohl für amerikanische Bürger in Europa, als auch für EU-Bürger in Amerika, wagen, so fällt diese eher negativ aus.
In ihrem Abschlussbericht geht die HLCG darauf ein, dass man sich im Grundsatz auf 12 Prinzipien verständigen konnte, wovon jedoch eines durch einen beiderseitigen Vorbehalt belastet ist. Und hierbei handelt es sich genau um den Punkt der Rechtsschutzmöglichkeit und möglicher Entschädigungen bei einem rechtswidrigen Umgang mit personenbezogenen Daten. Denn wie oben beschrieben besitzen die USA zum einen kein dem Art. 8 der EU-Charta vergleichbares allgemeines Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten. Rechtsschutzmöglichkeiten ergeben sich für Amerikaner aus der Verfassung und vor allem aus einfachen Gesetzen. Hier wird jedoch erneut teilweise strikt zwischen amerikanischen Bürgern und Ausländern unterschieden, wobei letztere häufig nicht in den Genuss einer Rechtsschutzmöglichkeit kommen. Dieses Unterscheidung wurde von den Amerikanern auch im Rahmen der Verhandlungen zu dem Datenschutzabkommen nicht zur Disposition gestellt und zeigt ein deutliches Auseinanderdriften der Verhandlungspositionen (S. 5 des Berichts).
Sollen nun erneut transnationale Gespräche in Bezug auf effektive Rechtsschutzmöglichkeiten geführt werden, so wird diese entgegengesetzte Sichtweise der Verhandlungspartner die Diskussionen auf eine harte Probe stellen. Ob die amerikanische Seite allein aufgrund der nun bekanntgewordenen Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste von ihrer Position abrücken wird, bleibt abzuwarten.

Ausblick
Ob Verhandlungen zwischen der EU und den USA tatsächlich zu einer Verbesserung der rechtlichen Situation europäischer Bürger bei einer Betroffenheit von ausländischen Überwachungsmaßnahmen führen werden, lässt sich nicht vorhersagen. Die Ergebnisse vergangener und derzeit noch andauernder Verhandlungen zeigen jedoch, dass hier offensichtlich schwer zu überwindende Vorbehalte und national divergierende Sichtweisen bestehen.

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